Zelda Fitzgerald : Ein Walzer für mich

Ein Walzer für mich
Originalausgabe: Save Me the Waltz Charles Scribner's Sons, New York 1932 Ein Walzer für mich Neuübersetzung: pociao Diogenes Verlag, Zürich 2011 ISBN: 978-3-257-06792-7, 261 Seiten Diogenes Verlag, Zürich 2013 ISBN: 978-3-257-24245-4, 361 Seiten
Buchbesprechung

Inhaltsangabe

Die lebenshungrige Südstaatenschönheit Alabama Beggs heiratet nach dem Ersten Weltkrieg den Künstler David Knight und führt mit ihm in New York ein exzessives Partyleben. Ungewollt wird sie schwanger. Als die Tochter zwei Jahre alt ist, setzen die Knights ihr ausschweifendes Leben in Frankreich fort. Alabama langweilt sich, wenn David arbeitet, aber nach einem Ballettbesuch beschließt sie, sich als Tänzerin zu emanzipieren ...
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Kritik

Zelda Fitzgerald erzählt die mit­reißende Geschichte chronologisch aus der Perspektive der Protago­nistin. "Ein Walzer für mich" lässt sich als Roman, Autobiografie und Gesellschaftsporträt der Roaring Twenties lesen.
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Alabama ist die jüngste der drei Töchter des Richters Austin Beggs und seiner Ehefrau Millie. Sie leben in einer Stadt in Alabama. Joan und Dixie sind neun bzw. elf Jahre älter als ihre Schwester Alabama. Austin Beggs legt großen Wert auf Disziplin, und es missfällt ihm, dass seine Töchter sich mit Mädchen und Jungen aus weniger angesehenen Familien abgeben.

Dixie arbeitet zunächst als Redakteurin beim Lokalblatt und ist für die Klatschspalte verantwortlich. Ihr Vater will auf keinen Fall, dass sie ihren mittellosen Kollegen Randolph McIntosh heiratet und duldet den jungen Mann auch nicht im Haus. Er tobt, als er aus der Zeitung erfährt, dass Dixie und Alabama mit Randolph McIntosh bei einem Tanzwettbewerb mitmachten. Schließlich zieht Dixie nach New York, fängt dort bei einer Versicherungs­gesellschaft an und heiratet drei Monate später einen Mann aus – Alabama.

Nachdem auch Joan im Alter von 26 Jahren geheiratet hat, wohnt nur noch Alabama bei ihren Eltern. Mehrere Offiziere der in der Nähe stationierten Luftwaffe bemühen sich um die 17-Jährige, darunter Captain Franklin McPherson Farreleigh, obwohl er verheiratet ist. Einer stürzt mit dem Flugzeug ab, als er Alabama durch waghalsige Manöver auf sich aufmerksam machen will. Der Bordmechaniker kommt dabei ums Leben, und der 22-jährige Pilot muss sich vor dem Militärgericht verantworten.

Der blonde Leutnant David Knight hält um ihre Hand an. Aber bevor David und Alabama heiraten, muss der Offizier noch in den Krieg nach Europa [Erster Weltkrieg]. Erst danach findet die Eheschließung statt, und das Paar zieht nach New York.

Keine Macht der Welt konnte sie [Alabama] noch zu irgendetwas zwingen, dachte sie voller Angst, es sei denn, sie selbst.

David Knight macht sich einen Namen als Künstler.

Seriöse Menschen nahmen sie ernst; David hielt Vorträge über visuelle Rhythmen und die Wirkung der Nebularhypothese auf das Verhältnis der Primärfarben.

Das ebenso unkonventionelle wie glamouröse und unterhaltsame Paar feiert ausgelassen eine Party nach der anderen und ist überall gern gesehen. Als Alabamas Eltern zu Besuch kommen, hat David zwar einen japanischen Butler eingestellt, für dessen Bezahlung er einen Vorschuss seines Kunsthändlers erbat, aber als Millie und Austin Beggs mit zwei Freunden des jungen Paars konfrontiert werden, die ihren Rausch in einer Hängematte im Garten ausschlafen, reisen sie vorzeitig wieder ab.

