Keigo Higashino : Böse Absichten

Böse Absichten
Originalausgabe: Akui, 2001 Böse Absichten Übersetzung: Ursula Gräfe Klett-Cotta, Stuttgart 2015 ISBN: 978-3-608-98027-1, 288 Seiten ISBN: 978-3-608-10802-6 (eBook)
Buchbesprechung

Inhaltsangabe

Der erfolgreiche Tokioer Schriftsteller Kunihiko Hidaka wird ermordet. Kommissar Kaga verdächtigt den mit Hidaka angeblich befreundeten Kinderbuchautor Osamu Nonoguchi als Täter und findet auch rasch Beweise dafür, obwohl Nonoguchi versuchte, sich ein Alibi für die Tatzeit zu verschaffen. Nach seiner Verhaftung liefert Nonoguchi ein schriftliches Geständnis, aber statt sich damit zufrieden zu geben, ermittelt Kaga weiter ...
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Kritik

"Böse Absichten" ist kein Whodunit-Thriller. Durch ein geschicktes Spiel mit Perspektiven gelingt es Keigo Higashino, die Leser mehrmals mit Wendungen zu überraschen, die alle bis dahin entstandenen Mut­maßun­gen über das Wie und Warum eines Mords umwerfen.
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Der Tokioer Kunihiko Hidaka debütierte vor zehn Jahren als Schriftsteller und wurde für seinen vor sechs Jahren veröffentlichten Roman „Die Flamme, die nicht brennt“ mit einem japanischen Literaturpreis ausgezeichnet. Vor 17 Jahren hatte er Hatsumi Shinoda geheiratet. Sie kam vor fünf Jahren bei einem Verkehrsunfall ums Leben. Vor einem Monat ließ der Witwer sich mit einer jungen Frau namens Rie vermählen. Die beiden wollen für einige Zeit nach Vancouver ziehen und die restlichen drei Tage bis zum Abflug in einem Tokioter Hotel übernachten. Ihr Haus ist bereits leergeräumt. Nur im Arbeitszimmer stehen noch Möbel, denn Kunihiko Hidaka muss in dieser Nacht noch ein Manuskript fertigstellen.

Aber dazu kommt er nicht. Rie und der mit ihrem Mann befreundete Kinderbuchautor Osamu Nonoguchi finden Kunihiko Hidaka am Abend tot am Boden des Arbeitszimmers liegend vor. Kunihiko Hidaka wurde ermordet, augenscheinlich zuerst mit einem Briefbeschwerer niedergeschlagen und dann mit der Telefonschnur erdrosselt.

Dem Gerichtsmediziner zufolge trat der Tod zwischen 17 und 18 Uhr ein. Kommissar Kaga leitet die Ermittlungen. Osamu Nonoguchi und er waren früher Kollegen; sie unterrichteten an derselben Schule. Weil Kaga jedoch zwei Jahre nach dem Examen kündigte und zur Polizei wechselte, haben sie sich seit mehr als zehn Jahren nicht mehr gesehen.

Kunihiko Hidaka und Osamu Nonoguchi gingen zusammen zur Schule. Dann verloren sie sich aus den Augen. Aber vor sieben Jahren trafen sie sich wieder und wurden Freunde. Nonoguchi kündigte vor einem Jahr seine Anstellung als Lehrer und wurde freier Kinderbuchautor.

Osamu Nonoguchi schreibt auf, was er in den letzten Stunden tat und gibt den Text dann auch Kaga zum Lesen.

Gegen 15.30 Uhr machte er sich auf den Weg zu Kunihiko Hidaka. Entsprechend seiner Notizen sprach er Hidaka an diesem Nachmittag auf eine Nachbarin seines Freundes an. Deren Katze wurde vergiftet, und Hidaka gesteht, er habe es getan, weil das Tier seinen Garten verunreinige und der Makler noch auf der Suche nach einem Mieter für das Anwesen sei.

