Das finstere Tal

Das finstere Tal

Das finstere Tal

Originaltitel: Das finstere Tal – Regie: Andreas Prochaska – Drehbuch: Andreas Prochaska, Martin Ambrosch – Kamera: Thomas Kiennast – Schnitt: Daniel Prochaska – Musik: Matthias Weber – Darsteller: Sam Riley, Paula Beer, Tobias Moretti, Helmuth A. Häusler, Martin Leutgeb, Clemens Schick, Johann Nikolussi, Hans-Michael Rehberg, Erwin Steinhauer, Thomas Schubert u.a. – 2014; 115 Minuten

Inhaltsangabe

Ein Fremder kommt in ein Alpendorf geritten und quartiert sich bei einer Witwe und ihrer Tochter ein. Das Dorf wird vom Brenner-Bauern und seinen sechs Söhnen beherrscht. Obwohl zwei der Söhne kurz nacheinander umkommen, ordnet der Brenner-Bauer an, dass eine geplante Hochzeit stattfindet. Alle wissen, was das bedeutet: Der geltenden Regel zufolge steht es den Brenner-Männern nicht nur zu, alle Bräute zu deflorieren, sondern ihnen auch bis zur ersten Schwangerschaft beizu­wohnen. Als die Brenner-Söhne die Braut holen, stellt sich ihnen der Fremde in den Weg ...
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Kritik

Bei "Das finstere Tal", der Ver­filmung eines Romans von Thomas Willmann durch Andreas Prochaska, handelt es sich um eine stilisierte Mischung aus Western und Heimat­film mit einer klassischen Filmfigur: dem Fremden, der als Rächer und Befreier von außen kommt.
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Irgendwann im 19. Jahrhundert kommt ein Fremder in ein Bergdorf in den Alpen geritten. Er heiße Greider (Sam Riley), komme aus Amerika, sei Fotograf und suche ein Winterquartier, erklärt er. Die sechs Söhne des Brenner-Bauern (Hans-Michael Rehberg) fordern ihn auf, das von ihnen und ihrem Vater beherrschte Dorf gleich wieder zu verlassen, aber als er Hans (Tobias Moretti), dem ältesten Brenner-Sohn, einen mit Goldstücken gefüllten Beutel zuwirft, bringen ihn die Brüder als Kostgänger zur Gaderin (Carmen Gratl) und deren Tochter Luzi (Paula Beer). Die beiden Frauen bewirtschaften den abgelegenen Hof allein, seit der Gader-Bauer und sein Sohn bei einem Unwetter in den Bergen ums Leben kamen. Luzi ist mit Lukas (Thomas Schubert) verlobt, und die Hochzeit soll noch in diesem Winter stattfinden. Sie bittet Greider, ein Bild von ihr und ihrem Bräutigam zu machen. Aber es müsse noch vor der Trauung geschehen, sagt sie.

Als Luzi mit dem Fuhrwerk ins Dorf fährt, nimmt sie den Kostgänger mit. Der Gasthof dient zugleich als Dorfladen. Während Luzi beim Wirt (Josef Griesser) und der Wirtin (Johanna Bittenbinder) einkauft, kommen drei der Brenner-Söhne herein. Otto Brenner (Martin Leutgeb) lässt zwei Gläser Schnaps eingießen. Als Greider das für ihn gedachte Glas nicht anrührt und sagt, er trinke keinen Alkohol, schlägt Otto Brenner ihn nieder und flößt dem am Boden Liegenden gewaltsam Schnaps aus der Flasche ein.

Nachdem der erste Schnee gefallen ist, wird eine Eisrinne angelegt, in der weiter oben gefällte Baumstämme ins Tal rutschen können. Einer der Stämme scheint sich verklemmt zu haben. Hubert Brenner (Helmuth A. Häusler) klettert an der Rinne entlang nach oben, um nachzuschauen. Dabei kommt er ums Leben – augenscheinlich durch einen Unfall. Kurz darauf stürzt sein Bruder Rudolf (Johann Nikolussi) bei der Jagd ab und kann nur noch tot geborgen werden.

Greider holt sein im Stall verstecktes Gewehr. Luzi warnt ihn: Ob er nicht wisse, dass nur die Brenner-Söhne Waffen tragen dürfen? Aber er rechnet damit, dass die vier überlebenden Brenner-Söhne nach dem zweiten Todesfall nicht mehr an Unfälle glauben und als Erstes nach dem Fremden suchen werden. Deshalb zieht er sich in eine höher gelegene Waldhütte zurück.

