Führer Ex

Führer Ex

Führer Ex

Originaltitel: Führer Ex – Regie: Winfried Bonengel – Drehbuch: Winfried Bonengel, Douglas Graham, Ingo Hasselbach, nach dem Roman "Die Abrechung" von Ingo Hasselbach und Winfried Bonengel – Kamera: Frank Barbian – Schnitt: Monika Schindler – Musik: Loek Dikker – Darsteller: Christian Blümel, Aaron Hildbrandt, Jule Flierl, Luci Van Org, Harry Baer, Jürgen Lingmann, Dieter Laser, Matthias Freihof, Jasmin Aksan, Henning Peker, Sahin Karatas u.a. – 2002, 105 Minuten

Inhaltsangabe

Weil der 18-jährige Tommy in Ostberlin eine Flagge der DDR verbrennt, wird er zu einer Haftstrafe verurteilt. Im Gefängnis gerät er unter den Einfluss eines Neonazis. Nach seiner Entlassung versucht er, mit seinem Freund Heiko in den Westen zu fliehen, aber sie werden erwischt und eingesperrt. 1989 gelingt es Tommy, sich in einer Kiste aus dem Gefängnis in die Bundesrepublik schmuggeln zu lassen. Als er seinen Freund nach dem Fall der Berliner Mauer besucht, ist aus Heiko ein fanatischer DNP-Funktionär geworden ...
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Kritik

Winfried Bonengel inszenierte die erschütternde Geschichte spannend, temporeich und ohne Scheu vor schockierenden Bildern. Die Ursachen der psychologischen Veränderungen werden allenfalls grob dargestellt: "Führer Ex".
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Am 28. April 1980 verletzen sich die beiden achtzehnjährigen Freunde Heiko (Christian Blümel) und Tommy (Aaron Hildebrand) absichtlich an den Händen, damit sie krank geschrieben werden und ein paar Tage nicht arbeiten müssen. Sie träumen davon, die DDR zu verlassen. Australien ist für sie der Inbegriff der Freiheit. Nachts verbrennt Tommy im leeren Fußballstadion eine Flagge der DDR – und wird festgenommen.

Während Tommy eine Haftstrafe verbüßt, verliebt Heiko sich in Beate (Jule Flierl), die ihn auf dem Flachdach eines Hochhauses zum Mann macht.

Unerwartet steht Tommy eines Tages mit kurz geschorenem Haar vor der Tür. Ein älterer rechtsradikaler Mithäftling namens Friedhelm Kaltenbach (Harry Baer) habe ihm die Augen geöffnet, erklärt Tommy.

Als Beate in einer Kneipe von zwei Männern angemacht wird, kommt es zu einer Prügelei, bei der Tommy zeigt, wie brutal er im Gefängnis geworden ist.

Er will nun endlich mit Heiko über die Grenze in den Westen. Doch sie werden geschnappt und wegen versuchter Republikflucht eingesperrt.

Während Tommy sich wieder den Neonazis anschließt, die sich um Friedhelm Kaltenbach scharen, kommt Heiko in eine Zelle zu Eduard Kellermann (Dieter Laser), Bonzo (Henning Peker) und Freddy (Christoph Ortmann). Wann immer Bonzo Lust dazu hat, muss Freddy ihm sexuell zur Verfügung stehen. Heiko ist froh, dass ihn der erfahrene Mithäftling Hagen (Jürgen Lingmann) unter seine Fittiche nimmt – bis Hagen ihn eines Tages beim Duschen vergewaltigt. Tommy eilt Heiko mit seinen Kameraden zu Hilfe und sie schlagen Hagen halb tot.

Nachdem Freddy sich erhängt hat, verlangt Bonzo von Heiko, sich zu ihm ins Bett zu legen. Heiko sticht jedoch mit einem Schraubenzieher auf ihn ein. Darauf steht strenge Isolationshaft. Nach einigen Wochen lässt ein Stasi-Offizier Tommy aus der Zelle holen, zeigt ihm durch ein Guckloch, dass sein Freund durch die Deprivation völlig verstört ist und schlägt ihm unter vier Augen einen Deal vor: Heikos Entlassung aus der Einzelzelle gegen Tommys Unterschrift unter eine Verpflichtungserklärung als IM der Stasi und Informationen über die Neonazis.

Nachdem Heiko sich erholt hat, hilft er Tommy, sich in einer Kiste zu verstecken, die nach Westdeutschland verschickt werden soll. Am 3. August 1989 trifft Tommy in Münchberg ein.

Heiko blieb zwar zurück, doch am 9. November fällt die Berliner Mauer.