Nonoguchi verabschiedete sich, als Miyako Fujio kam, um mit Hidako zu reden. Sie und ihre Familie streiten mit dem Autor des Bestsellers „Verbotene Jagdgründe“, dessen Protagonist Miyakos von einer Prostituierten erstochenem Bruder Masaya Fujio gleicht. Die Hinterbliebenen verlangen von Kunihiko Hidaka, dass er den Roman komplett umschreibt.

Osamu Nonoguchi kehrte in seine Wohnung in einem vierstöckigen Mietshaus zurück. Er lebt allein. Sein Lektor, Yukio Oshima, kam nach der Büroarbeit auf dem Heimweg bei ihm vorbei, um ein Manuskript abzuholen. Während des Gesprächs, das nach 18 Uhr stattfand, klingelte das Telefon. Hidaka habe ihn gebeten, gleich noch einmal zu ihm zu kommen, heißt es in Nonoguchis Aufzeichnungen.

Er ging erneut hin, aber niemand öffnete. Osamu Nonoguchi rief deshalb Rie Hidaka im Hotel an. Sie glaubte, ihr Mann stelle zu Hause noch das vom Verlag erwartete Manuskript fertig, aber als Nonoguchi darauf hinwies, dass im Haus kein Licht brenne, nahm sie sofort ein Taxi. Mit dem Freund ihres Mannes zusammen betrat sie das Haus. Im Arbeitszimmer fanden sie Hidakas Leiche.

Weil die Haustüre abgeschlossen war, muss der Mörder durchs Fenster gekommen sein. Dass er keine Waffe mitbrachte, sondern einen Briefbeschwerer aus dem Arbeitszimmer benutzte, um Hidaka niederzuschlagen, deutet auf eine Tat im Affekt hin. Miyako Fujio, die letzte Besucherin, stritt zwar mit Hidaka über den Roman „Verbotene Jagdgründe“, hat aber ein hieb- und stichfestes Alibi für die vom Gerichtsmediziner ermittelte Tatzeit und danach. Angeblich telefonierte Hidako noch um 18.10 Uhr mit Osamu Nonoguchi. Der Lektor Yukio Oshima bezeugt den Anruf. Allerdings hörte er nur, was Nonoguchi sagte. Dass Hidako mit ihm sprach, könnte Nonoguchi vorgetäuscht haben. Es ist also denkbar, dass Kunihiko Hidaka zu diesem Zeitpunkt bereits tot war und sich der Gerichtsmediziner nicht geirrt hat.

Ließ sich Nonoguchi von einem Komplizen anrufen?, überlegt Kaga. Nein, Hidakas Computer lässt sich so programmieren, dass zu vorgegebenen Zeiten automatisch Faxe an gespeicherte Empfänger geschickt werden können. Mit dieser Erkenntnis konfrontiert der Kommissar Nonoguchi, als er zu ihm kommt, um ihn festzunehmen und eine Hausdurchsuchung vorzunehmen.

„Ich vermute, Sie haben das Haus der Hidakas gegen 17.30 Uhr verlassen. Auf dem Heimweg riefen Sie rasch Herrn Oshima an und baten ihn, sofort zu Ihnen zu kommen […] Dann kam Ihre Glanznummer. Während Sie dem elektronischen Pfeifen zuhörten, taten Sie, als telefonierten Sie mit einer anderen Person.“

In Nonoguchis Wohnung stellt die Polizei nicht nur Disketten mit Variationen von Texten aus Hidakas Büchern sicher, sondern auch Spiralblocks mit leicht veränderten Manuskripten von Romanen des Bestseller-Autors. Nonoguchi behauptet, er habe Texte seines Freundes abgeschrieben und dabei modifiziert, um seinen eigenen Stil zu verbessern, aber Kaga glaubt, dass Nonoguchi Hidakas Ghostwriter war.

Der Kommissar sucht die Witwe Rie Hidaka auf, die inzwischen wieder bei ihren Eltern in Mitaka westlich von Tokio wohnt. Sie war vor der Eheschließung Kunihiko Hidakas Lektorin und hält die Annahme, er habe seine Bücher nicht selbst geschrieben, für abwegig.

