Ilich Ramírez Sánchezalias Carlos der Schakal


Ilich Ramírez Sánchez wurde am 12. Oktober 1949 in Caracas, der Hauptstadt von Venezuela, als Sohn eines erfolgreichen kommunistischen Anwalts geboren, der dafür sorgte, dass sich sein Sohn im Alter von zehn Jahren einer Jugendorganisation der Kommunistischen Partei anschloss. Ilichs Mutter übersiedelte nach ihrer Ehescheidung 1966 mit ihm und seinem Bruder Lenin nach London. Zum Jurastudium ging Ilich Ramírez Sánchez 1968 nach Moskau, wurde jedoch zwei Jahre später wegen „antisowjetischer Propaganda“ ausgewiesen.

Nachdem Mohamed Boudia, der für Europa zuständige Vertreter der marxistischen Volksfront zur Befreiung Palästinas (PFLP), am 28. Juni 1973 bei einem Sprengstoff-Anschlag in Paris getötet worden war, diente Ilich Ramírez Sánchez sich dem PFLP-Chef Wadi Haddad in Beirut als Ersatz an. Wadi Haddad ernannte zwar nicht ihn, sondern Michel Moukharbal („André“) zum Europa-Chef der PFLP, aber er nahm Ilich Ramírez Sánchez unter dem Decknamen Carlos in die Organisation auf.

Im Auftrag der PFLP verübte Carlos einen Anschlag auf Joseph Sieff, einen der Eigentümer von Marks & Spencer und Vizepräsidenten der britischen Zionistenvereinigung. Kaltblütig drang er am 30. Dezember 1973 in dessen Haus ein und schoss dem Siebenundsechzigjährigen ins Gesicht. Joseph Sieff überlebte schwer verletzt, weil Carlos‘ Pistole nach dem ersten Schuss klemmte.

Attentate auf eine Bank in London, auf drei Zeitungen und eine Gaststätte in Paris folgten. Am 13. und 19. Januar 1975 beteiligte Carlos sich in Paris-Orly an missglückten Bazooka-Angriffen auf zwei Passagierflugzeuge der El Al, die PLO-Chef Jassir Arafat nach seiner Rede am 13. November 1974 vor der UN-Vollversammlung in New York diskreditieren sollten. Der zwei Jahre ältere deutsche Buchhändler Johannes Weinrich, ein Mitglied der Revolutionären Zellen, schloss sich Carlos in dieser Zeit an.

Durch den im Juni 1975 verhafteten Doppelagenten Michel Moukharbal, der sowohl für die PFLP als auch für den israelischen Geheimdienst Mossad gearbeitet hatte, kam die französische Polizei Carlos auf die Spur, aber als man ihn am 27. Juni 1975 mit Hilfe Moukharbals verhaften wollte, erschoss Carlos seinen PFLP-Kontaktmann sowie zwei französische Geheimagenten und entkam in den Libanon.

Am 21. Dezember 1975 gehörte der inzwischen zum Islam konvertierte Carlos zu den sechs Terroristen, die in das Gebäude der Organization of the Petroleum Exporting Countries (OPEC) in Wien eindrangen, drei Teilnehmer einer Konferenz erschossen und siebzig als Geiseln nahmen. Sie verlangten die Veröffentlichung eines politischen Pamphlets, in dem sie die arabischen Regierungen zum kompromisslosen Kampf gegen Israel aufforderten. (Nicht für die Öffentlichkeit bestimmt war eine Geldforderung in unbekannter Höhe.) Am Tag darauf ließen sie sich mit einem Teil der Geiseln ausfliegen. Nach Landungen zuerst in Algier, dann in Tripolis kehrten sie nach Algerien zurück und ergaben sich dort am 23. Dezember den Sicherheitskräften. Carlos reiste über die Grenze nach Libyen und von dort in den Jemen, wo er auf einer Konferenz in Aden aus der PFLP verstoßen wurde, weil man ihn verdächtigte, einen Teil des in Wien erpressten Geldes unterschlagen zu haben. Außerdem missfiel den Palästinensern Carlos‘ Drang zur Selbstdarstellung.