Alabama wird ungewollt schwanger und bringt ein Jahr nach der Hochzeit eine Tochter zur Welt: Bonnie.

Als das Kind zwei Jahre alt ist, beschließen David und Alabama Knight, einige Zeit an der Riviera zu verbringen, obwohl ihnen alle Freunde und Bekannten davon abraten.

Das Kind würde Cholera bekommen, wenn sie es der Hitze aussetzten, die französischen Moskitos würden sie umbringen und zu essen bekämen sie höchstens Ziegenfleisch. Im Übrigen gäbe es am ganzen Mittelmeer keine vernünftige Wasserversorgung im Sommer, und die Highballs würden ohne Eiswürfel serviert; einer schlug sogar vor, sie sollten einen Koffer mit Konserven mitnehmen.

Die Knights reisen 1. Klasse. An Bord des Schiffes sind sie viel mit Lady Sylvia Priestly-Parsnips und deren Mann zusammen.

Lady Sylvia rülpste. „Das Dumme an diesen Notalarmen ist, dass ich immer meine beste Unterwäsche anziehe, und dann passiert doch nichts.“

Von Cherbourg aus nehmen sie den Zug. In der Provence stöhnt Alabama:

„Ich sehe nichts vor lauter Aussicht.“

Miss Meadow, die englische Nanny, ist entsetzt über das schäbige Hotel, das sie gebucht haben. Notgedrungen sehen sie sich nach Alternativen um und ziehen schließlich in die Villa les Rossignols in St-Raphaël.

David arbeitete an seinen Bildern; Alabama verbrachte viel Zeit allein.
„Was soll ich bloß machen, David?“
Er antwortete, sie könne nicht immer ein Kind bleiben und sich von anderen unterhalten lassen.

David kann nicht verstehen, dass Alabama zwar darüber klagt, nichts zu tun zu haben, aber keinen Versuch unternimmt, den Haushalt zu führen und ihr so auch entgeht, dass die Köchin Butter stiehlt.

Der Wirt Jean lädt David und Alabama auf einen Drink ein und stellt sie seinen Stammgästen vor: René und Bobbie, Leutnant Montague, Leutnant Bellandeau, Leutnant Paulette, dessen Ehefrau und Leutnant Jacques Chevre-Feuille. Jeden Abend verbringen David und Alabama nun mit ihren neuen Freunden im Café de la Flotte. Jacques beeindruckt Alabama mit Fliegerkunststücken über der Villa les Rossignols. Eines Abends behaupten René und Bobbie, einer der Piloten sei abgestürzt. Sie vermuten, dass es sich um Jacques handelt. Aber da irren sie sich. David glaubt, sich mit dem Rivalen duellieren zu müssen. Er sucht Streit und ist darauf aus, sich mit Jacques wenigstens zu prügeln, aber der weicht ihm aus und lässt sich nach Indochina versetzen.

Vor dem Winter zieht das Paar nach Paris. Dort macht Dickie Axton, die angeblich ihren Liebhaber in der Gare de l’Est erschoss, die beiden mit der jungen Schauspielerin Gabrielle Gibbs bekannt. Während Alabama mit Dickie und deren Freund eine Aufführung des Balletts „La Chatte“ im Théâtre du Châtelet besuchen, führt David Gabrielle ins „Acacias“ aus. Vorher sagte die Schauspielerin zu Alabama:

„Ich habe mich in Ihren Mann verliebt. Ich dachte, ich könnte versuchen, ihn ins Bett zu kriegen, wenn es Ihnen nichts ausmacht – aber selbstverständlich würde ich es auch ohne Ihre Zustimmung probieren.“

Alabama ist von dem Ballett so begeistert, dass sie nun unbedingt selbst Tänzerin werden möchte.

Als David nach Hause kommt, sagt er, es habe wohl keinen Sinn, etwas erklären zu wollen.

„Ich halte das nicht länger aus“, schrie sie den dösenden David an. „Ich will weder mit Männern schlafen noch die Frauen nachäffen, und überhaupt – ich ertrage das nicht mehr.“

Bei einer anderen Gelegenheit meint sie:

Allerdings ist es schrecklich schwierig, ein Leben zu führen, das keine Richtung hat.

