Carlos Ruiz Zafón : Marina

Marina
Manuskript: 1996/97 Originalausgabe: Marina Edebé, Barcelona 1997 Marina Übersetzung: Peter Schwaar S. Fischer Verlag, Frankfurt/M 2011 ISBN: 978-3-10-095401-5, 350 Seiten
Buchbesprechung

Inhaltsangabe

Der 15-jährige Schüler Óscar Drai und seine gleichaltrige neue Freundin Marina werden auf eine "Dame in Schwarz" aufmerksam, die regelmäßig Rosen auf ein anonymes Grab legt. Sie folgen ihr zu einem Gewächshaus, in dem sie Unmengen von halbfertigen Figuren vorfinden. Das ist gruselig. Eine Visitenkarte bringt Óscar dazu, den Greis Benjamín Sentís aufzusuchen, und was dieser ihm erzählt, veranlasst die beiden Jugendlichen zu weiteren Nachforschungen ...
mehr erfahren

Kritik

In "Marina" mischen sich die Genres Jugendbuch und Erwachsenenroman, Fantasy, Mystery, Schauer- und Horrorroman. Die Konstruktion ist nicht besonders raffiniert, aber Carlos Ruiz Zafón erzählt lebendig und atmosphärisch dicht.
mehr erfahren

Der fünfzehnjährige Gymnasiast Óscar Drai nutzt die drei Stunden zwischen Unterrichtsende und Abendessen am liebsten, um heimlich das Internat zu verlassen und durch Barcelona zu streifen.

Im September 1979 hört er im Stadtteil Sarriá einen wunderschönen Gesang aus einem halb verfallenen Haus. Davon angezogen, geht er durch den Garten und in das Gebäude. Die Musik kommt von einem Grammophon. Gerade als Óscar eine goldene Uhr in die Hand genommen hat, um sie zu betrachten, erhebt sich jemand aus einem Sessel, und Óscar rennt davon. Bald darauf kehrt er mit der Uhr zurück. Im Garten trifft er auf eine Gleichaltrige. Sie heißt Marina. Die seit fünfzehn Jahren kaputte Uhr gehört ihrem Vater Germán, der mit ihr zusammen in dem abgelegenen Haus wohnt. Marina nimmt Óscar mit hinein und stellt ihn ihrem Vater vor. Von da an besucht Óscar die beiden so oft es ihm möglich ist.

Germán Blau hatte es sich als Jugendlicher in den Kopf gesetzt, Künstler zu werden. Obwohl er der ältere von zwei Söhnen war, weigerte er sich, das Textilunternehmen der Familie zu übernehmen. Sein Vater verstieß ihn deshalb, überschrieb ihm allerdings das Anwesen in Sarriá, damit er nicht auf der Straße zu leben brauchte. Es hieß, Germán sei in der Villa gezeugt worden, nicht von seinem gesetzlichen Vater, sondern von dem freigeistigen Porträtmaler Quim Salvat, mit dem seine Mutter Diana angeblich ein Verhältnis gehabt hatte. Quim Salvat, der Germán versicherte, das sei nicht wahr, unterrichtete ihn, bis er am 17. Juli 1938 starb. Einige Zeit später folgte Germán einem Ruf nach Paris und übernahm einen Lehrstuhl an einer Kunstakademie. In der Oper fiel ihm die neunzehnjährige Sängerin Kirsten Auermann auf. 1946 heirateten die beiden erfolgreichen Künstler und zogen nach Barcelona. Bei einer medizinischen Untersuchung am 19. Januar 1964, die Kirstens Schwangerschaft bestätigte, stellte sich heraus, dass sie an einer unheilbaren Bluterkrankung litt. Am 26. September wurde Marina geboren. Kirsten starb ein halbes Jahr später. Seither hat Germán kein Bild mehr gemalt.

Es war eine Plattenaufnahme von Kirstens Gesang, die Óscar angelockt hatte.

Marina geht nicht zur Schule. Sie wird von ihrem Vater unterrichtet.

