Timur Vermes : Er ist wieder da

Er ist wieder da
Er ist wieder da Originalausgabe: Eichborn Verlag, Köln 2012 ISBN: 978-3-8479-0517-2, 396 Seiten
Buchbesprechung

Inhaltsangabe

Adolf Hitler kommt am 30. August 2011 auf einem unbebauten Grundstück in Berlin zu sich. Weil man ihn für einen Parodisten hält, wird er für die Comedy-Fernsehsendung "Krass, Alter" engagiert, und alle staunen darüber, dass er selbst in unerwarteten Situationen nie aus der Rolle fällt. Nachdem er durch YouTube bekannt geworden ist, geht es mit seiner Fernsehkarriere aufwärts, und schließlich bekommt er eine eigene Sendung. "Passen Sie auf, eines Tages nimmt Sie noch einer ernst!", wird er gewarnt ...
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Kritik

Der Satire "Er ist wieder da" fehlt es an Handlung und Dramaturgie. Es gibt lustige Einfälle, aber das Ganze ist nicht mehr als Klamauk. Und weil der Protagonist Adolf Hitler in der Ich-Form erzählt, mangelt es auch an Distanz zu der Figur.

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Als Adolf Hitler zu sich kommt, liegt er auf einem unbebauten Grundstück mitten in Berlin. Die Wände der umliegenden Häuser sind beschmiert. Er hat Kopfschmerzen und einen Filmriss, aber an übermäßigem Alkoholkonsum kann es nicht liegen, denn er trinkt ja nichts außer Wasser, Tee und Fruchtsaft. Das Letzte, an das er sich erinnert, ist, wie er mit Eva auf dem Sofa saß und ihr seine alte Pistole zeigte. Seine Uniform riecht nach Treibstoff. Vermutlich hat Eva zu viel Reinigungsbenzin verwendet. Aus der Tatsache, dass kein Geschützdonner zu hören ist, schließt Hitler auf eine Gefechtspause.

Er steht auf, geht auf die Straße und fragt Passanten nach dem Weg zur Reichskanzlei. Statt ihm den Weg zu erklären, fragen sie, ob er Stefan Raab, Hape Kerkeling oder Harald Schmidt sei. Schließlich entdeckt er einen Zeitungskiosk und wundert sich über die Vielfalt des Angebots. Der „Völkische Beobachter“ scheint allerdings ausverkauft zu sein. Dafür gibt es türkische Blätter. Ist das die Folge einer inzwischen gebildeten Achse Berlin-Ankara? Vertraut kommt Hitler nur die Schrift der Titelzeile der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ vor, aber dann liest er das Datum der Ausgabe – 30. August 2011 – und es wird ihm erneut schwarz vor den Augen.

Als er sie wieder öffnet, blickt er auf den Kioskbesitzer, der ihm besorgt rät, mehr zu frühstücken und meint, er sehe noch überzeugender aus als Bruno Ganz in „Der Untergang“. Ob er hier in der Nähe drehe, möchte der Mann wissen. Und als Hitler ihn verständnislos anschaut, versucht er es mit zwei anderen Fragen: „Wo treten Sie auf? Haben Sie ein Programm?“ Darauf antwortet Hitler: „Selbstverständlich, seit 1920!“

Der Kioskbesitzer glaubt schließlich zu verstehen, dass der wie Hitler gekleidete und aussehende Mann nach einem Zerwürfnis mit seiner Frau oder Freundin obdachlos ist. Er bietet ihm deshalb an, vorübergehend auf einem Sessel im Kiosk zu übernachten. Hitler nutzt die Gelegenheit und studiert bis in die frühen Morgenstunden die Zeitungen, um sich ein Bild vom Stand der Weltlage zu machen. Es wird allgemein behauptet, das Deutsche Reich habe den Zweiten Weltkrieg nicht gewonnen. Polen existiert auch noch, teilweise sogar auf ehemaligem Reichsgebiet. Hitler stöhnt:

„Da hätte ich mir den ganzen Krieg ja schenken können!“

Offenbar gibt es inzwischen wieder Parteien mit dem dazugehörigen Gezänk.

Das Volk hat mich wohl am meisten überrascht. Nun habe ich ja wirklich das Menschenmögliche getan, um auf diesem vom Feinde entweihten Boden die Grundlagen für eine Fortexistenz zu zerstören. Brücken, Kraftwerke, Straßen, Bahnhöfe, ich habe die Zerstörung all dessen befohlen. […] Man muss alle, und ich unterstreiche es nochmals, alle Sachwerte zerstören, nicht nur Häuser, auch Türen. Und Türklinken. Und dann auch die Schrauben, und nicht nur die großen. Die Schrauben muss man herausdrehen und sie dann unbarmherzig verbiegen. und die Tür muss man zermahlen, zu Sägemehl. Und dann verbrennen. Denn der Feind wird sonst unnachsichtig selber durch diese Tür ein und aus gehen, wie es ihm gerade beliebt. Aber mit einer kaputten Klinke und lauter verbogenen Schrauben und einem Haufen Asche, da wünsche ich dem Herrn Churchill viel Vergnügen!

