Karl Kraus


Karl Kraus wurde am 28. April 1874 in der nordböhmischen Kleinstadt Gitschin (Jicín) als Sohn des wohlhabenden jüdischen Papierfabrikanten Jakob Kraus und dessen Ehefrau Ernestine geboren. Als Karl drei Jahre alt war, zogen die Eltern mit ihm nach Wien. Nach dem Abitur begann er zunächst ein Jurastudium in Wien, entschied sich dann für Philosophie und Germanistik, machte aber in keinem Fach einen Abschluss. Stattdessen versuchte er sich als Literaturkritiker, Schauspieler, Regisseur und Vortragskünstler. Häufig hielt er sich im „Café Griensteidl“ auf, einem Treffpunkt junger Literaten in Wien.

Am 1. April 1899 gründete Karl Kraus in Wien „Die Fackel“, die sich zu einer der führenden kultur- und gesellschaftskritischen Zeitschriften im deutschsprachigen Raum entwickelte. Zu den Mitarbeitern zählten u. a. Else Lasker-Schüler und Detlev Liliencron, aber die weitaus meisten – und ab 1911 alle – Artikel schrieb Karl Kraus selbst. Weil er finanziell unabhängig war und auf keine Mitherausgeber Rücksicht nehmen musste, konnte er sich leisten, kompromisslos seine Meinung zu vertreten. Karl Kraus benutzte „Die Fackel“ als Instrument in seinem Kampf gegen hohle Phrasen, Heuchelei und Doppelmoral.

Die jüdische Religionsgemeinschaft hatte Karl Kraus bereits 1899 verlassen. Zwölf Jahre später ließ er sich taufen (Taufpate: Adolf Loos) und konvertierte zum römisch-katholischen Glauben. (Die Öffentlichkeit erfuhr davon erst, als Karl Kraus 1923 aus der Kirche austrat.)

1913 lernte Karl Kraus die böhmische Baronin Sidonie Nádherny von Borutin kennen. Sie wurde zu einer bedeutenden Gesprächs- bzw. Briefpartnerin des eigenwilligen Schriftstellers und Publizisten, aber die persönliche Beziehung entwickelte sich nicht ohne Konflikte.

Wegen seiner pazifistischen Einstellung geriet Karl Kraus während des Ersten Weltkriegs mehrmals in Schwierigkeiten. 1918/19 veröffentlichte er in Sonderheften der „Fackel“ eine vorläufige Fassung seines grandiosen Antikriegsstückes „Die letzten Tage der Menschheit“.

Als die Nationalsozialisten 1933 in Berlin an die Macht kamen, warnte Karl Kraus vor der Inhumanität des faschistischen Regimes. Dass seine Schriften bei der Bücherverbrennung am 10. Mai 1933 verschont blieben, freute ihn keineswegs:

Wo bleibt da die Gerechtigkeit, wenn man sein Leben lang zersetzend gewirkt hat, den Wehrwillen geschwächt, dem Anschluss widerraten und den ans Vaterland nur zum Schutz gegen das andere empfohlen hat, in der oft zitierten Erkenntnis, dass dort elektrisch beleuchtete Barbaren hausen und dass es ein Volk der Richter und Henker sei.

Mit dem 922. Heft im Februar 1936 stellte „Die Fackel“ ihr Erscheinen ein.

Am 12. Juni 1936 erlag Karl Kraus in Wien einer Herzembolie.

Karl Kraus gilt als einer der bedeutendsten Sprach- und Kulturkritiker in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Den nachlässigen Umgang mit der Sprache interpretierte Karl Kraus als Symptom der Gedankenlosigkeit und Unachtsamkeit im Allgemeinen, denn für ihn war die Sprache das Medium des Denkens.

Hinter Karl Kraus steht keine Religion, kein System, keine Partei, hinter Karl Kraus steht immer wieder immer nur Karl Kraus. Er ist ein in sich geschlossenes System, er ist eine Ein-Mann-Kirche, ist selbst Gott und Papst und Evangelist und Gemeinde dieses Bekenntnisses. Er spricht in eigenem Namen, in eigenem Auftrag und ohne Rücksicht auf Resonanz. Er hasst das Publikum seiner Leseabende und hasst die Leser seiner Zeitschrift, er verbittet sich jede Zustimmung […]
Er war im Grund seines Herzens Schauspieler, besser Theatermensch, und er konnte nicht zum Theater […] „Wenn ich vortrage, so ist es nicht gespielte Literatur. Aber was ich schreibe, ist gedruckte Schauspielkunst.“ Und: „Ich bin vielleicht der erste Fall eines Schreibers, der sein Schreiben zugleich schauspielerisch erlebt.“ (Hans Weigel: Karl Kraus oder die Macht der Ohnmacht, 1968)

Karl Kraus: Bibliografie (Auswahl)

  • Sittlichkeit und Kriminalität (Essays, 1908)
  • Die chinesische Mauer (Essays, 1910)
  • Heine und die Folgen (Essay, 1910)
  • Pro Domo et Mundo (Aphorismen, 1912)
  • Die letzten Tage der Menschheit (Tragödie, 1922)
  • Traumstück (Drama, 1923)
  • Literatur und Lüge (Essays, 1929)
  • Die Sprache (Aufsatzsammlung, 1937)
  • Die dritte Walpurgisnacht (1952)

© Dieter Wunderlich 2005

Karl Kraus: Die letzten Tage der Menschheit

Vladimir Nabokov - Pnin
Der Roman "Pnin" macht demjenigen Freude, der Spaß an Wortspielen,
-verrätselungen, Andeutungen und Etymologie hat. Der Autor stellt an seine Leser ausdrücklich die Forderung, aufmerksam und gründlich zu lesen (das gleiche Buch womöglich mehrmals) und sich nicht nur mit dem beschriebenen Geschehen zufrieden zu geben.
Pnin

 

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Mehr als zwei Jahrzehnte lang las ich rund zehn Romane pro Monat und stellte sie dann mit Inhaltsangaben und Kommentaren auf dieser Website vor. Zuletzt dauerte es schon einen Monat, bis ich ein neues Buch ausgelesen hatte. Aus familiären Gründen reduziere ich das Lesen und die Kommunikation über Belletristik.