Joseph von Eichendorff : Aus dem Leben eines Taugenichts

Aus dem Leben eines Taugenichts
Manuskript: 1822/23 Originalausgabe: Aus dem Leben eines Taugenichts und das Marmorbild Zwei Novellen nebst einem Anhange ... Vereinsbuchhandlung, Berlin 1826 Joseph Kiermeier-Debre (Hg.) dtv, München 2008 ISBN: 978-3-423-02678-9, 158 Seiten
Buchbesprechung

Inhaltsangabe

Ein junger Mann wird wegen seiner Faulheit von seinem Vater – einem tüchtigen Müller – fortgeschickt. Unverdrossen und unbekümmert wandert er los. In einem Schloss bei Wien bekommt er eine Stelle als Gärtnerbursche und wird dann sogar zum Zolleinnehmer ernannt. Doch als er annehmen muss, dass die schöne junge Frau, in die er sich verliebt hat und die er für die Tochter der Gräfin hält, für ihn nicht erreichbar ist, zieht er weiter nach Italien, neuen Abenteuern entgegen ...
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Kritik

Im Geist der Romantik beschäftigt Joseph von Eichendorff sich in der märchenhaften Erzählung "Aus dem Leben eines Taugenichts" mit einem einfachen, naturverbundenen und zuversichtlichen jungen Mann.
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Das Rad an meines Vaters Mühle brauste und rauschte schon wieder recht lustig, der Schnee tröpfelte emsig vom Dache, die Sperlinge zwitscherten und tummelten sich dazwischen; ich saß auf der Türschwelle und wischte mir den Schlaf aus den Augen; mir war so recht wohl in dem warmen Sonnenscheine. Da trat der Vater aus dem Hause; er hatte schon seit Tagesanbruch in der Mühle rumort und die Schlafmütze schief auf dem Kopfe, der sagte zu mir: Du Taugenichts! da sonnst du dich schon wieder und dehnst und reckst dir die Knochen müde und lässt mich alle Arbeit allein tun. Ich kann dich hier nicht länger füttern. Der Frühling ist vor der Tür, geh auch einmal hinaus in die Welt und erwirb dir selber dein Brot. – Nun, sagte ich, wenn ich ein Taugenichts bin, so ists gut, so will ich in die Welt gehen und mein Glück machen. Und eigentlich war mir das recht lieb, denn es war mir kurz vorher selber eingefallen, auf Reisen zu gehen […] (Seite 747)

Ohne zu zögern nimmt der Taugenichts seine Geige und wandert zum Dorf hinaus. Unterwegs wird er von einer Kutsche eingeholt, in der eine jüngere und eine ältere Dame sitzen. Sie fordern ihn auf, hinten aufzuspringen. Die Fahrt geht zu einem Schloss bei Wien, wo er als Gärtnerbursche eingestellt wird und sich in die schöne junge Dame verliebt.

Als der Zolleinnehmer stirbt, erhält der Taugenichts unerwartet die vakante Stelle und bezieht das zum Amt gehörende Haus.

Da kam eines Morgens frühzeitig, da ich noch im tiefsten Schlafe lag, der Schreiber vom Schlosse zu mir und rief mich schleunigst zum Herrn Amtmann. Ich zog mich geschwind an und schlenderte hinter dem lustigen Schreiber her, der unterwegs bald da bald dort eine Blume abbrach und vorn an den Rock steckte, bald mit seinem Spazierstöckchen künstlich in der Luft herumfocht und allerlei zu mir in den Wind hineinparlierte, wovon ich aber nichts verstand, weil mir die Augen und Ohren noch voller Schlaf lagen. Als ich in die Kanzlei trat, wo es noch gar nicht recht Tag war, sah der Amtmann hinter einem ungeheuren Tintenfasse und Stößen von Papier und Büchern und einer ansehnlichen Perücke, wie die Eule aus ihrem Nest, auf mich und hob an: Wie heißt Er? Woher ist Er? Kann Er schreiben, lesen und rechnen? Da ich das bejahte, versetzte er: Na, die gnädige Herrschaft hat Ihm, in Betrachtung seiner guten Aufführung und besondern Meriten, die ledige Einnehmerstelle zugedacht. (Seite 756)

Da es für ihn nicht viel zu tun gibt, sitzt er oft vor der Türe und raucht. Aber er entfernt auch die von seinem Vorgänger angelegten Gemüsebeete und sät stattdessen Blumen aus.

