Wilde Erdbeeren

Wilde Erdbeeren

Wilde Erdbeeren

Wilde Erdbeeren - Originaltitel: Smultronstället - Regie: Ingmar Bergman - Drehbuch: Ingmar Bergman - Kamera: Gunnar Fischer - Schnitt: Oscar Rosander - Musik: Erik Nordgren und Göte Lovén - Darsteller: Victor Sjöström, Ingrid Thulin, Bibi Andersson, Gunnar Björnstrand, Max von Sydow, Gunnel Lindblom, Jullan Kindahl, Folke Sundquist, Björn Bjelvenstam, Naima Wifstrand, Gunnel Broström, Gertrud Fridh, Sif Ruud, Gunnar Sjöberg, Max von Sydow, Åke Fridell, Yngve Nordwall u.a. - 1957; 90 Minuten

Inhaltsangabe

Der 78 Jahre alte Professor Eberhard Isak Borg fährt mit seiner Schwiegertochter Marianne von Stockholm nach Lund, wo er am nächsten Tag feierlich zum Doktor jubilaris ernannt werden soll. Marianne, die wegen eines Streits mit ihrem Ehemann vor ein paar Wochen ins Haus ihres Schwiegervaters gezogen ist, wirft Borg vor, wie sein Sohn gefühlskalt und egoistisch zu sein ...
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Kritik

Bei "Wilde Erdbeeren" handelt es sich um einen ruhigen, stimmungsvollen Film von Ingar Bergman über die Lebensbilanz eines Greises.
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Der achtundsiebzig Jahre alte Professor Eberhard Isak Borg (Victor Sjöström) sitzt am Schreibtisch in seinem Haus in Stockholm. „Mein Leben ist Arbeit gewesen“, denkt er. „Zuerst wegen des Broterwerbs, dann aus Liebe zur Wissenschaft.“ Am nächsten Tag soll er anläßlich des fünfzigsten Jahrestages seiner Promotion in der Universität Lund feierlich zum Doktor jubilaris ernannt werden.

In der Nacht träumt er, wie er durch fremde Straßen irrt. Er weiß nicht einmal, wie spät es ist, weil bei den Uhren die Zeiger fehlen. Eine Pferdegespann mit einem Sarg nähert sich, bleibt aber an einer Straßenlaterne hängen. Die Pferde gehen durch. Der Sarg fällt auf die Straße. Dabei verrutscht der Deckel. Isak Borg nähert sich: Im Sarg liegt sein Ebenbild und greift nach ihm.

Der Professor entschließt sich, nicht zu fliegen, sondern mit dem Auto nach Lund zu fahren. Seine Haushälterin Agda (Jullan Kindahl) muss zwei Stunden früher aufstehen, um seinen Koffer zu packen. Beim Frühstück fragt ihn seine Schwiegertochter Marianne (Ingrid Thulin), ob er sie mitnimmt. Eigentlich wohnt sie mit ihrem achtunddreißig Jahre alten Mann Evald in Lund, doch wegen eines Streits kam sie vor ein paar Wochen ins Haus ihres Schwiegervaters. Während der Fahrt wirft sie Isak vor, dass er sie zwar aufgenommen hat, aber nichts von ihren Eheproblemen wissen wollte und keinerlei Mitgefühl zeigte. Seelische Schmerzen zählen für ihn nicht. Sein Sohn sei wie er: gefühlskalt, egoistisch; ein Steinklotz, durch nichts zu bewegen. Isak Borg verschlägt es kurz die Sprache, als Marianne ihm sagt, Evald hasse ihn.

Bei einem Ferienhaus halten sie an. Es gehörte Isak Borgs Onkel Aron (Yngve Nordwall) und seiner Tante Olga (Sif Ruud). Bei ihnen und ihren Kindern hat Isak Borg bis zu seinem zwanzigsten Lebensjahr jeden Sommer verbracht. Er erinnert sich, wie seine Cousine Sara (Bibi Andersson) als Geburtstagsgeschenk für Onkel Aron wilde Erdbeeren pflückte. Sara schwärmte von Isac. Er sei so edel und gefühlvoll, ganz anders als sein unverschämter Bruder Sigfrid (Per Sjöstrand), der immer wieder versuchte, sie zu küssen. Aufregender fand sie allerdings Sigfrid, und den heiratete sie schließlich. Sechs Kinder gebar sie. Jetzt ist sie fünfundsiebzig Jahre alt.

Während Isac seinen Erinnerungen nachhängt, spricht ihn eine junge, lebensfrohe und unbekümmerte Frau an. Sie heißt Sara (Bibi Andersson) wie seine Cousine und ist auf dem Weg nach Italien. Ob sie nach Lund mitfahren dürfe. Als der Professor „ja“ sagt und sie mit Marianne bekannt macht, springen auch noch zwei Begleiter Saras aus dem Gebüsch: Ihr Freund Anders (Folke Sundquist) und Viktor (Björn Bjelvenstam), der auf Wunsch ihres Vaters gewissermaßen als Aufpasser dabei ist. Bei der Weiterfahrt sitzen die drei jungen Leute im Fond. Es stellt sich heraus, dass Sara nicht nur Anders mag, sondern auch Viktor. Sie kann sich nicht entscheiden. Anders will Pfarrer werden, Viktor dagegen Arzt, und immer wieder geraten sie durch den Gegensatz der philosophisch-theologischen und der naturwissenschaftlichen Auffassung in heftigen Streit.

