Iris

Iris

Iris

Originaltitel: Iris - Regie: Richard Eyre - Drehbuch: Richard Eyre und Charles Wood, nach Biografien von John Bayley - Kamera: Roger Pratt - Schnitt: Martin Walsh - Musik: James Horner - Darsteller: Judi Dench, Jim Broadbent, Kate Winslet, Hugh Bonneville, Penelope Wilton, Samuel West, Timothy West, Eleanor Bron - 2001; 90 Minuten

Inhaltsangabe

Richard Eyre erzählt von der unbeschwerten Studentenzeit der selbstbewussten englischen Schriftstellerin Iris Murdoch (1919 - 1999) und von ihren letzten Jahren, in denen sie aufgrund der Alzheimer- Krankheit an der Seite des schrulligen Literaturwissenschaftlers und
-kritikers John Bayley verdämmerte.

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Kritik

Der Film "Iris" kreist um die Frage nach den Grundlagen einer zwischenmenschlichen Beziehung. Jim Broadbent sorgt dafür, dass die kauzige Figur des überforderten Ehemanns weder kitschig noch wie ein rührseliges Klischee wirkt und auch nicht ihre Würde verliert.
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Die junge angloirische Dozentin Iris Murdoch (Kate Winslet / Judi Dench) ist davon überzeugt, dass Wörter erforderlich sind, um denken zu können. Ihr Kollege John Bayley (Hugh Bonneville / Jim Broadbent) weist sie auf einen anderen Aspekt hin: „Worte sind nicht der einzige Weg, um miteinander zu sprechen. Es gibt auch noch den Geruch, die Berührung.“ Zu diesem Zeitpunkt ahnt er nicht, wie prophetisch sein Ausspruch ist.

Beim ersten Besuch des lebenshungrigen, weltoffenen Mädchens in seinem Zimmer in Oxford stammelt der kauzige John Bayley, eigentlich dürfe er hier gar keine Frauen haben. „Dass du mich gehabt hast, kann man auch nicht behaupten“, entgegnet die selbstbewusste junge Frau. Ausgerechnet den linkischen, stotternden Literaturwissenschaftler, der noch nie etwas mit einer Frau hatte, wählt sie 1954 als ihren Ehemann. Aber vielleicht denkt sie auch, dass er ihr gerade wegen seiner Schwäche die gewünschte Freiheit lassen und trotz ihrer Affären mit anderen Frauen und Männern zu ihr halten wird. (Einer ihrer Liebhaber war wohl Elias Canetti.) John schwärmt denn auch: „Ich bin der junge Mann, der sich in die schöne Jungfrau verliebt hat, die ab und zu in eine geheimnisvolle Welt entschwindet, aber immer wiederkehrt.“ Er meint das in Bezug auf ihre schriftstellerische Tätigkeit – aber es gilt auch für ihr Liebesleben.

Natürlich übernimmt Iris in der Beziehung von Anfang an die Führung. Bewundert von ihrem Mann, der sich als Literaturkritiker betätigt, veröffentlicht sie 26 Romane.

Dann weiß sie während eines Interviews plötzlich nicht mehr, wie die Frage lautete, die sie beantworten soll. Als ein Arzt sie nach dem Namen des Premierministers fragt, fällt ihr der erst ein, nachdem die Konsultation beendet ist. Bei einem medizinischen Test liest sie „god“ statt „dog“. Der Frau, die auf intelligente Weise mit Worten spielte, fehlen immer häufiger die einfachsten Begriffe. Sie behilft sich zunächst mit Umschreibungen und nennt den Briefträger „einen Mann, der die Post bringt“. Weitere Untersuchungen bestätigten, dass Iris unter Morbus Alzheimer leidet.

Schließlich ist sie nicht mehr fähig, verbal zu kommunizieren. „Sie ist jetzt in ihrer eigenen Welt. Das ist vielleicht das, was sie immer wollte“, sagt John zu Janet Stone (Juliet Aubrey / Penelope Wilton), einer früheren Geliebten seiner Frau.