Einige Zeit später beobachtet er, wie die schöne junge Dame mit einem stattlichen Herrn in Uniform auf einen Balkon des Schlosses tritt, während ihnen ein Ständchen gebracht wird. Weil er nun annehmen muss, dass die Angebetete verheiratet und für ihn unerreichbar ist, nimmt er kurzerhand seine Geige von der Wand und wandert weiter.

Zwei Reiter, die er zunächst für Räuber hält, bringen ihn dazu, sie in das Dorf B. zu führen. Er weiß zwar nicht, wo es liegt, aber durch Zufall findet er den richtigen Weg. In B. wartet bereits eine vierspännige Postkutsche auf die jungen Herren, die sich als Maler ausgeben und Leonhard bzw. Guido nennen. Den Taugenichts, den sie offenbar aus Wien kennen, laden sie ein, sie weiter zu begleiten, und Leonhard stattet ihn mit besseren Kleidern aus.

Ich besah mir nun die beiden Maler genauer bei der Morgendämmerung. Der eine, Herr Leonhard, war groß, schlank, braun, mit lustigen, feurigen Augen. Der andere war viel jünger, kleiner und feiner, auf altdeutsche Mode gekleidet, wie es der Portier nannte, mit weißem Kragen und bloßem Hals, um den die dunkelbraunen Locken herabhingen, die er oft aus dem hübschen Gesichte wegschütteln musste. (Seite 777)

Mit der Kutsche geht es nun rasch voran. Als der Taugenichts eines Morgens in einem Gasthaus in der Lombardei nach den beiden Malern sucht, findet er deren Zimmer leer vor. Nachdem die Maler verschwunden sind, reist der Taugenichts allein mit der Postkutsche weiter.

Unversehens weicht der Kutscher vom Weg ab und fährt zu einem alten Schloss auf einem Berg.

Der Kutscher knallte dreimal, dass es weit in dem alten Schlosse widerhallte, wo ein Schwarm von Dohlen ganz erschrocken plötzlich aus allen Luken und Ritzen herausfuhr und mit großem Geschrei die Luft durchkreuzte. Darauf rollte der Wagen in den langen, dunklen Torweg hinein. Die Pferde gaben mit ihren Hufeisen Feuer auf dem Steinpflaster, ein großer Hund bellte, der Wagen donnerte zwischen den gewölbten Wänden, die Dohlen schrien noch immer dazwischen – so kamen wir mit einem entsetzlichen Spektakel in den engen, gepflasterten Schloßhof.
Eine kuriose Station! dachte ich bei mir, als nun der Wagen stillstand. Da wurde die Wagentür von draußen aufgemacht, und ein alter, langer Mann mit einer kleinen Laterne sah mich unter seinen dicken Augenbrauen grämlich an. Er fasste mich dann unter den Arm und half mir, wie einem großen Herrn, aus dem Wagen heraus. Draußen vor der Haustür stand eine alte, sehr hässliche Frau in schwarzem Kamisol und Rock, mit einer weißen Schürze und schwarzen Haube, von der ihr ein langer Schnipper bis an die Nase herunterhing. Sie hatte an der einen Hüfte einen großen Bund Schlüssel hängen und hielt in der andern einen altmodischen Armleuchter mit zwei brennenden Wachskerzen. Sobald sie mich erblickte, fing sie an, tiefe Knickse zu machen, und sprach und frug sehr viel durcheinander. Ich verstand aber nichts davon und machte immerfort Kratzfüße vor ihr, und es war mir eigentlich recht unheimlich zumute. (Seite 785f)

Die Alte führt den Taugenichts in einen herrschaftlichen Raum. Auf dem Tisch stehen „Braten, Kuchen, Salat, Obst, Wein und Konfekt“ für ihn bereit. Dass er weder die Situation noch die Sprache der Schlossbewohner besteht, verdirbt ihm nicht die gute Laune.

