Der Leopard
Der Leopard
Inhaltsangabe
Kritik
Der sizilianische Fürst Fabrizio Salina (Burt Lancaster) ist eine Herrschernatur und wird jähzornig, wenn ihm sein erwachsener Sohn Paolo nicht auf der Stelle gehorcht. Er bekennt sich zwar zum katholischen Glauben und hat den Beichtvater seiner Familie, den Jesuitenpater Pirrone (Romolo Valli), fast immer bei sich, aber er schneidet dem Geistlichen das Wort ab, wenn dieser aus der Bibel erzählen will. Weil seine unterwürfige Ehefrau Maria Stella (Rina Morelli), mit der er sieben Kinder gezeugt hat, sich vor jedem Beischlaf bekreuzigt und er bis heute noch nicht einmal ihren Nabel sehen durfte, vergnügt er sich hin und wieder mit einer Prostituierten in Palermo – und beichtet die Sünde dann Pater Pirrone.
Er befindet sich auf seinem Landsitz in der Nähe von Palermo, als Giuseppe Garibaldi am 11. Mai 1860 mit tausend Freiwilligen in Marsala eintrifft, um die Bourbonendynastie im Königreich Neapel-Sizilien zu stürzen. Auch Don Fabrizios Neffe und Mündel Tancredi Falconeri (Alain Delon) schließt sich den Freiheitskämpfern an. Er wird bei der Schlacht um Palermo leicht verwundet und zum Hauptmann ernannt. Mit seiner auf dreißigtausend Mann vergrößerten Armee setzt Garibaldi im August zum Festland über und zieht gegen Neapel, um das Risorgimento zum Abschluss zu bringen.
Don Fabrizio begreift, dass die Gründung des italienischen Nationalstaats mit dem Niedergang des herrschenden Landadels und der Aufstieg des Bürgertums verbunden ist und er die Entwicklung nicht aufhalten kann. Trotz seiner Abneigung arrangiert er sich mit den neuen Verhältnissen, weil er hofft, auf diese Weise sein gewohntes Leben einigermaßen ungestört weiterführen zu können. Auch Tancredi kämpft nicht aus Überzeugung, sondern aus Opportunismus mit Garibaldis Männern: „Wenn wir wünschen, dass alles so bleibt, muss sich einiges ändern.“
Als ob nichts geschehen wäre, fährt Don Fabrizio im August 1860 wie jedes Jahr mit seiner Familie, Tancredi und Pater Pirrone in drei Kutschen zu seinem Sommerpalast in Donnafugata. Als er von Bürgermeister Don Calogero Sedàra (Paolo Stoppa), der Bevölkerung und den Bediensteten mit dem gewohnten Respekt empfangen wird, atmet er auf.
Seine Tochter Concetta (Lucilla Morlacchi) ist seit ihrer Jugend in Tancredi verliebt, und alle gehen davon aus, dass die beiden heiraten werden, alle, bis auf den scharfsinnigen Fürsten. Der erläutert Pater Pirrone, dass er seine Tochter zwar liebe, aber dennoch nicht glaube, dass sie die richtige Ehefrau für Tancredi wäre, denn sie würde dem jungen Mann bei dessen zweifellos außergewöhnlichen Karriere im Weg stehen.
Zur verstohlenen Belustigung der Aristokraten erscheint der Bürgermeister zu einem Empfang des Fürsten in einem billigen Frack. Sedàra bringt statt seiner Frau, die unter einem Migräneanfall leidet, seine erwachsene Tochter Angelica (Claudia Cardinale) mit. Von ihrer aufregenden Schönheit sind alle Anwesenden hingerissen – am meisten Tancredi, der ihr bei Tisch erzählt, wie er mit seinen Kameraden bei der Eroberung Siziliens in ein Nonnenkloster eingedrungen sei und sich über die ältlichen Schwestern amüsiert habe, die eine Vergewaltigung befürchteten.
Bei der Volksabstimmung am 21. Oktober 1860 stimmt Don Fabrizio für König Viktor Emanuel II., und der Bürgermeister verkündet am Abend, alle Stimmberechtigten von Donnafugata hätten ausnahmslos für den Anschluss an das Königreich Piemont-Sardinien votiert. Als der Fürst allerdings kurz darauf mit Don Francisco Ciccio Tumeo (Serge Reggiani), dem Organisten der Kirche von Donnafugata, zur Jagd geht, bestätigt dieser seinen Verdacht, dass Sedàra das Abstimmungsergebnis gefälscht habe. Don Ciccio, der selbst eine „Nein“-Stimme abgegeben hatte, missbilligt auch, dass der korrupte Bürgermeister sich auf Kosten der Großgrundbesitzer bereichert.
Tancredi bittet seinen Onkel, für ihn bei Sedàra um die Hand von Angelica anzuhalten, und Don Fabrizio ist bereit, ihm den Wunsch zu erfüllen. Vergeblich versucht Maria Stella, ihn umzustimmen. Sie hätte lieber ihre Tochter Concetta mit dem Neffen verheiratet und kann sich nicht damit abfinden, dass Tancredi eine Bürgerliche zur Frau nehmen will, noch dazu die Tochter eines skrupellosen Emporkömmlings. Dabei heißt es, dass die Falconeris bereits mit Karl von Anjou nach Sizilien kamen und eines der vornehmsten – wenn auch inzwischen verarmten – Adelsgeschlechter sind. Don Fabrizio duldet jedoch keinen Widerspruch und bespricht mit Sedàra die geplante Verbindung.
Inzwischen sind Tancredi und sein Freund, der Graf Cavriaghi, aus Garibaldis Diensten ausgeschieden und haben sich der regulären Armee von König Viktor Emanuel II. zur Verfügung gestellt. Sie rümpfen jetzt die Nase über den Pöbel, aus dem sich Garibaldis Truppen zusammensetzten.
