Alles ist erleuchtet

Alles ist erleuchtet

Alles ist erleuchtet

Originaltitel: Everything is Illuminated - Regie: Liev Schreiber - Drehbuch: Liev Schreiber, nach dem Roman "Alles ist erleuchtet" von Jonathan Safran Foer - Kamera: Matthew Libatique - Schnitt: Andrew Marcus und Craig McKay - Musik: Paul Cantelon - Darsteller: Eugene Hutz, Elijah Wood, Boris Leskin, Laryssa Lauret, Jana Hrabetova, Stephen Samudovsky, Ljubomir Dezera, Oleksandr Choroshko, Gil Kazimirov, Zuzana Hodkova, Jaroslava Sochova, Ludmila Kartouska, Tereza Veselkova, Lukas Kral, Vera Sindelarova, Jonathan Safran Foer u.a. - 2005; 105 Minuten

Inhaltsangabe

Der junge amerikanisch-jüdische Schriftsteller Jonathan Safran Foer reist 2004 in die Ukraine, um nach der Frau zu suchen, die seinen Großvater 1942 vor den Deutschen gerettet haben soll. Unterstützt wird er dabei von einem ukrainischen "Dolmetscher" und einem "Fahrer": dem gleichaltrigen Alex und dessen schrulligen Großvater, deren Familie in Odessa ein Reisebüro für jüdisch-amerikanische Individualtouristen betreibt.
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Kritik

In seiner Verfilmung des Roman "Alles ist erleuchtet" von Jonathan Safran Foer hat Liev Schreiber auf die surreale Schtetl-Geschichte verzichtet und sich auf die skurrile Reise der drei Hauptfiguren konzentriert. So ist aus der polyphonen Vorlage ein schräges Roadmovie geworden.
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Aus Angst vor dem Vergessen sammelt der junge jüdisch-amerikanische Schriftsteller Jonathan Safran Foer (Elijah Wood) Bilder und Gegenstände. Seine im Sterben liegende Großmutter (Jana Hrabetova) schenkt ihm ein zerknittertes altes Foto für die Sammlung, auf dem sein nach dem Zweiten Weltkrieg in die USA ausgewanderter und dort 1989 verstorbener Großvater Safran Foer (Stephen Samudovsky) und eine junge Frau (Tereza Veselkova) in der Ukraine zu sehen sind. „Augustine und ich, Trachimbrod 1940“, steht auf der Rückseite. Das Mädchen soll Safran Foer das Leben gerettet haben.

Nach der Beerdigung der Großmutter bucht Jonathan Safran Foer bei dem Reisebüro „Heritage Touring“ in Odessa eine Individualreise nach Trachimbrod und fliegt 2004 nach Europa.

Das von Alexander Perchov (Oleksandr Choroshko) gegründete Familienunternehmen „Heritage Touring“ ist darauf spezialisiert, Reisen für jüdische Individualtouristen zu organisieren, die in der Ukraine nach ihren Vorfahren und deren Heimatorten suchen. Beim Essen im Familienkreis entscheidet Alexander Perchov, dass sein vierundachtzig Jahre alter Vater den amerikanischen Schriftsteller fährt, und weil Baruch Perchov (Boris Leskin) nicht Amerikanisch spricht, muss Alexanders gleichnamiger Sohn (Eugene Hutz) die beiden als Dolmetscher begleiten. Baruch, der sich seit dem Tod seiner Frau Anna vor zwei Jahren einbildet, er sei blind, besteht darauf, dass seine aus dem Tierheim stammende „Blindenhündin“ Sammy Davis jr. jr. mitkommt.

Mit einem hellblauen Trabi holen Alex und sein Großvater den Amerikaner vom Bahnhof in Lwow ab. Alex hält am Bahnsteig ein Schild hoch, auf den er den Vornamen des Ankömmlings so geschrieben hat, wie er sich für ihn anhört: „Jonfen“. Jonathan Safran Foer erschrickt, als er Sammy Davis jr. jr. auf dem Rücksitz erblickt, denn er fürchtet sich vor Hunden. Aber es bleibt ihm nichts anderes übrig, als sich neben den „Blindenhund“ des mürrischen und offenbar antisemitischen Chauffeurs zu setzen.

Auf Landkarten ist Trachimbrod nicht verzeichnet. Jonathan vermutet den Ort an der polnisch-ukrainischen Grenze, 23 Kilometer südöstlich von Lwow und 4 Kilometer nördlich von Kolki.

Die kleine Reisegesellschaft übernachtet in einem schäbigen Hotel. Nachdem sie Platz genommen haben, um zu essen, erklärt Jonathan, er sei Vegetarier. Dass jemand freiwillig weder Fleisch noch Wurst isst, haben weder Alex noch dessen Großvater jemals gehört. Sie können es kaum fassen. Als die Kellnerin (Ludmila Kartouska) die Bestellung aufnehmen will, fragt Alex nach einem fleischlosen Gericht für „Jonfen“, aber das gibt es hier nicht. Ob er nicht einfach Kartoffeln bekommen könne, sagt Jonathan und Alex übersetzt seine Bitte. Kartoffeln gebe es nur als Beilage zu einem Fleischgericht, antwortet die Bedienung, aber am Ende bringt sie dem seltsamen Amerikaner dann doch eine einzelne Kartoffel.