Ich muss sagen, das gefiel mir recht wohl. (Seite 786)

Nachdem er gegessen und getrunken hat, zeigt ihm eine hübsche junge Magd sein Zimmer.

Als ich wieder erwachte, spielten schon die ersten Morgenstrahlen an den grünen Vorhängen über mir. Ich konnte mich gar nicht besinnen, wo ich eigentlich wäre. Es kam mir vor, als führe ich noch immer fort im Wagen, und es hätte mir von einem Schlosse im Mondschein geträumt und von einer alten Hexe und ihrem blassen Töchterlein.
Ich sprang endlich rasch aus dem Bette, kleidete mich an und sah mich dabei nach allen Seiten in dem Zimmer um. Da bemerkte ich eine kleine Tapetentür, die ich gestern gar nicht gesehen hatte. Sie war nur angelehnt, ich öffnete sie und erblickte ein kleines, nettes Stübchen, das in der Morgendämmerung recht heimlich aussah. Über einem Stuhl waren Frauenkleider unordentlich hingeworfen, auf einem Bettchen daneben lag das Mädchen, das mir gestern abend bei der Tafel aufgewartet hatte. Sie schlief noch ganz ruhig und hatte den Kopf auf den weißen bloßen Arm gelegt, über den ihre schwarzen Locken herabfielen. Wenn die wüsste, daß die Tür offen war! sagte ich zu mir selbst und ging in mein Schlafzimmer zurück, während ich hinter mir wieder schloss und verriegelte, damit das Mädchen nicht erschrecken und sich schämen sollte, wenn sie erwachte. (Seite 788)

Das war nun aber doch ganz seltsam auf dem Schlosse! Kein Mensch dachte da ans Weiterreisen. Das Schloss war auch gar kein Wirtshaus, sondern gehörte, wie ich von der Magd erfuhr, einem reichen Grafen. Wenn ich mich dann manchmal bei der Alten erkundigte, wie der Graf heiße, wo er wohne? da schmunzelte sie immer bloß, wie den ersten Abend, da ich auf das Schloss kam, und kniff und winkte mir so pfiffig mit den Augen zu, als wenn sie nicht recht bei Sinne wäre […]
Ich lebte auf dem einsamen Schlosse wie ein verwunschener Prinz. Wo ich hintrat, hatten die Leute eine große Ehrerbietung vor mir, obgleich sie schon alle wussten, dass ich keinen Heller in der Tasche hatte. Ich durfte nur sagen: „Tischchen, deck dich!“ so standen auch schon herrliche Speisen, Reis, Wein, Melonen und Parmesankäse da. Ich ließ mirs wohl schmecken, schlief in dem prächtigen Himmelbett, ging im Garten spazieren, musizierte und half wohl auch manchmal in der Gärtnerei nach. Oft lag ich auch stundenlang im Garten im hohen Grase. (Seite 789f)

Eines Tages erhält er ein Briefchen:

Es ist alles wieder gut, alle Hindernisse sind beseitigt. Ich benutzte heimlich diese Gelegenheit, um die Erste zu sein, die Ihnen diese freudige Botschaft schreibt. Kommen, eilen Sie zurück. Es ist so öde hier, und ich kann kaum mehr leben, seit Sie von uns fort sind. Aurelie (Seite 792)

Der Taugenichts zweifelt nicht daran, dass es sich bei Aurelie um die Angebetete handelt. War der stolze Offizier doch nicht ihr Ehemann? Oder ist er inzwischen gestorben? Nun will der Taugenichts unverzüglich zu ihr – doch am Abend wird er in seinem Zimmer eingesperrt. Er flieht durchs Fenster, und ein im Schloss lebender verrückter Student schließt ihm die Gartenpforte auf.