Am 24. Mai 1990 besucht Tommy Heikos Mutter Elisabeth Degner (Luci van Org) in Ostberlin und erfährt, wo er ihn finden kann: in der Weitlingstraße 122, dem Hauptquartier der DNP. Heiko hält dort gerade eine schneidige Rede vor Gleichgesinnten.

Die beiden Freunde feiern ihr Wiedersehen in einem türkischen Lokal, in dem Heikos Lebensgefährtin Beate als Bauchtänzerin auftritt. Kurz darauf setzt Heiko aus Wut die Imbussbude eines Türken (Sahin Karatas) in Brand. Tommy, der sich über die radikale Veränderung Heikos wundert, quartiert sich bei der DNP ein und beteiligt sich ein paar Tage später an einer Straßenschlacht zwischen den Neonazis und Autonomen, bei der ein junges unbeteiligtes Mädchen, eine frühere Nachbarin von Heiko namens Margit (Jasmin Aksan), ums Leben kommt.

Das ist Tommy zu viel: Er verlässt Heiko und die DNP.

Wenn Sie noch nicht erfahren möchten, wie es weitergeht,
überspringen Sie bitte vorerst den Rest der Inhaltsangabe.

Friedhelm Kaltenbach zeigt Heiko daraufhin Tommys Stasiakte und gibt ihm eine Pistole, mit der er den Verräter töten soll. Heiko ahnt nicht, dass Tommy die Verpflichtungserklärung unterschrieben hatte, um ihn aus der Isolationshaft zu befreien. Als er ihm mit der Waffe in der Hand gegenübersteht, bringt er es jedoch nicht fertig, Tommy zu erschießen. Auf dem Dach des Hochhauses, wo sie sich als Jugendliche gern aufhielten, gibt Tommy seinem Freund zwei Tickets nach Australien. Endlich wollen sie ihren Traum verwirklichen. Tommy geht Bier holen. Dabei entdeckt ihn eine Horde Neonazis und schlägt ihn tot.

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Ingo Hasselbach war Gründer und Führer der „Nationalen Alternative“ – bis er sich von den Neonazis abwandte und die Organisation „Exit“ ins Leben rief, um andere Rechtsradikale beim Ausstieg zu unterstützen. Zusammen mit Winfried Bonengel veröffentlichte Ingo Hasselbach 1993 das Buch „Die Abrechnung. Ein Neonazi steigt aus“ (Aufbau-Verlag, Berlin / Weimar 1993, 160 Seiten, ISBN 3-351-02413-4). Das wollten sie auch verfilmen, aber es dauerte Jahre, bis sie Geldgeber für das Projekt fanden.

Ohne Scheu vor schockierenden Bildern erzählen Winfried Bonengel und Ingo Hasselbach in „Führer Ex“ von zwei jungen Männern, die sich in der DDR eingesperrt fühlen und dagegen aufbegehren. Demütigungen im Gefängnis und blinde Wut gegen den Staat machen aus ihnen Neonazis. Doch während Tommy kurz vor der Öffnung der Berliner Mauer nach Westdeutschland flieht und dort seine Radikalität ablegt, entwickelt sich sein Freund Heiko nach dem Zusammenbruch der DDR zum fanatischen DNP-Funktionär.

Winfried Bonengel inszenierte die erschütternde Geschichte spannend, temporeich und ohne Sentimentalität. Allerdings bleibt die Darstellung an der Oberfläche, und die Ursachen der psychologischen Veränderungen werden allenfalls grob dargestellt.

„Führer Ex“ ist kein besonders cleverer oder gar eleganter Film. Er leistet sich eine Direktheit, die sich sonst nur B-Filme erlauben […] „Fehlende Differenzierung“, „Effekthascherei“, „eindimensionale Charaktere“, „vereinfachte Schemata von Ursache und Wirkung“ – solche und ähnliche Phrasen werden die beiden [Winfried Bonengel und Ingo Hasselbach] so oft gehört haben, bis der Brechreiz weitere Gespräche unmöglich machte […] Es könnte aber doch sein, dass Bonengel und Hasselbach, nach Jahren des Umgangs mit rechten Jugendlichen, schlichtweg keine Lust mehr hatten, einen Film für Kritiker und Fernsehredakteure zu machen. Dass sie ihr Publikum woanders gesehen haben, auf der Straße vielleicht, und dass sie in Köpfe hineinwollten, die der herrschende Diskurs gerade nicht mehr erreicht. (Tobias Kniebe, Süddeutsche Zeitung, 4. Dezember 2002)

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Inhaltsangabe und Rezension: © Dieter Wunderlich 2007

Ragnar Jónasson - Dunkel
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