Am nächsten Morgen rät ihm der Kioskbesitzer, etwas anderes anzuziehen, nicht nur wegen der Kunden, sondern vor allem, weil die Uniform so nach Benzin stinkt, dass man nicht wagt, in der Nähe eine Zigarette anzuzünden. Und weil Hitler keine anderen Kleidungsstücke besitzt, bringt ihm der Kioskbesitzer einen Tag später ein paar alte Sachen mit. Hitler zieht sich um und macht sich auf den vom Kioskbesitzer beschriebenen Weg zum „Blitzreinigung’s Service Yilmaz“. Mehmet, der Sohn des Besitzers, hält den Kunden für „Stromberg“ aus der gleichnamigen Comedy-Fernsehserie und ist enttäuscht, als der Mann ihm zwar ein Autogramm gibt, aber nicht mit „Bernd Stromberg“, sondern mit „Adolf Hitler“ signiert.

Als Hitler zurückkommt, stellt ihn der Kioskbesitzer zwei Herren der für eine Reihe von privaten Fernsehsendern tätige Produktionsgesellschaft Flashlight vor: Joachim Sensenbrink und Frank Sawatzki. Letzterer fordert Hitler auf, ‚mal was hören zu lassen und sagt grinsend:

„Soit fönf Ohr fönfonvörzäg wörd zoröckgeschossen!“

Da blickt Hitler ihn erst einmal aufmerksam an. Dann fragt er ihn über Polen aus und tut das, was Sawatzki aufsagt, als „Bücherwissen“ ab.

„Vielleicht sind Sie ja in der Praxis besser. Sie haben 1,4 Millionen Mann zur Verfügung und 30 Tage Zeit, um ein ganzes Land zu erobern. 30 Tage, mehr nicht, denn im Westen rüsten fieberhaft Franzosen und Engländer. Wo fangen Sie an? Wie viele Heeresgruppen bilden Sie? Wie viele Divisionen hat der Feind? Wo erwarten Sie den größten Widerstand? Und was tun Sie, damit der Rumäne sich nicht einmischt?“
„Der Rumäne?“
„Verzeihen Sie, verehrter Herr. Sie haben natürlich Recht: Wen interessiert der Rumäne? Der Herr General hier marschiert natürlich jederzeit nach Warschau, nach Krakau, er sieht nicht links, er sieht nicht rechts, wozu auch, der Pole ist ja ein leichter Gegner, das Wetter ist schön, die Truppe hervorragend, aber hoppla, was ist denn das? Da hat unsere Armee doch lauter kleine Löcher zwischen den Schulterblättern, und aus diesen Löchern läuft das Blut deutscher Helden, weil ganz plötzlich in Hunderttausenden deutscher Landserrücken Millionen von rumänischen Gewehrkugeln stecken. […] Hat denn womöglich unser junger Herr General hier das polnisch-rumänische Militärbündnis vergessen?“

Die beiden Herren von Flashlight sind überzeugt, dass dies eine einstudierte Nummer ist. Sie sind begeistert, und Sensenbrink fordert Sawatzki auf, dem Mann ein Hotelzimmer zu besorgen.

Dort wundert Hitler sich darüber, dass es zwar keine Badewanne gibt, dafür aber eine Brause in einer gläsernen Kabine. Sobald er begriffen hat, dass es sich bei dem flachen Einrichtungsgegenstand, über den er zunächst ein Hemd hängte, um ein Fernsehgerät handelt, schaut er, was geboten wird. Es sind fast alles Kochsendungen; ein Programm handelt von einer 16-Jährigen Menndi, die ihren Ausbildungsplatz verloren hat und das liebevoll zubereitete Essen ihrer Mutter nicht mag, und dann gibt es da noch fliegende Händler, die ihre Waren anpreisen.

Stets war einer dabei, der das Allerblaueste vom Himmel zusammenlog. Der andere hingegen hatte danebenzustehen und den Mund vor Staunen nicht mehr zuzubekommen, hatte „hei“ und „Nein!“ auszustoßen oder auch „Das ist ja unglaublich!“.