Bis man alt genug ist, um sich für eine Richtung zu entscheiden, sind die Würfel schon gefallen, nd der Moment, in dem sich unsere Zukunft entschieden hat, ist längst vorbei.

Alabama fand, dass sie der Welt nichts anzubieten hatte, und sah auch keine Möglichkeit, das, was sie sich von ihr nahm, je wieder zurückzugeben.

Mit dem Tanzen glaubt sie jedoch ihre Bestimmung gefunden zu haben. Sie träumt davon, als Solistin in „La Chatte“ aufzutreten, aber die russische Ballettlehrerin äußert sich skeptisch dazu:

„Dafür sind Sie schon zu alt. Es ist ein herrliches Ballett. Warum sind Sie so spät zu mir gekommen?“
„Ich habe vorher nicht daran gedacht. Ich war zu sehr mit meinem Leben beschäftigt.“

Von den Zweifeln der erfahrenen Trainerin lässt Alabama sich nicht entmutigen; sie arbeitet um so verbissener an sich.

David war froh über ihr Engagement im Studio. Sie vertaten ihre freie Zeit nicht länger auf Partys. Alabamas freie Zeit bestand aus endlosen Attacken von Muskelkater, so dass sie lieber zu Hause blieb. Und David konnte ungehinderter arbeiten, wenn sie beschäftigt war und weniger Ansprüche an ihn stellte.

David behauptete, er werde ihr helfen, eine gute Tänzerin zu werden, glaubte aber nicht daran, dass sie es schaffen würde.

Das Familienleben beschränkte sich auf das Nebeneinander mehrerer Individuen unter einem Dach; es gab keinerlei gemeinsame Interessen.
Bonnie hielt ihre Eltern für so etwas Ähnliches wie den Weihnachtsmann: erfreulich, aber unberechenbar. Abgesehen davon, dass Mademoiselle [die Gouvernante] über sie schimpfte, spielten sie keine Rolle in ihrem Leben.

Als Alabama jedoch ein Solo-Debüt in dem Tanzstück „Faust“ am Teatro San Carlo von Neapel angeboten wird, sagt sie ab, denn sie weiß, dass David dort nicht arbeiten könnte und es für Bonnie keine geeignete Schule gäbe. Außerdem assoziiert sie Neapel mit Schmutz und Fieber. Sie will lieber in Paris bleiben und weiter trainieren, bis sie in „La Chatte“ auftreten kann.

1929 stirbt Serge Diaghilev, der Gründer der Ballets Russes, auf den sie ihre Hoffnungen setzte. Außerdem glaubt David, es sei an der Zeit, nach Amerika zurückzukehren. Alabama nimmt nun doch das Angebot an, in „Faust“ zu tanzen und fährt allein in einem Liegewagen 2. Klasse nach Neapel. Unterwegs schluckt sie Beruhigungsmittel.

David löst die Wohnung in Paris auf und zieht mit Bonnie in die Schweiz.

Aufgrund der erfolgreichen Premiere in Neapel und der guten Kritiken plant die Ballettmeisterin Madame Sirgewa Alabama als Primaballerina für „Schwanensee“ ein. Die nicht mehr ganz junge Nachwuchstänzerin kauft daraufhin gleich hundert Paar neue Spitzenschuhe. Das Geld dafür lässt sie sich von David schicken.

Der erhält einige Zeit später ein Telegramm von seiner Schwiegermutter: Austin Beggs ist schwer erkrankt, und es steht schlecht um ihn. David telegrafiert an die Pension in Neapel, in der Alabama wohnt. Daraufhin erfährt er, dass sie seit zwei Tagen im Krankenhaus liegt. Sofort eilt David mit Bonnie nach Neapel. Alabama tanzte mit einer offenen Blase, und der Klebstoff im Spitzenschuh verursachte eine Blutvergiftung. Erst nach Tagen sind die Ärzte zuversichtlich, dass sie den Fuß nicht amputieren müssen. Aber auf der Bühne tanzen wird Alabama nie mehr können.