Trotz der beiden Toten ordnet der Brenner-Bauer an, dass die Hochzeit von Luzi und Lukas wie geplant stattzufinden habe. Hans Brenner führt die Braut zum Altar, wo der Bräutigam bereits auf sie wartet. In seiner Predigt weist der Dorfpfarrer Breisler (Erwin Steinhauer) darauf hin, dass Josef sich damit abfand, Marias Kind nicht gezeugt zu haben. Der gottgefällige Mann habe begriffen, dass ein Besserer als er der Vater des Sohnes war, erklärt der Geistliche und spielt damit auf die im Dorf geltende Regel an, die über das ius primae noctis hinausgeht: Den Brenner-Männern steht es nicht nur zu, alle Bräute zu deflorieren, sondern ihnen auch bis zur ersten Schwangerschaft beizuwohnen.

Diese Tradition wurde bisher erst einmal gebrochen. Und zwar von Franz (Franz Xaver Brückner) und Maria (Xenia Assenza). Das Brautpaar ließ sich von den Wirtsleuten verstecken. Weil die Brenner-Männer jedoch Geld bezahlten, verriet die Wirtin das Versteck. Der Bräutigam wurde zusammengeschlagen und vor Marias Augen an ein Kreuz genagelt. Ihr gelang es jedoch, aus dem Tal zu fliehen. Man hat im Dorf nie wieder etwas von ihr gehört.

Nach der Trauung bleibt der Pfarrer allein in der Kirche zurück und löscht die Kerzen. Der Fremde kommt herein und sagt, er wolle beichten. Als er gesteht, die beiden Brenner-Söhne ermordet zu haben, fragt der Geistliche, wer er sei. Da hält Greider ihm ein Medaillon mit einem Porträt seiner Mutter hin, und Breisler erkennt Maria. Weil er zu den Brenner-Männern gehalten hat, ahnt er, dass er sein Leben verwirkt hat. Greider erschießt ihn im Beichtstuhl.

Bei der Hochzeitsfeier fordert Hans Brenner das Brautpaar zum Tanzen auf. Nach kurzer Zeit streiten seine Brüder Luis und Edi (Clemens Schick, Florian Brückner) darüber, wer von ihnen mit der Braut weiter tanzen dürfe und zerren an Luzi herum. Lukas eilt ihr zu Hilfe, wird aber niedergeschlagen. Danach brechen die vier noch lebenden Brenner-Söhne mit der Braut im Schlitten auf.

Greider stellt sich der Gruppe in den Weg und zielt mit seinem Gewehr auf Hans Brenner. Mit der Drohung, ihn zu erschießen, zwingt er die Brüder, ihre Gewehre in den Schnee zu werfen, abzusitzen und Luzi freizugeben. Sie reitet mit einem der Pferde los. Nachdem Greider die Brenner-Söhne für den nächsten Morgen zum Duell gefordert hat, holt er Luzi ein und bringt sie zu ihrer Mutter. Kurz darauf trifft dort auch Lukas mit seinen Eltern (Beatrix Brunschko, Gerhard Liebmann) ein.

In der Nacht taucht Greider bei den Wirtsleuten auf. Er bringt den Wirt dazu, sich auf den Boden zu knien, wirft der geldgierigen Wirtin einen Beutel Goldstücke hin und zwingt sie, diese zu „fressen“.


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Hans Brenner und seine Brüder warten nicht bis zum nächsten Morgen, sondern umstellen noch in der Nacht die Waldhütte, in der Greider sich aufhält. Sie eröffnen das Feuer. Als einer von ihnen die Türe öffnet, wird er von Greider niedergeschossen, bleibt liegen und brüllt vor Schmerzen. Die drei anderen Brenner-Söhne wollen zunächst fliehen, bleiben dann aber im Gefühl der Überlegenheit. Während sie ihre Kipplaufgewehre nach jeweils zwei Schüssen nachladen müssen, verfügt Greider über ein Winchester-Repetiergewehr. Damit erschießt er einen Brenner-Sohn nach dem anderen, zuletzt Hans.

Zurück im Dorf, wärmt Greider sich die Hände am Feuer vor der Schmiede. Während er durch ein Kind abgelenkt ist, schlägt ihn der Schmied (Heinz Ollesch) von hinten nieder, und es kommt zu einem Kampf auf Leben und Tod. Im letzten Augenblick erschießt Lukas den Schmied und rettet dadurch Greider.

