Die Gräfin

Die Gräfin

Die Gräfin

Die Gräfin – Originaltitel: The Countess – Regie: Julie Delpy – Drehbuch: Julie Delpy – Kamera: Martin Ruhe – Schnitt: Andrew Bird – Musik: Julie Delpy – Darsteller: Julie Delpy, Daniel Brühl, William Hurt, Anamaria Marinca, Sebastian Blomberg, Adriana Altaras, Charly Hübner, Frederick Lau, Katrin Pollitt, Anna Maria Mühe, Jesse Inman, André Hennicke, Nora von Waldstätten, Anna Hausburg, Andy Gatjen, Maria Simon, Jeanette Hain, Rolf Kanies u.a. – 2009; 95 Minuten

Inhaltsangabe

Obwohl Erzsébet Báthory von ihrer Mutter dazu erzogen wurde, sich nicht von Gefühlen leiten zu lassen, verliebt sich die verwitwete Gräfin mit 38 Jahren in den deutlich jüngeren Grafen Istvan Thurzo, der allerdings von seinem Vater gezwungen wird, die Tochter eines Geschäftspartners zu heiraten. Aufgrund einer Intrige glaubt Erzsébet, sie sei nicht mehr begehrenswert. Der Liebeskummer in Verbindung mit dem Entsetzen über die altersbedingten Veränderungen ihres Körpers treibt sie in den Wahnsinn ...
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Kritik

"Die Gräfin" ist eine unterhaltsame Mischung aus Kostümfilm, Melodram und Schauergeschichte mit Anspielungen auf das Genre der Vampirfilme. In diesem Porträt einer außergewöhnlichen Frau ergänzt Julie Delpy historische Tatsachen mit fiktiven Handlungsteilen.
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Erzsébet (Paula Hartmann, Ella Maria Gollmer, Julie Delpy) wird 1560 in der ungarischen Stadt Nyírbátor als Tochter des Offiziers Gyorgy Báthory von Ecsed (Robert Schupp) und dessen Ehefrau Anna (Jeanette Hain) geboren. Die Eltern versprechen sie sogleich dem Freiherrn Ferenc Nádasdy von Fogarasföld (Jack Owen Berglund, Charly Hübner) als Braut. Anna Báthory erzieht das Mädchen dazu, hart gegenüber sich und andere zu sein. Erzsébet vergräbt denn auch gefühllos einen lebenden Kanarienvogel in einem Blumentopf – und wundert sich, dass daraus nichts wächst wie bei einem Samenkorn. Als die Mutter die Pubertierende mit einem Bauernsohn im Heu erwischt, zwingt sie Erzsébet, dabei zuzusehen, wie der Junge aufs Rad geflochten wird und ihm die Glieder zerschlagen werden, bis er tot ist. Das Kind, das Erzsébet neun Monate später zur Welt bringt, wird unmittelbar nach der Geburt Pflegeeltern übergeben.

Als Erzsébet Báthory 15 ist, wird sie mit Ferenc Nádasdy verheiratet. Der siegreiche Feldherr Ferenc ist für den ungarischen König (Jesse Inman) im Krieg gegen die Osmanen unverzichtbar. Weil er jedoch den größten Teil des Jahres an der Front kämpft, bleibt die Verwaltung der Güter seiner Frau überlassen. Dabei beweist sie Intelligenz und Umsicht. Vor allem der König ist auf Kredite aus dem gewaltigen Vermögen angewiesen.

Von einem der Feldzüge kehrt Ferenc Nádasdy krank zurück. Bald darauf stirbt er im Schloss Čachtice in den kleinen Karpaten.

Die Witwe bringt ihre drei Kinder nach Wien zu ihrer Tante Klara (Adriana Altaras). Der dort regierende König schuldet ihr sehr viel Geld. Nicht zuletzt deshalb ist Erzsébet Báthory die mächtigste ungarische Gräfin. Bei einem Abendessen reagiert sie gewitzt und schlagfertig auf Bemerkungen des Bischofs (Erik Hansen). Sie gibt zu, dass die Frauen schwach sind, weil sie auf ihr Herz hören, weist jedoch darauf hin, dass auch die Männer eine Schwachstelle haben, allerdings ein bisschen weiter unten am Körper.

Graf György Thurzo (William Hurt) macht der verwitweten Gräfin einen Heiratsantrag. Aber die 38-Jährige zieht ihn nicht in Betracht, weil er in die ungarische Aristokratie einheiratete, während die Báthorys zu den traditionsreichen Adelsgeschlechtern gehören.

Als sie jedoch seinen 21 Jahre alten Sohn Istvan (Daniel Brühl) auf einem Ball kennenlernt, überredet sie ihn, sie vor allen anderen Gästen zu küssen und nimmt ihn mit in ihr Schlafgemach. Zum Entsetzen ihrer lesbischen Dienerin und Vertrauten Anna Darvulia (Amber Bongard, Natascha Lawiszus, Anamaria Marinca) wird Erzsébet Báthory die Geliebte des jungen Grafen und erwidert seine leidenschaftlichen Gefühle.

