Die Auslöschung

Die Auslöschung

Die Auslöschung

Originaltitel: Die Auslöschung – Regie: Nikolaus Leytner – Drehbuch: Agnes Pluch, Nikolaus Leytner – Kamera: Hermann Dunzendorfer – Schnitt: Karin Hartusch – Musik: Matthias Weber – Darsteller: Klaus Maria Brandauer, Martina Gedeck, Birgit Minichmayr, Philip Hochmair, Regina Fritsch, Andreas Kiendl, Carl Achleitner, Toni Slama, Isolde Pezet, Jana Podlipna u.a. – 2013; 90 Minuten

Inhaltsangabe

Wenige Stunden nach der ersten Begegnung schlafen der 70-jährige Kunsthistoriker Ernst Lemden und die 20 Jahre jüngere Restauratorin Judith Fuhrmann miteinander, aber was als One-Night-Stand gedacht war, erweist sich als Beginn einer tiefen Liebesbeziehung. Die zerbricht auch nicht, als Ernst an Alzheimer erkrankt. Er weiß, dass es im Krankheitsverlauf ein Stadium gibt, in dem sich die eigene Persönlichkeit und die Beziehungen auflösen. Das möchte er nicht erleben ...
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Kritik

Wie die beiden Hauptfiguren sich begegnen und verlieben, ist Nikolaus Leytner nur ein paar Minuten wert; er konzentriert sich in "Die Auslöschung" darauf, den schleichenden Verlauf einer Alzheimer-Erkrankung zu zeigen.
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Der 70-jährige Kunsthistoriker Ernst Lemden (Klaus Maria Brandauer) hält in einer Wiener Kunstausstellung einen Vortrag über die Bedeutung des Schattens in Gemälden und signiert anschließend Exemplare seines Buches „Der Schatten in der Kunst“. Da fällt dem Witwer eine Frau im Publikum auf, die sich mit einem Kuss von ihrem Begleiter (Carl Achleitner) verabschiedet. Ernst spricht sie an und lädt sie auf ein Glas Wein ein. Sie heißt Judith Fuhrmann (Martina Gedeck) und arbeitet als Restauratorin. Nachdem die beiden in einem Weinlokal eine Weile geplaudert haben, will er sie nach Hause fahren, weil er aber nicht mehr weiß, wo er sein Auto geparkt hat, hält er ein Taxi an. Zuerst nennen Ernst und Judith dem Fahrer die zwei Adressen, die er nacheinander ansteuern soll, aber dann lassen sie sich spontan zu einem Hotel bringen und nehmen dort ein Zimmer.

Am anderen Morgen schleicht Judith sich davon. Die 50-Jährige hätte es nicht für möglich gehalten, dass sie sich einmal auf einen One-Night-Stand einlassen würde.

Aber es bleibt auch nicht bei einer Nacht, denn Ernst wartet am Abend vor ihrer Haustüre, und sie setzen die Beziehung fort.

Drei Monate nach der ersten Begegnung begleitet Judith ihren neuen Lebensgefährten zur Taufe seines Enkels Emil. Auf dem Weg dorthin verfährt sich Ernst. Bei der Familienfeier lernt Judith seine Tochter Katja (Birgit Minichmayr), deren Ehemann Christoph (Andreas Kiendl), Ernsts Sohn Theo (Philip Hochmair) und die übrige Verwandtschaft kennen. Ernst hat das Geschenk für den Täufling vergessen. Als er sich bei seiner Tischrede nicht mehr an den Namen seines Enkels erinnert, beendet er sie mit einem Witz über Alzheimer-Kranke („man lernt ständig neue Leute kennen“).

Neun Monate nach der Taufe zeigt Judith der mit ihr befreundeten Kollegin Bettina (Regina Fritsch) die neue Wohnung, in die sie und Ernst gezogen sind. Es irritiert sie, als sie ihm Kühlschrank seine Brille findet.

Ernst ist währenddessen beim Arzt (Florian Teichtmeistern) und lässt sich wegen seiner Vergesslichkeit untersuchen. Die Diagnose lautet: Alzheimer.

Eineinhalb Jahre später versteckt Ernst hinter einem Buch in seinem Bücherregal ein Medizinfläschchen mit einem Pulver und legt sich dann einen Zettel in die Brieftasche, auf den er „Seneca bringt Erlösung“ geschrieben hat.

Als Judith von der Arbeit nach Hause kommt, fragt er sie, wie ihr Tag war. Ein paar Minuten später stellt er die Frage noch einmal und merkt an ihrer Reaktion, dass er sich wiederholt hat. Entsetzt springt er auf und beschäftigt sich in der Küche.

Nach einem Konzert seines Sohnes geht Ernst zur Garderobe. Katja folgt ihm und spricht ihn an, aber er hält sie für eine Fremde.

Eines Abends findet Judith die Wohnung verqualmt vor. Auf dem Elektroherd steht ein Topf mit verschmortem Inhalt. Ernst ist nicht da. Judith findet ihn nach langem Suchen an der Theke einer Bar. Dass er sie nicht gleich erkennt, versucht er zu überspielen.

Er geht mit ihr zu einem Notar und tritt freiwillig seine Rechtsfähigkeit an sie ab.