Im Friedhof von Sarriá zeigt Marina ihrem neuen Freund eine schwarzgekleidete, ihr Gesicht hinter einem Schleier verbergende Frau, die jeweils am letzten Sonntag eines Monats eine Rose auf ein anonymes Grab legt. Die beiden Jugendlichen folgen ihr, bis sie in einem Gewächshaus verschwindet. Darin riecht es nach Fäulnis. Óscar und Marina stoßen auf Unmengen von Figuren aus Holz, Metall oder Keramik, die alle unvollständig sind. Das ist gruselig.

Augenscheinlich ist Germán ernsthaft krank, denn Marina begleitet ihn jeden Montag zu einer ärztlichen Untersuchung im San-Pablo-Krankenhaus. Im November 1979 reisen sie sogar für eine Woche nach Madrid, wo es neuartige Therapien gibt.

Während Marinas Abwesenheit drückt ein Dienstmann Óscar ein Kuvert in die Hand. Der Schüler sieht gerade noch, wie die „Dame in Schwarz“ in einer Kutsche wegfährt. Der Umschlag enthält eine Visitenkarte von Michael Kolwenik. Óscar geht zu der angegebenen Adresse in Barcelona. Dort wohnt allerdings ein Greis namens Benjamín Sentís, der behauptet, Michael Kolwenik habe hier zwar vier Jahre lang gewohnt, sei jedoch bereits 1948 gestorben.

Benjamín Sentís kannte Michail Kolwenik. Der war Ende 1919 als Zwanzigjähriger aus Prag nach Barcelona gekommen. Der Arzt Joan Shelley, der sein bester Freund wurde, vermittelte ihm eine Anstellung bei Velo-Granell, einem Hersteller von Prothesen und anderen Orthopädieartikeln. Kolwenik erwies sich als genialer Erfinder, und als dem Sohn des Firmengründers bei einem Arbeitsunfall an einer hydraulischen Presse beide Hände abgerissen wurden, konstruierte er Prothesen für ihn, die sich mit Nervenimpulsen bewegen ließen. Kolwenik erhielt ein Aktienpaket des Unternehmens und avancierte zum Generaldirektor. Zehn Jahre nach seiner Ankunft in Barcelona gehörte er zu den reichsten Männern der Stadt.

Als die neunzehnjährige russische Schauspielerin Ewa Irinowa nach Barcelona kam, verliebte er sich in sie. Am 24. Juni 1935 heirateten die beiden. Unmittelbar nach der Zeremonie wurde das wunderschöne Gesicht der Braut durch ein Säureattentat zerstört. Kolwenik stellte die Bauarbeiten am Gran Teatro Real, das er für Ewa hatte errichten wollen, ebenso ein wie die an der Traumvilla neben dem Park Güell. Das unglückliche Ehepaar zog sich in das halbfertige Wohnhaus zurück. Bald darauf begannen polizeiliche Untersuchungen gegen Velo-Granell und Michail Kolwenik wegen finanzieller Machenschaften. Die Firma wurde geschlossen, das Kapital beschlagnahmt. Kolwenik verlor sein Vermögen. Das Ehepaar verfügte nur noch über die Bauruine des Gran Teatro Real, die unfertige Villa und ein Gewächshaus in Sarriá, das Kolwenik als Werkstatt benutzte, denn diese Immobilien hatte er seiner Frau überschrieben. Alle Bediensteten bis auf den Kutscher Luis Claret kündigten. Im Dezember 1948 brannte die Villa bis auf die Grundmauern nieder. In den Trümmern fand man zwei verkohlte Leichen. Die Polizei kam zu dem Schluss, dass es sich dabei um die sterblichen Überreste von Michail Kolwenik und Ewa Irinowa gehandelt habe.

Eine Woche nach Óscars Besuch bei Benjamín Sentís findet man die Leiche des Dreiundachtzigjährigen in einem Abwasserkanal des gotischen Viertels. Er wurde ermordet. Aus den Presseberichten darüber erfahren Óscar und Marina, dass Benjamín Sentís der Sohn des Firmengründers von Velo-Granell war, für den Michail Kolwenik die künstlichen Hände konstruiert hatte.

