Fräulein Julie

Fräulein Julie

Fräulein Julie

Fräulein Julie – Originaltitel: Miss Julie – Regie: Liv Ullmann – Drehbuch: Liv Ullmann, nach der Tragödie "Fräulein Julie" von August Strindberg – Kamera: Mikhail Krichman – Schnitt: Michal Leszczylowski – Darsteller: Jessica Chastain, Colin Farrell, Samantha Morton, Nora McMenamy – 2014; 125 Minuten

Inhaltsangabe

Fräulein Julie ist eine kapriziöse und uner­fahrene Baroness, die gewohnt ist, alles zu bekommen, soweit es gesellschaftliche Konventionen zulassen. Ihr gegenüber steht der Diener Jean, der viel herumgekommen ist und vom gesellschaftlichen Aufstieg träumt. Einsam sind beide. Jean ahnt, dass Fräulein Julies unüberlegter Versuch, ihre Freiheit auszuweiten, schlimme Folgen haben wird. Er versucht, sie zur Vernunft zu bringen, kann aber weder ihren Manipula­tionen standhalten noch sein Begehren unterdrücken ...
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Kritik

Bei ihrer sehenswerten Verfilmung der kammerspielartigen Tragödie "Fräulein Julie" von August Strindberg hält Liv Ullmann sich eng an die Vorlage. Die Handlung dreht sich um Klassenschranken, aber auch um die Rollen von Mann und Frau im Patriarchat.
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Nachdem der Diener Jean (Colin Farrell) seinen irischen Dienstherrn am Abend der Mittsommernacht des Jahres 1890 zum Bahnhof gebracht hat, kehrt er ins Herrenhaus zurück und berichtet der informell mit ihm verlobten Küchenmagd Kathleen (Samantha Morton), dass er die Tochter des Barons beim Fest des Gesindes in der Scheune mit dem Wildhüter tanzen sah. Als ihn Fräulein Julie (Jessica Chastain) entdeckte, befahl sie ihm, ebenfalls mit ihr zu tanzen.

Die fromme Küchenmagd ist entsetzt über das adelige Fräulein, das die gesellschaftlichen Schranken missachtet. Jean ärgert sich stattdessen darüber, dass ihm der Baron am Bahnhof Reiseprospekte statt eines Trinkgelds gab. Jean ist zwar viel herumgekommen und war beispielsweise Sommelier in einem großen Hotel in der Schweiz, aber was soll ein Diener mit Reiseprospekten anfangen?

Fräulein Julie kommt in die Küche und befiehlt Kathleen, ihrem Schoßhund eine giftige Substanz ins Fressen zu mischen, weil sie die Hündin mit dem Rüden des Wildhüters zusammen sah und die Zeugung von Bastarden verhindern möchte. Jean soll weiter mit ihr tanzen. Wenigstens in der Mittsommernacht will Fräulein Julie sich den Zwängen der Gesellschaft entziehen und an dem scheinbar fröhlichen Leben der gewöhnlichen Menschen teilhaben. Dass sie sich an Jean heranmacht, ist wohl auch mit sexuellem Begehren zu erklären.

Nachdem die müde Küchenmagd darum gebeten hat, sich mit dem unter der Vergiftung leidenden Schoßhund zum Schlafen in ihre Kammer zurückziehen zu dürfen, vertraut Fräulein Julie dem Diener an, dass sie des Öfteren von einem nie endenden Sturz in den Abgrund träume. Jean erzählt ihr daraufhin, dass er seit langem davon träume, auf einen Baum zu klettern und es ihm noch nicht gelungen sei, den ersten Ast zu erreichen. Sein Streben ist darauf gerichtet, ein Hotel beispielsweise am Comer See zu eröffnen.

Abwechselnd gebieterisch und verführerisch, hindert Fräulein Julie Jean daran, sie allein zu lassen.

Schließlich gesteht ihr der in der Nähe des Guts geborene Bauernsohn, dass er sich als Junge in sie verliebte und sterben wollte, weil sie für ihn unerreichbar war. In selbstmörderischer Absicht legte er sich auf ein Bett aus Holunderblüten, aber statt zu sterben wurde er davon krank.

Im Überschwang möchte Fräulein Julie, dass Jean sie auf den See hinaus rudert. Aber er redet es ihr aus: Das Gerede der Leute würde die Baroness nicht ertragen.

Als das feiernde Gesinde grölend in den Hof hereinkommt und nach Jean ruft, flüchtet er mit Fräulein Julie aus der Küche in seine Dienstbotenkammer.

Nachdem Kathleen hinausgegangen ist und das Tor geschlossen hat, lauscht sie an Jeans Tür und hört ihn und Fräulein Julie im Bett stöhnen.

Nach dem Orgasmus springt Jean auf, entschuldigt sich und wäscht sein Geschlecht mit dem Wasser der Waschschüssel, während Fräulein Julie sich zwischen die Beine greift und verwundert auf das Blut an ihren Fingern starrt.

