Carsten Kluth : Wenn das Land still ist

Wenn das Land still ist
Wenn das Land still ist Originalausgabe: Piper Verlag, München 2013 ISBN: 978-3-492-05565-9, 383 Seiten
Buchbesprechung

Inhaltsangabe

Die gestresste Galeristin Johanna Kronauer hat kaum Zeit für ihren Ehemann und die drei Kinder. Obwohl Harald Kronauer, der als Richter arbeitet, das gegenüber der Tochter und den beiden Söhnen auszugleichen versucht, erhält er von Hanna nicht die gewünschte Anerkennung. Die verspricht er sich von seiner Geliebten Martina und der politischen Karriere, in die sie ihn drängt. Fast zu spät durchschaut er, dass er manipuliert wird ...
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Kritik

Unter dem Titel "Wenn das Land still ist" hat Carsten Kluth eine Mischung aus Familienroman und gesellschaftskritischem Roman geschrieben. Das Thema ist brisant, aber die Darstellung wirkt verkopft.
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Der Richter Dr. Harald Kronauer und seine Ehefrau, die Galeristin Johanna („Hanna“), leben mit ihrer Tochter Nele und den beiden Söhnen in Berlin. Nele besucht die deutsch-chinesische Hang-Zemin-Schule, Max und Anton gehen in den Kindergarten. Weil Hanna angestrengt daran arbeitet, ihrer Galerie zum Erfolg zu verhelfen, kümmert sich vor allem ihr Mann um die Kinder. Aber er erhält von seiner gestressten Frau nicht die gewünschte Anerkennung.

In Hannas Galerie besucht Harald Kronauer die Vernissage des Malers Edo Merlin. Der nigerianische Künstler prangert mit seinen fotorealistischen Gemälden Menschen und Gruppen an, die er für den Klimawandel verantwortlich macht. Bei der Veranstaltung lernt Harald Kronauer Martina Weingast kennen, die Witwe von Pavel Weingast. Der mit dem Altkanzler Franz Herschel befreundete Mitarbeiter im Außenministerium kam bei einem Anschlag auf das deutsche Konsulat in der nigerianischen Metropole Lagos ums Leben. Martina Weingast gilt als Vertraute Franz Herschels.

Nachdem der Richter Kronauer einige Tage nach der Vernissage die Ausweisung des aus Bangladesch stammenden Asylanten Zahir Kabir verfügte, wird er von der freien Journalistin Alice Steinhusen dazu interviewt. Zahir Kabir behauptet, die Insel, auf der er Land besessen habe, sei wegen des angestiegenen Meeresspiegels versunken. Kronauer warnt im Interview vor einer Massenbewegung von Klimaflüchtlingen nach Europa. Weil er bezweifelt, dass sich die Erderwärmung durch Energiesparmaßnahmen eindämmen lässt, tritt er dafür ein, die Klimakatastrophe durch sogenanntes Climate Engineering (CE) abzuwenden. Dabei geht es zum Beispiel um künstliche Wolkenbildung zur Albedoverstärkung.

Martina Weingast gratuliert Harald Kronauer zu dem Interview und verabredet sich mit ihm zum Mittagessen. Es ist der Beginn einer Liebesaffäre. Von Martina glaubt Kronauer die Anerkennung zu bekommen, die ihm bisher fehlte.

Nele wird wegen der von ihrem Vater verfügten Abschiebung Zahir Kabirs von Mitschülerinnen angefeindet, besonders von Madeleine Hansen, deren Mutter Vanessa sich als Mitglied des Vereins „Würde“ für die Interessen von Abschiebehäftlingen einsetzt. Die alleinerziehende Mutter lebt getrennt von ihrem türkischstämmigen Ehemann, dem Polizisten Fatih Narin, der seit einigen Wochen zum Personenschutz des Altkanzlers Franz Herschel gehört.

Die Kontrahenten Harald Kronauer und Vanessa Hansen werden von dem RBB-Moderator Lorenz Wuttke in seine Talkshow „Tacheles“ eingeladen. Wieder warnt Kronauer vor einem massenhaften Andrang von Klimaflüchtlingen und propagiert Climate Engineering. Vanessa Hansen fordert ihn dazu auf, sich vor Ort über Zahir Kabirs Situation zu informieren.

Wider Erwarten kündigt Harald Kronauer daraufhin eine Reise zu Hotspots des Klimawandels an. Seine Eltern verschieben eine Reise nach Teneriffa, um sich während seiner Abwesenheit um die Kinder kümmern zu können. Begleitet wird Kronauer von der Journalistin Alice Steinhusen und Professor Hoimar von Irrsee vom Berliner Klimainstitut.

