Jacques Mesrine


Jacques René Mesrine wurde am 28. Dezember 1936 in Clichy bei Paris als Sohn eines mittelständischen französischen Ehepaares geboren. Schon in der Schule fiel er durch aggressives Verhalten auf, und er wurde vom katholischen Collège de Juilly relegiert. Mit neunzehn heiratete er die Portugiesin Lydia De Souza, aber die Ehe hielt nur ein paar Monate.

1959 kam Jacques Mesrine mit dem Croix de la Valeur militaire desillusioniert aus dem Algerienkrieg nach Hause. Angeblich ermordete er kurz darauf einen Zuhälter, der eine mit ihm befreundete Prostituierte zusammengeschlagen hatte.

Die Spanierin Maria De La Soledad wurde 1961 seine Frau. Das Paar bekam drei Kinder.

1961 und 1962 wurde Jacques Mesrine erstmals gerichtlich verurteilt, zuerst zu einer Geldstrafe wegen unerlaubten Waffenbesitzes, dann nach einem gescheiterten Bankraub in Neubourg zu achtzehn Monaten Haft. 1963 stellte ihn ein Architekturbüro ein, aber die Anstellung verlor er im Jahr darauf, als sich das Unternehmen verkleinerte. Daraufhin ließ er sich erneut auf Raubzüge ein und überwarf sich deshalb mit seiner Ehefrau Maria.

Als er im Dezember 1965 Dokumente aus der Residenz des Militärgouverneurs in Palma de Mallorca stehlen wollte, wurde er festgenommen und zu einem halben Jahr Haft verurteilt.

Nach der Verbüßung der Strafe eröffnete Jacques Mesrine in Santa Cruz, der Hauptstadt von Teneriffa, ein Restaurant. Im Dezember 1966 raubte er ein Juweliergeschäft in Genf aus. Im Mai 1967 übernahm er eine Gaststätte in Compiègne, hörte jedoch nicht mit den Einbrüchen und Raubüberfällen auf.

Im Februar 1968 setzte sich Jacques Mesrine mit seiner Komplizin und Lebensgefährtin Jeanne Schneider nach Québec ab. Dort arbeiteten die beiden einige Monate als Chauffeur bzw. Haushälterin für den Milliardär Georges Deslauriers. Als dieser sie entließ, brachten sie ihn im Juni 1969 in ihre Gewalt und versuchten von seinem Sohn Marcel ein Lösegeld zu erpressen, flohen aber dann über die Grenze in die USA. Unterwegs sollen sie in der kanadischen Hafenstadt Percé die Motelbesitzerin Evelyne Le Bouthillier erdrosselt haben. Deren Leiche wurde am 30. Juni gefunden.

Jacques Mesrine und Jeanne Schneider wurden am 16. Juli in Texarkana, Arkansas, verhaftet, kurz darauf an Kanada ausgeliefert und zu zehn bzw. fünf Jahren Haft verurteilt. (Jeanne Schneider verbüßte ihre Strafe und lebte danach wieder unauffällig in Frankreich.)

Am 21. August 1972 brach Jacques Mesrine mit dem kanadischen Verbrecher Jean-Paul Mercier und drei weiteren Häftlingen aus der Haftanstalt Saint-Vincent-de-Paul aus.

Um sich Geld zu beschaffen, überfielen Jacques Mesrine und Jean-Paul Mercier mehrere Banken in Montréal, manchmal zwei am selben Tag. Am 3. September 1972 versuchten sie vergeblich, weiteren Häftlingen in Saint-Vincent-de-Paul zur Flucht zu verhelfen. Bei der Schießerei wurden zwei Polizeibeamte schwer verletzt. Eine Woche später erschossen Jacques Mesrine und Jean-Paul Mercier zwei Parkranger, von denen sie erkannt worden waren.

Als es Jacques Mesrine am Jahresende in Kanada zu heiß wurde und er mit seinem Komplizen in die venezolanische Hauptstadt Caracas reiste, ließ er seine zwanzig Jahre alte kanadische Geliebte Jocelyne („Joyce“) Deraiche zurück. Während Jean-Paul Mercier bald nach Kanada zurückkehrte (wo er zwei Jahre später bei einem Banküberfall erschossen wurde), zog Jacques Mesrine es vor, sein Glück als Bankräuber wieder in Frankreich zu versuchen.

Dort wurde er am 8. März 1973 verhaftet und im Mai zu zwanzig Jahren Haft verurteilt. Vor einem weiteren Prozess im Juni 1973 in Compiègne gelang es Jacques Mesrine, einen im Spülkasten einer Toilette versteckten Revolver in den Gerichtssaal zu schmuggeln. Während der Verhandlung hielt er die Waffe plötzlich in der Hand. Er nahm den Richter als Geisel und floh.

