Christine Büchner : Hildegard von Bingen

Hildegard von Bingen
Hildegard von Bingen Originalausgabe: Insel Verlag, Frankfurt/M / Leipzig 2009 ISBN: 978-3-458-35069-9, 144 Seiten
Buchbesprechung

Inhaltsangabe

Bei "Hildegard von Bingen. Eine Lebensgeschichte" handelt es sich um ein sachliches und leicht zu lesendes Buch, in dem die Theologin Christine Büchner die verschiedenen, teilweise widersprüchlichen Wesenszüge und Leistungen der mittelalterlichen Mystikerin Hildegard von Bingen prägnant herausgearbeitet hat. Illustriert ist es mit Farbfotos aus dem Film "Vision. Aus dem Leben der Hildegard von Bingen" von Margarethe von Trotta.
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Kritik

Das Buch trägt zwar den Untertitel "Eine Lebensgeschichte", aber Christine Büchner hat keine chronologische Biografie geschrieben, sondern nähert sich Hildegard von Bingen in thematisch gegliederten Kapiteln.
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Hildegard von Bingen (Kurzbiografie)

Hildegard von Bingen (um 1098 – 1179) wird als Vorbild einer christlichen Selbstverwirklichung geschätzt. Sie steht für eine ganzheitliche Lehre, für den Einklang von Körper und Seele, Universum und Individuum.

Offenbar verbindet man mit Hildegard von Bingen im allgemeinen so etwas wie Gesundheit und Natürlichkeit, Natur und Gesundheit inmitten einer naturfernen, technisierten, profitorientierten Zivilisation. (Seite 11)

Auch wer nicht so genau weiß, was sie gemacht hat, verbindet doch mit ihr, dass sie „ihren eigenen Weg“ gegangen ist. Hildegard hat es vermocht, sich in einer Zeit, in der Frauen der Zugang zum öffentlichen Leben eher versperrt war, durchzusetzen und zu gesellschaftlichem Erfolg und Einfluss zu gelangen. (Seite 12)

Hildegard von Bingen erforschte die Natur, um deren heilsame Kräfte zu erkunden. Dabei dachte sie nicht nur an Heilkräuter, sondern sie schrieb auch Mineralien Einflüsse auf das körperliche und seelische Befinden zu.

Flora und Fauna werden hinsichtlich ihres Nutzeffektes betrachtet. (Seite 84)

Unbefangen befasste sich Hildegard von Bingen mit dem Thema der Sexualität.

Sie spricht, ohne ein Blatt vor den Mund zu nehmen, vom Geschlechtsakt und hält ihn für ebenso gut wie gesund, wenn er im rechten Maß bleibt. Hildegards Ausführungen zu diesem Thema sind innerhalb des Christentums so etwas wie ein Fanal gegen die theologisch verbrämte Ablehnung des Körpers und der damit oft einhergehenden Verteufelung der Frau. (Seite 117)

Hildegard von Bingen wurde nicht nur mit naturkundlichen Schriften und drei großen mystisch-visionären Büchern berühmt, sondern auch als Musikerin. Sie dichtete und komponierte ein Mysterienspiel und etwa siebzig Lieder.

Die wiederkehrenden Elemente [in ihrer Musik] beruhigen und konzentrieren den Hörer zugleich, sie schaffen ene tönende Ruhe oder Stille und erzeugen eine gelassene, freie Atmosphäre. Nirgends wird der Hörer angestrengt, nirgends wird ihm eine intellektuell-analytische Leistung abgefordert. Aber es ist auch keine Musik zum Wegdämmern. Es ist, als gäbe diese Musik Raum, damit der Zuhörer in Ruhe und Klarheit zu sich selber kommen bzw. bei sich selber bleiben kann. (Seite 130)

Musik bedeutete für Hildegard von Bingen Harmonie. Sie war überzeugt, dass jedes Lebewesen und jeder natürliche Gegenstand einen Platz in der Schöpfung habe. Die Harmonie in der Schöpfung stelle sich jedoch nicht von selbst ein, meinte sie, sondern erfordere Handeln. So unternahm Hildegard von Bingen denn auch ausgedehnte Predigtreisen. Das war unerhört, denn Laien war das Predigen untersagt, und die Benediktinerregel erlaubte das Verlassen des Klosters nur in Ausnahmefällen.