Unterwegs treffen sie Hugo Müller von der Firma ROD (Rain on Demand), die nicht nur die Erzeugung lokaler künstlicher Niederschläge anbietet (Precipitation Management), sondern auch Ideen für globales Climate Engineering entwickelt. Vor Westafrika plant ROD eine schwimmende Plattform für die Ansiedlung von Klimaflüchtlingen. Von einer weiteren, ebenfalls aus einem Verbund zahlreicher automatisch gesteuerter Schiffe bestehenden Anlage soll ein Nebel aus Salzwasser versprüht werden, um die Albedo der Erdoberfläche zu erhöhen. Martina Weingast erbte von ihrem Mann dessen Anteile an ROD, verkaufte sie jedoch mittlerweile nahezu alle. Auch Franz Herschel gehört zu den Teilhabern des CE-Unternehmens.

In Dhaka wird Kronauer von Argumand Singh erwartet, einer NGO-Mitarbeiterin, die sich um Flüchtlinge kümmert. Sie bringt ihn zu Zahir Kabir. Der spuckt zunächst demonstrativ vor dem Richter auf den Boden, aber ein Geldbetrag im Gegenwert von 500 Euro macht ihn zum Fremdenführer: Der 32-Jährige fährt mit Kronauer nach Puatakhali, seinen Geburtsort, und zeigt ihm die im Meer versunkene Insel Lahor Char.

Auf Borneo schließen sich Martina Weingast und Fatih Narin der Reisegruppe an, und in Lagos gesellt sich auch Franz Herschel dazu.

Von Martina Weingast und ihrem eine PR- und Lobbyagentur führenden Bekannten Goran Velkovic („Velko“) dazu ermutigt, schreibt Harald Kronauer über Klimaflüchtlinge und Climate Engineering das Buch „Die Verteidigung des Westens“.

Als der CDU-Bundestagsabgeordnete Moritz Voss in Spandau einen Schlaganfall erleidet, drängt Martina Weingast ihren Geliebten, in die Partei einzutreten und bei den Wahlen im nächsten Jahr für ein Bundestagsmandat zu kandidieren. Franz Herschel sorgt dafür, dass Kronauer vom Spandauer Ortsverein aufgestellt wird.

Eineinhalb Jahre nach seiner Vernissage in Hannas Galerie wird Edo Merlin ausgewiesen. Gegen diese Verfügung eines jüngeren Richters protestiert ein Flashmob vor der Justizvollzugsanstalt Köpenick. Edo Merlin taucht kurz vor der Abschiebung unter.

Philippe Ebené, der sich als 1969 in Nigeria geborener Deutscher ausgibt, war früher Dozent für Gesellschaftstheorie an der Humboldt-Universität und brachte es dann zum Staatssekretär im Bundesumweltministerium. Er engagiert sich für ein Verbot oder mindestens ein Moratorium des Climate Engineering, denn von Energieeinsparungen verspricht er sich mehr. Seiner Ehefrau Cécile wird unterstellt, dass sie größeren Landbesitz in der Arktis und im Norden Sibiriens erwarb.

Alice Steinhusen findet Ungereimtheiten in den Angaben über Philippe Ebenés Abstammung heraus und kündigt einen Zeitungsbericht darüber an. Als sein 17-jähriger Sohn Christian davon hört, verschafft er sich Zugang zur Privatwohnung der Journalistin, indem er ihr exklusive Angaben über einen Einbruch bei seinem Vater verspricht. Er zertrümmert ihren PC und schlägt sie so zusammen, dass sie stationär im Krankenhaus behandelt werden muss.

Aufgrund des Skandals beschließt Philippe Ebené, sein politisches Amt niederzulegen.

Martina Weingast setzt sich sogleich dafür ein, dass Harald Kronauer sein Nachfolger wird. Um bei Philippe Ebenés Rücktrittserklärung dabei sein zu können, ruft Kronauer seine 22-jährige Nichte Jenny an und fragt, ob sie auf Max und Anton aufpassen könne.

