Walter Moers : Der Schrecksenmeister
Inhaltsangabe
Kritik
Stellt euch den krankesten Ort von ganz Zamonien vor! Eine kleine Stadt mit krummen Straßen und schiefen Häusern, über der ein schauriges schwarzes Schloss auf einem dunklen Felsen thronte. In der es die seltensten Bakterien und kuriosesten Krankheiten gab: Hirnhusten und Lebermigräne, Magenmumps und Darmschnupfen, Ohrenbrausen und Nierenverzagen […]
Stellt euch eine Stadt vor, in der es mehr Apotheken und Heilkräuterläden, Quacksalber und Zahnklempner, Krückenschreiner und Mullbindenweber gab als sonst wo auf dem Kontinent! In der man sich mit „Ohwehohweh!“ begrüßte und mit „Gute Besserung!“ verabschiedete. (Seite 9)
Dieser schlimme Ort heißt Sledwaya. Hier lebt Echo, die einzige Kratze weit und breit. (Eine Kratze sieht wie eine Katze aus, kann aber sprechen.) Genau genommen handelt es sich um einen Kratzer, Echo ist nämlich ein Männchen. Als sein Frauchen Floria von Eisenstadt stirbt, verliert Echo sein Zuhause, und weil ihm jede kriminelle Energie fehlt, fällt es ihm schwer, sich auf der Straße durchzuschlagen.
Struppig und halb verhungert stellt er sich eines Tages dem Schrecksenmeister Succubius Eißpin in den Weg, während alle anderen Lebewesen vor dem gefürchteten Herrscher der Stadt flüchten. Der Schrecksenmeister wundert sich und als er sieht, wie mager die Kratze ist, fragt er:
„Wie wäre es, wenn du mir dein Fett verkaufst?“
„Das ist mächtig komisch, Herr Stadtschrecksenmeister“, erwiderte Echo höflich […]
„Ich scherze nicht“, sagte Eißpin scharf. „Ich scherze nie. Ich rede auch nicht von dem Fett, das du jetzt nicht auf den Rippen hast, sondern von dem, das du dir anfressen sollst.“ (Seite 12)
Der Schrecksenmeister bietet der Kratze einen Pakt an: Er würde sich verpflichten, Echo mit den feinsten Leckereien zu mästen, ihm ein warmes Körbchen neben dem Ofen bereitzustellen und ihn zu unterhalten. Als Gegenleistung müsste Echo sich damit einverstanden erklären, dass der Schrecksenmeister ihn beim nächsten Vollmond tötet, um an sein bis dahin angefressenes Fett zu kommen. Das benötigt Succubius Eißpin für seine alchimistischen Experimente. Echo weiß, dass er ohne den Vertrag in zwei oder drei Tagen qualvoll verhungern würde und zieht es vor, noch vier angenehme Wochen vor sich zu haben, zumal der Schrecksenmeister verspricht, ihn so rasch und schmerzlos wie möglich zu töten.
Der Schrecksenmeister, über dessen Herkunft widersprüchliche Legenden erzählt werden, verwaltet das Schrecksenwesen in Sledwaya. Er erteilt Schrecksen die Wahrsage-Erlaubnis (oder auch nicht), prüft ihre Geschäftsbücher und impft sie regelmäßig gegen das gefürchtete Schrecksenfieber. Allerdings vertrieb er alle Schrecksen bis auf Izanuela Anazazi. Die ließ er bleiben, denn wenn es in Sledwaya keine Schreckse mehr gäbe, könnte er sein Amt nicht mehr ausüben. Izanuela Anazazi wohnt allein in der ansonsten verwaisten Schrecksengasse und versorgt die Kranken mit Heilkräutern.
