Ramón Sampedro


Als der fünfundzwanzig Jahre alte, aus Galizien stammende Schiffsmechaniker Ramón Sampedro am 23. August 1968 von einer Klippe ins Meer sprang, schlug er in dem flachen Wasser mit dem Kopf am Grund auf und verlor das Bewusstsein. Er wurde zwar gerettet, aber die Ärzte konnten eine Querschnittlähmung nicht verhindern: Vom Hals abwärts konnte Ramón Sampedro sich nicht mehr bewegen.

Jahrelang kämpfte Ramón Sampedro vor spanischen Gerichten vergeblich darum, aus dem Leben scheiden zu dürfen – wozu er aufgrund seiner Lähmung die (Sterbe-)Hilfe eines anderen Menschen benötigte.

Unter dem Titel „Cartas desde el infierno“ („Briefe aus der Hölle“) veröffentlichte Ramón Sampedro 1996 ein Buch mit teils von ihm diktierten, teils mit dem Mund geschriebenen Texten. Damit machte er die Öffentlichkeit auf seinen Fall aufmerksam und plädierte für das Recht zu sterben.

Weder sein Bruder noch seine Schwägerin oder sein Neffe wollten Ramón Sampedro beim Sterben helfen. Aber eine der Frauen, die sich mit dem Querschnittgelähmten angefreundet hatten, war dazu bereit: die Fabrikarbeiterin

Ramona Maneiro, die ihn 1996 kennen gelernt hatte. Sie mietete für den inzwischen Vierundfünfzigjährigen eine Wohnung in Boiro und führte am 12. Januar 1998 seine detaillierten Anweisungen aus, löste Zyankali in einem Glas Wasser auf und half ihm, es mit einem Strohhalm auszutrinken. Zuerst sprach sie noch mit ihm, aber seinen zwanzig Minuten lang dauernden Todeskampf konnte sie nicht mit ansehen. Da flüchtete sie ins Bad. Ramón Sampedro starb fast dreißig Jahre nach seinem Unfall qualvoll und allein.

Eine Videokamera auf einem Stativ neben dem Bett zeichnete Ramón Sampedros Sterben auf. Als der private Fernsehsender „Antena 3“ diesen Film – auf dem von Ramona Maneiro nur eine Hand zu sehen war – ausstrahlte, kam es in Spanien zu einer breiten Diskussion über die gesetzlich verbotene Sterbehilfe.

Ramona Maneiro wurde wegen Sterbehilfe angeklagt, weil sich aber ein Dutzend Freunde und Bekannte Ramón Sampedros selbst der Tat bezichtigten, kapitulierte das Gericht schließlich und stellte das Verfahren 1999 ein.

Erst nach dem Ablauf der Verjährungsfrist, am 12. Januar 2005 – dem 7. Jahrestag von Ramón Sampedros Tod – gab Ramona Maneiro öffentlich zu, dem Freund Sterbehilfe geleistet zu haben.

Zu diesem Zeitpunkt lief Alejandro Amenábars Film „Mar adventro“ („Das Meer in mir“) über Ramón Sampedro bereits in den spanischen Kinos.

© Dieter Wunderlich 2005

Alejandro Amenábar: Das Meer in mir

Sterbehilfe
Eluana Englaro
Terri Schiavo
Piergiorgio Welby

Saskia Hennig von Lange - Alles, was draußen ist
Saskia Hennig von Lange schreckt nicht vor makabren Details zurück und entwirft für ihr literarisches Debüt, die Novelle "Alles, was draußen ist", ein absurdes Szenario. Eine leichte Lektüre ist das nicht, aber beim Lesen bleibt ein Nachhall – wie beim Ich-Erzähler, der noch immer die Stimme seiner Mutter hört.
Alles, was draußen ist

 

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Mehr als zwei Jahrzehnte lang las ich rund zehn Romane pro Monat und stellte sie dann mit Inhaltsangaben und Kommentaren auf dieser Website vor. Zuletzt dauerte es schon zehn Tage und mehr, bis ich ein neues Buch ausgelesen hatte, und die Zeitspanne wird sich noch verlängern: Aus familiären Gründen werde ich das Lesen und die Kommunikation über Belletristik deutlich reduzieren.