Ludwig Eitele und der Mordfall Elise und Lisa Lengmüller


Nachdem Bertha Beer und Augusta Kölbl am 30. und 31. März sowie am 1. April 1922 vergeblich bei der 76-jährigen Stadtkämmererswitwe Elise Lengmüller und ihrer 33-jährigen unverheirateten Tochter Lisa in Landshut geklingelt hatten, meldeten sie sich bei der Polizei, denn sie wussten, dass Elise Lengmüller krank war und befürchteten, dass sie hilflos in der Wohnung liegen könnte. Die Polizei besorgte sich daraufhin vom Hausbesitzer einen Schlüssel und öffnete die Wohnungstüre.

Elise und Lisa Lengmüller lagen tot in ihrer Wohnung. Elise Lengmüller war an einem Knebel erstickt, den ihr jemand tief in den Rachen gedrückt hatte. Lisa Lengmüller war die Halsschlagader durchgeschnitten worden.

Am 30. März gegen 16.45 Uhr war Lisa Lengmüller zum letzten Mal lebend gesehen worden: Da hatte sie in der Metzgerei Rötzer eingekauft.

Bertha Beer sagte aus, Lisa Lengmüller habe unlängst über ihren Liebhaber Ludwig Eitele geschimpft und die Befürchtung geäußert, er sei ein Gauner und hinter dem Schmuck her, den sie von ihrem Vater geerbt hatte. Eine Taschenuhr ihres Vaters habe er bereits heimlich versetzt, klagte sie.

Bei Ludwig Eitele handelte es sich um den am 7. November 1898 geborenen Sohn eines Bürstenfabrikanten in Landshut. 1918 hatte man ihn in der Nervenheilanstalt Haar bei München untersucht, und die Ärzte waren zu dem Schluss gekommen, dass er in der Lage war, hysterische Anfälle vorzutäuschen. Anfang 1921 hatte er begonnen, bei der neun Jahre älteren Lisa Lengmüller Klavierunterricht zu nehmen. Dabei blieb es nicht: Die beiden wurden ein Paar. Bei den polizeilichen Ermittlungen stellte sich rasch heraus, dass er von seinen Eltern wegen seiner Unzuverlässigkeit kurzgehalten wurde, mit dem Geld nicht auskam und beträchtliche Schulden hatte.

Am 2. April verhaftete die Münchner Polizei den Gesuchten im Hotel Germania, wo er seit 30. März zusammen mit seinem drei Jahre älteren Freund Heinrich Rudolph Scherf und seiner ebenfalls aus Landshut stammenden zweiten Geliebten Therese Stadler übernachtet hatte.

Heinrich Rudolph Scherf war der Polizei als Kleinkrimineller bekannt. Offenbar hatte er Ludwig Eitele nach und nach einen größeren Geldbetrag geliehen, den dieser nicht zurückzahlen konnte.

Ludwig Eitele gab zwar zu, Scherf bei der Vorbereitung des Raubes geholfen zu haben, beteuerte aber, kein Mörder zu sein. Er gab Händler an, die bereits Schmuckstücke aus der Beute gekauft hatten und führte die Polizei zu einem Ort in Grünwald, wo er weitere Teile versteckt hatte.

Das Tatwerkzeug, mit dem Lisa Lengmüller ermordet worden war, blieb verschwunden. Aber Ludwig Eitele hatte sich aus Braunschweig Broschüren schicken lassen, auf denen ein Dolch abgebildet war, von dessen Spitze Blut tropfte. Möglicherweise war Lisa Lengmüller mit einem ähnlichen Dolch getötet worden.

In einem Brief an seine Eltern schrieb Ludwig Eitele Anfang Juni von seinem Wunsch, dass im Fall seiner Hinrichtung ein Film gedreht und die Aufnahme dann in den Kinos vorgeführt werden sollte.

Am 10. Juli 1922 begann die Verhandlung gegen Ludwig Eitele und Heinrich Rudolph Scherf vor dem Volksgericht in Landshut.