Nach weiteren Banküberfällen wurde Jacques Mesrine im September 1973 in Paris erneut festgenommen.

Im Gefängnis schrieb er seine Autobiografie, die im März 1977 unter dem Titel „L’Instinct de Mort“ veröffentlicht wurde („Der Todestrieb“, Übersetzung: Angela Schmidt und Pierre Gallissaires, Nautilus-Nemo-Press, Hamburg 1980, 349 Seiten, ISBN 3-922513-03-4; Hörbuch, gelesen von Claude-Oliver Rudolph, Regie: Claude-Oliver Rudolph, Hamburg 2006, 2 CDs, ISBN 3-89401-474-1). Darin bekannte sich Jacques Mesrine zu 39 Morden, prangerte die Haftbedingungen in Hochsicherheitstrakten an und stilisierte sich zu einem modernen Robin Hood, der gegen das Bankensystem und den Polizeiapparat für seine Freiheit kämpfte. Ein noch im selben Jahr erlassenes französisches Gesetz („la loi Mesrine“) verbietet es seither, mit Publikationen über selbst begangene Verbrechen Geld zu verdienen.

Am 18. Mai 1977 wurde Jacques Mesrine erneut zu zwanzig Jahren Haft verurteilt und in das Pariser Hochsicherheitsgefängnis La Santé gesperrt. Von dort brach er am 8. Mai 1978 mit zwei Mithälftlingen aus. Dabei verwendete er eine eingeschmuggelte Pistole. Einer seiner Komplizen wurde von der Polizei auf der Flucht erschossen.

Immer wieder neu verkleidet, raubte Jacques Mesrine weitere Banken und das Casino von Deauville aus. Im Juli 1978 gab er der Journalistin Isabelle Wangen ein Interview, das in „Paris Match“ und in einer Zeitschrift in Montreal veröffentlicht wurde. Ein weiteres Interview erschien am 3. Januar 1979 in „Libération“. Zeugen glaubten den „L’ennemi public n°1“ (Staatsfeind Nr. 1) auf Sizilien, in Algerien, in London und Brüssel gesehen zu haben.

Am 21. Juni 1979 entführte Jacques Mesrine den achtzigjährigen Immobilienbesitzer Henri Lelièvre und erpresste sechs Millionen Francs.

Der französische Innenminister wies die Polizei im August 1979 an, alles zu unternehmen, um Jacques Mesrine wieder festzunehmen. Nachdem die Ermittler Ende Oktober herausgefunden hatten, wo er in Paris wohnte, erfolgte am 2. November 1979 der Zugriff: Jacques Mesrine war mit seiner Freundin in einem BMW 528i unterwegs, als ihn ein Kleinlastwagen an der Porte de Clignancourt überholte und ausbremste. Im selben Augenblick eröffneten die Einsatzkräfte eines Sondereinsatzkommandos auf der Ladefläche das Feuer. Jacques Mesrine wurde durch die Windschutzscheibe von neunzehn Schüssen getroffen, seine unbeschuldigte Begleiterin schwer verletzt.

Staatspräsident Valéry Giscard d’Estaing lobte die Polizei, die behauptet hatte, eine Verhaftung sei unmöglich gewesen, weil der „Staatsfeind Nr. 1“ Handgranaten im Auto gehabt habe. Andere hielten das für eine Schutzbehauptung und kritisierten, Jacques Mesrine sei regelrecht hingerichtet worden.

André Génovès drehte 1984 den ersten Film über Jacques Mesrine.

Originaltitel: Mesrine – Regie: André Génovès – Drehbuch: André Génovès – Kamera: Jean-Claude Couty – Schnitt: Martine Rousseau – Musik: Jean-Pierre Rusconi – Darsteller: Nicolas Silberg, Caroline Aguilar, Gérard Sergue, Michel Poujade, Michel Beaune, Louis Arbessier, Jean-Pierre Pauty, Claude Faraldo, Jean-Michel Farcy, William Sabatier, Philippe Rouleau u.a. – 1984; 110 Minuten

Ein zweiteiliger, insgesamt vier Stunden langer Kinofilm über Jacques Mesrine stammt von Abdel Raouf Dafri (Drehbuch) und Jean-François Richet (Regie): „Public Enemy No. 1 – Mordinstinkt“ und „Public Enemy No. 1 – Todestrieb“.

Die inzwischen achtundfünfzigjährige Kanadierin Jocelyne Deraiche ließ am 30. Januar 2010 in Paris die einhundertachtzig Liebesbriefe versteigern, die ihr Jacques Mesrine zwischen 1973 und 1978 geschrieben hatte.

© Dieter Wunderlich 2011

Jean-François Richet: Public Enemy No. 1 – Mordinstinkt
Jean-François Richet: Public Enemy No. 1 – Todestrieb

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