Das Kleid

Das Kleid

Das Kleid

Das Kleid - Originaltitel: De jurk - Regie: Alex van Warmerdam - Drehbuch: Marc Felperlaan und Alex van Warmerdam - Kamera: Marc Felperlaan - Schnitt: René Wieghans - Musik: Vincent van Warmerdam - Darsteller: Henri Garcin, Elisabeth Hoijtink, Rijk de Gooyer, Ariane Schluter, Alex van Warmerdam, Eric van der Donk, Ricky Koole, Olga Zuiderhoek u.a. - 1996; 100 Minuten

Inhaltsangabe

Wir verfolgen den Weg eines Kleides von der Herstellung der Baumwolle bis zur Vernichtung des letzten Stofffetzens in einem Rasenmäher. Die erste Käuferin und die letzte Trägerin des Kleides sterben; die beiden jungen Frauen, die es dazwischen tragen, werden Opfer missglückter Vergewaltigungsversuche.
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Kritik

Alex van Warmerdams Film "Das Kleid" besteht aus Episoden, die durch ein Kleid verbunden sind. Ein Spannungsbogen entsteht auf diese Weise nicht, aber der Regisseur und Drehbuchautor überrascht immer wieder mit abgedrehten Einfällen.
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Für Cremer (Khaldoun Elmecky), einen Designer von Stoffmustern, beginnt der Tag unerfreulich: Während seine Geliebte (Hargo Dames) ihre Stewardessen-Uniform anzieht, verkündet sie ihm, dass sie nach Sydney fliegen und nicht mehr zu ihm zurückkehren wird. Zwischendurch ruft sein Auftraggeber Loohman (Frans Vorstman) an und lehnt seine neuen Entwürfe ab. Vier Monate Arbeit waren umsonst! Als die Stewardess mit ihrem Koffer geht, schaut er ihr müde aus dem Fenster nach. Da sieht er, wie ein Straßenarbeiter sich über die laute Musik aufregt, die aus einem anderen offenen Fenster zu hören ist. Der Mann tritt die Tür ein und wirft den Plattenspieler samt Boxen auf die Straße. Ein Inder kommt aus dem Haus, beschwert sich – „You killed my music!“ –, schlägt einen gerade vorbeikommenden Kirmesorgel-Spieler zu Boden und kippt dessen Instrument ins Wasser: „You killed my music. I killed your music.“

Cremer reicht noch einmal fünf Entwürfe ein. Loohman entscheidet sich für einen davon – gelbgeäderte karmesinrote Fantasieblätter auf dunkelblauem Grund – und gerät darüber mit seinem Berater Van Tilt (Henri Garcin) in Streit. Als er Van Tilt vorwirft, so langweilig zu sein, dass ihn sogar seine Frau (Ingeborg Elzeveer) verlassen habe, prügeln sie sich, und Loohman feuert seinen Berater.

Der Kleiderstoff mit Cremers Muster wird produziert. Loohman will daraus ein Sommerkleid machen lassen und schickt ein Stoffmuster zu dem Designer De Vet (Rudolf Lucieer). Als der Bote dessen weiträumiges Anwesen betritt, hört er eine Frau, die sich verzweifelt gegen etwas wehrt. Nur mit einem Büstenhalter bekleidet, kommt sie (Maike Meiser) aus dem Haus gelaufen. De Vet folgt ihr mit seinem Eber Tony und schimpft, weil sie sich nicht mit dem Tier einlassen will. Schließlich holt er sein Gewehr und schießt auf die Fliehende. Wenige Minuten später öffnet er ruhig die Tür und nimmt das Päckchen in Empfang.

Eine einundsechzig Jahre alte Frau (Elisabeth Hoijtink) bemerkt das Sommerkleid in einem Schaufenster. Obwohl Martin (Rijk de Gooyer), ihr Mann, nur widerwillig mit in den Laden geht und findet, dass sie zu alt für das Kleid sei, kauft Stella es. Sie trägt es auch zu Hause, als es läutet, Martin die Haustür öffnet und von zwei Jugendlichen mit vorgehaltener Pistole gezwungen wird, sein Geld herauszugeben. Stella, die von dem Raubüberfall nichts mitbekommt, kippt währenddessen im Wohnzimmer um. Weil sie nach dem Herzanfall im Bett liegen muss, bittet sie Martin, das Kleid für sie zu waschen. Zum Trocknen hängt er es auf die Leine vor dem Fenster. In einem Gewittersturm wird es fortgerissen, just in dem Augenblick, als Stella in Martins Armen stirbt.

Ein Gärtner findet das Kleid. Er fragt die Nachbarn, aber als niemand ein Kleid vermisst, schenkt er es dem Dienstmädchen Johanna (Ariane Schluter).

Johanna trägt das Sommerkleid, als sie mit der Bahn nach Hause fährt. Van Tilt, der seinen Lebensunterhalt inzwischen als Minibar-Verkäufer im Zug verdient, erkennt das Stoffmuster wieder, sagt jedoch nichts. Auch dem Zugschaffner De Smet (Alex van Warmerdam) fällt das Kleid auf, und als Johanna aussteigt, folgt er ihr. Sie wohnt mit einem Maler namens Herman (Eric van der Donk) zusammen, der an einem Riesengemälde arbeitet, das einen Mann und eine Frau zeigt, die distanziert nebeneinander stehen und ein Kind zwischen sich haben. Er ist nicht zufrieden mit dem düsteren Bild, aber als er Johannas neues Kleid sieht, überträgt er das bunte Stoffmuster auf das Kleid der Frau.