Bei einem erneuten Besuch in dem unheimlichen Gewächshaus in Sarriá entdecken Óscar und Marina ein Fotoalbum mit Monstrositäten wie siamesische Zwillinge. Das nehmen sie mit, als sie vor einem Schatten fliehen.

Auf der Rückseite eines der Fotos steht der Name Dr. Joan Shelley. Óscar erinnert sich, dass Benjamín Sentís davon sprach, das sei Kolweniks bester Freund gewesen.

Marina und Óscar suchen den Arzt in seiner Wohnung in Barcelona auf. Seine erwachsene Tochter María öffnet ihnen.

Joan Shelley ist der Sohn eines britischen Vaters und einer katalanischen Mutter. Nachdem er Medizin studiert und sich auf Traumatologie spezialisiert hatte, zog er von Bournemouth nach Barcelona. Hier lernte er Michail Kolwenik kennen. Sie wurden Freunde und arbeiteten auch viel zusammen.

Nachdem Óscar im Internat von einer unheimlichen Kreatur angegriffen wurde, die es auf das Fotoalbum abgesehen hatte, quartiert er sich in den Weihnachtsferien bei Germán und Marina ein.

Die beiden Jugendlichen forschen weiter und suchen den inzwischen pensionierten Inspektor Víctor Florián auf, der in den Vierzigerjahren die Ermittlungen gegen Velo-Granell und Michail Kolwenik leitete. Florián wunderte sich damals darüber, dass Velo-Granell Leichen kaufte. Ende Dezember 1948 erhielt er endlich einen Haftbefehl gegen Kolwenik und einen Hausdurchsuchungsbefehl. Aber am Abend vor dem Zugriff brannte die Villa neben dem Park Güell nieder. Knapp ein Jahr später, am 13. Dezember 1949, fand man die zerstückelten Leichen von zwei Polizisten, die einem Bericht über den Fall Velo-Granell nachgegangen waren. Bei der Beerdigung traf Florián auf Benjamín Sentís. Der Unternehmer war schmutzig, roch nach Alkohol und fürchtete um sein Leben. In den Monaten danach starben alle ehemaligen Vorstandsmitglieder bis auf Sentís, aber es gab keine Indizien für eine Mordserie. Vor wenigen Wochen rief Benjamín Sentís Inspektor Florián an, behauptete, er habe Informationen zum Fall Velo-Granell und verabredete sich mit ihm. Er kam dann allerdings nicht, und kurz darauf wurde seine Leiche gefunden.

Óscar beobachtet nachts auf dem Friedhof von Sarriá, wie jemand das anonyme Grab öffnet. Als der Mann merkt, dass er nicht allein ist, läuft der Junge davon und versteckt sich im Kofferkasten der Kutsche, die vor dem Friedhof steht. Der Unbekannte fährt damit zum Gran Teatro Real. Dort entdeckt Óscar ein Klingelschild mit dem Namen Luis Claret.

Unerschrocken observiert Óscar das Gebäude und folgt Claret schließlich zu Joan Shelley. Durch ein Fenster sieht er, wie der Arzt dem Kutscher silberne Patronen gibt, mit denen dieser seinen Revolver lädt. Nach dem Besuch bei Shelley verschwindet Claret durch einen Gully in der Kanalisation. Óscar ruft Inspektor Florián an und teilt ihm mit, was er sah. Der verspricht, sofort zu kommen und schärft ihm ein, auf keinen Fall in die Kanalisation hinunterzusteigen. Das tut Óscar dann aber doch, als auch María Shelley auftaucht und den Weg durch den Gully benutzt.

Im Abwasser treiben Fotos aus dem Fotoalbum. Undefinierbare Wesen robben von allen Seiten auf Óscar zu. Inspektor Florián kommt hinzu. Sie entdecken einen Raum, in dem unvollständige Körper an rostigen Haken hängen. Von der Decke tropft Blut. Dort oben hängt die Kreatur, die Óscar im Internat angriff. Florián fordert den Jungen auf, loszurennen – und wird im nächsten Augenblick von dem dunklen Wesen zerfleischt.