Als wir nun in den Wald hinaustraten und ich ihn eben noch um den besten Weg zur nächsten Stadt fragen wollte, stürzte er plötzlich vor mir auf ein Knie nieder, hob die eine Hand hoch in die Höhe und fing an zu fluchen und zu schwören, dass es entsetzlich anzuhören war. Ich wusste gar nicht, was er wollte, ich hörte nur immerfort: Idio und cuore und amore und furore! Als er aber am Ende gar anfing, auf beiden Knien schnell und immer näher auf mich zuzurutschen, da wurde mir auf einmal ganz grauslich, ich merkte wohl, dass er verrückt war, und rannte, ohne mich umzusehen, in den dicksten Wald hinein. (Seite 796)

Schließlich kommt er nach Rom.

Dort glaubt er, Aurelie singen zu hören. Er klettert über das Gittertor in den Garten, aber eine schlanke Gestalt flieht vor ihm ins Haus.

Ein deutscher Maler, dem er am nächsten Morgen begegnet, nimmt ihn mit in sein Atelier und malt ihn. Als er hört, dass sein Gast mit den Künstlern Guido und Leonhardt unterwegs war, erzählt er ihm, eine Gräfin aus Deutschland habe unlängst in Rom nach einem Musikanten und den beiden Malern gesucht.

Am Abend beobachtet er einen Streit zwischen einem Maler namens Eckbrecht und einem Mädchen. Das sucht Schutz bei dem Taugenichts und steckt ihm einen Zettel zu. Es handelt sich um die schnippische Kammerjungfer Rosette aus dem Schloss bei Wien.

Du abscheulicher Einnehmer! um dich muss ich das alles leiden. Da steck den fatalen Zettel geschwind zu dir, du findest darauf bemerkt, wo wir wohnen. Also zur bestimmten Stunde, wenn du ins Tor kommst, immer die einsame Straße rechts fort! (Seite 806)

Zur angegebenen Uhrzeit nähert sich der Taugenichts dem Haus, in dem er die Schöne vermutet. Da sieht er eine Person im weißen Mantel in den Garten huschen. Der Maler! Will er die Gräfin überfallen? Er rennt hinterher und schreit: „Mordio!“

Der Maler, wie er mich so unverhofft daherkommen sah, nahm schnell Reißaus und schrie entsetzlich. Ich schrie noch besser, er lief nach dem Hause zu, ich ihm nach – und ich hatte ihn beinahe schon erwischt, da verwickelte ich mich mit den Füßen in den fatalen Blumenstücken und stürzte auf einmal der Länge nach vor der Haustür hin.
Also du bist es, Narr!, hört ich da über mir ausrufen, hast du mich doch fast zum Tode erschreckt. – Ich raffte mich geschwind wieder auf, und wie ich mir den Sand und die Erde aus den Augen wischte, steht die Kammerjungfer vor mir, die soeben bei dem letzten Sprunge den weißen Mantel von der Schulter verloren hatte. Aber, sagte ich ganz verblüfft, war denn der Maler nicht hier? – Ja freilich, entgegnete sie schnippisch, sein Mantel wenigstens, den er mir, als ich ihm vorhin im Tor begegnete, umgehängt hat, weil mich fror. (Seite 812f)

Wegen des Lärms kommt die gnädige Frau herbei – aber der Taugenichts stellt enttäuscht fest, dass es sich nicht um die Angebetete handelt.

Es war eine etwas große, korpulente, mächtige Dame mit einer stolzen Adlernase und hochgewölbten schwarzen Augenbrauen, so recht zum Erschrecken schön. (Seite 813)

Von der Kammerjungfer erfährt er, dass die schöne junge Dame, die er hier zu finden hoffte, längst wieder nach Deutschland zurückgereist ist. Da hält auch ihn nichts mehr in Rom und er macht sich noch in der Nacht auf den Rückweg.

Kurz vor der österreichischen Grenze schließt er sich drei Studenten aus Prag an, die sich als Musikanten etwas Geld verdienen. Einer von ihnen schlägt vor, seinen Vetter zu besuchen, der als Portier in einem Schloss bei Wien angestellt ist. Auf einem Postschiff, mit dem sie die Donau hinunterfahren, befindet sich ein hübsches Mädchen. Es erzählt einem Geistlichen, dass es zu einem Schloss unterwegs ist, um dort eine Stelle anzutreten. Auf dem Schloss stehe eine Hochzeit bevor, verrät der Geistliche. Der Bräutigam werde aus Rom erwartet. Das bezieht der Taugenichts auf sich.

