Elly Beinhorn


Im Alter von dreiundzwanzig Jahren flog die Pilotin allein nach Afrika – siebentausend Kilometer in einer oben offenen Maschine aus Holz. Von Dezember 1931 bis Juli 1932 umrundete sie die Erde, wieder ohne Begleitung. Ihr Ehemann, der Rennfahrer Bernd Rosemeyer, starb am 26. Oktober 1937 – eineinhalb Jahre nach der Hochzeit und elf Wochen nach der Geburt des Sohnes – bei einem Unfall mit vierhundertdreißig Stundenkilometern. Seine Witwe überlebte ihn um siebzig Jahre.

Tabellarische Biografie: Elly Beinhorn


Elly Beinhorn:
»Neuer Wind unter meinen Flügeln«

Leseprobe aus
Dieter Wunderlich: AußerOrdentliche Frauen. 18 Porträts
Piper Verlag, München 2009 (3. Auflage: 2011)

Als Elly Beinhorn 1930 erfuhr, dass der österreichische Ethnologe Hugo Bernatzik mit seiner Ehefrau Emmy und dem Jenaer Völkerkunde-Professor Bernhard Struck eine Expedition zu den Bijagos-Inseln vor der westafrikanischen Küste plante und dafür einen Sportflieger suchte, sah die dreiundzwanzigjährige Pilotin eine Möglichkeit, ihren Traum von einem Langstreckenflug zu verwirklichen. Sie flog nach Wien, um sich bei Bernatzik vorzustellen. Er konnte zwar nicht einmal ihre Unkosten übernehmen, geschweige denn ein Honorar bezahlen, aber er begleitete sie nach Berlin und führte sie bei den Redaktionen einiger großer Zeitschriften ein. Die Herren interessierten sich durchaus für spektakuläre Fotos und Reportagen, lehnten es jedoch mit einer einzigen Ausnahme ab, Elly einen Vorschuss zu geben.

Gleichwohl verabredete sie sich für den 1. Februar 1931 mit Bernhard Struck, Hugo und Emmy Bernatzik in Bissau, der Hauptstadt von Portugiesisch-Guinea, und startete am 4. Januar 1931 in Berlin-Staaken zu einem Alleinflug nach Afrika. Die Klemm L 25, die sie sich von der Luftfahrtindustrie geliehen hatte, war ein freitragender Tiefdecker in Holzbauweise mit einem vierzig PS starken Sternmotor. Damit benötigte sie für die fünfhundert Kilometer von Berlin nach Böblingen sieben Stunden. Weiter ging es über Basel, Lyon, Barcelona, Madrid nach Sevilla. In Rabat landete Elly erstmals auf afrikanischem Boden. Dann steuerte sie Casablanca an und folgte der Küste bis Dakar. Von dort aus waren es nur noch dreihundertsechzig Kilometer bis Bissau, wo sie nach einem insgesamt siebentausend Kilometer langen Flug pünktlich am 1. Februar eintraf.

Zehn Tage später brach sie mit Hugo Bernatzik zu einem ersten Erkundungsflug über den Bijagos-Archipel auf. Viele aufregende Flüge folgten. Als sie einmal von einem Flug zurückkehrte, konnte sie den Landeplatz wegen eines Heuschreckenschwarms nicht sehen und musste – mit bangem Blick auf die Treibstoffanzeige – eine halbe Stunde kreisen, bis die gefräßigen Insekten weitergezogen waren. Ein anderes Mal deckte sie die Maschine mit Palmwedeln gegen die Sonne ab. Beim ersten Flug danach zwickte es sie fürchterlich an den Beinen, weil mit den Zweigen Wanderameisen ins Cockpit gelangt waren.

Für den Rückflug nach Casablanca wählte Elly eine Route im Landesinneren, aber nach tausendfünfhundert Kilometern blieb der Propeller wegen einer gebrochenen Ölleitung stehen. Während sie in einem Überschwemmungsgebiet bei Timbuktu notlandete, bemerkte sie einen Afrikaner, der mit erhobenen

Dieter Wunderlich: AußerOrdentliche Frauen. © Piper Verlag 2009

Händen wegrannte. Nachdem sie aus der nur leicht beschädigten Maschine geklettert war, suchte sie ihn. Er hatte sich hinter einem Baum versteckt. Sie lachte ihn an, sprach beruhigend auf ihn ein und bot ihm eine Zigarette an, aber damit konnte er nichts anfangen: Offenbar hatte er noch nie einen Weißen gesehen. Nach einer Weile tauchten weitere Afrikaner auf. Wie Elly Beinhorn später erfuhr, handelte es sich um Nomaden vom Volk der Songhai, rechtlose Sklaven der Tuareg. Irgendwie gelang es ihr, den Einheimischen mit Händen und Füßen klarzumachen, dass sie einen Boten zur nächsten europäischen Station schicken sollten. Bei fünfundvierzig Grad Celsius im Schatten hielt Elly es nicht lange ohne etwas zu trinken aus, aber es gab nichts außer sumpfigem Wasser. Desinfizieren konnte sie es nur mit etwas Cognac, den sie als Universalmittel mitgenommen hatte (»Kälte, Hitze, Bauchweh, Desinfektion – alles!« ). Die Nacht verbrachte sie – von Moskitos geplagt – in einer der vier winzigen Hütten, die die Songhai aufgestellt hatten, und erst als es wieder hell wurde, merkte sie, dass die Bewohnerin an Lepra erkrankt war.

Endlich tauchte der ausgesandte Bote mit einem uniformierten Afrikaner auf, der Elly in die fünfzig Kilometer entfernte Stadt Timbuktu führte. Weil es unmöglich war, das Flugzeug ohne Ersatzteile aus Europa zu reparieren oder durch die Sümpfe nach Timbuktu zu transportieren, musste die Fliegerin es zurücklassen. Eine Militärmaschine brachte sie nach Bamako, der südlich von Bissau gelegenen Hauptstadt des französischen Gouvernements Haut Senegal Niger. Von dort war sie zwei Wochen zuvor aufgebrochen.

Die Nachricht über ihre Notlandung in Afrika sorgte in Europa für Aufsehen und machte Elly Beinhorn erst richtig berühmt. Für den Heimflug stellte ihr eine Berliner Zeitung eine Ersatzmaschine zur Verfügung, die der Pour-le-mérite-Flieger Theodor Osterkamp nach Afrika brachte. Mit der Rettung wurde »das Klischee der schwachen, schutzbedürftigen Frau inszeniert, deren Mut zwar bewundert wird, die aber ohne männliche Hilfe und Unterstützung nicht erfolgreich sein kann und somit Geschlechterstereotype nicht in Frage stellt«. – Elly fuhr mit dem Zug nach Dakar und ging dort an Bord eines Schiffes, das sie nach Casablanca brachte, wo Osterkamp sie am Kai erwartete. Am 29. April 1931 traf sie wieder in Berlin ein.

Quelle: Dieter Wunderlich, AußerOrdentliche Frauen. 18 Porträts
© Piper Verlag, München 2009
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Fußnoten wurden in der Leseprobe weggelassen.

Elly Beinhorn (tabellarische Biografie)

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Mehr als zwei Jahrzehnte lang las ich rund zehn Romane pro Monat und stellte sie dann mit Inhaltsangaben und Kommentaren auf dieser Website vor. Zuletzt dauerte es schon zehn Tage und mehr, bis ich ein neues Buch ausgelesen hatte, und die Zeitspanne wird sich noch verlängern: Aus familiären Gründen werde ich das Lesen und die Kommunikation über Belletristik deutlich reduzieren.