Obwohl Ludwig Eitele den Doppelmord immer wieder leugnete, wurde er aufgrund von Indizien und Zeugenaussagen für schuldig befunden. Folgenden Tathergang rekonstruierte das Gericht:

Am 30. März 1922 verbrachte Ludwig Eitele mehrere Stunden mit Heinrich Rudolf Scherf in Landshut. Dann, am späten Nachmittag, besuchte Eitele Lisa Lengmüller. Nachdem sie sich bis auf die Unterwäsche ausgezogen hatte, ging sie mit ihm in ihr Schlafzimmer. Dort warf er sie aufs Bett, schlug sie und zerschnitt ihr mit

einem später nicht mehr auffindbaren Gegenstand die Halsschlagader. Anschließend schob er der in einem anderen Raum schlafenden Mutter der Ermordeten ein Taschentuch tief in den Rachen und drückte mit einem weiteren, ebenfalls zusammengeballten Taschentuch nach, sodass Elise Lengmüller erstickte. Nach dem Doppelmord zog er seiner toten Geliebten Ringe und Ohrringe ab, packte weitere 39 Schmuckstücke in einen Schuhkarton und steckte auch das Bargeld ein, das er in einer Schublade fand. Nachdem Ludwig Eitele die Wohnung mit der Beute verlassen hatte, sperrte er die Türe zu. Anschließend fuhr er mit Heinrich Rudolf Scherf im Zug nach München. Dort holten sie Therese Stadler ab und quartierten sich zu dritt im Hotel Germania ein. Mit einem Teil der Beute tilgte Eitele seine Schulden bei Scherf. Am nächsten Tag verkauften die beiden Männer Schmuckwarenhändlern in Starnberg und Dingolfing einige Gegenstände. Erst am 1. April las Scherf in der Zeitung von dem Raubmord in Landshut.

Das Volksgericht verurteilte Ludwig Eitele sowohl wegen des Doppelmordes als auch des schweren Raubes zum Tod. Der Mitangeklagte Heinrich Rudolf Scherf kam mit vier Jahren und fünf Tagen Zuchthaus wegen Hehlerei davon. Ihm wurden ebenso wie seinem Komplizen die bürgerlichen Ehrenrechte aberkannt, allerdings nur für die Dauer von fünf Jahren.

Das Todesurteil wurde am 28. August von einem aus 10 Männern der Landespolizei zusammengestellten Erschießungskommando im Hof des Landgerichtsgefängnisses in Landshut vollstreckt.

Heinrich Rudolf Scherf verbüßte seine Strafe im Zuchthaus Kaisheim bei Donauwörth.

Der ehemalige Polizeihauptkommissar Johann Dachs beschrieb den Fall in seinem Buch „Tollkirschen im Blaubeersaft. Alte Morde, neu protokolliert (Neue-Presse-Verlags-GmbH, Passau 1995, 159 Seiten, ISBN 3-924484-97-X; Neuausgabe: „Tollkirschen im Blaubeersaft und andere wahre Geschichten von Mord und Totschlag“, SüdOst-Verlag, Waldkirchen 1996, 159 Seiten, ISBN 3-89682-984-X).

Andrea Maria Schenkel griff den Fall in ihrem Kriminalroman „Täuscher“ auf, allerdings ohne darauf hinzuweisen.

© Dieter Wunderlich 2013

Andrea Maria Schenkel: Täuscher

Justizirrtümer, Fehlurteile

Angelika Klüssendorf - Das Mädchen
Obwohl es in dem Adoleszenzroman "Das Mädchen" kaum Lichtblicke gibt, wirkt die Lektüre nicht deprimierend, weil sich letztlich auch eine Selbstbefreiungs-Geschichte andeutet. Angelika Klüssendorf schreibt lakonisch-sachlich, ohne Gefühlsaufwallungen oder gar Larmoyanz, im Präsens und linear-chronologisch. Die Namenlosigkeit der Protagonistin sorgt ebenso für Distanz wie die dritte Person Singular, die allerdings die Innenperspektive nicht ganz ausschließt.
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Mehr als zwei Jahrzehnte lang las ich rund zehn Romane pro Monat und stellte sie dann mit Inhaltsangaben und Kommentaren auf dieser Website vor. Zuletzt dauerte es schon zehn Tage und mehr, bis ich ein neues Buch ausgelesen hatte, und die Zeitspanne wird sich noch verlängern: Aus familiären Gründen werde ich das Lesen und die Kommunikation über Belletristik deutlich reduzieren.