In seinem Schloss zeigt der Schrecksenmeister der Kratze die von ihm selbst geschaffenen Kunstwerke an den Wänden – er hat sich der Katastrophenmalerei verschrieben – und eine Sammlung ausgestopfter Dämonen, darunter eine Haselhexe und eine Zyklopenmumie. Unter einer Glasglocke hält der Schrecksenmeister die Schneeweiße Witwe gefangen. Ihr Körper ist vollständig in ihr schneeweißes, wallendes Haar eingehüllt. Jedes Wesen, das sie mit ihren Haarspitzen sticht, zerfällt qualvoll zu Staub. Ihr Gift ist zehntausendmal wirkungsvoller als das des giftigsten Skorpions, und es gibt kein Gegenmittel, weil sich das Gift täglich ändert. Auch in den sagenumwobenen Fettkeller führt der Schrecksenmeister seinen Gast. So wie in einem Weinkeller Flaschen gelagert werden, liegen hier sorgfältig beschriftete apfelgroße Fettkugeln in den Regalen. Mit dem Fett verschiedener Lebewesen konserviert der Schrecksenmeister nicht nur die Gerüche, sondern auch die Todesseufzer der von ihm getöteten Tiere. In der Bibliothek entdeckt Echo zwei Bücher, die Succubius Eißpin geschrieben hat: „Tabu Schrecksenverbrennung“ und „Geständnissack und Glühender Gustav. Die besten Verhörtechniken für renitente Schrecksen“. Bei Succubius Eißin handelt es sich um einen fanatischen Befürworter der inzwischen verbotenen Schrecksenverbrennung.
Gleich am ersten Abend macht der Schrecksenmeister sich in der Küche zu schaffen und kredenzt Echo eine himmlische Speisenfolge. Darunter ist auch eine metamorphose Mahlzeit mit halluzinogener Wirkung, ein Stückchen Lachs, bei dessen Verzehr Echo glaubt, wie ein Fisch im Wasser zu schwimmen. Obwohl der Schrecksenmeister sich als Meisterkoch und -patissier erweist, isst er selbst nur hin und wieder einen Kanten altes trockenes Brot.
Nachdem Echo in einem Körbchen neben dem Ofen wunderbar geschlafen hat, schickt der schwer beschäftigte Schrecksenmeister ihn zum Frühstücken aufs Dach.
Dazu muss die Kratze durch den Dachboden. Dort hängen Unmengen von Ledermäusen. Der Schrecksenmeister lässt die Blutsauger tagsüber ungestört schlafen. Dafür erweisen sie ihm ihre Dienste.
„Dafür quälen wir die Bewohner von Sledwaya ein bisschen.“
„Trinken ihr Blut.“
„Pinkeln in ihre Brunnen.“
„Kacken ihnen in die Kamine.“
Ein paar Vampire lachten schaurig.
„Wir infizieren sie mit Krankheiten, damit sie schwach bleiben und sich nicht gegen Eißpin erheben können. Das ist unser Teil.“
„Wir sind Meister der bakteriellen Kriegsführung.“
„Virtuosen der Infektion.“ (Seite 51)
Auf dem Dach entdeckt Echo einen Milchsee.
Eine schneeweiße Fläche, sanft gekräuselt vom Wind. Darauf trieben kleine Boote, aus Schilf geflochten, und die Passagiere darin waren knusprig gebratene Täubchen und gegrillte Fische. Sie saßen aufrecht, waren mit Puppenkleidern angezogen und kleinen Schirmchen aus Papier versehen worden. Echo war entzückt. (Seite 60f)
Unvermittelt wünscht ihm jemand „guten Attepit“. Die Stimme kommt von einem im Schornstein des Schlosses hausenden Schuhu. Fjodor F. Fjodor – so heißt er – klärt Echo darüber auf, dass es sich bei den hellen Punkten am Himmel um Sterne handelt, nicht um Löcher, durch die die Sonne scheint.
