Erdbeben


Die zwischen zehn und siebzig Kilometer dicke Erdkruste, der oberste Bereich der Lithosphäre, besteht aus sieben größeren und mehreren kleineren kontinentalen und ozeanischen Platten, die auf der darunter liegenden Schicht sozusagen schwimmen und sich bei ihren Konvektionsbewegungen gegeneinander verschieben (Kontinentalverschiebung, Plattentektonik). Dabei kann eine der Platten nach unten oder oben gedrückt werden (Abschiebung, Überschiebung), oder die Plattenkanten reiben horizontal aneinander (Horizontalverschiebung), wie es im San-Andreas-Graben in Kalifornien der Fall ist. Auch wenn es sich nur um einige Zentimeter pro Jahr handelt, ergeben sich daraus im Lauf der Zeit größere Veränderungen, und wenn die Reibung zwischen den Gesteinen die Bewegung verhindert, baut sich eine Spannung auf, die sich in heftigen Erdbeben oder Seebeben entladen kann (tektonisches Beben, Dislokationsbeben). Daher ist die Wahrscheinlichkeit von Beben (Seismizität) entlang der Kanten dieser Platten besonders hoch.

Bei mehr als neunzig Prozent der Erd- und Seebeben handelt es sich um tektonische Beben. Beben können jedoch auch durch aufquellende Lava oder den Einsturz eines unterirdischen Hohlraums beispielsweise in einem Bergwerk ausgelöst werden. Mitte der Sechzigerjahre verursachte das Einpumpen von Abwässern in einen Schacht bei Denver, Colorado, eine Serie kleinerer Erdbeben.

Bei einem Beben entstehen im Hypozentrum des Erdbebens drei Arten von seismischen Wellen. Da sind zunächst die Primärwellen (P-Wellen, P von primary). Dabei handelt es sich um Kompressionswellen,

die sich nicht nur in festen, sondern auch in flüssigen bzw. gasförmigen Stoffen rasch ausbreiten und unter Umständen als Geräusche hörbar sind. Deutlich langsamer sind die Sekundärwellen (S-Wellen, S von secondary), das sind Scherungs- bzw. Transversalwellen, die sich nur in fester Materie fortpflanzen. Bei den verhältnismäßig langsamen Oberflächenwellen (L-Wellen, L von long) handelt es sich um Erdbebenwellen, die sich an der Erdoberfläche kreisförmig um das Epizentrum ausbreiten. (Unter dem Epizentrum versteht man den Punkt auf der Erdoberfläche, der sich über dem Hypozentrum – dem Herd des Erdbebens – befindet.) Im Fall eines Seebebens können die Wellen einen Tsunami auslösen.

Die gängige logarithmische Skalierung der Erdbebenstärke wurde 1935 von dem amerikanischen Seismologen Charles Francis Richter entwickelt und heißt deshalb „Richter-Skala“. (Sie löste die zuvor gebräuchliche Mercalli-Skala ab.) Von einem Punkt zum nächsten nehmen der seismografische Ausschlag um den Faktor 10 und die bei dem Beben freigesetzte Energie um den Faktor 32 zu. Die Richter-Skala ist nach oben offen, aber Erdbeben mit einer Magnitude von 9 wurden von den Seismologen äußerst selten beobachtet.

Die meisten Beben sind so schwach, dass wir sie kaum bemerken (Mikrobeben). Aber auch Erdbeben bzw. Seebeben mit einer Stärke von über 5 auf der Richterskala ereignen sich mehrere hundert Mal im Jahr. Einige der Beben führen zu Naturkatastrophen.

Erdbeben:

