Lushins Verteidigung
Lushins Verteidigung
Inhaltsangabe
Kritik
Als Kind lässt Alexander Iwanowitsch („Sascha“) Lushin (Alexander Hunting) sich von seiner Tante Anna (Orla Brady) zeigen, wie man Schach spielt. Auf Dauer kann er seine Leidenschaft für das Spiel nicht vor seinen Eltern (Kelly Hunter, Mark Tandy) verheimlichen. Weil er drei Wochen lang die Schule schwänzt, um ungestört Schach spielen zu können, wird er relegiert. Mit vierzehn gewinnt er erstmals einen Preis bei einem Schachturnier. Nachdem sich seine Mutter vergiftete, weil ihr Mann sie mit ihrer Schwester Anna betrog, schickt dieser seinen Sohn zu dem Großmeister Leo Valentinov (Stuart Wilson), der verspricht, das außergewöhnliche Talent des Jungen zu fördern. Doch als Lushin vierzehn Jahre später beim Simultanschach eine Partie verliert, reist Valentinov ohne ihn nach Amerika.
Lushin (ab jetzt: John Turturro) kennt nichts außer Schach. Als Valentinov ihn stehen lässt, weiß er nicht einmal, in welcher Stadt er sich befindet. Obwohl der Sonderling in den vornehmsten Hotels absteigt, trägt er einen speckigen Anzug. Die Menschen um ihn herum interessieren ihn nur, wenn es sich um Schachpartner handelt, und Lushin versteht auch nichts vom Small Talk. Das Schachgenie ist sich seiner Verschrobenheit gar nicht bewusst. Valentinov täuschte sich jedoch, als er annahm, Lushin sei nicht gut genug, um zur Weltspitze der Schachspieler vorzurücken.
1929 reist Lushin zum Comer See und quartiert sich in einem Luxushotel ein, in dem er bereits als Kind zur Kur gewesen war. Zweck seines Aufenthalts ist die Teilnahme an einem Schachturnier um die Weltmeisterschaft. Als Favoriten gelten Lushin und der eitle Italiener Salvatore Turati (Fabio Sartor).
Im selben Hotel wohnt die russische Emigrantin Natalia Katkov (Emily Watson) mit ihren Eltern Vera und Ilya (Geraldine James, Peter Blythe) und dem wohlhabenden Heiratskandidaten Comte Jean de Stassard (Christopher Thompson). Zwei Tage nachdem Lushin die junge Frau zum ersten Mal gesehen hat, bittet er sie, seine Frau zu werden. Statt den unbeholfenen Mann zurückzuweisen, will ihn Natalia näher kennen lernen. Wie lang er schon Schach spiele, fragt sie. „9263 Tage, 4 Stunden und 5 Minuten“, lautet die Antwort. In mehreren Gesprächen mit Lushin entdeckt Natalia liebenswerte Charakterzüge an dem skurrilen Junggesellen, und sie verliebt sich in ihn.
Schließlich entscheidet sie sich, den Heiratsantrag anzunehmen und stellt Lushin ihrer versnobten Mutter vor. Vera Katkov, die für ihre Tochter eine gute Partie anstrebt, ist entsetzt, denn sie hält den Bräutigam für verrückt. Natalia lässt sich jedoch nicht beirren, bestellt das Aufgebot und geht mit Lushin zwischen den Schachpartien ins Bett. Damit öffnet sie dem Autisten die Tür zur „normalen“ Welt.
Unerwartet taucht Leo Valentinov auf, der inzwischen aus den USA zurückgekehrt ist und zu seiner Verwunderung erfahren hat, dass Lushin gute Chancen hat, Schachweltmeister zu werden. Er will sich nicht eingestehen, dass er sich damals in Lushin irrte und setzt alles daran, Salvatore Turati zum Sieg zu verhelfen. Er führt sich bei Natalia als alter Freund und Förderer Lushins ein, sorgt aber hinterlistig dafür, dass dieser von Erinnerungen an die unglückliche Kindheit und Jugend heimgesucht wird. Um ihn noch stärker unter Druck zu setzen, lässt er ihn entführen und in den Bergen aussetzen. Auf diese Weise treibt Valentinov seinen früheren Schützling in einen Nervenzusammenbruch. Die entscheidende Partie zwischen Lushin und Turati muss unterbrochen werden. Im Krankenhaus raten die Ärzte Natalia dringend, ihren Verlobten vom Schachspiel fernzuhalten, denn die einseitige geistige Anstrengung mache ihn krank.