„Ich bin ein Inletektueller. Sozusagen eine Enklyzodäpie für Fremdwörter, eine Auritotät erster Kagetorie. Es geht mir dabei nicht darum, mit meiner uniservellen Bildung zu prahlen, sondern um sprachliche Präsizion. Dafür muss man nicht auf dem Gymsanium gewesen sein. Dazu genügt Eigenivintiative.“ (Seite 65)
Von Fjodor F. Fjodor erfährt Echo auch, dass der Schrecksenmeister seit geraumer Zeit Lebewesen einkocht und kurz davor ist, den Urstoff – die „Prami Zetaria“ – zu gewinnen, mit der Leben geschaffen werden kann.
Der Schrecksenmeister weiht Echo bedenkenlos in die alchimistischen Geheimnisse ein, denn er geht davon aus, dass die Kratze nichts mehr verraten kann. Als erstes kocht Succubius Eißpin ein Gespenst, indem er zwei Fettkugeln – eine mit Totengas von den Friedhofssümpfen bei Dullsgard und eine mit Nebelheimer Nebelqualle – in eine brodelnde Gespensterbrause gibt. Sobald er auf seiner Flöte eine bestimmte Melodie spielt, steigt ein hemdförmiges Gespenst aus dem Kochtopf auf und beginnt herumzuhuschen.
Am Abend führt der Schrecksenmeister mit Echo eine Weindegustation durch. Einer der Weine erzählt eine schaurige Geschichte von einem Winzer, der seinen Weinberg mit dem Blut erdrosselter Pflückerinnen düngte.
Weil die Kratze am anderen Morgen einen Kater hat, gibt es zum Frühstück nur drei Erkenntnüsse. Sie stammen vom Baum der Erkenntnuss, der zwischen den zwölf Grübelnden Eiern in einer wüstenähnlichen Senke beim Dämonengebirge wächst. Die intellektuelle Strahlung, die von den Grübelnden Eiern ausgeht, ist so intensiv, dass der Schrecksenmeister des Öfteren verliert, wenn er mit einem aus der Gegend stammenden Kaktus telepathisch Schach spielt.
Weil Echo durch die Fülle feiner Speisen zu dick und ungelenk geworden ist, rät ihm der Schuhu, die fetten Sachen wegzulassen und lieber mal wieder ein paar Kräuter zu kauen. Als Echo dem Schrecksenmeister sagt, er könne etwas Bewegung vertragen, verwandelt dieser die Kratze in eine Ledermaus. Begeistert probiert Echo seine Flügel aus, und in Sledwaya erschreckt er die Straßenköter, die ihn früher jagten. Dann lockt ihn der Duft eines Mädchens in ein Schlafzimmer. Bevor Echo ein wenig Blut saugen kann, schreckt das Mädchen hoch und schreit. Beim Versuch, durchs Fenster zu fliehen, verfängt Echo sich mit seinen Krallen im Vorhang. Zwei mit Knüppeln bewaffnete Männer kommen ins Zimmer. Echo glaubt, seine letzte Stunde habe schon jetzt geschlagen, aber es gelingt ihm, die Männer zu erschrecken, erstens indem er spricht und zweitens durch die Lüge, er sei der Schrecksenmeister. Die beiden Männer holen Verstärkung, und als sich herumspricht, dass Succubius Eißpin in Gestalt einer Ledermaus in einem Vorhang hängt, laufen die Bewohner von Sledwaya zusammen, um die Gelegenheit zu nutzen, den verhassten Schrecksenmeister zu töten. Im letzten Augenblick verwandelt Echo sich in eine Kratze zurück, und die ist kräftig genug, um den Stoff zu zerreißen und sich zu befreien.
Warum sollte Echo einen Pakt einhalten, der mit seinem Tod endet? Eines Tages nimmt er seinen Mut zusammen und verlässt das Schloss. Er streift einige Zeit durch Sledwaya – und kehrt dann von sich aus wieder zum Schrecksenmeister zurück. Warum er das tut, kann er sich nicht erklären.