Sobald sie dazu in der Lage ist, reist sie mit ihrer Familie zu ihrem sterbenden Vater. Um ihn regelmäßig besuchen zu können, mieten die Knights in der Nähe ein Haus. Austin Beggs stirbt im November 1931 im Alter von 74 Jahren.

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Auch wenn David Knight kein Schriftsteller wie F. Scott Fitzgerald ist, sondern ein Künstler, sind die autobiografischen Bezüge in dem Roman „Ein Walzer für mich“ von Zelda Fitzgerald unübersehbar. Das Buch lässt sich deshalb nicht nur wie ein Roman lesen, sondern auch wie eine Autobiografie und ein Gesellschaftsporträt der Roaring Twenties.

„Ein Walzer für mich“ handelt von einer lebenshungrigen Amerikanerin in den Zwanzigerjahren, die erkennt, dass das exzessive Partyleben auf Dauer unbe­friedigend ist, ihren Weg sucht und hart an sich arbeitet, um sich als Balletttänzerin zu emanzi­pieren. Wenn man weiß, wie F. Scott Fitzgerald die Bemühungen seiner Frau um eigenständigen künstlerischen Erfolg untergrub, staunt man darüber, dass Zelda Fitzgeralds Alter Ego Alabama Knight ihrem Ehemann keine heftigeren Vorwürfe macht. Stattdessen sieht sie ein, dass sie einen Teil ihrer Lebenszeit verschwendete und David mit ihren Ansprüchen überforderte.

Am Ende des Romans ist gerade wieder eine Party vorbei, und Alabama sitzt noch mit David zusammen. Er beschwert sich darüber, dass sie die Aschenbecher bereits leerte, als noch Gäste da waren. Alabama erwidert:

„Ich kippe einfach alles auf einen großen Haufen mit dem Schild ‚Vergangenheit‘, und wenn ich auf diese Art das tiefe Reservoir geleert habe, das einmal mein Ich war, kann ich weitermachen.“

Zelda Fitzgerald erzählt die mitreißende Geschichte chronologisch aus der Perspektive der Protagonistin. Gedankensprünge und Auslassungen tragen dazu bei, dass der Text ungeschliffen wirkt, aber gerade deshalb hält man ihn für authentisch.

Der Verlag (Scribner’s), dem Zelda Fitzgerald das Manuskript geschickt hatte, holte vor der Veröffentlichung die Meinung ihres Mannes ein, und F. Scott Fitzgerald setzte eine Reihe von massiven Änderungen durch. Ein Drittel des Textes wurde gestrichen. Angeblich enthielt die ursprüngliche Manuskriptfassung skandalöse Enthüllungen über das Privatleben des Paares und rachsüchtige Angriffe gegen S. Scott Fitzgerald. Eine Verwässerung stellt auch der endgültige Titel „Save Me the Waltz“ dar, denn Zelda Fitzgerald hatte an „Save Me“ (Rette mich) gedacht.

Elisabeth Schnack übersetzte den am 7. Oktober 1932 veröffentlichten Roman „Save Me the Waltz“ Anfang der Siebzigerjahre ins Deutsche: „Darf ich um den Walzer bitten?“ (Freiburg i. B. 1972). Zwölf Jahre später folgte eine Übersetzung von Anita Eichholz: „Schenk mir den Walzer“ (Frankfurt/M 1984). Bei Diogenes erschien 2011 unter dem Titel „Ein Walzer für mich“ eine seit Juli 2013 auch als Taschenbuch verfügbare Neuübersetzung von pociao (Silvia de Hollanda).

 

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Inhaltsangabe und Rezension: © Dieter Wunderlich 2013
Textauszüge: © Diogenes Verlag

Zelda Fitzgerald (tabellarische Biografie)

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"Das verborgene Wort" ist ein bewegender Entwicklungsroman und zugleich eine detailreiche Milieustudie. Ulla Hahn schreibt aus der subjektiven Perspektive der Hauptfigur. Das wirkt authentisch und tragikomisch.
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