Der vertrottelte Literaturkritiker, der Iris – solange sie gesund war – alles überließ und stets in ihrem Schatten blieb, hat nie gelernt, die gemeinsamen Angelegenheiten zu erledigen, und jetzt, wo er sich Tag und Nacht um seine abwechselnd ängstlich-anhängliche, dann wieder infantil-störrische Frau kümmern muss, bleibt auch gar keine Zeit mehr dafür. Nach einiger Zeit stehen überall im Haus leere Dosen und Flaschen herum und die Fußböden sind mit allem möglichen Kram bedeckt.

In einem unbeobachteten Augenblick verlässt Iris das Haus und irrt durch die Straßen. Ihr früherer Geliebter Maurice (Samuel West / Timothy West) entdeckt sie in einem Supermarkt und bringt sie zurück. John bedankt sich höflich wie bei einem Fremden, bis Maurice seinen Namen sagt und sich John wieder an ihn erinnert.

John, der Jahrzehnte lang geduldig an der Seite seiner Frau geblieben ist, glaubt eines Nachts, dass er es nicht mehr aushalten kann. Er liegt neben der schlafenden Iris im Ehebett, stößt sie, beschimpft sie als „alte Kuh“, fragt sie, wo ihre früheren Liebhaber geblieben sind, weist sie darauf hin, dass die Freunde sich zurückgezogen haben und schreit: „Ich bin geblieben. Aber jetzt will ich nicht mehr!“ Da kuschelt sich die halb erwachte Iris tröstend an ihn.

Der Arzt besteht darauf, dass Iris in ein Sanatorium eingeliefert wird. Dort stirbt sie bald darauf.

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Iris Murdoch wurde am 15. Juli 1919 in Dublin geboren. Sie studierte Philologie in Oxford und Philosophie in Cambridge. Nach dem Zweiten Weltkrieg engagierte sie sich für die UN-Flüchtlingshilfe. Von 1948 bis 1963 war sie Dozentin für Philosophie, zunächst in Oxford und danach in London. Sie zählt zu den bedeutendsten Autorinnen und Autoren Englands. Königin Elisabeth II. erhob sie 1987 zur „Dame“. 1994 wurde die Alzheimer-Krankheit bei ihr diagnostiziert, der sie im Februar 1999 erlag.

Der Literaturwissenschaftler und -kritiker John Bayley, der 43 Jahre mit ihr verheiratet war, veröffentlichte ab 1998 mehrere Bücher über sie und sein Leben als Witwer: „Iris. A Memoir of Iris Murdoch“, „Iris and the Friends“ und „Widower’s House“.

Der renommierte englische Bühnenregisseur Richard Eyre erzählt die traurige Geschichte aus der Sicht von John Bayley in ständigem Wechsel zwischen Bildern aus den Neunzigerjahren und Rückblenden an die unbeschwerte Zeit auf dem Campus. (Deshalb ist es nicht konsequent, dass er auch Erinnerungen von Iris mit einbezieht.) Eine Entwicklung ist kaum erkennbar; „Iris“ ist keine Studie des allmählichen Verfalls, sondern der Film hebt mehr auf einen Vergleich zwischen vorher und nachher ab bzw. auf eine Nebeneinanderstellung der frühen und der späten Jahre. Auf diese Weise wird die Vertauschung der dominanten und der abhängigen Rolle besonders deutlich.

Der Film kreist um die Frage nach den Grundlagen einer zwischenmenschlichen Beziehung.

Judi Dench, Kate Winslet und Hugh Bonneville spielen hervorragend; verblüffend ist die Ähnlichkeit der beiden männlichen Hauptdarsteller, und die herausragende schauspielerische Leistung von Jim Broadbent sorgt dafür, dass die kauzige Figur des überforderten Ehemanns weder kitschig noch wie ein rührseliges Klischee wirkt und auch nicht ihre Würde verliert. Zu Recht erhielt er dafür einen „Oscar“.

Unter dem Titel „Iris Murdoch. Ein Leben“ veröffentlichte Peter J. Conradi eine Biografie der angloirischen Schriftstellerin (Deuticke Verlag, Wien 2002).

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Inhaltsangabe und Rezension: © Dieter Wunderlich 2002/2003

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