Er erfährt es schließlich von der Schreckse Izanuela Anazazi, die er in der Schrecksengasse besucht und um Hilfe bittet: Der Schrecksenmeister hat offenbar einen Bannfluch über ihn verhängt, der verhindert, dass er davonläuft. Die Schreckse weiß zunächst nicht, wie sie Echo helfen soll (oder tut zumindest so), aber sie bestärkt ihn in seiner Absicht, beim Schrecksenmeister Gefühle hervorzurufen.
Also erzählt Echo ihm die Geschichte seines verstorbenen Frauchens. Sie beginnt in Eisenstadt, der hässlichsten und schmutzigsten Metropole Zamoniens, in der alles aus Blei und Eisen, Kupfer und Messing ist und die von Bächen aus Öl und Säure durchflossen wird. Dort lebt Floria, die wunderschöne Tochter eines Bleibarons, und als sie ins heiratsfähige Alter kommt, findet ein Wettkampf der Bewerber statt. Einer der jungen Männer kann alle Aufgaben erfüllen und Fragen lösen. Aber Floria sagt ihm, ihr Herz gehöre bereits einem anderen, der zu arm sei, um das Startgeld für den Wettbewerb aufzubringen. Auf Florias Bitte hin schenkt ihr der Sieger die erforderliche Summe, denn er er hat sich in sie verliebt und möchte uneigennützig, dass sie glücklich wird. Floria bedankt sich und fordert ihn auf, sie so bald wie möglich zu besuchen. Der Fremde meldet sich jedoch noch am gleichen Tag bei der Fremdenlegion. Als Floria, die den jungen Mann nur auf die Probe stellen wollte, erfährt, dass er in der Schlacht in den Midgardbergen gefallen sein soll, verliert sie beinahe den Verstand. Sie zieht nach Sledwaya und verbringt den Rest ihres Lebens in stiller Trauer um den Geliebten. Diese Geschichte geht dem Schreckensmeister offenbar sehr nah, und nach einiger Zeit gesteht er Echo, dass er der junge Mann gewesen sei. Er überlebte die Schlacht in den Midgardbergen schwer verletzt, wurde von einem Alchimisten gesund gepflegt, aber aufgrund der vielen Verletzungen ist er seither hässlich. Nach dem Tod des Alchimisten, der ihm sein kleines Vermögen hinterließ, zog Succubius Eißpin nach Sledwaya und wurde Schrecksenmeister. Von Florias Anwesenheit in der Stadt ahnte er nichts.
Aufgrund der Erkenntnis, dass der Schrecksenmeister Gefühle hat, fassen Echo und Izanuela einen Plan: Die Schreckse wird ein Liebeselixier herstellen, das Echo dem Schecksenmeister in den Wein mischen soll, und sobald es wirkt, will Izanuela auftauchen und die Liebesglut des Verzauberten durch ein besonderes Parfum aus Kratzenminze auf sich lenken. Wenn ihm das den Verstand geraubt hat, wird er hoffentlich Izanuelas Bitte erfüllen und Echo freigeben.
Am Tag vor Vollmond bindet die Schreckse der Kratze einen kleinen, mit dem Liebeselexier gefüllten Weinschlauch um, und es gelingt Echo, die Flüssigkeit unbemerkt in ein Glas Rotwein zu kippen. Eine Stunde nachdem Succubius Eißpin davon getrunken hat, begibt Izanuela sich aufs Schloss und erklärt dem überraschten Schrecksenmeister, sie wolle einen alten Brauch wieder aufleben lassen und ihm anlässlich des Schrecksenmondes ihre Aufwartung machen. Izanuela trägt ein zauberhaftes Blumenkleid und duftet nach dem Kratzenminze-Parfum, das seine Wirkung nicht verfehlt: Succubius Eißpin geht vor ihr auf die Knie und macht ihr einen Heiratsantrag. Allerdings redet er sie mit „Floria“ an. Offenbar hält er sie aufgrund seiner verwirrten Sinne für Floria von Eisenstadt.