Osamu Nonoguchi wird ins Gefängniskrankenhaus verlegt. Er hat Krebs. Vor zwei Jahren musste ihm bereits ein Teil des Magens entfernt werden. Nun raten die Ärzte zu einer weiteren Operation, aber der Patient willigt nicht ein.

Kaga informiert sich über die Lebensläufe des Mordverdächtigen und des Opfers.

In der Grundschule waren sie Klassenkameraden. Kunihiko Hidaka studierte an einer Privatuniversität Literatur und Philosophie. Nach dem Examen arbeitete er bei einer Werbeagentur, dann bei einem Verlag, bis er von eigenen Veröffentlichungen leben konnte. Osamu Nonoguchi ging auf eine andere Oberschule als Hidaka. Zwar studierte er ebenfalls Literatur, aber an einer staatlichen Hochschule. Danach wurde er Lehrer, und vor drei Jahren debütierte er als Schriftsteller. Vor sieben Jahren, ein Jahr bevor Hidaka den Literaturpreis für „Die Flamme, die nicht brennt“ erhielt, hatte Nonoguchi wieder Kontakt mit dem ehemaligen Mitschüler aufgenommen.

Unter den in der Wohnung sichergestellten Sachen fallen Kaga Unterlagen über eine vor sieben Jahren von Osamu Nonoguchi gebuchte Reise für sich und eine 29-jährige Frau namens Hatsuko Nonoguchi nach Okinawa auf. Nonoguchi war jedoch nie verheiratet. Bei einer weiteren Durchsuchung entdeckt Kaga in einem Wörterbuch ein Foto von Hatsumi Hidaka, der ersten Ehefrau des Bestseller-Autors. Die Namen Hatsumi und Hatsuko klingen ähnlich. Kaga vermutet, dass Osamu Nonoguchi und Hatsumi Hidaka eine Affäre hatten. Der gehörnte Ehemann könnte es herausgefunden und den Rivalen erpresst haben, für ihn als Ghostwriter zu arbeiten.

Kaga lässt sich auch die Akten über den Verkehrsunfall Hatsumi Hidakas vor fünf Jahren kommen. Sie wurde von einem Lastwagen erfasst und war auf der Stelle tot. Der Fahrer Tatsuo Sekikawa sagte aus, die Frau sei plötzlich vor ihm auf die Straße gesprungen. Handelte es sich um einen Suizid? Nahm Hatsumi Hidaka sich das Leben, nachdem ihr Mann von ihrer Untreue erfahren hatte?

Als das nach Kanada vorausgeschickte Gepäck des Ehepaars Hidaka zurückkommt, findet die Polizei darin nicht nur ein Messer mit Fingerabdrücken ausschließlich von Osamu Nonoguchi, sondern auch im ausgehöhlten Inneren des Buches „Meeresleuchten“ von Kunihiko Hidaka eine Videokassette. Zu sehen ist Osamu Nonoguchi, der durch das Fenster in Hidakas Arbeitszimmer klettert. Das eingeblendete Datum ist vom Dezember vor sieben Jahren.

Osamu Nonoguchi erklärt sich zu einem Geständnis bereit, bittet aber darum, auf eine Protokollierung seiner Aussage zu verzichten, denn als Schriftsteller möchte er den Text selbst formulieren.

In dem schriftlichen Geständnis heißt es, Kunihiko Hidaka habe unter einer Schreibhemmung gelitten, als Osamu Nonoguchi ihn nach Jahrzehnten wiedersah und ihm anvertraute, dass er einen ersten eigenen Roman fertiggestellt habe. Hidaka bot sich an, das Manuskript zu lesen. Das freute den Autor, aber Hidaka vertröstete ihn immer wieder und gab erst nach Monaten einen Kommentar dazu ab. Er behauptete, das Manuskript sei nicht für eine Veröffentlichung geeignet und riet Nonoguchi, sich nicht mit Verbesserungen aufzuhalten, sondern sich gleich an einem neuen Thema zu versuchen. Seine Meinung dazu war jedoch ebenso entmutigend wie beim ersten Mal.