Die Menschen, die im Fernsehen auftreten, heißen Menndi, Senndi oder Enndi, und sie telefonieren mit einem Henndi.

Der Droschkenfahrer, der Hitler am nächsten Morgen zu Flashlight bringt, begrüßt ihn mit den Worten:

„Tach, Meesta! Sinwa wieda im Lande?“

Dann fragt er, was sein Fahrgast in „Balin“ mache. „Wintagaatn? Wühlmäuse?“ Hitler ist irritiert.

Bei Flashlight stellt er fest, dass die Beschäftigten in Lagerhallen unter grellem Neonlicht vor Bildschirmen sitzen, während unablässig Telefone klingeln. Er denkt an Albert Speer. Der war auch nicht zimperlich, was die Arbeitsbedingungen zum Beispiel von Arbeiterinnen in der Munitionsfertigung betraf, aber diese Massenkäfige hätte er vermutlich nicht zugelassen.

Er wird zu Carmen Bellini geführt, Executive Vice President des Unternehmens. Sie entscheidet, dass Hitler einen Dauerauftritt in der Comedy-Show „Krass, Alter“ des türkischstämmigen Moderators Ali Wizgür bekommt, dazu ein Büro und eine Schreibkraft.

Im Hotel ruft ihn eine Sachbearbeiterin von Flashlight an, die sich als Krwtsczyk oder so ähnlich vorstellt. Sie hat den Auftrag, den Vertrag für ihn fertigzustellen und benötigt noch ein paar Angaben dazu.

„Ich meine, ich weiß doch gar nicht, wie Sie heißen.“
„Hitler“, ächzte ich, „Adolf.“
„Ja“, lachte sie wieder mit ihrer grauenerregenden Morgenbegeisterung, „nein, ich meinte Ihren richtigen Namen!“
„Hitler! Adolf!“, sagte ich jetzt schon etwas ungehalten.
Eine kurze Weile war Stille.
„Wirklich?“
„Ja, natürlich.“
„Na, das ist ja … also – das ist ja dann ein Zufall …“
„Wieso Zufall?“
„Na ja, also, dass Sie so heißen …“
„Zum Donnerwetter, Sie heißen doch auch irgendwie! Und ich sitze hier auch nicht und reiße die Augen auf und sagte ‚Oooh, was für ein Zufall!'“
„Schon – aber Sie sehen ja auch so aus. Also, so wie Sie heißen.“
„Ja und? Sie sehen wohl ganz anders aus, als Sie heißen?“
„Nein, aber …“

Frank Sawatzki fragt Hitler, ob er schon immer Vegetarier gewesen sei.

„Oder erst, seit Sie Hitler sind?“
„Ich war schon immer Hitler. Wer hätte ich denn vorher sein sollen?“
„Na ja, vielleicht haben Sie herumprobiert. Churchill. Oder Honecker.“
Himmler glaubte an diesen esoterischen Humbug, an Seelenwanderung und das ganze Mystische.“

Auf der Straße fällt Hitler auf, dass viele Schüler Ohrstöpsel tragen. Weil er den Eindruck hat, dass es sich bei ihnen vor allem um türkisch aussehende Buben handelt, nimmt er an, dass sie diese Stöpsel in der Schule tragen müssen, weil für sie die einfachsten Kenntnisse ausreichen und sie deshalb keine unnötigen Informationen aufnehmen sollen.

Aber als sich dann die ihm zugeteilte Schreibkraft Vera Krömeier bei ihm meldet und bei der Begrüßung die vermeintlichen „Türkenstöpsel“ aus den Ohren zieht, merkt er, dass er sich irrte. Sie fragt ihn als Erstes, ob er Messed Ekting betreibe. Dann übt sie den deutschen Gruß:

„JUTEN MORJEN, MEEN FÜHRA! […] Det gehört so geschrien, wa? Ick hab det ma‘ innem Film jesehen.“ Dann hielt sie erschrocken inne und brüllte: „ODA JEHÖRT DET ALLET JESCHRIEN? HAM DIE BEI DEM HITLA IMMA ALLE DAUERND JESCHRIEN?“

Hitler ersucht sie, mit dem Gebrüll aufzuhören.

„Jawohl, meen Führa!“, sagte sie und fügte dann hinzu: „Jut, wa?“

Er trägt ihr auf, eine Schreibmaschine mit Schriftyp Antiqua 4 mm zu besorgen, aber Fräulein Krömeier kann nur „oofm Pezeh“ arbeiten. Und so erfährt Hitler, was aus Konrad Zuses Rechner geworden ist. Damals hielt er das für eine Spielerei.