Zur Feier der Verlobung wartet der Schrecksenmeister mit einem lukullischen Mahl auf, das ausschließlich aus köstlichen Desserts besteht. Dann führt er seine Braut in die für sie vorbereiteten Gemächer.
Als Echo am nächsten Morgen aufwacht, stellt er fest, dass er am Hals angekettet ist. Das andere Ende der Kette befindet sich am linken Handgelenk des Schrecksenmeisters.
Stolz zeigt Succubius Eißpin seinen Gästen, was sich hinter einer Geheimtüre befindet: Ein goldener Saal. Izanuela nimmt zunächst an, dass die Gegenstände vergoldet sind, aber der Schrecksenmeister klärt sie darüber auf, dass alles aus purem Gold besteht. Er hat die Lösung des alten Alchimistentraums gefunden und entdeckt, wie man Gold herstellt.
Um ihn in die richtige Laune zu versetzen, hüllt Izanuela sich erneut in den Duft ihres Parfums, und Echo bittet darum, vor seinem Tod noch einmal die herrliche Aussicht vom Dach des Schlosses genießen zu dürfen. Succubius Eißpin geht mit Echo und Izanuela hinauf und bewundert mit ihnen zusammen die Fernsicht. Doch als ihn die Schreckse um Echos Freilassung ersucht, lässt er sie wissen, dass er ihre Machenschaften von Anfang an durchschaute und nur mitspielte, um seinen Spaß zu haben. Erbarmungslos stößt er Izanuela vom Dach. Sie stürzt in die Tiefe und bleibt zerschmettert in einer Gasse von Sledwaya liegen.
Der Schrecksenmeister bringt die Kratze ins Laboratorium. Dort liegt eine verweste Leiche. Nachdem Succubius Eißpin von Echo erfahren hat, dass Floria von Eisenstadt in Sledwaya starb, grub er ihre sterblichen Überreste aus. In dieser Vollmondnacht will er sie mit einer Suppe wieder zum Leben erwecken, für die er bereits alle Zutaten bis auf Echos Fett zusammengetragen hat.
Er schickt sich an, Echo mit einem Skalpell die Kehle durchzuschneiden. Aber plötzlich sieht er nicht mehr richtig, denn das gekochte Gespenst schwebt zwischen ihm und der Kratze. Es vergrößert sich und treibt den Schrecksenmeister einige Schritte zurück. Plötzlich fängt seine Kleidung Feuer, denn er ist an ein Dutzend Schmerzenskerzen geraten. Auch das Labor gerät in Brand. Der Schrecksenmeister stürzt hinaus. Kurz darauf kommt er zurück, qualmend wie eine gerade verloschene Fackel. Mit einer nassen Decke erstickt er die Flammen.
Obwohl es Stunden dauert, das Laboratorium notdürftig wieder instandzusetzen, lässt der Schrecksenmeister nicht von seinem Vorhaben ab, denn er will sein Lebenswerk vollenden und das kann nur in der Vollmondnacht gelingen.
Wenn Sie noch nicht erfahren möchten, wie es weitergeht,
überspringen Sie bitte vorerst den Rest der Inhaltsangabe.
Echo fällt ein Vers ein, und als er ihn murmelt, kommen weitere Gespenster aus dem Fettkessel. Sie erwecken die ausgestopften Dämonen zum Leben, die sich am Schrecksenmeister rächen wollen. Der kettet Echo an den Alchimistischen Ofen und rät ihm, sich im Inneren zu verstecken. Dann verlässt er den Raum.