Chevally (Leslie French), ein Beauftragter der Regierung, reist nach Palermo, um Don Fabrizio zu überreden, für den Senat des Königreichs Italien zu kandidieren. Der Fürst ist jedoch nicht bereit, sich in den Dienst der liberalen Machthaber zu stellen, in denen er die Totengräber seines eigenen Standes sieht.
Bei einem prächtigen Ball, auf dem Tancredis Verlobte Angelica in die große Gesellschaft eingeführt wird, treffen die Vertreter der alten und der neuen Gesellschaft aufeinander. Der Fürst fühlt sich erschöpft und findet das Geschnatter der jungen Damen unerträglich. Dem prahlerischen Oberst Pallavicino (Ivo Garrani) gegenüber kann er seine Verachtung nur mühsam verbergen. Tancredi dagegen rechnet sich nach einem Gespräch mit Oberst Pallavicino Chancen aus, bei den Wahlen als Kandidat aufgestellt zu werden. Nicht nur deshalb wirft Concetta ihm vor, ein opportunistischer Karrierist zu sein. Sie weiß, dass Tancredi ihre Liebe verschmäht, weil ihm die sichtbaren Reize Angelicas und die Verbindung mit ihrem Vater, einem der neuen Machthaber, wichtiger sind.
Oberst Pallavicino und die Offiziere in seiner Begleitung verabschieden sich zeitig und entschuldigen sich damit, am nächsten Morgen früh aufstehen zu müssen. Dann werden nämlich die Männer füsiliert, die sich geweigert hatten, von Garibaldi zur regulären Armee des Königs überzuwechseln.
Als die letzten Gäste in ihren Kutschen nach Hause fahren, hören sie die Gewehrsalven.
nach oben (zur Kritik bzw. Inhaltsangabe)Unter dem Titel „Il Gattopardo“ („Der Leopard“) verfilmte Luchino Visconti (1906 – 1976) den gleichnamigen Episodenroman von Giuseppe Fürst Tomaso di Lampedusa (1896 – 1957). Der Autor stammte aus einer sizilianischen Adelsfamilie, studierte Jura und nahm als Offizier an beiden Weltkriegen teil. In den letzten drei Jahren seines Lebens arbeitete er an seinem einzigen Roman: „Il Gattopardo“. Die von Giorgio Bassani 1958 editierte Veröffentlichung und den Welterfolg des Romans erlebte Giuseppe Tomaso di Lampedusa nicht mehr. Unter dem Titel „Der Leopard“ erschien bereits im Jahr darauf eine deutsche Übersetzung von Charlotte Birnbaum. 2004 brachte der Piper Verlag eine um zwei inzwischen aufgetauchte Manuskriptfragmente ergänzte Neuübersetzung von Giò Waeckerlin Induni heraus: „Der Gattopardo“. Mit dieser deutsch-italienischen Wortkombination wollte man offenbar der Tatsache Rechnung tragen, dass „gattopardo“ – das Wappentier des Fürsten von Salina – nicht ein Leopard, sondern ein Ozelot bzw. eine Pardelkatze ist (Leopardus pardalis).
Luchino Visconti gehörte einem Grafengeschlecht an, sagte sich aber in seiner Jugend von der Aristokratie los und bekannte sich zum Marxismus. Seine filmische Adaptation der von Giuseppe Tomaso di Lampedusa erzählten kraftvollen Geschichte endet mit der großartigen, fünfundvierzig Minuten langen Ballszene im Jahr 1862, während die literarische Vorlage danach einen Zeitsprung macht und in einem eigenen Kapital den Tod des Fürsten einundzwanzig Jahre später schildert. Wie im Roman erleben wir das Geschehen aus der Sicht des (von Burt Lancaster eindrucksvoll gespielten) Fürsten – mit dem sich sowohl Giuseppe Tomaso di Lampedusa als auch Luchino Visconti zu identifizieren schienen. „Der Leopard“ ist ein monumentales, episch breites Filmkunstwerk. Die monochromen, überaus sorgfältig komponierten und aufwändig ausgeleuchteten Bilder wirken wie romantische Gemälde.
1963 wurde Luchino Visconti bei den Filmfestspielen in Cannes mit einer „Goldenen Palme“ für „Der Leopard“ ausgezeichnet.
„Der Leopard“ war 1962 mit einer von Technicolor in den Fünfzigerjahren entwickelten und auf anamorphotischen Objektiven basierenden Aufnahmetechnik gefilmt worden: „Technirama“. Eine Vorführung mit herkömmlichen Abspielgeräten resultierte in einer schlechteren Auflösung und verfälschten Farben, aber „Technirama“ gab es nach einiger Zeit nicht mehr. Deshalb ließen die Cineteca Nazionale und das Centro Sperimentale di Cinematografica eigens „Technirama“-Geräte instand setzen, um „Der Leopard“ 1991 unter der Projektleitung des Kameramanns Giuseppe Rotunno in mehrmonatiger Arbeit restaurieren zu können.
Synchronsprecher der restaurierten Fassung:
Klaus Dittmann (Don Fabrizio), Christian Wolff (Tancredi), Dagmar Altrichter (Angelica), Hans Hessling (Don Calogero), G. G. Hoffmann (Don Ciccio), Tilly Lauenstein (Maria Stella), Gerhard Lippert (Pater Pirrone), Helgo Liebig (Chevalley).
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Inhaltsangabe und Rezension: © Dieter Wunderlich 2005
Risorgimento: Die Schaffung eines italienischen Nationalstaates
Luchino Visconti: Besessenheit
Luchino Visconti: Tod in Venedig