Paneuropäisches Picknick, Sopron 1989


Auf Anregung der ungarischen Sektion der Paneuropäischen Union veranstalteten die beiden ungarischen Oppositionsparteien Demokratisches Forum und Freie Demokraten am 19. August 1989 in Sopronköhida, einem Ort zwischen Sopron in Ungarn und St. Margarethen im Burgenland, ein „Paneuropäisches Picknick am Ort des ‚Eisernen Vorhangs'“. Mit dem Abbau der Überwachungsanlagen an der ungarisch-österreichischen Grenze war am 2. Mai 1989 begonnen worden. Gyula Horn und Alois Mock, die Außenminister von Ungarn bzw. Österreich, hatten am 27. Juni bei Sopron den „Eisernen Vorhang“ symbolisch zerschnitten.

In Ungarn warteten im Sommer 1989 bereits Zehntausende Urlauber aus der DDR auf eine Gelegenheit, sich in den Westen abzusetzen. Viele von ihnen, die versuchten, die Grenze einzeln zu überqueren, wurden aufgegriffen. Die Ungarn sperrten sie zwar nicht ein, stempelten jedoch ihre Ausweise mit einem Vermerk über die missglückte Flucht. Deshalb hätten sie in der DDR mit Schikanen rechnen müssen. In eigens aufgestellten Wohnwagen versuchten Beamte des Ministeriums für Staatssicherheit mit der Zusicherung von Straffreiheit zur Rückkehr in die DDR zu überreden.

Als die ungarisch-österreichische Grenze während des Paneuropäischen Picknicks am 19. August 1989 für drei Stunden geöffnet wurde, rannten schätzungsweise 680 DDR-Bürger auf die andere Seite.

Der dreiundvierzigjährige Hauptmann Arpad Bella, der damals für die Bewachung der Grenze im Bereich von Sopron zuständig war, hätte die „Republikflüchtlinge“ eigentlich aufhalten müssen. Wegen des Massenandrangs wäre das nur gewaltsam möglich gewesen, und erst an diesem Morgen hatte das Grenzkommando darauf hingewiesen, dass Waffen nur eingesetzt werden sollten, falls Grenzbeamte sich bedroht fühlten. Arpad Bella wies deshalb seine Männer an, die Flüchtlinge zu ignorieren. Damit riskierte er eine Haftstrafe.

Auch sein Gegenüber auf der österreichischen Seite, Johann Göltl, hätte den Vorschriften entsprechend einschreiten müssen, doch Arpad Bella und er kamen überein, den Dingen ihren Lauf zu lassen.

Es heißt, das sei im Sinne der ungarischen Regierung gewesen, die zwar zu diesem Zeitpunkt noch nicht wagte, eine Anweisung zur Öffnung der Grenze zu erteilen, das Paneuropäische Picknick jedoch als Testlauf ansah und auf die Reaktion der DDR und der anderen Länder des Warschauer Paktes gespannt war.

Der Weimarer Architekt Kurt-Werner Schulz, der mit seiner Lebensgefährtin und seinem Sohn über die Grenze nach Österreich flüchteten wollte, wurde am 21. August erschossen. Zu diesem Zeitpunkt hatte die von Miklos Nemeth geführte ungarische Regierung bereits beschlossen, die DDR-Bürger ausfliegen zu lassen, die in der bundesdeutschen Botschaft in Budapest ausharrten.

Während dies am 22. August geschah, rannten noch einmal 240 Flüchtlinge über die Grenze nach Österreich.

Wegen der Überfüllung der Botschaft der Bundesrepublik Deutschland hatte der Malteser Hilfsdienst am 14. August 1989 bei der Zugliget-Kirche in Budapest ein Flüchtlingslager eingerichtet. Die Menschen im Lager mussten noch bis zum 10. September um Mitternacht ausharren, dann erlaubte Ungarn „allen Deutschen die Ausreise in ein Land ihrer Wahl“. Diesen Schritt hatten Miklos Nemeth und Gyula Horn ihren bundesdeutschen Amtskollegen Helmut Kohl und Hans Dietrich Genscher bei einem Geheimtreffen auf Schloss Gymnich am 25. August angekündigt.

Das Paneuropäische Picknick gilt als Meilenstein der Entwicklung, die zum Fall des Eisernen Vorhangs und zur Auflösung des Warschauer Paktes, zur Öffnung der Berliner Mauer und zur Wiedervereinigung Deutschlands führte.

Anlässlich des 20. Jahrestages der Ereignisse enthüllte Tamas Fodor, der Bürgermeister von Sopron, am 19. August 2009 im Beisein von Regierungsvertretern die von dem Bildhauer Miklos Melocco geschaffene Marmorskulptur „Durchbruch“.

Peter Vogel drehte über die Vorgänge im Sommer 1989 in Ungarn den Film „Einfach raus“.

© Dieter Wunderlich 2009

Peter Vogel: Einfach raus

Nino Haratischwili - Das mangelnde Licht
"Das mangelnde Licht" ist eine fulminante kritische Gesellschaftsstudie, aber zugleich auch eine Adoleszenz- bzw. Entwicklungsgeschichte und eine Tragödie. Phasenweise liest sich "Das mangelnde Licht" wie ein Politthriller oder Kriminalroman. Nino Haratischwili wechselt elegant zwischen Gegenwart und Vergangenheit. Sie schreibt anschaulich und mitreißend aus Ketos Perspektive. Aufwühlende Szenen wechseln sich mit realistischen Dialogen und klugen Reflexionen ab.
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Mehr als zwei Jahrzehnte lang las ich rund zehn Romane pro Monat und stellte sie dann mit Inhaltsangaben und Kommentaren auf dieser Website vor. Zuletzt dauerte es schon zehn Tage und mehr, bis ich ein neues Buch ausgelesen hatte, und die Zeitspanne wird sich noch verlängern: Aus familiären Gründen werde ich das Lesen und die Kommunikation über Belletristik deutlich reduzieren.