An dem Tag, an dem er zu ihr ins Schloss Čachtice ziehen will, wartet sie jedoch vergeblich auf ihn. Sie ahnt nicht, dass sein Vater ihn gefangen nehmen ließ. György Thurzo verhindert ein Wiedersehen seines Sohnes mit der Gräfin, denn Istvan ist mit Kati Baroness von Kraj (Nora von Waldstätten) verlobt, der 17-jährigen Tochter eines reichen dänischen Geschäftspartners des alten Grafen, und dieser will die für ihn nützliche Verbindung nicht aufs Spiel setzen. Er schickt Istvan deshalb unter Bewachung nach Dänemark und zwingt ihn zur Eheschließung.

In der Zwischenzeit macht sich Dominic Vizakna (Sebastian Blomberg) an Erzsébet Báthory heran. Weil der zwielichtige Sprössling einer verrufenen Familie behauptet, Istvan Thurzo habe ihr eine Jüngere vorgezogen, glaubt die Gräfin, sie sei aufgrund ihres Alters nicht mehr begehrenswert und beginnt über den vermeintlichen Verfall ihres Körpers zu verzweifeln.

Bei einem Ausritt mit Dominic scheut Erzsébets Pferd vor einer hässlichen alten Frau (Doris Egbring-Kahn). Die Gräfin lässt sich von ihrem sadomasochistischen Begleiter überreden, die Greisin zur Strafe halb tot zu prügeln. Im Schlafgemach fordert er Erzsébet dazu auf, ihn mit einem Gürtel auszupeitschen. Sie kennt die schrecklichen Gerüchte über seine Familie. Aber Dominic beteuert, er habe noch keine Säuglinge verspeist, und dass er das Tageslicht scheue, läge nur an einer in seiner Familie verbreiteten Hautkrankheit.

Zur Erinnerung an Istvan schneidet Erzsébet sich in die linke Brust, legt eine Locke von ihm in die klaffende Wunde und näht sie selbst zu.

Als die 16-jährige Dienerin Bertha (Anna Maria Mühe), die ihr das Haar bürstet, nicht vorsichtig genug ist, schlägt die Gräfin sie so heftig, dass Blut in ihr Gesicht spritzt, und als Erzsébet sich vor dem Wandspiegel abwischt, glaubt sie, ihre Haut habe sich an den getroffenen Stellen gestrafft. Bertha wird zur Ader gelassen, immer wieder, bis sie an dem Blutverlust stirbt. Dominic bestätigt Erzsébets Vorstellung von der Wirksamkeit des Jungfrauenblutes, indem er ihr sagt, sie sehe jünger aus als bei der ersten Begegnung.

Beim Anblick des zwölfjährigen Findelkindes Pola (Audrey Käthe von Scheele, Paula Knüpling), das als nächstes Opfer sterben soll, empfindet Erzsébet plötzlich Mitleid, und sie schickt das Mädchen fort. Aber im Wald trifft Pola auf Dominic und wird von ihm erstochen.

Die Gräfin lässt im Keller eine Apparatur zum Auspressen der Jungfrauen bauen.

Der Dorfpfarrer Andreas Berthoni (André Hennicke) wundert sich über die vielen toten Dienerinnen, die aus dem Schloss gebracht werden. Um seinen Argwohn nicht zu vergrößern, verscharren die Lakaien der Gräfin weitere Leichen im Wald. Doch als der Boden im Winter gefroren ist, bleiben die toten Mädchen liegen, bis Wölfe sie zerfleischen. Andreas Berthoni schreibt dem König einen Brief über seine Beobachtungen und die Gerüchte über die „Blutgräfin“. Aber Janos (Frederick Lau), ein Bediensteter aus dem Schloss, fängt den Boten ab, und der Geistliche wird von zwei Männern in der Kirche umgebracht.

Anna Darvulia warnt Erzsébet immer wieder vor dem Jugendwahn und vor Dominic Vizakna. Der erreicht jedoch, dass Anna das Schloss verlassen muss. Bald darauf stirbt sie.

Dominic weist Erzsébet darauf hin, dass Istvan Thurzo sich mit seiner Ehefrau in Wien aufhält und bietet ihr an, den jungen Grafen zu ermorden. Darauf geht Erzsébet zwar nicht ein, aber sie macht sich unter dem Vorwand, ihre Kinder besuchen zu wollen, auf den Weg nach Wien. Als ihre Kutsche jedoch mit Dreck beworfen wird, lässt Erzsébet erschrocken wenden und kehrt ins Schloss Čachtice zurück.