Óscar kommt bei seinen Freunden Germán und Marina wieder zu sich. Er erfährt, dass Luis Claret ihm in der Kanalisation das Leben rettete.

Mit Marina zusammen sucht er Luis Claret in der Bauruine des Gran Teatro Real auf.

Luis Claret war Michail Kolwenik als fünfjähriger Bettlerjunge erstmals begegnet. Obwohl Kolwenik damals gerade erst nach Barcelona gekommen war und selbst nichts besaß, gab er ihm sein letztes Geld, damit er sich etwas zu essen kaufen konnte. Claret blieb für immer bei ihm.

Unerwartet taucht die „Dame in Schwarz“ auf. Sie hebt für kurze Zeit den Schleier und zeigt den Jugendlichen ihr zerstörtes Gesicht. Es handelt sich um Ewa Irinowa.

Deren russische Mutter war vor der Oktoberrrevolution geflohen. Bei der Geburt ihrer Tochter auf einem Rheinschiff starb sie. Die Zwillinge Sergei und Tatjana Glasunow, ein Komödiantenpaar aus St. Petersburg, das sich ebenfalls an Bord befand, nahm sich des Säuglings an. In Warschau schlossen sie sich einer Zirkustruppe an und zogen schließlich nach Wien. Als Ewa Irinowa – diesen Namen hatten Sergei und Tatjana dem Kind gegeben – sieben oder acht Jahre alt war, musste sie beim Zirkusprogramm mitmachen und singen. So wurde ihre schöne Stimme entdeckt. Sie erhielt Gesangs-, Schauspiel- und Tanzunterricht. Sergei, der offiziell ihr Vormund geworden war, missbrauchte sie. Mit sechzehn war ihr Selbsthass so groß, dass sie anfing, sich selbst mit einem Messer zu verletzten. Drei Jahre später kam sie mit ihren Pflegeeltern nach Barcelona und lernte Michail Kolwenik kennen. Sergei und Tatjana, die ihr Zugpferd nicht verlieren wollten, verboten Ewa den Umgang mit ihm und verweigerten ihre Zustimmung zur geplanten Eheschließung. Da kaufte Kolwenik das Theater, entließ Sergei und Tatjana Glasunow, drohte ihnen mit einem Dossier über ihre illegalen Aktivitäten und bot ihnen einen Scheck über eine große Summe, damit sie Barcelona ohne Ewa verließen. Erst nach einem Mordanschlag fügten sich die beiden.

Kurz darauf fand Ewa Irinowa heraus, dass ihr Verlobter mit Leichen experimentierte. Sie sah, wie eine nackte tote, vom Bauch bis zum Hals aufgeschnittene Frau die Augen aufschlug und sich bewegte, nachdem er ihr ein aus Schmetterlingen gewonnenes Serum gespritzt hatte.

Zwei Wochen später fand die Hochzeit statt. Plötzlich sprang Sergei Glasunow auf die Braut zu und schüttete ihr Säure ins Gesicht. Die folgenden Monate verbrachte sie im Morphiumdämmer. Ihr Mann rekonstruierte ihren Hals und ihren Mund, damit sie essen und trinken konnte. Es dauerte zwei Jahre, bis er auch ihre Stimme wiederhergestellt hatte.

Michail war am 31. Dezember 1899 in Prag von einem sechzehnjährigen Dienstmädchen geboren worden, das der adelige Dienstherr geschwängert und dann vom Hof gejagt hatte. Während Michail kräftig und gesund war, litt sein Zwillingsbruder Andrej an einer unheilbaren Krankheit und starb im Alter von sieben Jahren. Die Mutter folgte ihm mit sechsundzwanzig ins Grab.