In dieser Zeit, so Nonoguchi weiter, begann die Affäre mit Hatsumi, die ihn schließlich warnte:

„Mein Mann belügt dich“, sagte sie traurig.
„Wie meinst du das?“
„Er versucht, dein Debüt als Schriftsteller zu verhindern. Er will, dass du aufgibst.“
„Weil meine Romane schlecht sind?“
„Nein, wahrscheinlich im Gegenteil. Er ist neidisch, weil du besser schreibst als er.“

Als Hidaka für eine Woche mit seinem Lektor nach Amerika fliegen wollte, schmiedeten auch Hatsumi und ihr Geliebter Reisepläne, aber aus dem Ausflug nach Okinawa wurde nichts, weil Hidakas Termin in den USA abgesagt wurde. Aus Furcht vor einer Entdeckung ihrer Untreue durch ihren Mann schlug Hatsumi ihrem Liebhaber schließlich vor, das intime Verhältnis zu beenden. Um das zu verhindern, überredete Osamu Nonoguchi sie zu einem Mordanschlag gegen Kunihiko Hidaka. Dabei brauchte sie nichts weiter zu tun, als ihrem Mann ein Schlafmittel zu geben und das Fenster seines Arbeitsfensters zu entriegeln.

Nonoguchi kletterte durchs Fenster und näherte sich dem Eingeschlafenen. Doch als er mit dem mitgebrachten Messer ausholte, riss Hidaka die Augen auf. Nonoguchi blieb wie gelähmt stehen. Er begriff, dass Hidaka nicht nur von der Affäre wusste, sondern auch den Mordplan durchschaut hatte. Statt die Polizei zu verständigen, behielt Hidaka das Messer als Beweisstück und schickte Nonoguchi fort. Offenbar hatte er eine aufs Fenster gerichtete Kamera laufen lassen, denn später brachte er Nonoguchi die Kopie der Aufnahme, deren Original er in dem ausgehöhlten Exemplar des Romans „Meeresleuchten“ versteckte.

Bald darauf erschien der später mit einem Literaturpreis ausgezeichnete Roman „Die Flamme, die nicht brennt“. Dazu hatte Hidaka einfach nur eines der beiden ihm anvertrauten Manuskripte ein wenig modifiziert. Mit dem zweiten Manuskript machte er es ebenso. Er wusste, dass Nonoguchi nichts dagegen unternehmen würde, weil er sonst mit einer Mordanklage hätte rechnen müssen.

Die beiden Bücher wurden Bestseller. Aber damit gab Hidaka sich nicht zufrieden: Nonoguchi sollte weiter für ihn schreiben. Der behauptete zwar, er habe keine Ideen mehr, aber Hidaka fand acht Spiralblocks mit alten Schreibversuchen seines Rivalen und erpresste Nonoguchi dazu, sie zu überarbeiten.

Hatsumi ertrug das alles nicht und warf sich deshalb vor den Lastwagen.

Zuletzt gerieten die beiden Männer erneut in Streit. Nonoguchi schlug seinen Erpresser mit einem Briefbeschwerer nieder und erdrosselte ihn dann.

Trotz des Geständnisses ermittelt Kaga weiter, denn er sieht noch einige Ungereimtheiten.

Miyako Fujio gibt bei ihrer Vernehmung an, dass sie nie an Hidakas Autorenschaft von „Verbotene Jagdgründe“ gezweifelt habe. Der Ich-Erzähler Hamaoka, der als Schüler gemobbt wurde, wirke für sie autobiografisch, und in der Romanfigur des Holzschnittkünstlers Kazuya Nishina erkenne sie ihren Bruder Masaya Fujio, der wohl tatsächlich der Rädelsführer einer Clique war, die Hidaka in der Schule drangalierte. Allerdings sei Nonoguchi ebenso wie Hidaka mit ihrem Bruder zur Schule gegangen. Im Buch hört das Mobbing auf, als Kazuya Nishina nach der Vergewaltigung einer Schülerin relegiert wurde. Einer seiner Kumpane hielt das Opfer fest und filmte das Verbrechen für den Täter. Am Ende wird Kazuya Nishina kurz vor der Eröffnung seiner ersten Ausstellung von einer Prostituierten auf der Straße erstochen. Ähnlich kam auch Masaya Fujio ums Leben.