Kennen denn Euer Hochwürden den Bräutigam?, fragte ich ganz verwirrt. – Nein, erwiderte der alte Herr, aber er soll ein lustiger Vogel sein. – O ja, sagte ich hastig, ein Vogel, der aus jedem Käfig ausreißt, sobald er nur kann, und lustig singt, wenn er wieder in der Freiheit ist. – Und sich in der Fremde herumtreibt, fuhr der Herr gelassen fort, in der Nacht gassatim geht und am Tage vor den Haustüren schläft. – Mich verdroß das sehr. Ehrwürdiger Herr, rief ich ganz hitzig aus, da hat man Euch falsch berichtet. Der Bräutigam ist ein moralischer, schlanker, hoffnungsvoller Jüngling, der in Italien in einem alten Schlosse auf großem Fuß gelebt hat, der mit lauter Gräfinnen, berühmten Malern und Kammerjungfern umgegangen ist, der sein Geld sehr wohl zu Rate zu halten weiß, wenn er nur welches hätte, der – Nun, nun, ich wusste nicht, dass Ihr ihn so gut kennt, unterbrach mich hier der Geistliche und lachte dabei so herzlich, dass er ganz blau im Gesichte wurde und ihm die Tränen aus den Augen rollten. (Seite 822)

Nach der Ankunft sucht der Taugenichts als Erstes das Amtshaus des Zolleinnehmers auf, aber dort wohnt jetzt sein Nachfolger.

Beim Schloss hört er ein Lied, das er schon einmal von Guido hörte. Er folgt dem Klang und stößt auf Aurelie und eine andere schöne junge Dame. Im nächsten Augenblick erscheint Leonhard, und es stellt sich heraus, dass er kein Maler ist, sondern ein reicher Graf. Er liebt die junge Gräfin, die mit Aurelie zusammen sitzt und Flora heißt. Als Maler verkleidet war sie mit Leonhard vor einem unerwünschten Bewerber nach Italien geflohen. Als sie merkten, dass ein Spion sie entdeckt hatte, verschwanden sie nachts aus der Gaststätte, und um den Verfolger zu täuschen, ließen sie ihren Begleiter mit der Kutsche in ein Schloss bringen, das Leonhard gehört. Allerdings wurde er dort auch von Leonhards Leuten für die verkleidete Flora gehalten. Deren Mutter, die Gräfin, reiste mit Aurelie nach Italien, und Aurelies Briefchen war an Flora gerichtet, mit der sie dann auch vor einiger Zeit nach Wien zurückkehrten. Jetzt wird im Schloss die Hochzeit von Flora und Leonhard vorbereitet.

Der Taugenichts fragt Aurelie nach ihrem Ehemann, aber sie klärt ihn darüber auf, dass es sich bei dem Offizier, den er mit ihr sah, um Floras Bruder handelte. Er war gerade von einer Reise zurückgekehrt, deshalb brachte man ihm ein Ständchen, und weil Aurelie an diesem Tag Geburtstag feierte, nahm er sie mit hinaus auf den Balkon, damit auch sie ihr Vivat bekam. Sie wuchs zwar im Schloss auf, ist jedoch nicht die Tochter der Gräfin, sondern eine verwaiste Nichte des Portiers. Einer Hochzeit steht nun nichts mehr im Weg, und Aurelie zeigt ihrem Bräutigam ein weißes Schlösschen, das ihnen Graf Leonhard aus diesem Anlass schenken wird.

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Den Namen des Protagonisten erfahren wir nicht. Wir wissen nur, dass es sich um einen jungen Mann handelt, den der Vater – ein vermutlich verwitweter Müller – einen „Taugenichts“ nennt und fortschickt. Unbekümmert verlässt er den auf Tüchtigkeit bedachten Vater und zieht los, wird gewissermaßen zum Aussteiger. Konkrete Ziele, Pläne oder Erwartungen hat er keine, und was nützlich ist, interessiert ihn nicht. So ersetzt er bei Gelegenheit einen Gemüsegarten durch Blumen. Ebenso wie die Schönheit der Natur liebt er die Musik, und mit seiner Geige erheitert er auch andere Menschen. Wenn er die Gelegenheit bekommt, gut zu essen, genießt er es, doch wenn er sich einschränken muss, erweist er sich als anspruchslos. Seine Zuversicht verliert er nie. Er ist nicht berechnend, sondern lässt sich von Gefühlen leiten. Auch dadurch unterscheidet er sich von geschäftigen, fantasielosen und verdrossenen Spießbürgern.

