Attentat bei den XX. Olympischen Spielenin München, September 1972


Die XX. Olympischen Sommerspiele wurden am 26. August 1972 in München eröffnet.

Zwei Wochen zuvor, am 11. August, hatte Johannes Christian Lankes, der deutsche Botschafter im Libanon, die Bundesregierung vor einem Anschlag der Palästinenser während des Sportereignisses gewarnt.

Am 5. September 1972 um 5 Uhr morgens überfielen acht Terroristen der palästinensischen Gruppe „Schwarzer September“ das Quartier der israelischen Mannschaft im Olympischen Dorf. Sie erschossen den Trainer Mosche Weinberg und den Gewichtheber Josef Romano und nahmen neun weitere israelische Sportler als Geiseln, um die Freilassung von mehr als zweihundert in israelischen Gefängnissen inhaftierten Palästinensern sowie der deutschen RAF-Häftlinge Andreas Baader und Ulrike Meinhof zu erpressen.

Die von Golda Meir geführte israelische Regierung war nicht bereit, auf die Forderungen der Organisation „Schwarzer September“ einzugehen. Um eine Befreiungsaktion für die Geiseln vorbereiten zu können, verhandelte Bundesinnenminister Hans-Dietrich Genscher mit den Terroristen über Fristverlängerungen. Am späten Abend wurden sie zusammen mit den israelischen Sportlern, die sie in ihrer Gewalt hatten, in zwei Hubschraubern zum Militärflughafen Fürstenfeldbruck westlich von München gebracht, wo angeblich ein Flugzeug für sie bereit stand.

Vor laufenden Fernsehkameras eröffneten fünf auf Dächern postierte Scharfschützen der Polizei gegen 22.45 Uhr plötzlich ohne vorherige Zielabsprache das Feuer. Die Terroristen schossen zurück und warfen schließlich um 00.05 Uhr eine Handgranate in einen der Hubschrauber. Bei der missglückten Befreiungsaktion kamen alle neun israelischen Geiseln, ein unbeteiligter deutscher Polizist und fünf der acht Palästinenser ums Leben. Drei Terroristen wurden festgenommen. Zvi Zamir, der damals den israelischen Geheimdienst Mossad leitete und vom Funkturm aus zusah, war entsetzt.

Das Olympiaattentat war eine Blamage für die deutschen Behörden, sie hatten Warnungen ignoriert, waren bei Befreiungsaktion überfordert. Von
„ausgesprochenem Dilettantismus“ sprach ein israelischer Geheimdienstchef. (Frederik Obermaier, Till Rüger, Lisa Wreschniok: Operation München, Süddeutsche Zeitung, 5. Juni 2013)

Der Journalist Aaron J. Klein, ein ehemaliger Mossad-Agent, behauptet in seinem Buch „Striking Back“ (2005; „Die Rächer“, 2006), Bundeskanzler Willy Brandt habe den Einsatz einer israelischen Spezialeinheit abgelehnt. Hans-Dietrich Genscher stellt die Ereignisse in seinen „Erinnerungen“ anders dar:

Wir taten keinen Schritt, ohne ihn [den israelischen Botschafter] zu informieren und seinen Rat einzuholen, zumal Israel mit Situationen wie diesen entschieden mehr Erfahrung hatte […]
Um die Mittagszeit kündigte der Botschafter an, ein israelischer Spezialist für Sicherheitsfragen werde nach München kommen. Es handele sich um einen hohen Sicherheitsexperten mit Begleiter. Etwa um 19 Uhr trafen beide in München ein. Mit ihm sprach ich wiederholt; meine Frage, ob Israel eigene Kräfte zur Befreiung einsetzen wolle, verneinte er […]
(Hans-Dietrich Genscher: Erinnerungen, Siedler Verlag, Berlin 1995, Seite 151)

Trotz des Geiseldramas beschloss das Internationale Olympische Komitee (IOC), die Spiele nach einer eintägigen Unterbrechung fortzusetzen: „The Games must go on!“

Als arabische Terroristen am 29. Oktober 1972 die Lufthansa-Maschine „Kiel“ mit 13 Passagieren an Bord nach dem Start in Beirut entführten und die Freilassung der drei Inhaftierten verlangten, entsprach die Bundesregierung dieser Forderung. Die Flugzeugentführer nahmen die Attentäter von München in Zagreb mit an Bord und flogen mit ihnen nach Tripolis. Später kam das Gerücht auf, die Flugzeugentführung sei mit der Bundesregierung abgesprochen gewesen, denn man habe die Palästinenser loswerden wollen.