Kaga befragt ehemalige Mitschüler, Lehrer und Nachbarn. Junji Takahashi gibt zu, damals zu Masaya Fujios Clique gehört zu haben. Die habe nicht nur Hidaka gemobbt, sagt er, sondern anfangs auch Nonoguchi, bis dieser in die Gruppe aufgenommen worden sei.

„Nonoguchi? Nein, der gehörte damals schon zu uns. Genau. Er war auf unserer Seite. Einer von Fujios Leuten. Wir haben ihn für Botengänge benutzt.“

Hidaka und Nonoguchi seien gewiss keine Freunde gewesen, meint Junji Takahashi.

Der inzwischen 91 Jahre alte Feuerwerksmeister Heikichi Tsujimura, der als Vorbild des Protagonisten in „Die Flamme, die nicht brennt“ gilt, erinnert sich zwar anhand von Fotos an Hidaka, der ihm als Kind oft bei der Arbeit zuschaute, nicht aber an Nonoguchi. Das kann nur bedeuten, dass Hidaka das Buch selbst geschrieben hat.

Die auffallende Hornhaut an Nonoguchis rechtem Zeigefinger führt Kaga darauf zurück, dass Nonoguchi die angeblich noch aus der Schulzeit stammenden acht Ringblocks erst kürzlich mit leicht veränderten Texten aus Hidakas Büchern vollschrieb.

Keine der befragten Personen außer Nonoguchi selbst bestätigt eine Affäre von ihm und Hatsumi Hidaka.

Auf dem nach Einbruch der Dunkelheit gedrehten Video vom Zimmer des Arbeitsfensters ist zwar nur der Schatten eines Kirschbaums im Garten zu erkennen, aber wenn die Aufnahme tatsächlich sieben Jahre alt wäre, müsste auch der Schatten eines zweiten zu diesem Zeitpunkt noch stehenden Baumes zu sehen sein. Daraus schließt Kaga, dass es sich bei dem Video um eine Fälschung handelt, und er verdächtigt Nonoguchi, es selbst aufgenommen und dann ebenso wie das Messer im für Kanada bestimmten Gepäck des Ehepaars versteckt zu haben.


Wenn Sie noch nicht erfahren möchten, wie es weitergeht,
überspringen Sie bitte vorerst den Rest der Inhaltsangabe.


Aufgrund seiner Ermittlungen nimmt der Kommissar an, dass der Mörder mit großem Aufwand versucht hat, seine wahren Motive zu verbergen. Obwohl es nach einer Tat im Affekt aussah, war der Mord sorgfältig geplant. Seine Verhaftung nahm Osamu Nonoguchi in Kauf, denn er geht ohnehin davon aus, nur noch eine kurze Lebenserwartung zu haben.

Kaga sucht Nonoguchi im Krankenhaus auf und breitet seine Theorie über das Gewaltverbrechen aus.

„Wenn Hidaka also seine Werke selbst geschrieben hat, weswegen soll er Sie dann wegen Ihres Mordversuchs erpresst haben? Was uns zu der Frage führt, ob dieser Mordversuch überhaupt stattgefunden hat. Der einzige Hinweis darauf ist dieses gefälschte Video. Das Messer, das Sie damals angeblich benutzten, besitzt keinerlei Beweiskraft. Es sind ja nur Ihre Fingerabdrücke darauf. Ohne den Mordversuch hat Herr Hidaka Sie also nicht erpresst und folglich auch nicht Ihre Werke gestohlen.“

„Wenn es weder den Mordversuch noch die Erpressung, noch die Plagiate gegeben hat, liegt es doch nahe, dass dieser Ehebruch ebenfalls nicht passiert ist.
Damit beantwortet sich auch die Frage nach Hatsumis Unfall, der ohne jeden Zweifel wirklich ein Unfall war und kein Selbstmord. Sie hatte gar keinen Grund, sich umzubringen.“

„Vereinfacht gesagt, haben Sie all Ihre Zeit und Mühe darauf verwendet, sich ein Motiv zu erschaffen. Ein Motiv für die Ermordung Kunihiko Hidakas.“