Plötzlich stößt ihr Auto beinahe mit einem entgegenkommenden zusammen. Der andere Wagen schleudert und bleibt auf dem Dach liegen.

Der Mann, der herausklettert, entschuldigt sich gleich für seine Frau, die am Steuer saß. Sten Alman (Gunnar Sjöberg) ist Ingenieur, seine Frau (Gunnel Broström) Schauspielerin. Sie stritten sich gerade. Als Frau Alman ihren Mann ohrfeigen wollte, passierte der Unfall. In Isak Borks Wagen ist genügend Platz auch für das Ehepaar. Aber als die beiden nicht aufhören, auf sarkastische Weise übereinander herzuziehen, fordert Marianne sie auf, wieder auszusteigen.

Marianne, die jetzt den Wagen fährt, hält an einer Tankstelle. Der Tankwart ruft gleich seine Frau herbei und versichert, die Leute in der Umgebung würden nie vergessen, welche Wohltaten sie dem Professor verdanken, der früher hier Kreisarzt war.

In der Nähe lebt Isak Borks sechsundneunzig Jahre alte Mutter (Naima Wifstrand). Er und seine Schwiegertochter besuchen sie kurz. Marianne beobachtet schockiert, dass Sohn und Mutter in ganz verschiedenen Welten leben, sich außer Höflichkeitsfloskeln nichts zu sagen haben und dabei ungerührt bleiben.

Isak nickt auf dem Beifahrersitz ein. Da träumt er von einem Examen bei Herrn Alman. Die Frage, was die wichtigste Aufgabe eines Arzte sei, kann er nicht beantworten. Frau Alman, die unbeweglich auf einem Stuhl sitzt, hält er für tot. Aber sie lacht schallend über die falsche Diagnose. Herr Alman zeigt Isak dessen vor dreißig Jahren gestorbene Frau Katrin bei einem Seitensprung im Jahr 1917. Isak hört, wie Katrin darüber klagt, dass ihm nichts unter die Haut geht. Der Prüfer hält ihn wegen Selbstsucht und Gefühlskälte für schuldig und meint, die Strafe dafür sei die Einsamkeit.

In Lund wohnt Isak Bork bei seinem Sohn (Gunnar Björnstrand). Jetzt möchte er auch wissen, was zwischen Evald und Marianne vorgefallen ist. Marianne ist schwanger. Als sie es Evald sagte, verlangte er von ihr, das Kind abzutreiben. „Das Kind oder ich!“ Es sei unverantwortlich, ein Kind in diese schlechte Welt zu setzen. Er selbst wisse, was es bedeute, als unerwünschtes Kind aufzuwachsen. Evald will nicht wegen eines Kindes verpflichtet sein, auch nur einen Tag länger zu leben, als er selbst es will. Marianne, die im Gegensatz zu ihrem Mann das Leben liebt, warf ihm vor, hinter diesen Argumenten seinen Egoismus zu verstecken. Am nächsten Tag reiste sie nach Stockholm zu ihrem Schwiegervater. Sie kam jetzt wieder zurück, um ihrem Mann klarzumachen, dass sie das Kind behalten will. Evald bittet sie, zu bleiben.

Nach der Feier zu Ehren Professor Borks verabschieden sich die drei jungen Leute, die eine Mitfahrgelegenheit nach Hamburg gefunden haben, mit einem Ständchen von ihm. Der Abschied von „Vater Bork“ ist herzlich.

Isak Bork bedankt sich bei seiner Schwiegertochter, und als sein Sohn ihm versichert, er werde ein von ihm gewährtes Darlehen zurückzahlen, will er davon nichts mehr wissen. Bei seiner Haushälterin Agda, die ihn seit vierzig Jahren erträgt und mit dem Flugzeug nach Lund gekommen ist, entschuldigt er sich für sein egoistisches Benehmen am Morgen. Daraufhin glaubt sie zunächst, er sei krank. Als er ihr das Du anbietet, lehnt sie das ab. Was würden die Leute dazu sagen! Aber bevor sie zu Bett geht, weist sie ihn darauf hin, dass ihre Tür nur angelehnt sei für den Fall, dass etwas sein sollte.

Nachts träumt Isak Bork glücklich von seiner Kindheit.

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„Wilde Erdbeeren“ ist ein ruhiger, stimmungsvoller Film von Ingmar Bergman über die Lebensbilanz eines Greises, den der ehemalige Stummfilmregisseur Victor Sjöström großartig verkörpert. Während der Autofahrt erinnert er sich an Episoden seines äußerlich erfolgreichen Lebens und beginnt zu verstehen, dass er durch seine Selbstsucht, Gefühlskälte und Verschlossenheit viel versäumt hat. Vielleicht ist es noch nicht zu spät und er findet seinen Frieden.

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Inhaltsangabe und Rezension: © Dieter Wunderlich 2002/2003

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