Sobald Jean sich wieder unter Kontrolle hat, geht er zu Kathleen und bittet sie, in ihrer Kammer zu bleiben, denn er möchte nicht, dass sie die Baroness aus seiner Kammer kommen sieht.

Zurück in der Küche, lacht er hämisch, als Fräulein Julie von „wir“ spricht. Er weiß, dass es zwischen einer Baroness und einem Diener keine Gemeinsamkeit geben kann. Aber dann träumt er doch davon, mit ihr fortzugehen und mit ihr zusammen ein Hotel zu führen. Im nächsten Augenblick wird ihm bewusst, dass sie nicht der unerreichbare Engel ist, den er als Junge anhimmelte, und er beschimpft sie als Hure. Sie sei weniger wert als die Küchenmagd, schreit er. Er beteuert, sie nicht zu lieben und versucht ihr klarzumachen, dass ihre Liebe auch nur ein Hirngespinst sei. Fräulein Julie bittet ihn verzweifelt um Hilfe, denn sie weiß nicht, was sie tun soll. Sie versucht, ihm zu befehlen, aber er gehorcht ihr nicht mehr.

Fräulein Julie vertraut ihm an, dass sie ihrer Mutter im Alter von zehn Jahren versprechen musste, niemals die Sklavin eines Mannes zu werden. Damals habe sie noch gar nicht verstanden, was die Mutter meinte, sagt sie. Aber jetzt möchte sie von Jean geführt werden und verzichtet auf alle Herrschaftsansprüche.

Nach einiger Zeit rät Jean der Baroness zur Flucht. Das dafür erforderliche Geld soll sie ihrem Vater stehlen. Während sie in die Bibliothek geht, um das Geld zu holen, sucht Jean Kathleen in ihrer Kammer auf. Die Küchenmagd stellt ihn zur Rede, und als er zugibt, mit Fräulein Julie im Bett gewesen zu sein, gerät Kathleen außer sich, weniger aus Eifersucht, sondern weil sie nicht in einem Haus arbeiten möchte, in dem sie keinen Respekt vor der Herrschaft haben kann. Zu Kathleens religiösem Glauben gehört das Bemühen, ein besserer Mensch zu werden, und dabei möchte sie sich an der Herrschaft orientieren können.

Sie schlägt Jean vor, mit ihr zusammen das Gut zu verlassen und sich irgendwo um eine Hausmeisterstelle zu bewerben. Da habe er ehrgeizigere Pläne, entgegnet Jean. Immerhin erklärt er sich bereit, mit Kathleen an diesem Morgen zur Messe zu gehen.

Fräulein Julie bringt nicht nur das Geld ihres Vaters, sondern auch ihren Vogelkäfig mit in die Küche. Nichts außer dem Kanarienvogel wolle sie mitnehmen, erklärt sie. Jean rastet aus, packt ein Küchenbeil und schlägt dem Tier den Kopf ab. Schluchzend taucht Fräulein Julie einen Zeigefinger in das Blut und beschmiert sich damit das Gesicht. Der brutale Gewaltakt veranlasst sie zum Umdenken: Sie beschließt, zu bleiben. Jean macht ihr jedoch klar, dass das nicht möglich ist. Er führt ihr vor Augen, was geschehen wird, wenn ihr Vater den aufgebrochenen Schreibtisch und den Diebstahl des Geldes entdeckt. Bei der polizeilichen Vernehmung, droht Jean, würde er gegen sie aussagen. Und ihr Vater würde die Schande wahrscheinlich nicht überleben.

Kathleen kommt ausgehfertig in die Küche, um Jean zum Kirchgang abzuholen. Fräulein Julie schlägt ihr eine Flucht zu dritt vor, aber Kathleen hält nichts von der Vorstellung, in einem von Jean und Julie geführten Hotel zu kochen. Weil Jean sich nun doch weigert, Kathleen zu begleiten, geht sie allein zur Messe.

Erneut fragt Fräulein Julie, was sie tun solle. Jean denkt eine Weile nach, dann legt er ihr das Messer hin, mit dem er sich an diesem Morgen rasierte.

Der Baron, der offenbar bereits zurückgekommen ist, klingelt und fordert Jean über die Gegensprechanlage auf, ihm in einer halben Stunde Kaffee und Stiefel zu bringen.

Jean schickt Fräulein Julie mit dem Rasiermesser in die Scheune und hängt ihr den Beutel mit dem gestohlenen Geld um den Hals. Sie durchquert einen tunnelartigen Gang, öffnet das Tor und geht in den Garten, in dem Jean sie vor langer Zeit erstmals sah. Dort setzt sie sich an den Bach, streut Blüten hinein und schneidet sich die Pulsadern auf.

Währenddessen geht Jean mit einem Tablett in den Händen die Treppe hinauf zum Baron. (Höher wird er wohl nicht kommen.)

