Loriot / Vicco von Bülow


Bernhard Victor Christoph-Carl von Bülow – Vicco von Bülow – wurde am 12. November 1923 in Brandenburg an der Havel als Sohn des Polizeimajors Johann-Albrecht von Bülow (1899 – 1972) und dessen Ehefrau Charlotte (geborene von Roeder, 1899 – 1929) geboren. Als Vicco von Bülow vier Jahre alt war, ließen seine Eltern sich scheiden (26. Juli 1928). Vicco und sein ein Jahr jüngerer Bruder Johann-Albrecht lebten zu diesem Zeitpunkt bereits bei ihrer Großmutter und deren Mutter, die sich in Berlin eine Wohnung teilten. 1933 kamen die beiden Jungen, deren Mutter 1929 gestorben war, wieder zu ihrem Vater, der im Jahr davor ein zweites Mal geheiratet hatte.

Die Familie zog 1938 nach Stuttgart, wo Vicco von Bülow das humanistische Eberhard-Ludwigs-Gymnasium besuchte und 1941 wegen des Krieges ein Notabitur machte. Der Familientradition entsprechend, wurde er Offizier und leistete drei Jahre lang Kriegsdienst an der Ostfront. Nach dem Krieg arbeitete Vicco von Bülow vorübergehend als Holzfäller. 1946 holte er das Abitur am Gymnasium Corvinianum in Northeim nach, und 1947 begann er ein Grafik- und Malereistudium an der Kunstakademie in Hamburg (1947 – 1949).

Als ich anfing zu studieren, wohnte ich zwischen dem Irrenhaus, dem Zuchthaus und dem Friedhof. (Loriot auf die Frage, was ihn geprägt habe)

Unter dem Künstlernamen Loriot betätigte sich Vicco von Bülow als Cartoonist – u. a. für die Illustrierten „Stern“ und „Quick“ – und erfand sein berühmtes Knollennasenmännchen. Loriot ist die französische Bezeichnung für den Pirol, das Wappentier der Familie von Bülow, die zum alten mecklenburgischen Adel gehörte.

1949 fanden meine beengten Wohnverhältnisse in einer Zeichnung ihren grafischen Ausdruck. Da das Blatt etwas abseits meiner künstlerischen Ziele lag, signierte ich es mit „Loriot“. Es war das erste Mal. (Loriot, zitiert am 30. Oktober 2004 von Robert Gernhardt in der Laudatio zur Verleihung des „Jacob-Grimm-Preises Deutsche Sprache“)

Am 8. Mai 1951 heiratete Vicco von Bülow alias Loriot in Hamburg-Nienstedten Rose-Marie Schlumbom, die am 22. Juni 1929 in Manila geborene Tochter des Kaufmanns Peter Schlumbom und dessen Ehefrau Frieda. Das Paar hatte sich drei Jahre zuvor kennen gelernt.

1954 veröffentlichte Loriot im Diogenes Verlag sein erstes Buch mit Cartoons: „Auf den Hund gekommen“. Es folgten Titel wie: „Unentbehrlicher Ratgeber für das Benehmen in feiner Gesellschaft“ (1955), „Der gute Ton“ (1957), „Der Weg zum Erfolg“ (1958), „Wahre Geschichten, erlogen von Loriot“ (1959), „Umgang mit Tieren (1962), „Loriots Wegweiser zum Erfolg“ (1963), „Loriots großer Ratgeber“ (1968), „Möpse und Menschen“ (1983).

Von 1967 bis 1972 moderierte Loriot die ARD-Fernsehsendung „Cartoon“, in der er auch eigene Arbeiten zeigte. Für die „Aktion Sorgenkind“ im ZDF erfand er den sprechenden Hund Wum, eine Zeichentrickfilm-Figur, die er anfangs selbst

synchronisierte. Mit dem von Wum gesungenen Lied „In wünsch‘ mir ’ne kleine Miezekatze“ schaffte es Loriot im Winter 1971/72 in die Hitparade. Wum wurde auch in die ARD-Fernsehsendung „Der große Preis“ übernommen, und Loriot fügte noch den Elefanten Wendelin und einen Außerirdischen mit dem Namen Blauer Klaus hinzu. Die Synchronisation übernahm Jörg Knör. In der 1976 produzierten sechsteiligen Fernsehserie „Loriot“ zeigte der vielseitige Humorist nicht nur eigene Zeichentrickfilme, sondern trat auch – zumeist mit seiner kongenialen Partnerin Evelyn Hamann – in selbst geschriebenen Sketchen auf. Dabei beschäftigte sich Loriot immer wieder mit den Missverständnissen in der alltäglichen Kommunikation und der Tatsache, dass Frauen und Männer weder als Mütter und Söhne noch als Paare zusammenpassen.

