Beate Uhse
Die Fliegerin Beate Uhse überführte im Zweiten Weltkrieg Militärmaschinen an die Front. In der Nachkriegszeit verfasste sie eine dreiseitige Erläuterung der Knaus-Ogino-Methode zur Geburtenkontrolle, ließ sie für fünf Pfund Butter drucken und legte damit die Fundamente eines Versandhandels, der im Lauf der Jahrzehnte zum größten Erotik-Konzern Europas heranwuchs. Erst durch den geschäftlichen Erfolg wurde die »Orgasmuse« gesellschaftsfähig: Die Stadt Flensburg ernannte sie kurz nach ihrem achtzigsten Geburtstag zur Ehrenbürgerin.
Beate Uhse:
Zehntausend Werbezettel für fünf Pfund Butter
Leseprobe aus
Dieter Wunderlich: WageMutige Frauen. 16 Porträts aus drei Jahrhunderten
Verlag Friedrich Pustet, Regensburg 2004 / Piper Taschenbuch, München 2008 (5. Auflage: 2011)
Immer wieder weinen sich Frauen bei Beate Uhse aus, die von ihren [aus dem Krieg] heimgekehrten Männern geschwängert wurden
und verzweifelt sind, weil es weder Verdienstmöglichkeiten noch Wohnungen gibt. Mithilfe einer in der Bücherei von Niebüll ausgeliehenen Broschüre über die von dem Österreicher Hermann Hubert Knaus und dem Japaner Kyusako Ogino 1934 veröffentlichte Methode zur Geburtenkontrolle berechnet sie die fruchtbaren beziehungsweise unfruchtbaren Tage für die Nachbarinnen. Sie tippt eine dreiseitige Beschreibung der Vorgehensweise (»Schrift X«) und einen Begleitbrief, in dem sie für ein Recht auf Sexualität auch ohne die Absicht zur Zeugung eintritt. Für fünf Pfund Butter lässt sie in einer Flensburger Druckerei zehntausend Werbezettel und zweitausend Exemplare der »Schrift X« anfertigen. Nachdem sie die Reklame als Postwurfsendung verschickt hat, wartet sie auf Bestellungen ihrer Aufklärungsschrift, für die sie zwei Mark verlangt. Schon nach kurzer Zeit muss Beate Uhse eine zweite Auflage drucken lassen.
Als sie im Sommer 1947 mit ihrem vierjährigen Sohn Klaus nackt an einem Strand auf Sylt liegt, wird sie von einem Fremden angesprochen. Ernst-Walter (»Ewe«) Rotermund, der gerade von seiner Frau geschieden wurde, hat zwei Kinder: Bärbel ist zehn, Dirk vier Jahre alt. Aus der Urlaubsbekanntschaft entwickelt sich eine Liebesbeziehung. Rotermund bezieht 1948 mit Beate und den drei Kindern eine Eineinhalb-Zimmer-Wohnung, die ihnen seine Tante Elfriede beschafft – ausgerechnet im evangelischen Pfarramt St. Marien in Flensburg. Von dort aus verschickt Beate Uhse weiterhin ihre »Schrift X«. Als Absender gibt sie allerdings ein Postfach an. (Ewe Rotermund betreibt ebenfalls einen Versandhandel, und zwar mit Haarwasser »Ewisin«.) Weil Kunden nach Kondomen fragen, beginnt Beate Uhse 1948, auch Verhütungsmittel zu vertreiben. Außerdem erweitert sie ihr Angebot um das zweiundzwanzig Jahre alte Aufklärungsbuch »Die vollkommene Ehe. Eine Studie über ihre Physiologie und Technik« des holländischen Frauenarztes und Sexualforschers Theodor Hendrik van de Velde.
Quelle: Dieter Wunderlich, WageMutige Frauen. 16 Porträts aus drei Jahrhunderten
© Pustet Verlag, Regensburg 2004
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Hansjörg Thurn: Beate Uhse. Das Recht auf Liebe