Da war ja im Grunde alles besseres Kopfrechnen, man kann gegen Schacht sagen, was man will, aber das, was dieser Apparat vom Zuse da leistete, da hätte Schacht nach 72 Stunden unter Feindfeuer im Halbschlaf zusammengerechnet, während er sich nebenher ein Kommissbrot schmiert.

Inzwischen kann man damit nicht nur richtig schreiben und rechnen, sondern auch ins Internetz, und da findet man beispielsweise ein urgermanisches Nachschlagewerk mit dem Namen Wikipedia, „eine Art Winterhilfswerk des Wissens“. Fräulein Krömeier will ihm ein Konto für elektronische Post einrichten und fragt ihn nach dem gewünschten Namen. „Adolf Hitler“ sei verboten, erklärt sie ihm, probiert es dann aber doch und stellt fest:

„Da ham wa et schon: Adolf Punkt Hitler is wech […]. Adolfhitler im Janzen ooch und Adolf Unterstrich Hitler sowieso. […] nee, mit Ihrem Namen kommen wa nich weita“

Um ihm die Wahl eines Pseudonyms zu erleichtern, nennt sie ihm ihre eigene Adresse: „Vulcania17 et web Dee Ee“. Schließlich meldet sie ihn als „Neue Reichskanzlei“ an. Und auf dem Handy, das Flashlight ihm zur Verfügung stellt, richtet sie den Klingelton „Walkürenritt“ ein.

Die neue Multifunktionalität missfällt Hitler. Warum muss ein Telefon zugleich Fotoapparat und Kalender sein, ein Radiogerät CDs abspielen und ein Tankwart nebenher als Lebensmittelhändler arbeiten? Von seinem Hotelfenster aus sieht er einen Mann, der mit einem wie eine Stalinorgel heulenden Gerät Laub von einer Seite in die andere bläst, obwohl das wegen des starken Windes sinnlos ist. Aber dann denkt er darüber nach:

Der Mann hatte einen Befehl bekommen. Der Befehl lautete: Laub blasen. Und er führte diesen Befehl aus. Mit einer fanatischen Treue, die Zeitzler gut zu Gesicht gestanden hätte. Ein Mann befolgte einen Befehl, so einfach war das. Und klagte er dabei? Heulte er auf, das sei doch sinnlos bei diesem Wind? Nein, er erfüllte stoisch lärmend seine Pflicht. Wie die treuen Männer der SS.

Eine junge Frau, die ihn vor seinem ersten Auftritt in „Krass, Alter“ schminkt, fragt ihn:

„Sie waren schon mal im Fernsehen?“ […]
„Mehrfach“, sagte ich, „es liegt jedoch schon etwas zurück.“
„Ach“, sagte sie, „habe ich Sie womöglich schon mal gesehen?“
„Ich denke nicht“, schätzte ich, „das war damals auch hier in Berlin, im Olympiastadion …“
„Sie waren der Anheizer für den Mario Barth?“

Ali Wizgür begrüßt ihn:

„Frau Bellini hat mir schon gesagt, dass du die Knaller nur so raushaust. Ich bin der Ali.“

Während seines Auftritts sagt Hitler unter anderem:

„Der Deutsche der Gegenwart
trennt seinen Abfall gründlicher
als seine Rassen […]“

Wizgür beschwert sich nach der Sendung aufgebracht bei der Verantwortlichen:

„Carmen! Endlich! Hier läuft eine Riesenscheiße ab! Hast du das gesehen? Hast du das gesehen? Was ist das für ein Arschloch?“

Carmen Bellini beschwichtigt ihn. Sie findet, das sei gar nicht so schlecht gelaufen und endlich einmal etwas anderes, etwas Neues.

Hitlers Auftritt in „Krass, Alter“ wird bei YouTube millionenfach angeklickt. Dadurch wird „Bild“ auf ihn aufmerksam und schreibt über ihn unter der Schlagzeile

„Irrer Youtube-Hitler: Fans feiern seine Hetze! Ganz Deutschland rätselt: Ist das noch Humor?“

Carmen Bellini weiß, dass Gefahr droht, wenn „Bild“ sich auf jemanden einschießt. Sie macht sich Sorgen, dass die Journalisten etwas Ungünstiges in der Vergangenheit ihres neuen Stars ausgraben könnten und fragt ihn:

„Wie sieht es mit einem nationalsozialistischen Hintergrund aus?“
„Der ist einwandfrei“, beruhigte ich sie.