Der Schwerverletzte schleppt sich zum Brennerhof. Während sich das Gesinde ängstlich in der Stube zusammendrängt, geht Greider zum greisen Bauern, der wegen seiner Gebrechlichkeit im Bett liegt. Greider wirft ihm das Medaillon hin, und nachdem der Brenner-Bauer einen Blick darauf geworfen hat, seufzt er, Maria sei eine schöne Frau gewesen. Er begreift, dass der Fremde ihr Sohn ist, der jetzt Rache übt. Greider wiederum sieht seinen Verdacht bestätigt, dass der Brenner-Bauer sein Vater ist. Er muss Maria bereits vor der Hochzeit mit Franz geschwängert haben. Nachdem Greider auf die Frage des Patriarchen nach seinen Söhnen geantwortet hat, sie seien alle tot, zieht der Greis die Mündung von Greiders Gewehrs schicksalsergeben an seinen Körper und fordert ihn auf, schnell zu machen. Weinend drückt Greider ab.

Erst danach lässt er sich von Lukas zu Luzi und ihrer Mutter bringen. Die beiden Frauen pflegen ihn gesund.

Weil in jeder Familie ein Brenner-Kind lebt, ist die Freude im Dorf über die von Greider erkämpfte Freiheit von der Tyrannei der Bauernfamilie nicht ungeteilt.

Sobald die Wege im Frühjahr wieder passierbar sind, verlässt Greider das finstere Tal.

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Andreas Prochaska und Martin Ambrosch adaptierten den 2010 von Thomas Willmann veröffentlichten Roman „Das finstere Tal“ fürs Kino. (Buchausgabe: Liebeskind Verlag, München 2010, 314 Seiten, ISBN 978-3-935890-71-7). Dabei machten sie zwar aus dem Kunstmaler Greider einen Fotografen, hielten sich aber eng an die Grundideen der literarischen Vorlage.

„Das finstere Tal“ ist eine stilisierte Mischung aus (Schnee-)Western und Heimatfilm. Die Handlung spielt in einem von Tyrannei und Gewalt heimgesuchten Mikrokosmos; sie dreht sich um den Missbrauch von Macht und schiere Bosheit. Greider geht es allerdings nicht nur um Rache für das, was seiner Mutter und ihrem Bräutigam angetan wurde, sondern auch um die Auseinandersetzung mit seinem Vater.

Der Fremde, der als Rächer und Befreier von außen kommt, ist eine klassische Western-Figur. Weil es in „Das finstere Tal“ ein Amerikaner ist, der in eine deutschsprachige Gegend kommt, denkt man an die Rolle der USA in den Vierzigerjahren vor allem in Deutschland.

Eine düstere Szene im Vorspann, von der man erst später begreift, dass es sich um das auslösende Ereignis in der Vergangenheit handelt, stimmt gleich zu Beginn auf die dichte Atmosphäre des Films „Das finstere Tal“ ein. Eine wichtige Rolle spielt auch die von Thomas Kiennast respektvoll und ohne Postkarten-Romantik gefilmte Gebirgslandschaft.

Der Shootout, normalerweise der Kulminationspunkt eines Westerns, findet in „Das finstere Tal“ bereits 20 Minuten vor dem Ende statt, aber danach sackt der Film keineswegs ab, denn der Höhepunkt ist die Begegnung Greiders mit dem Brenner-Bauern.

Luzi kommentiert das Geschehen aus dem Off und steht für eine junge Frau, die ihre Chance zur Befreiung ergreift.

Die Dorfbewohner sprechen einen das Tirolerische imitierenden künstlichen Dialekt. Nur Greider, der mindestens ebenso wortkarg ist, wie sie, drückt sich in einem englisch gefärbten Hochdeutsch aus. (Gespielt wird er von dem in Berlin lebenden, seit 2009 mit der in Bukarest geborenen deutschen Schauspielerin Alexandra Maria Lara verheirateten Briten Sam Riley.)

Porträts der Komparsen, von denen die Dorfbewohner verkörpert werden, sind im Nachspann zu sehen.

Die Dreharbeiten fanden im Schnalstal (Val Senales) in Südtirol statt.

„Das finstere Tal“ wurde bei den Internationalen Filmfestspielen Berlin am 10. Februar 2014 uraufgeführt und am 3. September 2014 von der Austrian Film Commission in der Kategorie Bester fremdsprachiger Film für einen „Oscar“ eingereicht.

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Inhaltsangabe und Rezension: © Dieter Wunderlich 2014

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