Wolfgang Borchert : Das Brot
Wolfgang Borchert
Das Brot
Inhaltsangabe
Kritik
Eine ältere Frau erwacht nachts um halb drei von einem Geräusch in der Küche. Sie fährt mit der Hand über das Bett neben ihr: es ist leer. Im Dunkeln tappt sie zur Küche, trifft dort auf ihren Mann und schaltet das Licht ein.
Auf dem Küchentisch stand der Brotteller. Sie sah, dass er sich Brot abgeschnitten hatte. Das Messer lag noch neben dem Teller. Und auf der Decke lagen Brotkrümel. Wenn sie abends zu Bett gingen, machte sie immer das Tischtuch sauber. Jeden Abend. Aber nun lagen Krümel auf dem Tuch. Und das Messer lag da. Sie fühlte, wie die Kälte der Fliesen langsam an ihr hoch kroch. Und sie sah von dem Teller weg.
„Ich dachte, hier wär was“, sagte er und sah in der Küche umher. (Seite 322)
Die Geschichte spielt in der Nachkriegszeit in Deutschland. Die beiden alten, seit neununddreißig Jahren verheirateten Menschen haben nicht genug zu essen. Das Brot ist rationiert: Jeder von ihnen erhält drei Scheiben am Tag. Die Frau blickt ihren Mann nicht an, denn sie erträgt es nicht, dass er sie anlügt und sich heimlich eine Scheibe Brot genommen hat. Um die peinliche Situation zu überspielen, sagt sie:
„Die Dachrinne schlägt immer bei Wind gegen die Wand. Es war sicher die Dachrinne. Bei Wind klappert sie immer.“ (Seite 323)
Die beiden gehen zurück ins Schlafzimmer und legen sich wieder hin. Nach längerer Zeit hört die Frau, wie er leise und vorsichtig kaut.
Als er am nächsten Abend nach Hause kommt, schiebt sie ihm vier statt drei Scheiben Brot hin, tritt von der Lampe zurück und sagt:
„Du kannst ruhig vier essen. Ich kann dieses Brot nicht so recht vertragen. Iss du man eine mehr. Ich vertrage es nicht so gut.“ (Seite 324)
Da beugt er sich tief über seinen Teller und blickt nicht auf. Er tut ihr Leid.
nach oben (zur Kritik bzw. Inhaltsangabe)Mit der einprägsamen Kurzgeschichte „Das Brot“ thematisiert Wolfgang Borchert die Not in Deutschland nach dem Zweiten Weltkrieg. Es ist eine einfache, mit schlichten Worten und kurzen Sätzen aus einer auktorialen Perspektive erzählte Geschichte aus dem Alltag eines älteren Ehepaars. Namen erfahren wir keine. Ort und Zeit sind eng begrenzt. Die Frau fühlt sich durch den Betrug ihres Mannes nach neununddreißig Jahren Ehe schwer verletzt, aber statt Streit mit ihm anzufangen, schweigt sie und beschämt ihn am nächsten Abend durch ihren Verzicht. Der Mann schlägt die Augen nieder und wagt es ebenfalls nicht, den Konflikt anzusprechen.
nach oben (zur Kritik bzw. Inhaltsangabe)
Inhaltsangabe und Rezension: © Dieter Wunderlich 2005
Textauszüge: © Rowohlt Verlag
Wolfgang Borchert: Draußen vor der Tür