Abends geht Herman allein aus. Johanna legt sich schlafen. Da dringt De Smet ins Haus ein, zieht sich aus und legt sich vorsichtig neben sie. Sie erwacht, erschrickt; er presst ihr die Hand auf den Mund, um sie am Schreien zu hindern. Als er ihr versichert, ganz normal zu sein und sich im Zug auf den ersten Blick in sie verliebt zu haben, beruhigt sie sich. Da kommt Herman nach Hause. Bevor De Smet über den Balkon flieht, verabredet er sich mit Johanna für den nächsten Tag.

De Smet führt Johanna in ein Haus, das angeblich einem verreisten Freund gehört und zieht sie ins Schlafzimmer. Johanna befürchtet, dass jemand sie überraschen könnte und zieht sich nur zögernd aus. Plötzlich reißt eine Frau mit einem Säugling auf dem Arm und einem Gewehr im Anschlag die Tür auf. Als sie die Polizei anrufen will, springt De Smet auf und ringt mit ihr. Johanna flieht aus dem Haus, hält einen leeren Linienbus an und entkommt.

An den Bushaltestellen wundern sich die Wartenden, weil der Bus nicht hält. Der Fahrer (Jaap Spijkers) biegt schließlich auf eine Nebenstraße ein und bleibt in einer verlassenen Gegend stehen. Er will Johanna vergewaltigen, aber es gelingt ihr, die Tür zu öffnen und davonzulaufen.

Das Sommerkleid gibt sie Kindern mit, die eine Kleidersammlung für die Notleidenden in Afrika durchführen. Eine Frau erwirbt es bei einem Trödler, kürzt es und hängt es in ihre Boutique.

Chantalle (Ricky Koole), ein junges Mädchen, schlüpft probeweise hinein, kauft es und behält es gleich an. Der Zugschaffner De Smet folgt Chantalle zu ihrem Elternhaus und beobachtet, wie ihre Eltern für zwei Tage zu Verwandten fahren. Als Chantalle müde das Fernsehgerät ausschaltet und zu Bett gehen will, wird sie in ihrem Zimmer von De Smet überrascht. Er zwingt sie, so zu tun, als sei er ihr Freund und sie freue sich über seinen Besuch. Dann muss sie sich ausziehen und ihn bitten, zu ihr ins Bett zu kommen. Er legt sich neben sie. Als er eingeschlafen ist, steht Chantalle vorsichtig auf und verlässt das Haus.

In einem Park wird ihr der Beutel, in dem auch das Sommerkleid ist, von einer Landstreicherin (Olga Zuiderhoek) gestohlen. Marie, die in einem Erdloch haust, zieht das Kleid über ihre anderen Sachen an. Es wird Winter. Sie friert. Van Tilt, der offenbar mit ihr liiert ist, versucht ein Feuer zu machen und ihre Decke anzuzünden, um sie umzubringen, aber das Holz ist feucht und qualmt nur. Während er im Park nach trockenem Holz sucht, stirbt Marie entkräftet und unterkühlt.

Er reißt ein Stück Stoff von dem Kleid ab und bindet es sich als Halstuch um. Dann bestellt er von einer Telefonzelle aus einen Krankenwagen und beobachtet aus sicherer Entfernung, wie Marie abgeholt wird. Der Sarg mit der Leiche und dem Sommerkleid wird im Krematorium verbrannt.

Van Tilt spricht im Park mehrere junge Frauen an, bis er auf eine Prostituierte trifft, die bereit ist, ihn für 100 Gulden zu küssen. Anschließend wischt er sich mit dem Tuch den Mund ab und wirft es fort. Im nächsten Augenblick wird es von einem Rasenmäher zerfetzt.

Herberts Bild hängt inzwischen in einer Kunstausstellung. Ein Lehrer erklärt es seiner Klasse. Da geht De Smet auf das Gemälde zu, schneidet rasch das Kleid der Frau heraus und will damit fliehen. Aber die Wachleute überwältigen ihn und führen ihn ab, während er immer wieder schreit: „Ich bin normal!“

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In seiner Groteske „Das Kleid“ – auch: „Das geheimnisvolle Kleid“ – folgt Alex van Warmerdam einem Sommerkleid, von der Baumwollernte und dem Entwurf des Stoffmusters bis zur Vernichtung des letzten Fetzens in einem Rasenmäher. Der Designer des Sommerkleides ist pervers. Die erste Käuferin und die letzte Trägerin des Kleides sterben; die beiden jungen Frauen, die es dazwischen tragen, werden Opfer missglückter Vergewaltigungsversuche. Und bei den Männern, die mit dem Kleid in Berührung kommen, handelt es sich um Verlierertypen.

Alex van Warmerdams Film besteht aus Episoden, die durch das Kleid verbunden sind. Ein Spannungsbogen entsteht auf diese Weise nicht, aber der Regisseur und Drehbuchautor überrascht immer wieder mit abgedrehten Einfällen. 1996 wurde er dafür in Venedig mit dem Internationalen Kritikerpreis ausgezeichnet.

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Inhaltsangabe und Rezension: © Dieter Wunderlich 2004

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