Weil in der Umgebung keine geeigneten Dienerinnen mehr zu finden sind, holt Janos Jungfrauen aus weiter entfernten Gebieten und beschränkt die Auswahl nicht mehr auf Bauerntöchter. So bringt er eines Tages zwei junge Aristokratinnen als Gefangene ins Schloss: Die inzwischen 22-jährige Kati Baroness von Kraj und die sieben Jahre jüngere Kasia von Rosenheim (Anna Hausburg). Kati von Kraj sagt, sie sei schon lange nicht mehr mit Istvan Thurzo zusammen, aber als sie die Gräfin auf die Gerüchte über die ermordeten Jungfrauen anspricht, schneidet ihr Erzsébet mit einer raschen Bewegung die Kehle durch.


Wenn Sie noch nicht erfahren möchten, wie es weitergeht,
überspringen Sie bitte vorerst den Rest der Inhaltsangabe.


Das Gerede über Erzsébet Báthory kommt auch dem König zu Ohren. Falls seine Hauptgläubigerin als Hexe verurteilt und hingerichtet wird, braucht er seine riesigen Schulden nicht mehr zurückzuzahlen. Es ist also in seinem Interesse, sie zu überführen. Mit der Untersuchung der Vorwürfe beauftragt er György Thurzo, und der Graf verlangt von seinem Sohn, nach Čachtice zu reiten und sie gefangenzunehmen.

Nach fünf Jahren sehen Istvan Thurzo und Erzsébet Báthory sich erstmals wieder. Die leidenschaftlichen Gefühle sind sofort wieder da. Der Besucher erfährt, dass die Gräfin keinen seiner zahlreichen Briefe erhielt und ihm deshalb niemals antworten konnte. Als sie ihn auffordert, mit ihr zu schlafen, zögert Istvan, aber dann geht er mit ihr ins Bett.

Mitten in der Nacht besinnt Istvan sich auf seine Pflicht und schleicht aus dem Zimmer.

Erzsébet wacht auf, merkt, dass Istvan nicht mehr neben ihr liegt und weiß, was das bedeutet. Sie kleidet sich sorgfältig an und wartet auf ihre Festnahme.

Unter der Folter sagen ihre Bediensteten gegen sie aus. Danach werden die Frauen erdrosselt und die Männer enthauptet. György Thurzo zwingt Erzsébet Báthory dazu, ihm ihr Vermögen zu überschreiben und dem König die Schulden zu erlassen. Den Kindern bleibt nur Schloss Čachtice. Dort wird Erzsébet in ihrem Schlafzimmer eingemauert. Durch eine kleine Öffnung soll sie versorgt werden. Um nicht dahinvegetieren zu müssen, zerbeißt sich Erzsébet die Pulsadern [Suizid] und verblutet. Ihre Leiche wird ohne Sarg in ein Grab geworfen.

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In ihrem Film „Die Gräfin“ porträtiert Julie Delpy eine schöne, kluge und mächtige Frau, die zur Gefühllosigkeit erzogen wurde, weil ihre Mutter glaubte, dass sie nur so eine Chance haben würde, sich in der von Männern dominierten Welt zu behaupten. Erzsébet Báthory verliebt sich jedoch in einen deutlich jüngeren Mann, und als er fortbleibt, befürchtet sie, nicht mehr begehrenswert zu sein. Der Liebeskummer in Verbindung mit dem Entsetzen über die altersbedingten Veränderungen ihres Körpers treibt Erzsébet Báthory in den Wahnsinn. Das stellt Julie Delpy in „Die Gräfin“ farbig und facettenreich dar.

Dabei vermischt sie das Wissen über die historische Persönlichkeit Erzsébet Báthory mit Legenden und fiktiven Handlungsteilen. In der Rahmenhandlung, bei der Istvan Thurzo an Erzsébets Grab steht, macht Julie Delpy die Legendenbildung selbst zum Thema und weist darauf hin, dass Geschichte meistens von den Siegern geschrieben – und entsprechend verfälscht – wird.

Im Film ist die Witwe Erzsébet Báthory bei der ersten Begegnung mit Istvan Thurzo 38 Jahre alt. Tatsächlich starb ihr Ehemann Ferenc Freiherr Nádasdy erst 1604. Da war sie bereits Mitte 40. König Mátyás bzw. Matthias II. (1557 – 1619) wurde erst 1608 König von Ungarn. Im Film sieht es dagegen so aus, als habe er schon zu Lebzeiten Ferenc Nádasdys regiert. (Das ist keine Kritik, denn Julie Delpy erhebt ja nicht den Anspruch historischer Korrektheit.)

„Die Gräfin“ ist eine unterhaltsame Mischung aus Kostümfilm, Melodram und Schauergeschichte mit Anspielungen auf das Genre der Vampirfilme.

Julie Delpy engagierte sich bei dem Filmprojekt als Produzentin, Drehbuchautorin, Regisseurin, Hauptdarstellerin und Filmkomponistin.

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Inhaltsangabe und Rezension: © Dieter Wunderlich 2012

„Blutgräfin“ Erzsébet Báthory (kurze Biografie)

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