Fräulein Krömeier staunt darüber, dass er selbst in unerwarteten Situationen kein einziges Mal aus der Rolle fällt. Aber als sie darüber klagt, dass sie aufgrund des Medienrummels von geilen Kerlen mit Mails belästigt werde und Hitler daraufhin bedauernd meint, er hätte sie warnen sollen, aber er habe den Gegner unterschätzt, fährt sie ihn entnervt an:

„Können Se nich mal zwei Minuten aufhören? […] Et jeht hier nicht um die Zukunft Deutschlands! Det ist echt! Det is keen Witz! Det ist ooch keen Auftritt! Det is mein Leben, det diese Arschlöcher da kaputtschreiben!“

Im Hotel Adlon gewährt Adolf Hitler der „Bild“-Reporterin Ute Kassler ein Interview. Aber sie bricht es nach einer Weile ab, weil sie annimmt, er verschanze sich hinter seiner Rolle, blocke alle Fragen nach seinem Privatleben ab und verrate ihr nicht einmal seinen richtigen Namen. Hitler wiederum findet:

Die Pressearbeit ist schon etwas Mühseliges, so ganz ohne Gleichschaltung.

In dem von „Bild“ gedruckten Interview mit Adolf Hitler heißt es:

BILD: Verurteilen Sie die Taten der Nazis?
Nein, warum? Ich bin für sie verantwortlich.

Sensenbrink befürchtet daraufhin gerichtliche Schritte, aber Carmen Bellini versucht ihn zu beruhigen. Ihr neuer Star habe das alles in seiner Rolle als Adolf Hitler gesagt, meint sie, und was sei an der Aussage falsch, dass Hitler für den Tod von sechs Millionen Juden verantwortlich sei? Aufgrund einer Reihe von Anzeigen schaltet sich die Staatsanwaltschaft ein, aber die Ermittlungen werden rasch wieder eingestellt, denn Hitlers Äußerungen sind durch die künstlerische Freiheit gedeckt.

Um gegenhalten zu können, richtet Flashlight eine Website für Adolf Hitler ein. Sawatzki lädt ein Video hoch, auf dem zu sehen ist, wie Ute Kassler im Hotel Adlon die Rechnung bezahlt, und dazu schreibt er:

„Bild“ finanzierte den Führer.

Der Medienkonzern beantragt eine einstweilige Verfügung gegen diese Behauptung, scheitert damit jedoch, weil das Gericht zu der Auffassung kommt, dass der Bezug auf den Hitler-Darsteller klar sei, zumal es „Bild“ unter dem NS-Regime noch nicht gegeben habe. Daraufhin schwenkt „Bild“ um.

Auch die meisten anderen Medien schreiben eher anerkennend über Hitler.

Am positiven Grundton war nicht zu zweifeln. Die „Süddeutsche Zeitung“ lobte die „geradezu potemkinhafte Retrospektive“, die hinter einer „Scheinspiegelung neofaschistischer Monostrukturen die Vehemenz eines leidenschaftlichen Plädoyers für pluralistische beziehungsweise basisdemokratische Prozessvarianten“ vermuten ließ. Die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ begrüßte die „stupende Aufbereitung systemimmanenter Paradoxa im Schafspelz des nationalistischen Wolfs“. Und der Wortspielbetrieb von „Spiegel Online“ nannte mich den „fremden Führer“, was zweifellos wohlwollend gemeint war.

Flashlight dreht nun Einspieler mit Adolf Hitler für die Sendung „Krass, Alter“. Beispielsweise klingelt er mit einem Kamerateam am Carl-Arthur Bühring-Haus, der Parteizentrale der NPD in Berlin-Köpenick. Ein Bürschchen öffnet und fragt erst einmal nach einer Drehgenehmigung, aber Hitler drückt die Tür auf und lässt sich nicht aufhalten. Auf einem Plakat liest er: „Millionen Fremde kosten uns Milliarden“. Der junge Mann ruft jemanden an, und der Hilfsregisseur Ulf Bronner stellt den Telefonapparat durch Knopfdruck auf Lautsprecher um. Der Angerufene fragt, ob es sich um den Irren von YouTube handele. Hitler reißt den Telefonhörer an sich.