Es dauert nicht lang, bis die Dämonen Echo entdecken. Die Zyklopenmumie holt Luft für den Todeshauch, aber da bricht ein Tumult aus. Die Schneeweiße Witwe schwebt herein. Nachdem sie alle Dämonen in Staub verwandelt hat, macht sie sich genüsslich an Echo heran – bis der Schrecksenmeister sie auffordert, die Kratze ihm zu überlassen. Die Schneeweiße Witwe erklärt sich bereit dazu, wenn er ihre Gefangenschaft beendet. Nachdem die Schneeweiße Witwe versprochen hat, weder Succubius Eißpin noch Echo oder den Bewohnern von Sledwaya etwas anzutun, zerreißt der Schrecksenmeister den von der Schneeweißen Witwe in einer Notsituation unterschriebenen Vertrag und löst den Bannfluch. Im nächsten Augenblick fällt sie ihn an und droht ihn zu erwürgen, aber dann springt sie aus dem Fenster und lässt sich von der Abendbrise forttragen.
Sobald der Schrecksenmeister wieder zu Atem gekommen ist, nimmt er die Arbeit wieder auf. Bevor er Echo die Kehle durchschneiden kann, wird er durch laute Musik abgelenkt. Sie kommt von den Häusern in der Schrecksengasse, die zusammen mit den Schreckseneichen das Schloss umstellt haben. Die Schreckseneichen pochen mit ihren Ästen gegen das Gemäuer und bringen es zum Beben. Der Fettkessel kippt um. Geistesgegenwärtig behauptet Echo, die ermordete Schreckse habe den Häusern und Eichen vor ihrem Tod befohlen, die Herausgabe der Kratze zu erzwingen, falls ihr etwas zustoße. Echo rät dem Schrecksenmeister, sich mit ihm am Fenster zu zeigen. Succubius Eißpin löst Echos Halsband und folgt dem Rat, aber die Schreckseneichen beenden ihr Getöse nicht, und Echo gibt zu, gelogen zu haben: Die Häuser und Eichen wissen nichts von ihm, sie sind gekommen, um Izanuela zu rächen.
Bevor das zerberstende Schloss samt dem Schrecksenmeister im Boden versinkt, springt Echo aus dem Fenster, obwohl er weiß, dass er den Sturz in die Tiefe ebenso wenig wie die Schreckse überleben kann.
Zwei Ledermäuse fangen ihn jedoch auf. Nachdem sie die Zerstörung ihrer Behausung mit angesehen haben, beschließen sie, aus Sledwaya wegzufliegen – und lassen Echo kurzerhand fallen.
Kurz vor dem tödlichen Aufprall spürt er erneut Krallen im Nacken. Diesmal sind es die des Schuhus. Der bringt ihn sicher in das Nest, das er inzwischen in einer Trauerweide gebaut hat und macht ihn mit seiner Gemahlin Feodora und seinem Sohn Fjodor F. Fjodor dem Zweiten bekannt.
Am nächsten Morgen stehen die Bewohner von Sledwaya gesund und munter auf.
Echo macht sich auf den Weg zu den Blauen Bergen. Dahinter, so hat Fjodor F. Fjodor ihm erzählt, soll es es noch andere Kratzen geben, darunter auch weibliche …
Die Lindwurmfrau Hildegunst von Mythenmetz schreibt im Nachwort zum Roman „Der Schrecksenmeister“, als sie noch klein gewesen sei, habe Danzelot von Silbendrechsler ihr mehrmals die Geschichte von Echo, dem Krätzchen vorgelesen. Dabei handele es sich um das erste von sieben sogenannten kulinarischen Märchen von Gofid Letterkerl, dem Klassiker der zamonischen Literatur. Sie habe es ins Neuzamonische übertragen, geringfügig bearbeitet und mit dem verkaufsfördernden Titel „Der Schrecksenmeister“ versehen. Walter Moers gibt an, er habe die Neudichtung von Hildegunst von Mythenmetz übersetzt und die Buchausgabe illustriert.