Einer der drei Männer soll in den Siebzigerjahren an Herzversagen gestorben sein. Ein anderer äußerte sich in dem Dokumentarfilm „One Day in September“ („Ein Tag im September“) über den Anschlag 1972 in München.

Als Drahtzieher des Attentats gilt Mohammed Oudeh (Kampfname: Abu Daud, 1937 – 2010).

Nach dem Blutbad während der XX. Olympischen Spiele soll Premierministerin Golda Meir den Mossad beauftragt haben, eine Liste der Hintermänner des Anschlags zusammenzustellen und diese zu liquidieren, nicht nur aus Rache, sondern auch zur Abschreckung (Operation „Zorn Gottes“). Die für diesen Zweck gebildete Sondereinheit Caesarea tötete eine Reihe von Palästinensern, darunter am 8. Juni 1992 – fast zwanzig Jahre nach der Tragödie bei den Olympischen Spielen in München – Atef Bseiso in Paris. Aufgrund einer Verwechslung fiel auch ein unbeteiligter marokkanischer Kellner namens Ahmed Bouchiki am 21. Juli 1973 in Lillehammer der Aktion zum Opfer („Lillehammer-Affäre“). Man hatte ihn mit mit Ali Hassan Salameh verwechselt.

Wie der Titel schon vermuten lässt, beschränkt sich Aaron J. Klein in seinem Buch „Die Rächer. Wie der israelische Geheimdienst die Olympia-Mörder von München jagte“ nicht auf die Darstellung des Anschlags und der missglückten Befreiungsaktion, sondern im Mittelpunkt steht die Operation Caesarea. Das gilt auch für den von Steven Spielberg inszenierten Kinofilm „Munich“ („München“), der auf dem 1984 veröffentlichten Buch „Vengeance. The True Story of an Israeli Counter-Terrorist Team“ von George Jonas basiert.

Literatur über das Attentat bei den Olympischen Spielen, München 1972

  • George Jonas: Die Rache ist unser. Ein israelisches Geheimkommando im Einsatz (Übersetzung: Gertrud Theiss, Droemer Knaur, München 1984, 509 Seiten,
    ISBN 3-426-26143-X)
  • Aaron J. Klein: Die Rächer. Wie der israelische Geheimdienst die Olympia-Mörder von München jagte (Übersetzung: Christiane Bergfeld, DVA, München / Spiegel-Buchverlag, Hamburg 2006, 284 Seiten, ISBN 3-421-04205-5)

© Dieter Wunderlich 2006 / 2010 / 2013

XX. Olympische Sommerspiele, München 1972
Steven Spielberg: München

Paul Auster - 4 3 2 1
Paul Auster beschäftigt sich in dem Opus magnum "4 3 2 1" mit dem Ein­fluss von Modifikationen in der Vita auf den Charakter bzw. den weiteren Lebensweg. Zu diesem Zweck ent­wickelt er die Lebensgeschichte des Protagonisten in sieben Abschnitten, die er jeweils in vier Varianten gliedert.
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Mehr als zwei Jahrzehnte lang las ich rund zehn Romane pro Monat und stellte sie dann mit Inhaltsangaben und Kommentaren auf dieser Website vor. Zuletzt dauerte es schon zehn Tage und mehr, bis ich ein neues Buch ausgelesen hatte, und die Zeitspanne wird sich noch verlängern: Aus familiären Gründen werde ich das Lesen und die Kommunikation über Belletristik deutlich reduzieren.