„Nun“, sagte ich, „ich nehme nicht an, dass Sie mein Buch gelesen haben.“
„Dazu äußere ich mich nicht“, sagte der Lautsprecher, „und jetzt verlassen Sie sofort die Geschäftsstelle, oder ich lasse sie rausschmeißen.“
Ich lachte.
„Ich bin in Frankreich einmarschiert“, sagte ich, „ich bin in Polen einmarschiert. Ich bin in Holland einmarschiert und in Belgien. Ich habe die Russen zu Hunderttausenden eingekesselt, bevor die auch nur Piep sagen konnten. Und jetzt bin ich in Ihrer sogenannten Geschäftsstelle. Und wenn Sie auch nur den Hauch einer wahrhaft nationalen Gesinnung besitzen, dann kommen Sie hierher und stehen mir Rede und Antwort über die Art und Wese, in der Sie das völkische Erbe verschleudern!“

Schließlich meldet sich Holger Apfel, der Bundesvorsitzende der NPD, am Telefon, aber Hitler findet, die Zeit der Telefonate sei abgelaufen; er besteht auf dem persönlichen Erscheinen des Parteiführers. Inzwischen drängeln sich Kamerateams von Konkurrenzsendern vor dem Carl-Arthur Bühring-Haus. Die NPD kann Hitler deshalb nicht mehr hinauswerfen lassen, denn was würde das für einen Eindruck machen?!

Nach ein paar Minuten taucht Holger Apfel persönlich in der Parteizentrale auf. Bronner stachelt Hitler vor laufenden Kameras an:

„Und was ist mit Zwickau?“ […]
„Was soll mit Zwickau sein“, fragte ich. „Was hat das mit Terror zu tun? Wir haben den Terror damals auf die Straße gebracht! Wir haben damit 1933 einen gewaltigen Erfolg eingefahren. Das hatte aber auch seinen Grund: Die SA ist auf Lastkraftwagen durch die Gegend gefahren, hat Knochen gebrochen und Fahnen geschwenkt. Fahnen, hören Sie das?“, brüllte ich nun schon unbeherrscht den Apfelklops an, dass er zurückschreckte.
„Fahnen! Vor allem das ist wichtig! Wenn so ein bolschewistisch verblendeter Dummkopf im Rollstuhl sitzt, dann soll er ja auch wissen, wer ihn da hineingeprügelt hat und warum! Und was macht dieses Idiotentrio in Zwickau? Die bringen reihenweise Ausländer um – ohne Fahne. […] Dass diese mentalen Rohrkrepierer überhaupt existierten, hat man ja erst daran gemerkt, dass sich zwei von diesen Dümmlingen selbst umgebracht haben.“

Holger Apfel beteuert, er habe nichts mit der Sache zu tun gehabt. Daraufhin schreit Hitler ihn an:

„Da sind Sie wohl auch noch stolz darauf!“

„Sie sind ein Blender, Sie versuchen auf den vernachlässigten Flammen der heißen Heimatliebe völkisch gesinnter Deutscher Ihr Süppchen zu kochen, doch jedes Wort aus Ihrem unfähigen Mund wirft die Bewegung um Jahrzehnte zurück.“

Hitler hat genug. Er verlässt die Parteizentrale der NPD mit den Worten:

„Ein anständiger Deutscher hat hier nichts verloren.“

Bei Flashlight wird Hitler zu einer wichtigen Besprechung in den Konferenzraum gebeten. Es heißt, sogar Herr Kärrner nehme daran teil. Frau Schmackes in der Kantine erklärt Hitler:

„Na, ick sach mal so, det is der Chef vons Ganze.“

Das Meeting wurde einberufen, weil aus sicherer Quelle zu erfahren war, dass Adolf Hitler mit dem Grimme-Preis ausgezeichnet werden soll. Er bekommt nun seine eigene Sendung und ein eigenes Studio mit Kulissen des Führerhauptquartiers Wolfsschanze. Flashlight vergibt außerdem Lizenzen für Merchandising-Produkte wie Tassen und Sportleibchen, die jetzt T-Shirt heißen. Damit wird Hitler promoted.

In seiner ersten Sendung hat er Renate Künast zu Gast, die Fraktionsvorsitzende der Grünen. Auf seine Frage, wie sie sich Deutschland in 300 Jahren vorstelle, meint sie, das könne man nicht sagen, man wisse nicht einmal, ob es die EU in 15 Jahren noch gebe. Hitler entgegnet:

„In der Energiepolitik können Sie das! Da denken Sie in meinen Dimensionen! Wenige bis keine Importe, vollständige Autarkie aus nachwachsenden Rohstoffen, aus Wasser, Wind, das ist energiepolitische Sicherheit auch in hundert, zweihundert, tausend Jahren. Sie können ja doch ein wenig in die Zukunft sehen. Und was soll ich sagen – es ist das, was ich auch immer schon forderte …“
„Moment! Aber aus völlig falschen Gründen!“

Er geht mit ihr zu einem Kartentisch. Renate Künast fällt eine gegen eines der Tischbeine gelehnte Aktentasche auf.

„Die hat wohl jemand vergessen“, sagte ich abwesend, „wo ist eigentlich Stauffenberg?“

„Die Tasche tickt“, sagte Künast entgeistert.

