Waris Dirie


Das Nomadenmädchen Waris – Wüstenblume – wurde 1965 in der Wüste Somalias geboren. Die kinderreiche Familie, die zum Stamm der Darod (Daarood) gehörte, zog mit Kamelen und Ziegen von Wasserstelle zu Wasserstelle.

Ich wurde in der somalischen Wüste geboren, und ich weiß nicht, wie viele Kinder meine Mutter auf die Welt gebracht hat. Denn viele Babys starben gleich nach der Geburt. (Waris Dirie: Nomadentochter)

Als Waris Dirie noch ein Kind war, starben eine ihrer Schwestern und zwei ihrer Cousinen an den Folgen einer Genitalverstümmelung. Im Alter von fünf Jahren wurde sie selbst von einer alten Frau mit einer zerbrochenen Rasierklinge beschnitten.

Acht Jahre später, als ihr Vater sie für fünf Kamele einem alten Mann zur Frau geben wollte, suchte Waris Dirie bei einer Schwester in der somalischen Hauptstadt Mogadischu Zuflucht. Verständnis fand das verzweifelte Mädchen nicht. 1981 wurde ein Onkel des Kindes als somalischer Botschafter nach London entsandt. Er und seine Familie nahmen Waris Dirie als Dienstmädchen mit. Nach vier Jahren kehrten die Verwandten in die Heimat zurück, aber Waris Dirie blieb in London und verschaffte sich nach Ablauf ihres Visums durch zwei Scheinehen britische Pässe.

Mit zwanzig posierte sie für den Pirelli-Kalender und erhielt eine kleine Rolle in „James Bond 007. Der Hauch des Todes“. Das war der Beginn einer internationalen Karriere als Topmodel. Waris Dirie zog 1991 nach New York.

Als die BBC 1996 ein Porträt von ihr drehte („Eine Nomadin in New York“) brachte Waris Dirie ihren acht Monate alten Sohn Aleeke von New York nach Amsterdam und vertraute ihn der Ehefrau ihres dort lebenden Bruders Mohammed an, während sie und ihr Bruder mit der BBC-Crew trotz aller Bedenken nach Somalia flogen. Nach fünfzehn Jahren traf Waris Dirie erstmals wieder ihre Mutter, die sie hatte beschneiden lassen. (Ihren Vater sah sie erst 2002 wieder.) Während ihre Mutter in ihrer gewohnten Umgebung bleiben wollte, wusste Waris Dirie, dass sie nicht mehr dort hätte leben können.

Lange Zeit schwieg sie über das, was ihr als Kind angetan worden war, aber dann beschloss Waris Dirie, ihre Bekanntheit zu nutzen, um das Ritual der Beschneidung weiblicher Genitalien (Female Genital Mutilation – FGM) zu bekämpfen. Sie berichtete 1997 der Journalistin Laura Ziv in einem vom Modejournal „Marie Claire“ unter der Überschrift „The Tragedy of Female Circumcision“ veröffentlichten Interview von ihrer eigenen Genitalverstümmelung und wurde im selben Jahr Sonderbotschafterin der Vereinten Nationen.

Unter dem Titel „Wüstenblume“ schrieb Waris Dirie ihre Autobiografie. Es wurde ein Weltbestseller. Ihr zweites Buch – „Nomadentochter“ –

handelt von ihrem Besuch in Somalia mehr als fünfzehn Jahre nach ihrer Flucht. In „Schmerzenskinder“ weist sie darauf hin, dass die Beschneidung weiblicher Genitalien nicht nur in den Ursprungsländern dieses grausamen Rituals noch immer üblich ist, sondern inzwischen auch in Europa und Nordamerika heimlich durchgeführt wird. „Wüstenblume“, „Nomadentochter“ und „Schmerzenskinder“ sind keine Bücher, die sich durch formale oder sprachliche Brillanz auszeichnen, aber es sind erschütternde Zeugnisse einer Frau, die sowohl die Lebensweise der Wüstennomaden als auch die westliche Zivilisation kennt und die Genitalverstümmelung anprangert.

Im März 2005 erhielt Waris Dirie in Wien die österreichische Staatsbürgerschaft.

Anlass für Sensationsmeldungen gab es im März 2008, als Waris Dirie zwei Tage lang in Brüssel verschwunden war und anschließend behauptete, von einem Taxifahrer festgehalten worden zu sein. Was wirklich geschah, blieb ungeklärt.

Sherry Hormann verfilmte das Buch „Wüstenblume“ von Waris Dirie.

Wüstenblume – Originaltitel: Desert Flower – Regie: Sherry Hormann – Drehbuch: Sherry Hormann, nach dem Buch „Wüstenblume“ von Waris Dirie – Kamera: Ken Kelsch – Schnitt: Clara Fabry – Musik: Martin Todsharow – Darsteller: Liya Kebede, Sally Hawkins, Craig Parkinson, Meera Syal, Anthony Mackie, Juliet Stevenson, Timothy Spall, Soraya Omar-Scego u.a. – 2009; 120 Minuten

Waris Dirie: Bibliografie

  • Waris Dirie und Cathleen Miller: Desert Flower. The Extraordinary Journey of a Desert Nomad (Wüstenblume, Übersetzung: Bernhard Jendricke u. a., Schneekluth Verlag, München 1998, 347 Seiten, ISBN 3-7951-1626-0)
  • Waris Dirie und Jeanne D’Haem: Desert Dawn (Nomadentochter, Übersetzung: Theda Krohm-Linke, Blanvalet Verlag, München 2002, 287 Seiten, ISBN 3-7645-0138-3)
  • Waris Dirie und Corinna Milborn: Desert Children (Schmerzenskinder, Marion von Schröder Verlag, Berlin 2005, 239 Seiten, ISBN 3-547-71067-7)

© Dieter Wunderlich 2005 – 2009

Genitalverstümmelung
Waris Dirie und Cathleen Miller: Wüstenblume

John Banville - Das Buch der Beweise
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