Der Chirurg Antonin Kolwenik, der seine Frau und seinen Sohn bei einer Cholera-Epidemie verloren hatte, nahm sich des Waisenjungen Michail an. Der war noch keine zwanzig Jahre alt, als sein Pflegevater aufgrund eines Herzleidens im Sterben lag. Michail versuchte vergeblich, ihn zu retten. Als die Polizei kam, fand sie den jungen Mann blutbesudelt neben der Leiche. Es sah so aus, als habe er den Verstorbenen seziert. Tatsächlich hatte er versucht, das kranke Herz durch eine künstliche Pumpe zu ersetzen. Man sperrte Michail Kolwenik in ein Irrenhaus in Prag. Von dort floh er zwei Jahre später nach Barcelona.

Als er krank wurde und sein Körper zu zerfallen begann, operierte er sich selbst und versuchte zum Beispiel, eine kaputte Hand wiederherzustellen. Es gelang Ewa, Luis Claret und Joan Shelley nicht, ihn von seiner Obsession abzubringen. Einmal verschwand er, und nach einem Monat fand Claret seinen Dienstherrn in dem Gewächshaus in Sarriá, wo er seinen Körper weitgehend künstlich erneuert hatte. Ewa und Claret sperrten ihn daraufhin in den Turm der Villa neben dem Park Güell.

Zu diesem Zeitpunkt war Ewa bereits schwanger. Sie gebar eine Tochter, die Joan Shelley aufzog, als sei sie sein eigenes Kind: María.

Wenn Sie noch nicht erfahren möchten, wie es weitergeht,
überspringen Sie bitte vorerst den Rest der Inhaltsangabe.

Ende Dezember 1948, am Tag vor der geplanten Hausdurchsuchung, bei der die Lügen und Betrügereien von Kolweniks Geschäftspartner Benjamín Sentís aufgeflogen wären, beauftragte dieser Sergei und Tatjana Glasunow, die Villa anzuzünden. Ewa Irinowa und Luis Claret konnten sich retten. Michail Kolwenik, der im Turmzimmer eingesperrt war, kletterte aus dem Fenster und an der Mauer des brennenden Gebäudes herunter. Dann zerrte er die Zwillinge Sergei und Tatjana ins Feuer.

Die Polizei hielt die beiden verkohlten Leichen für die von Ewa Irinowa und Michail Kolwenik.

Die vermeintlich Tote versteckte sich mit Luis Claret im Theater.

Kolwenik war nach dem Brand verschwunden. Zwei Polizisten, die ihn offenbar ein Jahr später auf dem Firmengelände ertappten, brachte er grausam um.

Joan Shelley fand schließlich die letzten beiden Fläschchen mit dem Schmetterlings-Serum. Nachdem er ein Gegenmittel zusammengemischt hatte, tränkte er zwölf silberne Patronen darin. Damit wollten er, Ewa und Luis Claret das Monster erschießen.

Aber dann fanden sie seine Leiche in der Kanalisation und begruben sie anonym auf dem Friedhof in Sarriá.

María fand heraus, dass nicht Joan Shelley, sondern Michail Kolwenik ihr Vater war. Und sie entdeckte eines der Fläschchen mit dem Serum. Damit erweckte sie Kolwenik nach dreißig Jahren wieder zum Leben.

Luis Claret überprüfte kürzlich das Grab und stellte fest, dass es leer war.

Das letzte Fläschchen mit dem Schmetterlings-Serum trägt Ewa Irinowa an einer Kette um den Hals.

Óscar und Marina sind noch bei ihr, als Michail Kolwenik mit seinen Kreaturen die Glaskuppel des Theaters durchbricht. Claret töten die meisten von ihnen, bevor er selbst umgebracht wird. Kolwenik packt Marina, nimmt sie als Geisel und fordert ihren Freund auf, ihm das Serum zu bringen. Ewa Irinowa hat damit begonnen, alles anzuzünden. María, die ebenfalls auftaucht, wirft sich in die Flammen. Widerstrebend gibt Ewa Óscar das Fläschchen, aber es entgleitet ihm, und das Serum verdampft in der Hitze. Mit den von Shelley präparierten silbernen Kugeln erschießt Ewa die Kreatur, die einmal ihr Mann war und verbrennt mit der Leiche, während Óscar und Marina sich ins Freie retten.