Den Gag hatte sich Sawatzki ausgedacht.

Sensenbrink warnt Hitler:

„Passen Sie auf, eines Tages nimmt Sie noch einer ernst!“

Wehmütig denkt Hitler an den „nicht immer problemlose[n] Verlauf des letzten Weltkrieges“ und hängt alten Zeiten nach:

Wenn Deutschland mich nicht gehabt hätte, wäre 1936 niemand ins Rheinland einmarschiert.

Über die Neue Reichskanzlei meint er:

Das geht nicht an, dass man da für Millionen und Abermillionen eine Reichskanzlei hinstellt, und dann kommt jemand hinein und denkt sich: „Ach, das hätte ich mir aber größer vorgestellt.“ Dass der überhaupt denkt, das darf nicht sein […] Davon muss eine Aura ausgehen, wie vom Papst, aber natürlich wie von einem Papst, der beim geringsten Widerwort mit Flamme und Schwert dreinschlägt wie der Herrgott selbst.

Und seiner Sekretärin erklärt er:

„1933 wurde kein Volk mit einer Propagandaaktion überwältigt. Es wurde ein Führer gewählt, auf eine Weise, die sogar im heutigen Sinne als demokratisch gelten muss. Es wurde ein Führer gewählt, der in unwiderlegbarer Klarheit seine Pläne offengelegt hatte. Die Deutschen haben ihn gewählt. Ja, sogar Juden. […] Die Partei hatte damals schon vier Millionen Mitglieder. Und auch das nur, weil ab 1933 keine weiteren Mitglieder mehr aufgenommen wurden. Es hätten 1934 auch acht Millionen, zwölf Millionen sein können. Ich glaube nicht, dass eine der heutigen Parteien nur annähernd diese Zustimmung genießt.“

Notgedrungen folgt Hitler einer Einladung zum Münchner Oktoberfest. Ein Chauffeur holt ihn vom Hotel ab und bringt ihn hin. Zwei Betrunkene versuchen, ins Auto einzusteigen. Der Fahrer verhindert es und wendet sich dann wieder Hitler zu:

„Entschuldigen S‘, […] des is halt immer des mit dera Scheißwiesn.“

Hitler wird in eines der Festzelte geführt und dort in eine Box mit offenbar Prominenten. Über die Dirndl-Imitationen ist Hitler entsetzt. Als er ein stilles Wasser bestellt, meint ein in der Nähe sitzender beleibter Farbiger anerkennend, er sei wohl ein Profi, rät ihm aber, es so zu machen wie er und sich das Wasser in einem Keferloher bringen zu lassen. Einige erkennen den Hinzugekommenen und erklären den anderen: „Das ist der Hitler vom Wizgür.“

Zurück in Berlin, sucht Adolf Hitler eine halbwegs repräsentative Wohnung mit 400 bis 450 Quadratmetern.

Carmen Bellini will mit ihm in die Wagner-Oper „Die Meistersinger von Nürnberg“ gehen. Aber auf dem Weg dorthin wird Hitler von zwei Rechtsradikalen zusammengeschlagen.

Im Krankenhaus wundert er sich über das akzentfreie Deutsch des behandelnden Arztes Dr. Radulescu, der ihm daraufhin erklärt, er sei Deutscher, habe aber den Familiennamen seiner rumänischen Ehefrau angenommen.

Als Schwester Irmgard hereinkommt und sagt: „Ich sehe hier nur kurz nach dem Rechten“, reagiert Hitler mit den Worten: „Dem geht’s gut.“

Während Hitler im Krankenhaus liegt, rufen Politiker verschiedener Parteien an, zuletzt auch Sigmar Gabriel. Die Verlegerin Beate Golz schlägt ihm vor, ein neues Buch zu schreiben.

Frank Sawatzki und Vera Krömeier besuchen Hitler am Krankenbett. Vera heißt inzwischen gar nicht mehr Krömeier, sondern Sawatzki, und sie ist hochschwanger.

Hitler glaubt, sich noch etwas Ruhe gönnen zu können:

Jetzt, da ich weiß, dass alles einen tieferen Sinn hat, dass die Vorsehung von mir nicht erwartet, einen Weltkrieg gleich beim ersten oder zweiten Versuch zu gewinnen […]

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Bei „Er ist wieder da“ handelt es sich um eine Politsatire, mit der Timur Vermes sowohl die noch immer von einer Figur wie Adolf Hitler ausgehende Faszination als auch die Mediengesellschaft aufs Korn nimmt.

Adolf Hitler erwacht am 30. August 2011 in Berlin. Weil man ihn für einen Parodisten hält, avanciert er zum Comedy-Star, und alle staunen darüber, dass er nie aus der Rolle fällt.