Anders als für viele spätere Mystiker ist für Hildegard nicht die Abtötung des eigenen Willens das erstrebenswerte Ziel, sondern den eigenen Willen in den Dienst des kosmischen Gleichgewichts zu stellen. Nur so erfüllt der Mensch seine Aufgabe als Hüter der Erde, nach Gottes Ebenbild geschaffen. (Seite 105)

Einerseits neigte Hildegard von Bingen, die im Alter von vierzehn Jahren von ihren Eltern der Klausnerin Jutta von Sponheim auf dem Disibodenberg anvertraut worden war, zum zurückgezogenen und kontemplativen Leben, doch es gehörte auch zu ihrem Charakter, dass sie nicht alles hinnahm, sondern sogar vier Päpsten und Kaiser Friedrich Barbarossa mutig ihre politische Meinung mitteilte und die Welt im Rahmen ihrer Möglichkeit mitzugestalten versuchte.

Mit dem Älterwerden und der Anerkennung hat sie ihre ursprüngliche Berührungsangst gegenüber der Welt verloren, sie begreift es immer mehr als ihren Auftrag, diese selbst mitzugestalten. Aus dem zurückgezogenen Mädchen ist eine tatkräftige, erfahrene Frau geworden. (Seite 65)

Ihre Willenskraft bewies Hildegard von Bingen vor allem dann, wenn sie zur Verwirklichung ihrer Absichten Widerstände überwinden musste. Sie nutzte ihren Verstand, ließ sich jedoch auch von Gefühlen mitreißen, zum Beispiel als ihre Vertraute Richardis von Stade 1151 das gerade von Hildegard von Bingen gegründete Kloster auf dem Rupertsberg verließ, um Äbtissin des Klosters Bassum bei Bremen zu werden.

Das ist typisch für Hildegard, dieses bruchlose Nebeneinander von Emotionalität und planender Ratio. (Seite 67)

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Das vorliegende Buch über Hildegard von Bingen trägt zwar den Untertitel „Eine Lebensgeschichte“, aber Christine Büchner hat keine chronologische Biografie geschrieben, sondern nähert sich der mittelalterlichen Mystikerin in fünfzehn thematisch gegliederten Kapiteln, die zum Beispiel mit „Zweifel und Beharrlichkeit, „Naturwissenschaft und Glaube“ und „Ein Multitalent“ überschrieben sind. Bei „Hildegard von Bingen. Eine Lebensgeschichte“ handelt es sich um ein sachliches und leicht zu lesendes Buch, in dem die verschiedenen, teilweise widersprüchlichen Wesenszüge und Leistungen der Hildegard von Bingen prägnant herausgearbeitet sind.

„Hildegard von Bingen. Eine Lebensgeschichte“ ist u. a. mit vierzehn Farbfotos aus dem Film „Vision. Aus dem Leben der Hildegard von Bingen“ von Margarethe von Trotta illustriert.

Originaltitel: Vision. Aus dem Leben der Hildegard von Bingen – Regie: Margarethe von Trotta – Drehbuch: Margarethe von Trotta – Kamera: Axel Block – Schnitt: Corina Dietz – Musik: Christian Heyne, Hildegard von Bingen – Darsteller: Barbara Sukowa, Heino Ferch, Hannah Herzsprung, Gerald Alexander Held, Lena Stolze, Sunnyi Melles, Paula Kalenberg, Annemarie Düringer, Devid Striesow u.a. – 2009; 110 Minuten

Christine Büchner (* 1970) studierte Theologie, Germanistik und Lateinische Philologie. Sie promovierte über das Schöpfungsverständnis des mittelalterlichen Mystikers Meister Eckhard.

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Inhaltsangabe und Rezension: © Dieter Wunderlich 2009
Textauszüge: © Insel Verlag

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Mehr als zwei Jahrzehnte lang las ich rund zehn Romane pro Monat und stellte sie dann mit Inhaltsangaben und Kommentaren auf dieser Website vor. Zuletzt dauerte es schon einen Monat, bis ich ein neues Buch ausgelesen hatte. Aus familiären Gründen reduziere ich das Lesen und die Kommunikation über Belletristik.