Bei Jenny handelt es sich um die Tochter von Kronauers Stiefschwester Elena. Seine Mutter Natascha hatte Elena im Durchgangslager Friedland geboren. Als sie später als Putzfrau in einem Krankenhaus arbeitete, verliebte sich der Patient Walter Kronauer in sie. Die beiden heirateten und bekamen einen Sohn: Harald. Walter Kronauer, der seit einigen Jahren im Ruhestand ist, will jetzt mit seiner Frau nach Teneriffa ziehen, wo sie bereits ein Ferienhaus besitzen. Ihr Haus in Spandau haben sie so umbauen lassen, dass ihnen nach der Vermietung eine kleine Einliegerwohnung bleibt. Jenny kam von Greifswald nach Berlin, als ihre Mutter Elena in eine psychiatrische Klinik eingewiesen wurde. Harald Kronauer unterstützt sie mit 500 Euro monatlich, solange sie am Marnie-Hollerbeck-Kolleg ihr Abitur nachmacht. Seit drei Wochen wohnt die Gelegenheitsprostituierte Veronica Varna bei Jenny. Deren mit Jenny befreundeter Zuhälter Bruno Janovic beabsichtigt, eine Burlesque-Show-Bar zu eröffnen.

Als Harald Kronauer mit Max und Anton zu Jenny kommt und sieht, in welchen Verhältnissen sie und Veronica Varna leben, hält er es für besser, die Kinder nicht dort zu lassen. Versehentlich nimmt Anton das Handy mit, das Veronica ihm zum Spielen gab.

Bei der Rückfahrt an diesem heißen August-Nachmittag gerät Harald Kronauer in einen Stau. Ursache war ein Unfall, bei dem eine Radfahrerin schwer verletzt wurde. Kronauer steigt aus, lässt die Kinder im Auto, betätigt die Zentralverriegelung und geht zu der Verletzten, um zu sehen, ob er helfen kann. Kurz darauf drängen ihn die inzwischen eingetroffenen Sanitäter zur Seite.

Kronauer fährt weiter zur Parteizentrale am Tiergarten und stellt das Auto ab.

Er drehte sich zu seinen Kindern um.
„Ich muss schnell da rein, okay? Ihr bleibt hier, und ich schicke gleich jemanden, der sich um euch kümmert, okay?“
Max schlief noch, aber Anton fing an zu weinen. Kronauer streckte seinen Arm nach hinten aus, legte seine Hand auf die Schulter seines Ältesten.
„Nur ein paar Minuten, Toni, okay? Nur ein paar Minuten. Ich schicke jemanden. Es geht ganz schnell, okay?“
Das Kind nickte schließlich, er öffnete die Tür und schloss sie wieder.

Kronauer geht zu der Pressekonferenz, in der Philippe Ebené seinen Rücktritt ankündigen wird. Nachdem der Staatssekretär seine Erklärung abgegeben hat, tritt Franz Herschel ans Rednerpult und Martina fordert Kronauer auf, sich neben ihn zu stellen. Plötzlich bricht der Altkanzler zusammen. Ein Anschlag? Spontan spricht Harald Kronauer ins Mikrofon:

„Dieser Mann, Franz Herschel, dieser Mann hatte eine Vision, nicht nur für dieses Land, sondern für die Welt. Lassen Sie es nicht zu, dass sie mit ihm stirbt.“

Franz Herschel wird mit einem Herzinfarkt ins Krankenhaus gebracht. Kurz vor seinem Auftritt nahm der Alkoholiker eine Tablette und trank Schnaps dazu.

In dem Tumult hat Kronauer seine Kinder vergessen. Bei der Hitze könnten sie im Auto ums Leben kommen. Zum Glück wählt Anton auf dem Handy, das er mitnahm, Jennys Nummer. Sie weiß, wo Harald Kronauer hinwollte und fährt mit Bruno zusammen los. Weil die Autotüren verriegelt und die Fenster geschlossen sind, schlägt Bruno eine Scheibe ein, um die Kinder aus dem überhitzten Fahrzeug zu retten. Als Kronauer endlich zu seinem Wagen kommt, wird er von Bruno erwartet und zu dessen Auto gebracht, in dem Jenny mit den Kindern sitzt. Sie holen auch noch Nele von der Schule ab.

Sollten die Medien von Kronauers Nachlässigkeit erfahren, die zum Tod seiner beiden kleinen Söhne hätte führen können, wäre seine politische Karriere zu Ende. Bruno ist jedoch bereit, zu bezeugen, dass Harald Kronauer Jenny telefonisch gebeten habe, nach den im Auto eingesperrten Kindern zu schauen. Als Gegenleistung erwartet er, dass der Richter die Ausweisung von Edo Merlin verhindert. Der Künstler durfte nämlich mehrmals unentgeltlich mit Veronica zusammen sein und versprach als Gegenleistung nicht nur die Ausmalung der neuen Burlesque-Bar, sondern auch vier Originalbilder. Im Fall einer raschen Abschiebung des Künstlers würde Bruno leer ausgehen, und deshalb soll Kronauer sie verhindern.