Originell sind die Grundidee und das Buchcover: schwarzes, seitengescheiteltes Haar auf weißem Grund und ein aus dem Text „Er ist wieder da“ geformtes Hitlerbärtchen. Die Kapitelüberschriften sind in Fraktur gesetzt.

Timur Vermes lässt diesen fiktiven Adolf Hitler in der Ich-Form zu Wort kommen und ahmt ein wenig die Sprache des echten nach. Weil er ausschließlich aus der subjektiven Perspektive des Protagonisten erzählt, fehlt es „Er ist wieder da“ an Distanz dazu. Nicht zuletzt deshalb ist zu kritisieren, dass Timur Vermes mit seinem Roman die NS-Verbrechen verharmlost.

Außer an Distanz fehlt es dem Roman „Er ist wieder da“ an Handlung. Wieso Hitler 66 Jahre nach dem Kriegsende (also im Alter von 122 Jahren) wieder zu sich kommt, wird nicht erklärt. Er ist unvermittelt da, und nach knapp 400 Seiten verabschiedet er sich mit dem Slogan „Es war nicht alles schlecht.“ Timur Vermes reiht Kalauer aneinander, aber es gibt in „Er ist wieder da“ keine Schlusspointe, keinen dramatischen Höhepunkt, eigentlich überhaupt keine Dramaturgie. Ja, da sind gewiss einige lustige Einfälle, aber im Grunde handelt es sich bei „Er ist wieder da“ um seichten Klamauk.

Der Titel stammt aus einem Schlager, den Marion Maerz (* 1943) 1965 sang und im Jahr darauf als Titel für ein Album wählte: „Er ist wieder da, wieder hier. / Er ist wieder da, so sagt man mir. […]“

Der Titel und der Grundgedanke sind aber auch aus einem anderen Grund nicht ganz neu: Walter Moers brachte 1998 unter dem Titel „Adolf. Äch bin wieder da!“ einen Comic heraus, und zwar im Eichborn-Verlag, der auch Timur Vermes‘ Buch veröffentlichte. In beiden Fällen taucht Hitler Jahrzehnte nach dem Zweiten Weltkrieg wieder in Berlin auf und wird mit einer veränderten Welt konfrontiert. Auf den ersten Band ließ Walter Moers 1999 einen zweiten folgen: „Adolf. Äch bin schon wieder da!“ Der dritte Band – „Adolf. Der Bonker“ (2006) – ist eine illustrierte „Tragikomödie in drei Akten“. Alle drei Bände gibt es inzwischen als Piper-Taschenbücher.

Mit dem ungewohnten Buchpreis für „Er ist wieder da“ – 19.33 € – spielt der Verlag auf das Jahr 1933 an, in dem Adolf Hitler Reichskanzler wurde.

Timur Vermes wurde 1967 in Nürnberg als Sohn eines ungarischen Flüchtlings geboren. 2007 begann er, als Ghostwriter Bücher zu schreiben. „Er ist wieder da“ ist sein erster Roman. Das Buch wurde ein Bestseller.

Den Roman „Er ist wieder da“ von Timur Vermes gibt es auch als Hörbuch, gelesen von Christoph Maria Herbst, dem Darsteller der Figur „Bernd Stromberg“ in einer im Roman erwähnten Comedy-Fernsehserie (Regie: Kerstin Kaiser, Köln 2012, 410 Minuten, ISBN 978-3-7857-4741-4).

Die Verfilmung des Romans „Er ist wieder da“ von Timur Vermes durch David Wnendt soll am 8. Oktober 2015 in die Kinos kommen.

Originaltitel: Er ist wieder da – Regie: David Wnendt – Drehbuch: David Wnendt, Johannes Boss, Timur Vermes, Minna Fischgartl nach dem Roman „Er ist wieder da“ von Timur Vermes – Kamera: Hanno Lentz – Musik: Enis Rotthoff – Darsteller: Oliver Masucci, Fabian Busch, Christoph Maria Herbst, Katja Riemann, Franziska Wulf, Lars Rudolph, Michael Kessler u.a. – 2015

 

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Inhaltsangabe und Rezension: © Dieter Wunderlich 2013
Textauszüge: © Bastei Lübbe

Daniel Glattauer - Alle sieben Wellen
Daniel Glattauer komponiert in "Alle sieben Wellen" mit viel Sprachwitz einen romantischen und unterhaltsamen Briefroman ausschließlich aus E-Mails. Das Konzept ist allerdings nicht mehr neu; wir kennen es aus "Gut gegen Nordwind".
Alle sieben Wellen