Mein Thema ist die Kommunikation und das Missverständnis zwischen zwei Menschen.
Kommunikationsgestörte interessieren mich am allermeisten. Alles, was ich als komisch empfinde, entsteht aus der zerbröselten Kommunikation, aus dem Aneinander-vorbei-Reden. (Loriot)

Dabei schien Loriots Anliegen nicht Gesellschaftskritik zu sein, sondern es ging ihm vor allem um Komik.

Loriot bedient sich nicht komischer Mittel, um gesellschaftliche Zustände und menschliche Verhaltensweisen zu beschreiben oder zu kritisieren, sondern er verwendet (unter anderem) gesellschaftliche und individuelle Gegebenheiten, um Komik zu erzeugen. (Patrick Süskind, Der Spiegel, 25. Oktober 1993)

Loriot verfügte über eine ausgezeichnete Beobachtungsgabe, und es gelang ihm auch, die so gewonnenen Ideen in urkomische Szenen umzusetzen, sie auf den Punkt zu bringen und bis ins Groteske zu steigern. Auf diese Weise hielt er uns einen Spiegel vor, ohne den Zeigefinger zu heben. Seine Genialität bezog sich nicht nur auf Bilder, sondern auch auf Texte, bei deren Formulierung er ein besonders feines Sprachgefühl bewies. Wer denkt bei Wörtern wie Jodeldiplom, Auslegeware oder Kosakenzipfel und Namen wie Dr. Klöbner oder Müller-Lüdenscheid nicht an Loriot? Verblüffend ist, dass Menschen unterschiedlicher Herkunft und Bildung Loriot etwas abgewinnen können: Wer etwa kein Ohr für subtile Sprachspielereien hat, kann sich über den perfekt inszenierten Klamauk amüsieren, den es in Loriots Cartoons, Sketchen und Kinofilmen auch gibt.

Was ich an Loriot mag, ist seine Intelligenz. Was ich am meisten an seinem Werk bewundere, ist die Art, wie gut alles gemacht ist – wie gut es gearbeitet ist, hätte ich beinahe gesagt, als wäre er ein Handwerker, ein Goldschmied etwa –, und meine damit nicht einen Oberflächenglanz, sondern das Wohldurchdachte, das durch und durch Ausgetüftelte, das mit Raffinement und größter Sorgfalt Erzeugte seiner Produktion. (Patrick Süskind in „Loriot“, Diogenes Verlag, Zürich 1993)

Anlässlich des hundertjährigen Bestehens der Berliner Philharmoniker hielt Loriot 1982 eine humorvolle Ansprache und dirigierte ein spaßiges Festkonzert. (Mit Hans Guido Freiherr von Bülow, dem Leiter der Berliner Philharmoniker von 1887 bis 1894, ist Vicco von Bülow alias Loriot nur entfernt verwandt.)

Loriot schrieb neue Texte zu „Karneval der Tiere“ von Camille Saint-Saëns (1975), „Peter und der Wolf“ von Sergej Prokofjew (1983) und „Candide“ von Leonard Bernstein (1999).

1986 inszenierte Loriot an der Staatsoper Stuttgart die Oper „Martha“ von Friedrich von Flotow, zwei Jahre später, bei den Schlossfestspielen in Ludwigsburg, die Oper „Der Freischütz“ von Carl Maria von Weber. Außerdem brachte der Wagnerianer 1992 im Nationaltheater Mannheim eine auf einen einzigen Abend kondensierte Fassung von „Der Ring des Nibelungen“ für Erzähler, (einen) Sänger und Orchester auf die Bühne.

Nachdem Loriot bereits in mehreren Kinofilmen als Nebendarsteller mitgewirkt hatte (u. a. in „Die Brücke“, „Der längste Tag“, „Evelyn und die Männer“), schuf er als Drehbuchautor, Regisseur und Hauptdarsteller zwei Kinofilme: „Ödipussi“ (1988) und „Pappa ante Portas“ (1991).

Loriot wurde vielfach ausgezeichnet, u. a. mit dem Adolf-Grimme-Preis (1973), dem Karl-Valentin-Orden (1974), der Goldenen Kamera (1978), dem „Bambi“ (1988 / 1993), dem Großen Verdienstkreuz mit Stern und Schulterband der Bundesrepublik Deutschland (1998), dem Jacob-Grimm-Preis Deutsche Sprache (2004). In der ZDF-Sendung „Unsere Besten“ wurde Loriot 2007 unter den Komikern auf Platz 1 gewählt.

Vicco von Bülow alias Loriot starb am 22. August 2011 in Ammerland am Starnberger See.

© Dieter Wunderlich 2004 / 2011

Loriot: Ödipussi
Loriot: Pappa ante portas

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Mehr als zwei Jahrzehnte lang las ich rund zehn Romane pro Monat und stellte sie dann mit Inhaltsangaben und Kommentaren auf dieser Website vor. Zuletzt dauerte es schon zehn Tage und mehr, bis ich ein neues Buch ausgelesen hatte, und die Zeitspanne wird sich noch verlängern: Aus familiären Gründen werde ich das Lesen und die Kommunikation über Belletristik deutlich reduzieren.