Martina Weingast will ein Pressefoto von Philippe Ebené wahrscheinlichem Nachfolger am Krankenbett von Franz Herschel. Aber bevor Harald Kronauer in die Charité kommt, erhält er die Nachricht vom Tod des Altkanzlers. Statt Herschel besucht er Alice Steinhausen in der Klinik. Nachdem er ihr einen Scoop versprochen hat, klärt sie ihn über die Zusammenhänge zwischen Climate Engineering und den Geschäften von Unternehmen wie ROD auf. Das von Franz Herschel, Martina Weingast, Goran Velkovic und anderen gebildete Netzwerk sorgte für Philippe Ebenés Sturz und manipulierte Harald Kronauer, um ihn für ihre wirtschaftlichen Interessen einzuspannen. Der Richter berichtet dann der Journalistin, wie der Tag ablief und erklärt, dass er nicht für ein politisches Amt kandidieren werde.

Gegen 4 Uhr morgens kommt er nach Hause.

Er fand auf Anhieb einen Parkplatz in ihrer Straße, und die Laternen hatten sich schon automatisch ausgeschaltet. Die Hitze der vergangenen Wochen hatte die Hüllen der Kastanien platzen lassen; viel zu früh im Jahr lagen die braunen Kugeln auf dem Gehweg und auf der Straße. Kronauer drückte auf seinen Schlüssel und gehorsam klackte die Verriegelung. Sein Handy klingelte, es war eine Hamburger Nummer, 040. Er überlegte, ob er rangehen sollte. In einem Hamburger Redaktionsraum saßen in diesem Moment Frauen und Männer zusammen und berieten über das, was ihnen Steinhusen geschickt hatte. Sie würden telefonieren, und diese Telefonate würden zu ihm zurückgespiegelt werden. bald würden auch Martina, Velko, Müller anrufen. Er hielt das Handy in der Hand, und die einfache Wahrheit war, dass er es ausschalten konnte. Er sah hoch zum Balkon, wo sich die von Nele gepflanzten Feuerbohnen an unsichtbaren Fäden durch die Luft rankten und rote Blüten zu ihm herunter leuchteten. Ein Fenster blitzte auf, getroffen von den ersten Strahlen der Sonne. Wie still es war, wie ruhig die Stadt, wie friedlich das Land. Er überquerte die Straße, freute sich, und Angst hatte er auch. Er würde die Tür öffnen, die Schuhe so leise wie möglich unter der Schuhbank abstellen, nach den Kindern sehen, die Zähne putzen und sich dann neben Johanna ins Bett legen.
Und dann hörte er von Weitem das Klackern von Schuhen auf dem Asphalt. Das Gittertor zum Hof aber stand weit offen, als erwarte man ihn.

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Der Roman „Wenn das Land still ist“ von Carsten Kluth dreht sich einen Richter namens Harald Kronauer, dessen Ehefrau, eine Galeristin, kaum Zeit für ihn und die drei Kinder hat. Obwohl er das gegenüber der Tochter und den beiden Söhnen auszugleichen versucht, erhält er von Hanna nicht die gewünschte Anerkennung. Die verspricht er sich von seiner Geliebten Martina und der politischen Karriere, in die sie ihn drängt. Fast zu spät durchschaut er, dass er von Martina und ihren politischen Freunden manipuliert wird. Das von ihnen gesponnene Netzwerk propagiert Climate Engineering statt Energiesparmaßnahmen; und dabei geht es weniger um die richtige Umweltpolitik, als um wirtschaftliche Interessen. „Wenn das Land still ist“ ist also sowohl ein Familienroman als auch ein gesellschaftskritischer Roman.

Die Haupthandlung spielt an einem heißen Augusttag. Carsten Kluth erzählt sie in vier Etappen („03:54 – 15:14“, „15:14 – 16:02“, „16:02″ – 16:26“, „16.26 – 04:00“). Unterbrochen wird sie durch drei Rückblenden auf frühere Ereignisse („Ein aufsehenerregendes Urteil“, „Hotspots“, „Kandidatenkür“). „Wenn das Land still ist“ ist ein verkopfter Roman über ein brisantes Thema. Die Charaktere bleiben blass. Und die Darstellung ist auch nicht sehr viel farbiger.

Den Roman „Wenn das Land still ist“ von Carsten Kluth gibt es auch in einer gekürzten Fassung als Hörbuch, gelesen von Heikko Deutschmann (Hamburg 2013, 450 Minuten, ISBN 978-3-86952-171-8).

 

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Inhaltsangabe und Rezension: © Dieter Wunderlich 2013
Textauszüge: © Piper Verlag

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