Gofid Letterkerl, Sledwaya und Eißpin sind Anagramme der Namen Gottfried Keller, Seldwyla und Pineiß. Den ersten Teil des Plots hat Walter Moers der Novelle „Spiegel, das Kätzchen“ aus dem 1856 veröffentlichten Novellenzyklus „Die Leute von Seldwyla“ von Gottfried Keller übernommen. In der Vorlage geht es um den Kater Spiegel, der nach dem Tod seines unverheirateten Frauchens auf der Straße landet und halb verhungert mit Pineiß, dem Hexenmeister von Seldwyla, einen Pakt schließt: Pineiß, der für seine Hexerei Katzenfett benötigt, verpflichtet sich, Spiegel gut zu ernähren und erwirbt damit das Recht, den Kater beim nächsten Vollmond zu töten. Genauso beginnt „Der Schrecksenmeister“. Walter Moers hat allerdings aus Seldwyla Sledwaya, aus dem Hexenmeister Pineiß den Schrecksenmeister Eißpin und aus der Katze Spiegel die Kratze Echo gemacht.
Der Plot des Romans „Der Schrecksenmeister“ ist weder besonders originell noch einfallsreich, aber Walter Moers hat die an sich banale Geschichte humor- und fantasievoll ausgeschmückt und dabei Komik und Horror kombiniert.
Altbewährte Schauerlichkeiten werden nach neuem Rezept serviert; Dosierung und Timing sind makellos. Auf dem großzügig gedeckten Tisch, an den Moers bittet, dampft kein billiges Lesefutter, sondern ein deftig-raffiniertes Mahl für Genießer. (Christoph Haas, Süddeutsche Zeitung, 11. Dezember 2007)
Das Buch kann auch als Warnung vor dem Totalitarismus gelesen werden. Der Schrecksenmeister ist ein Tyrann, der die Menschen krank macht und sie einschüchtert, damit sie sich nicht gegen ihn erheben können. Zugleich beutet er alle Lebewesen erbarmungslos aus. Der Dämonenbienenstock, in den Echo einmal gerät, stellt das Zerrbild eines von religiösem Fundamentalismus geprägten totalitären Staates dar.
Den Roman „Der Schrecksenmeister“ von Walter Moers gibt es auch als ungekürztes Hörbuch, gelesen von Andreas Fröhlich (Regie: Thomas Krüger, Hessischer Rundfunk, Hörbuch Hamburg 2008, ISBN: 978-3-89903-407-3, 12 CDs).
Die Handlung spielt in Zamonien, einem von Walter Moers zunächst für „Die 13½ Leben des Käpt’n Blaubär“ erfundenen Land. Seine in Zamonien spielenden Romane bilden einen Zyklus und werden als Zamonien-Romane bezeichnet:
- Die 13½ Leben des Käpt’n Blaubär. Die halben Lebenserinnerungen eines Seebären, mit zahlreichen Illustrationen und unter Benutzung des Lexikons der erklärungsbedürftigen Wunder, Daseinsformen und Phänomene Zamoniens und Umgebung von Prof. Dr. Abdul Nachtigaller (Eichborn Verlag, Frankfurt/M 2000)
- Ensel und Krete. Ein Märchen aus Zamonien (Eichborn Verlag, Frankfurt/M 2000)
- Rumo & Die Wunder im Dunkeln (Piper Verlag, München 2003)
- Die Stadt der träumenden Bücher (Piper Verlag, München 2004)
- Der Schrecksenmeister. Ein kulinarisches Märchen aus Zamonien von Gofid Letterkerl. Neu erzählt von Hildegunst von Mythenmetz. Aus dem Zamonischen übersetzt und illustriert von Walter Moers (Piper Verlag, München 2007)
2004 hieß es, die German Film Productions habe die Rechte für einen Film über Zamonien erworben. Dabei sollte es nicht um die Verfilmung eines der Zamonien-Romane gehen, sondern um eine neue, eigens für den Film zu schreibende Geschichte von Walter Moers (Quelle: Frankfurter Allgemeine Zeitung, 9. Dezember 2004)
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Inhaltsangabe und Rezension: © Dieter Wunderlich 2009
Textauszüge: © Piper Verlag