Joseph Freiherr von Eichendorff beschäftigt sich in der Erzählung „Aus dem Leben eines Taugenichts“ mit einem Mann aus dem Volk, der zwar keine Scheu vor Aristokraten und Schlössern kennt und ein junges Grafenpaar als Freunde gewinnt, sich jedoch am Ende mit einem schönen Mädchen einfacher Herkunft vermählt. Diese Vorliebe für das Volkstümliche ist für die Romantik ebenso charakteristisch wie es die märchenhaften Züge der Erzählung „Aus dem Leben eines Taugenichts“ sind. Außerdem hat Joseph von Eichendorff vierzehn Volkslieder in den Text eingefügt.

Er tritt nicht als auktorialer Autor auf, sondern lässt den Protagonisten subjektiv und in der Ich-Form erzählen.

Die spärliche Handlung dient nur dazu, einer lyrischen Grundstimmung Spielraum zu geben, die im Gemüt des Taugenichts vorherrscht, in den eingestreuten Liedern zum Ausdruck kommt […] und auf seiner Wanderschaft als Naturseelenstimmung erfahren wrd. Die Handlung mit ihren Zufällen und Verwechslungen ist derart trivial, dass man sie als Parodie des romantischen Romans und den Taugenichts als Persiflage der Romantik angesehen hat.
(Harenbergs Lexikon der Weltliteratur, Band 1, Dortmund 1989, Seite 250)

Die Erzählung „Aus dem Leben eines Taugenichts“ von Joseph Freiherr von Eichendorff wurde auch verfilmt:

Originaltitel: Aus dem Leben eines Taugenichts – Regie: Celino Bleiweiß – Drehbuch: Claus Küchenmeister und Wera Küchenmeister, nach der Erzählung „Aus dem Leben eines Taugenichts“ von Joseph Freiherr von Eichendorff – Kamera: Günter Jaeuthe – Schnitt: Monika Schindler – Musik: Rainer Hornig – Darsteller: Dean Reed, Anna Dymna alias Dziadyk, Hannelore Elsner, Monika Woytowicz, Gerry Wolff, Arno Wyzniewski, Christel Bodenstein, Monica Bielenstein, Peter Biele, Hannes Fischer, Ottofritz Gaillard, Gudrun Jochmann u.a. – 1973; 95 Minuten

Originaltitel: Taugenichts – Regie: Bernhard Sinkel – Drehbuch: Alf Brustellin und Bernhard Sinkel, nach der Erzählung „Aus dem Leben eines Taugenichts“ von Joseph Freiherr von Eichendorff – Kamera: Dietrich Lohmann – Schnitt: Dagmar Hirtz – Musik: Hans Werner Henze – Darsteller: Jacques Breuer, Eva Maria Meineke, Wolfgang Reichmann, Matthias Habich, Mareike Carrière, Sybil Schreiber, Pizi Adam, Peter Berling, Mario Adorf u.a. – 1978; 90 Minuten

 

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Inhaltsangabe und Rezension: © Dieter Wunderlich 2009
Seitenangaben beziehen sich auf Bibliothek deutscher Klassiker,
Band 32, Hg.: Wolfdietrich Rasch, Carl Hanser Verlag, München 1977

Romantik

Natascha Wodin - Sie kam aus Mariupol
Obwohl sich Natascha Wodin für eine sach­lich-nüchterne Darstellung ent­schieden hat und v. a. die Lebens­geschichte ihrer Tante Lidia rekon­struiert, han­delt es sich bei "Sie kam aus Mariupol" um einen Tat­sachen­roman, nicht um einen Bericht oder eine Dokumentation.
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