Marina zieht sich von Óscar zurück. Nachdem er sie zwei Monate lang nicht gesehen hat, findet er heraus, dass nicht Germán, sondern sie unheilbar krank ist. Vergeblich kämpft der Arzt Damián Rojas um ihr Leben. Óscar besucht sie jeden Tag im Krankenhaus und schenkt ihr ein Leerbuch, in dem sie aufschreiben soll, was sie zusammen erlebten.

In der frevelhaften Hoffnung, es könnte doch noch etwas von dem Schmetterlings-Serum geben, sucht Óscar Joan Shelley auf, aber der Arzt versichert ihm, dass nichts mehr davon übrig ist und er ihm auch nichts davon gegeben hätte, wenn es anders wäre.

Marina stirbt im Mai 1980.

Óscar bleibt eine Woche lang verschwunden, während Freunde, Mitschüler, Lehrer und Polizisten nach ihm suchen. Schließlich erkennt ihn ein Zivilfahnder am Francia-Bahnhof.

Fünfzehn Jahre später schreibt er das vorliegende Buch.

nach oben (zur Kritik bzw. Inhaltsangabe)

In „Marina“ mischt Carlos Ruiz Zafón die Genres Jugendbuch und Erwachsenenroman, Fantasy, Mystery, Schauer- und Horrorroman. Entsprechend düster sind die Kulissen der in Barcelona spielenden Handlung, die sich um Adoleszenz, Liebe und Freundschaft, Hybris, Verlust und Verrat dreht.

Der Protagonist Óscar Drai erzählt die Geschichte, die er mit fünfzehn erlebte, fünfzehn Jahre später in der Ich-Form.

Marina sagte einmal zu mir, wir erinnerten uns nur an das, was nie geschehen sei. Es sollte eine Ewigkeit dauern, bis ich diese Worte begriff. Doch ich fange besser am Anfang an, und der ist in diesem Fall das Ende.

Die entscheidenden Zusammenhänge erfahren wir aus ausführlichen Berichten, die sich Óscar Drai von Germán Blau, Benjamín Sentís, Joan Shelley und vor allem Ewa Irinowa (S. 257 – 296) geben lässt. Diese Konstruktion ist nicht besonders raffiniert. Weder die Handlung noch die Dramaturgie haben mich überzeugt. Lesenswert ist „Marina“ nur, weil Carlos Ruiz Zafón lebendig und atmosphärisch dicht zu erzählen versteht.

Das Manuskript entstand bereits 1996/97 in Los Angeles. 1997 wurde der Roman veröffentlicht. Eine deutsche Übersetzung (von Peter Schwaar) kam erst nach dem Welterfolg „Der Schatten des Windes“ heraus.

Den Roman „Marina“ von Carlos Ruiz Zafón gibt es auch als Hörbuch, gelesen von Andreas Pietschmann (Regie: Harald Krewer, Berlin 2011, 6 CDs, ISBN 978-3-8398-1073-6).

 

nach oben (zur Kritik bzw. Inhaltsangabe)

Inhaltsangabe und Rezension: © Dieter Wunderlich 2011
Textauszüge: © S. Fischer Verlag

Carlos Ruiz Zafón: Der Schatten des Windes
Carlos Ruiz Zafón: Das Spiel des Engels
Carlos Ruiz Zafón: Das Labyrinth der Lichter

Otto de Kat - Mann in der Ferne
In seinem sehr poetischen Roman "Mann in der Ferne" erzählt Otto de Kat keine durchgehende Handlung, sondern er lässt uns teilhaben an den assoziativ verknüpften Erinnerungen seines melancholischen Ich-Erzählers, eines etwa sechsunddreißigjährigen Niederländers, der nicht darüber hinwegkommt, dass sein Vater starb, bevor er ein letztes Mal mit ihm reden konnte.
Mann in der Ferne