Nach einer vorübergehenden Inhaftierung im September 1976 in Jugoslawien setzte Carlos sich nach Bagdad ab. Er knüpfte und pflegte Kontakte zum irakischen Regime und zu Geheimdiensten des Ostblocks ebenso wie zur RAF. Er verstand sich von Anfang an als Aktivist einer internationalen (heute würde man sagen: globalen) Bewegung.

Zu Beginn der Achtzigerjahre stellte er aus Terroristen, die verschiedenen Nationalitäten angehörten, die „Organization of the Armed Arab Struggle-Arm of the Arab Revolution“ (OAAS) zusammen,

die auch mit dem Ministerium für Staatssicherheit der DDR Kontakte knüpfte. Am 20. Juli 1981 verübte die Gruppe einen Anschlag auf den antikommunistischen Propagandasender Radio Free Europe in München.
Als es der französischen Polizei am 16. Februar 1982 gelang, Carlos‘ deutsche Geliebte Magdalena Kopp alias Lilly (1948 – 2015) und ein weiteres OAAS-Mitglied zu verhaften, begann der weltweit gesuchte Terrorist einen Privatkrieg gegen Frankreich. Dazu gehörten Bombenanschläge am 29. März 1982 auf den TGV von Paris nach Toulouse, am 22. April 1982 auf eine Zeitung in Paris, am 25. August 1983 auf das französische Kulturzentrum „Maison de France“ in Berlin und am 31. Dezember 1983 auf den Bahnhof Saint-Charles in Marseille.

Nachdem ihn Ungarn 1985 ausgewiesen hatte, lebte Carlos mit seiner freigelassenen Lebensgefährtin Magdalena Kopp und deren 1986 geborenen Tochter in Damaskus. Syrien musste er im September 1991 verlassen. Nach einem kurzen Aufenthalt in Jordanien suchte Carlos in Khartum Zuflucht.
Das blieb den westlichen Geheimdiensten nicht verborgen. Frankreich setzte die sudanesische Regierung unter Druck, bis diese Carlos am 14. August 1994 verhaften und französischen Geheimagenten übergeben ließ. Am Tag darauf traf Carlos im Gefängnis La Santé in Paris ein. Ein Gericht verurteilte ihn am 23. Dezember 1997 zu lebenslanger Haft. Ende 2011 wurden Urteil und Strafmaß bestätigt. Die Richter konnten sich inzwischen auf Stasi-Unterlagen und Erkenntnisse anderer östlicher Geheimdienste stützten. Vor einem Sondergericht in Paris begann am 13. Mai 2013 ein Berufungsprozess gegen Carlos.

Er soll mindestens dreiundachtzig Menschen getötet haben.

2003 erschien sein im Gefängnis verfasstes Buch „Revolutionärer Islam“.

Carlos heiratete er seine Rechtsanwältin Isabelle Coutant-Peyre nach islamischem Ritus.

Olivier Assayas drehte mit Édgar Ramírez in der Titelrolle einen Film über den ehemaligen Terroristen, der am 4. November 2010 in einer dreistündigen Fassung die deutschen Kinos kam und am 20./21. Oktober 2011 bei Arte erstmals in einer dreiteiligen, fast sechs Stunden langen Fernsehfassung von Arte ausgestrahlt wurde: „Carlos. Der Schakal“.

© Dieter Wunderlich 2005 – 2013

Olivier Assayas: Carlos. Der Schakal

Christian Duguay: The Assignment

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Die Novelle "Das Konzert" von Hartmut Lange handelt von Schuld und Vergebung im Zusammenhang mit dem Holocaust. Hartmut Lange erzählt die surreale, bestürzende Geschichte in einer bewusst unprätentiösen Weise.
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Mehr als zwei Jahrzehnte lang las ich rund zehn Romane pro Monat und stellte sie dann mit Inhaltsangaben und Kommentaren auf dieser Website vor. Zuletzt dauerte es schon zehn Tage und mehr, bis ich ein neues Buch ausgelesen hatte, und die Zeitspanne wird sich noch verlängern: Aus familiären Gründen werde ich das Lesen und die Kommunikation über Belletristik deutlich reduzieren.