Während der Weiterfahrt fragt Alex mehrmals Passanten nach Trachimbrod, aber von dem Ort weiß niemand etwas. Erst als der Großvater wieder hält und Alex zu der Hütte schickt, die in einem riesigen Sonnenblumenfeld steht, ändert sich das. Nach anfänglichem Zögern bittet die hier allein lebende Greisin (Laryssa Lauret) die Männer herein – und entschuldigt sich, dass sie ihnen kein Fleisch anbieten könne, weil sie keines esse. Bis unter die Decke stapeln sich Schachteln mit Gegenständen aus Trachimbrod. Alex glaubt, Augustine gefunden zu haben und will der Frau für die Rettung seines Großvaters ein Kuvert mit Geld in die Hand drücken, aber es handelt sich bei ihr um Augustines Schwester Lista.

Sie ist bereit, Jonathan, Alex und Baruch nach Trachimbrod zu führen, wagt es jedoch nicht, in ein Auto einzusteigen und geht lieber zu Fuß vor dem Fahrzeug her. Schließlich deutet sie auf eine große Wiese: Hier sei Trachimbrod gewesen, erklärt sie. Aber von dem am 18. März 1942 zerstörten Schtetl existiert nichts mehr.

Lista erzählt, was damals geschah. Die Deutschen trieben die Bewohner des Schtetls in der Synagoge zusammen und forderten sie der Reihe nach auf, eine auf den Boden geworfene Thora zu bespucken. Alle taten es, bis auf ihren Vater. Auch als ein Wehrmachts-Offizier seiner hochschwangeren Tochter Augustine eine Pistole an den Bauch presste, spuckte er nicht. Augustine wurde erschossen.

Safran Foer sei eine Woche vor dem Massaker aus Trachimbrod abgereist, erzählt Lista, um in den USA eine Wohnung für sich und Augustine zu suchen.

Lista erinnert sich nicht nur an Jonathans Großvater, sondern auch an den damals ebenfalls noch jungen Baruch Perchov (Baruch: Lukas Kral, Lista: Vera Sindelarova), der das Massaker als einziger Mann überlebte. Es handelt sich bei Baruch also nicht um einen antisemitischen Ukrainer, wie Jonathan annahm, sondern um einen Juden.

Während einer Übernachtung auf der Rückfahrt schneidet Baruch sich in der Badewanne die Pulsadern auf und verblutet [Suizid].

Alex bringt Jonathan mit dem hellblauen Trabi zum Bahnhof. Zum Abschied schenkt der Amerikaner ihm das silberne Halskettchen mit dem Judenstern, das er bis dahin trug.

Zurück in den USA, leert Jonathan Safran Foer am Grab seines Großvaters Safran Foer (1921 – 1989) einen Beutel Erde aus Trachimbrod aus. Zur gleichen Zeit wird Baruch Perchov (1920 – 2004) beerdigt, und Alex schüttet ebenfalls etwas Erde aus Trachimbrod ins Grab.

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Als der Filmschauspieler Liev Schreiber eine vorab veröffentlichte Kurzfassung des Romans „Alles ist erleuchtet“ von Jonathan Safran Foer unter dem Titel „A Very Rigid Search“ im „New Yorker“ gelesen hatte, beschloss er, daraus seinen ersten Film zu machen.

Der Reiz der literarischen Vorlage besteht in der polyphonen Komposition aus dem fiktiven Reisebericht eines jungen Ukrainers, seinen Briefen an einen gleichaltrigen amerikanischen Schriftsteller und dessen surrealem Roman über das Leben in einem 1942 von den Deutschen vernichteten Schtetl, in dem seine Vorfahren gelebt hatten. Diese Vielstimmigkeit und Komplexität lassen sich im Kino nicht wiedergeben, und sie fehlen denn auch in der Verfilmung von Liev Schreiber. Auf die Schtetl-Geschichte hat er ganz verzichtet. Aus dem polyphonen Roman wurde ein skurriles, von Alex erzähltes Roadmovie über die Suche nach der Vergangenheit: Im Film „Alles ist erleuchtet“ dreht sich alles um die Reise des amerikanischen Schriftstellers Jonathan Safran Foer (Elijah Wood) mit dem gleichaltrigen ukrainischen „Dolmetscher“ Alex (Eugene Hutz) und dessen Großvater (Boris Leskin), bei dem es sich im Buch um einen Ukrainer handelt, der seinen jüdischen Freund an die Deutschen verriet, aus dem Liev Schreiber jedoch ein jüdisches Opfer gemacht hat, das den Holocaust überlebte.

Auch wenn der Film „Alles ist erleuchtet“ dem gleichnamigen Roman nicht ganz entspricht, bedeutet dies nicht, dass Liev Schreiber gescheitert ist. Das schräge, tragikomische Roadmovie ist durchaus originell und unterhaltsam. In den ersten beiden Dritteln des Films setzt Liev Schreiber auf einen Zusammenprall der Kulturen, kauzige Figuren und skurrile Situationen. Das erinnert an „Schwarze Katze, weißer Kater“ von Emir Kusturica. Wenn dann die Erinnerungen des von Boris Leskin eindrucksvoll gespielten Großvaters an die tragischen Kriegsereignisse in den Mittelpunkt rücken, wird die Atmosphäre elegisch, traurig und melancholisch, vielleicht auch ein wenig zu rührselig.

Eugene Hutz ist Musiker in der ukrainischen Gypsy-Punk-Band „Gogol Bordello“, die den Soundtrack von „Alles ist erleuchtet“ eingespielt hat.

Gedreht wurde übrigens nicht in der Ukraine, sondern in Tschechien.

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Inhaltsangabe und Rezension: © Dieter Wunderlich 2005 / 2009

Jonathan Safran Foer: Alles ist erleuchtet

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