„Warum haben Sie das getan? Es widerspricht dem gesunden Menschenverstand, ein falsches Alibi zu konstruieren, um verhaftet zu werden.
Meine Vermutung läuft auf Folgendes hinaus: Sie hatten einen bestimmten Grund, Kunihiko Hidaka umbringen zu wollen. Dafür waren Sie bereit, Ihre Verhaftung im Kauf zu nehmen. Ich denke, der erneute Ausbruch Ihrer Krebserkrankung spielte auch eine Rolle dabei. Sie rechneten nicht damit, allzu viel Zeit im Gefängnis verbringen zu müssen.
Doch mehr noch als Ihre Verurteilung als Mörder fürchten Sie sich offenbar davor, dass Ihr wahres Motiv bekannt wird.“

Mit einem bei Kunihiko Hidakas Sachen gefundenen Foto beweist der Kommissar, dass Osamu Nonoguchi die von Masaya Fujio vergewaltigte Mitschülerin festhielt und ein Bild davon knipste.

„Warum beschäftigte Sie dieses Geheimnis jetzt so plötzlich? Herr Hidaka besaß das Foto schon, bevor er Verbotene Jagdgründe schrieb, und es gibt keinen Anhaltspunkt, dass er bis dahin jemandem davon erzählt hat. Warum glaubten Sie auf einmal nicht mehr, dass er Ihr Geheimnis bewahren würde?“

Der Kommissar gibt selbst die Antwort: Weil Miyako Fujio gegen den Roman „Verbotene Jagdgründe“ vorging, befürchtete Nonoguchi einen Prozess. Vor Gericht hätte Hidaka das Foto wahrscheinlich als Beweismaterial verwendet. Um das zu verhindern, ermordete ihn Nonoguchi. Damit nicht genug, versuchte er aus Missgunst, den erfolgreichen Schriftsteller als Plagiator darzustellen und dessen Renommee zu zerstören. Mit seinen schriftlichen Ausführungen versuchte der Mörder, die Polizei irrezuführen. Dazu gehörte auch die Lüge mit der Katze: Nicht Hidaka vergiftete das Tier, sondern Nonoguchi, und zwar mit dem Ziel, dem Kommissar Hidakas Grausamkeit vorzugaukeln.

Kaga weiß bereits, dass Nonoguchi inzwischen einer Operation zugestimmt hat. Der Arzt meint, die Überlebenschancen des Patienten seien verhältnismäßig hoch. Es könnte also sehr gut sein, dass der Mörder sich doch noch vor Gericht verantworten und eine längere Haftstrafe verbüßen muss.

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Sehr bald schon verrät Keigo Higashino in seinem Kriminalroman „Böse Absichten“, wer der Mörder ist. Aber das verringert nicht die Spannung, denn es tauchen immer neue Fragen auf. „Böse Absichten“ ist kein Whodunit-Thriller, sondern dreht sich vor allem um das Motiv des Täters, und das durchschauen wir erst am Ende des Buches.

Keigo Higashino lässt in „Böse Absichten“ nicht nur abwechsend zwei Ich-Erzähler auftreten – den Kommissar und den Mörder –, sondern fügt auch Passagen in der dritten Person Singular ein. Dieses raffinierte Spiel mit Perspektiven ermöglicht es ihm, die Leser mehrmals mit Wendungen zu überraschen, die alle bis dahin entstandenen Mutmaßungen über das Wie und Warum der Gewalttat umwerfen.

Keigo Higashino verzichtet auf Action und jegliche Effekthascherei. Die Sprache selbst ist klar und schnörkellos.

Ärgerlich ist, dass bei der deutschen Übersetzung das Adjektiv gleich stets falsch benutzt wird. Da ist die Rede von Männern, die in der gleichen Schule waren und anderen Personen, die in der gleichen Klasse waren. Tatsächlich handelte es sich um dieselbe Schule und dieselbe Klasse.

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Inhaltsangabe und Rezension: © Dieter Wunderlich 2016
Textauszüge: © J. G. Cotta’sche Buchhandlung Nachfolger

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