Ernst hat gelesen, dass zur Alzheimer-Krankheit ein Stadium gehört, in dem der Patient nicht mehr weiß, dass er krank ist, sein Ich verliert und seine Angehörigen nicht mehr erkennt. Diesen Verlust der Selbstständigkeit will er nicht erleben. Er zeigt Judith das im Bücherregal versteckte Gift und lässt keinen Zweifel daran, dass er von ihr Sterbehilfe erwartet, sobald er die „gnädige Schwelle“ überschritten hat. Judith ist entsetzt.

Als sie zweieinhalb Jahre später auf das fast vergessene Fläschchen stößt, geht sie damit ins Bad, um den Inhalt ins WC zu schütten, aber im letzten Augenblick hält sie inne und bewahrt das Gift auf.

Weitere eineinhalb Jahre später: Ernst sitzt inzwischen im Rollstuhl, und wenn Judith im Atelier arbeitet, passt die Pflegerin Ela (Jana Podlipna) auf ihn auf. Nachts haben Ernst und Judith in ihren Schlafzimmern den Sender bzw. Empfänger eines Babyfons auf dem Nachttisch stehen.

Theo wundert sich bei einem Besuch darüber, dass sein Vater „Anna“ zu Judith sagt. „Meint er jetzt noch dich?“, fragt er. „Ist das nicht egal?“, antwortet Judith. Theo weiß, dass sein Vater als Junge unglücklich in ein zehn Jahre altes Nachbarmädchen namens Anna verliebt war.

Eines Nachts wird Judith durch Krach geweckt. Ernst ist dabei, die Bücher aus den Regalen zu reißen. Offenbar sucht er verzweifelt nach dem Gift.

Da kocht Judith ihm Griesbrei, eine Süßspeise, die er gern isst. Sie mischt das Pulver aus dem Fläschchen hinein und schaut dann zu, wie Ernst den Teller mit gutem Appetit leer isst. Anschließend setzt sie sich mit ihm auf die Couch und lässt von ihm aufgenommene Videos laufen. Es sind Bilder von der Taufe seines Enkels und ein Regenbogen. Als der Regenbogen verblasst, sind Ernst und Judith aus dem Off zu hören. Er sagt: „Ich glaube, es ist vorbei.“ Und sie antwortet: „Aber schön war es.“

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Agnes Pluch (Drehbuch) und Nikolaus Leytner (Regie, Drehbuch) zeigen nur kurz, wie sich der 70-jährige Kunsthistoriker Ernst Lemden und die 20 Jahre jüngere Restauratorin Judith Fuhrmann kennenlernen und sich wenige Stunden später auf einen One-Night-Stand einlassen, der sich dann unerwartet als Beginn einer tiefen Liebesbeziehung erweist. Das wird in „Die Auslöschung“ einfach konstatiert; nachvollziehbar ist es nicht. Die Vorgeschichte interessiert Agnes Pluch und Nikolaus Leytner offenbar nicht; sie konzentrieren sich in dem Fernsehfilm „Die Auslöschung“ ganz auf den schleichenden Verlauf einer Alzheimer-Erkrankung: den Verlust der Selbstbestimmung, die Auflösung sowohl der eigenen Persönlichkeit als auch der Beziehungen. „Die Auslöschung“ handelt von später Liebe und Tod. Sterbehilfe wird als Liebesbeweis dargestellt.

Unaufgeregt und ohne Larmoyanz entwickeln Agnes Pluch und Nikolaus Leytner die Handlung, die sich problemlos auf einer Theaterbühne darstellen ließe.

Getragen wird der traurige Film von eindrucksvollen schauspielerischen Leistungen. Dabei sind vor allem Klaus Maria Brandauer, Martina Gedeck und Birgit Minichmayr zu nennen.

Ein mehrmals in „Die Auslöschung“ gezeigtes Kunstwerk stammt aus dem Jahr 1529, wurde von Lukas Furtenagel geschaffen und trägt den Titel „Der Maler Hans Burgkmair und seine Frau Anna“.

Den Filmtitel übernahm Nikolaus Leytner von Thomas Bernhard, der 1986 den Roman „Auslöschung. Ein Zerfall“ veröffentlicht hatte. Er besteht aus dem inneren Monolog eines Mannes namens Franz-Josef Murau, der sich nach dem Unfalltod seiner Eltern und seines Bruders an seine Jugend im Schloss Wolfsegg erinnert, und zwar in der Hoffnung, das Beschriebene auszulöschen.

Die Dreharbeiten fanden im Mai 2012 in Wien und Umgebung statt.

„Die Auslöschung“ wurde am 13. Februar 2013 vom ORF erstmals ausgestrahlt. Am 8. Mai 2013 war der Film im Ersten Programm der ARD zu sehen.

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Inhaltsangabe und Rezension: © Dieter Wunderlich 2013

Alzheimer

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Ralf Rothmann veranschaulicht in seinem Roman "Im Frühling sterben" das Absurde und Barbarische des Kriegs. Dabei verdichtet er das Geschehen auf ein auswegloses Dilemma und ebenso markante wie bestürzende Szenen. Vieles wird in Dialogen wiedergegeben.
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Mehr als zwei Jahrzehnte lang las ich rund zehn Romane pro Monat und stellte sie dann mit Inhaltsangaben und Kommentaren auf dieser Website vor. Zuletzt dauerte es schon einen Monat, bis ich ein neues Buch ausgelesen hatte. Aus familiären Gründen reduziere ich das Lesen und die Kommunikation über Belletristik.