  • 1. November 1755: Durch einen 17 Meter hohen Tsunami wurde Lissabon fast völlig zerstört.
  • 16. Dezember 1811, 23. Januar 1812, 7. Februar 1812: Durch drei Erdbeben bei New Madrid, Missouri, kam es zu massiven geologischen Veränderungen. Neue Seen entstanden, und der Mississippi verläuft seither anders.
  • 18. April 1906: Ein Erdbeben verwüstete San Francisco. Dabei wurden mehr als vier Meter weite horizontale Bodenbewegung beobachtet.
  • 28. Dezember 1908: Bei einem Erdbeben in Messina und Reggio di Calabria kamen auf Sizilien mehr als 100 000 Menschen ums Leben.
  • 1. September 1923: Die Industriegebiete um Tokio und Yokohama wurden durch ein Erdbeben zerstört. 120 000 bis 140 000 Tote.
  • 22. Mai 1960: Chile wurde von einem Erdbeben der Stärke 9,5 (Richterskala) heimgesucht.
  • 28. März 1964: Bei einem Erdbeben im Süden von Alaska wurde eine Magnitude von 9,2 gemessen.
  • 27. Juli 1976: Mehrere hunderttausend Menschen sterben bei einem Erdbeben in der chinesischen Stadt Tangchan.
  • 17. Januar 1995: Bei einem Erdbeben mit der Magnitude 7,2, dessen Epizentrum die japanische Insel Awajishima war, stürzten in der Stadt Kobe ein Drittel der Häuser ein. Auch der Hanshin Expressway, eine auf Stelzen errichtete Hochautobahn, hielt den Erdstößen wider Erwarten nicht stand.
  • 17. August 1999: Das Epizentrum eines Erdbebens mit der Magnitude 7,8 an der nordanatolischen Verwerfung lag acht Kilometer vom Zentrum der Industriestadt Izmit entfernt. Über 17 000 Tote.
  • 21. September 1999: Ein Erdbeben der Stärke 7,6 auf der Richterskala erschütterte Taiwan und zerstörte 14 000 Gebäude. 2 200 Tote.
  • 26. Dezember 2003: Nach offiziellen Angaben kamen 20 000 Menschen bei einem Erdbeben (Magnitude 6,6) in der Stadt Bam im Südosten des Iran ums Leben.
  • 24. Dezember 2004: Erdbeben mit der Magnitude 8,2 auf der antarktischen Macquarieinsel.
  • 26. Dezember 2004: Ein Seebeben am Rand der eurasischen Platte im Indischen Ozean nordwestlich von Sumatra mit der Magnitude 9,3 löste einen Tsunami aus, der die Küsten von Sri Lanka, Südindien, Thailand, Indonesien und Malaysia, die Malediven, Phuket und andere Inseln verwüstete. Es wird befürchtet, dass 300 000 Menschen bei dem Tsunami ums Leben kamen bzw. an den Folgen starben.
  • 8. Oktober 2005: Mehr als 70 000 Menschen starben bei einem Erdbeben der Stärke 7,6 (Richterskala), dessen Epizentrum 95 Kilometer nordöstlich der pakistanischen Hauptstadt Islamabad lag. Dort drückt die indisch-australische gegen die eurasische Platte.
  • 12. Januar 2010: Ein Erdbeben der Stärke 7,0 mit dem Epizentrum nahe der Hauptstadt Port-au-Prince erschütterte Haiti. Es gab 250 000 Tote.
  • 11. März 2011: Ein Erdbeben der Stärke 9,0 vor der Ostküste der japanischen Hauptinsel Honshu löste einen Tsunami mit bis zu 10 Meter hohen Wellen aus. Der Katastrophe ging ein Beben der Stärke 7.3 am 9. März voraus, und es folgte eine ganze Reihe weiterer, zum Teil heftiger Erdbeben. Wegen der ausgefallenen Stromversorgung für die Kühlung kam es in den Reaktoren des Atomkraftwerks Fukushima zur Kernschmelze. Einige der Gebäude wurden durch Explosionen zerstört. Die Zahl der Erdbeben- und Tsunami-Opfer ist noch nicht abzusehen, aber es wird mit 20.000 Toten gerechnet.

Literatur über Erdbeben

  • Rolf Schick: Erdbeben und Vulkane (Verlag C. H. Beck, München 1997)

© Dieter Wunderlich 2005 – 2011

Alfred Wegener (Kurzbiografie)
Kontinentalverschiebung, Plattentektonik
Tsunami

Jonathan Franzen: Schweres Beben
Frank Schätzing: Der Schwarm

James Hamilton-Paterson - JayJay
Ungeachtet einiger langatmiger Passagen ist es James Hamilton-Paterson gelungen, einen elegant komponierten Roman mit einem faszinierenden, unverwechselbaren Klang zu schreiben: "Jayjay".
JayJay

 

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Mehr als zwei Jahrzehnte lang las ich rund zehn Romane pro Monat und stellte sie dann mit Inhaltsangaben und Kommentaren auf dieser Website vor. Zuletzt dauerte es schon zehn Tage und mehr, bis ich ein neues Buch ausgelesen hatte, und die Zeitspanne wird sich noch verlängern: Aus familiären Gründen werde ich das Lesen und die Kommunikation über Belletristik deutlich reduzieren.