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Nachdem Lushin sich erholt hat, erklärt er sich bereit, das Schachspiel aufzugeben. Wichtiger ist ihm die gemeinsame Zukunft mit Natalia. Als er im Hochzeitsanzug zur Kirche fährt, steigt jedoch Valentinov zu ihm in den Wagen: Der Intrigant hat alles vorbereitet, damit die unterbrochene Schachpartie unter Zeugen fortgesetzt werden kann. Lushin springt aus dem fahrenden Auto und flüchtet in sein Hotelzimmer. In der Kirche warten Natalia, ihre Eltern und die eingeladenen Gäste vergeblich auf den Bräutigam. Ahnungsvoll eilt Natalia schließlich ins Hotel. Weil Lushins Tür verschlossen ist, holt sie den Hotelmanager (Carlo Greco) und bittet ihn, aufzuschließen. Inzwischen ist Lushin jedoch aus dem Fenster gesprungen.
In den Kleidungsstücken des Toten findet Natalia einen Zettel mit Notizen. Sie zeigt Jean das Blatt Papier. Der Graf begreift, dass Lushin für die noch offene Partie eine geniale Verteidigung ersonnen hat. Mit seiner Hilfe erreicht Natalia, dass sie anstelle ihres toten Bräutigams die Partie gegen Turati zu Ende spielen darf: Mit den notierten Zügen gelingt es ihr, den Italiener matt zu setzen und Lushin posthum die Weltmeisterschaft zu erkämpfen.
nach oben (zur Kritik bzw. Inhaltsangabe)Der Brite Peter Berry (Drehbuch) und die Niederländerin Marleen Gorris (Regie) adaptierten den 1930 in Berlin von dem Emigranten Vladimir Nabokov unter dem Pseudonym V. Sirin in russischer Sprache veröffentlichten Roman „Lushins Verteidigung“ („Luzhins Verteidigung“) fürs Kino.
„Lushins Verteidigung“ handelt von einem Schachgenie, das sich in der Alltagswelt ebenso wenig zurechtfindet, wie das Klaviergenie in „Shine“ (1996) oder das Mathematikgenie in „A Beautiful Mind“ (2001). Es geht um die Dichotomien Genie und Wahnsinn, Kunst und Leben. Indem Natalia sich für Alexander Iwanowitsch Lushin und gegen Jean de Stassard entscheidet, sprengt sie die gesellschaftlichen Zwänge und eröffnet dem Schachgenie eine neue Welt. Mit Lushin und Natalia verhält es sich wie mit dem König und der Dame auf dem Schachbrett: Weil die Bewegungsmöglichkeit des Königs sehr eingeschränkt ist, die der Dame dagegen nicht, stellt sie die stärkere Figur dar. Nur mit der Dame hat der König eine Chance – doch retten kann die Dame den König in „Lushins Verteidigung“ am Ende nicht.
In Rückblenden erzählen Peter Berry und Marleen Gorris die Vorgeschichte des Schachgenies. Hervorzuheben sind die ästhetisch komponierten und ausgeleuchteten Bilder von Bernard Lutic und die grandiose Ausstattung (Kostüme: Jany Temime, Art Director: Zsuzsanna Borvendég). Gedreht wurde übrigens in einer Villa am Comer See, in der Luchino Visconti einen Teil seiner Jugend verbracht hatte. Sehenswert ist „Lushins Verteidigung“ vor allem wegen der schauspielerischen Leistung von Emily Watson und John Turturro.
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Inhaltsangabe und Filmkritik: © Dieter Wunderlich 2008
Marleen Gorris: Mrs Dalloway