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Die Tragödie „Fräulein Julie“ des schwedischen Dramatikers August Strindberg (1849 – 1912) wurde am 14. März 1889 uraufgeführt, und zwar bei einer geschlossenen Veranstaltung im Studentersamfundet in Kopenhagen, weil eine öffentliche Inszenierung von der Zensur verboten worden war. In Schweden kam das Theaterstück erst 1906 auf die Bühne.

1912 verfilmte Anna Hoffman Uddgren „Fräulein Julie“ mit Manda Björling, August Falck und Karin Alexandersson (Drehbuch: Anna Hoffman Uddgren und Gustaf Uddgren). Weitere Verfilmungen folgten 1951 bzw. 1999.

Fräulein Julie – Originaltitel: Fröken Julie – Regie: Alf Sjöberg – Drehbuch: Alf Sjöberg nach der Tragödie „Fräulein Julie“ von August Strindberg – Kamera: Göran Strindberg – Schnitt: Lennart Wallén – Musik: Dag Wirén – Darsteller: Anita Björk, Ulf Palme, Märta Dorff u.a. – 1951; 90 Minuten

Originaltitel: Miss Julie – Regie: Mike Figgis – Drehbuch: Helen Cooper nach der Tragödie „Fräulein Julie“ von August Strindberg – Kamera: Benoît Delhomme – Schnitt: Matthew Wood – Musik: Mike Figgis – Darsteller: Saffron Burrows, Peter Mullan, Maria Doyle Kennedy u.a. – 1999; 100 Minuten

Adaptionen des Theaterstücks „Fräulein Julie“ gibt es auch fürs Ballett (Birgit Cullberg nach der Musik von Ture Rangström, Västerås 1950) und für die Oper (Ilkka Kuusisto, Vaasa 1994; Philippe Boesmans, Brüssel 2005).

Die Norwegerin Liv Ullmann (* 1938) verlagerte in ihrer Neuverfilmung der Tragödie „Fräulein Julie“ die Handlung von Schweden nach Irland, und aus Kristin wurde dementsprechend Kathleen. Statt das Stück zu modernisieren, hielt Liv Ullmann sich dicht an die literarische Vorlage.

Zwar beginnt Liv Ullmann ihren Film mit einer Szene, in der Julie als Kind (Nora McMenamy) durch den Garten läuft, aber im Hauptteil handelt es sich um ein Kammerspiel, eigentlich ein Zwei-Personen-Stück, weil die Küchenmagd Kathleen nur hin und wieder einen kurzen Auftritt hat.

Fräulein Julie ist eine junge, kapriziöse und unerfahrene Baroness, die gewohnt ist, alles haben zu können, soweit es gesellschaftliche Schranken und Konventionen zulassen. Ihr gegenüber steht der ehrgeizige Diener Jean, der viel herumgekommen ist und von einem gesellschaftlichen Aufstieg träumt. Einsam sind beide ebenso wie Kathleen. Fräulein Julies unüberlegter Versuch, ihre Freiheit auszuweiten, führt zu einem Psychoduell mit dem Diener, bei dem mal sie, mal Jean den Ton angibt. Jean ahnt von Anfang an, dass die Begegnung schlimme Folgen haben wird. Er versucht, die Baroness zur Vernunft zu bringen, kann aber weder ihren Manipulationen standhalten noch sein Begehren unterdrücken. Nachdem er Fräulein Julie defloriert und nach damaliger Auffassung entehrt hat, vertauschen sich die Machtverhältnisse. Während er der Entehrten nicht mehr gehorcht, möchte die verstörte und verzweifelte junge Frau, dass er ihr sagt, was sie tun soll. „Fräulein Julie“ dreht sich also sowohl um die Rollen von Mann und Frau als auch um Klassenschranken, und das vor dem Hintergrund einer patriarchalischen Ordnung, denn der Baron selbst ist zwar nie zu sehen, aber an seiner Autorität zweifelt niemand. Die Rolle der Küchenmagd bildet den Kontrast bzw. Hintergrund zu den Figuren der Baroness und des Dieners: Kathleen ist fromm und hält an den gesellschaftlichen Erwartungen kritiklos fest. Vor Veränderungen scheut sie zurück.

Bei der Verfilmung des Bühnenstücks nutzt Liv Ullmann die Möglichkeiten des Kinos, um die Räume aufzubrechen. Während August Strindbergs Tragödie ausschließlich in der Küche des Gutshofs spielt, lässt Liv Ullmann die Kamera durch Korridore und tunnelartige Durchgänge fahren; sie verlagert die Handlung in verschiedene Räume und teilweise auch in den Garten. Dass „Fräulein Julie“ den Zuschauer mehr als zwei Stunden lang fesselt, liegt an dieser Dynamik und der faszinierenden Ausstattung, vor allem aber am Niveau der literarischen Vorlage und der schauspielerischen Leistung von Samantha Morton, Colin Farrell und besonders Jessica Chastain, die zwar mit 37 Jahren fehlbesetzt ist (bei August Strindberg ist Fräulein Julie 25 Jahre alt), jedoch durch eine ebenso eindrucksvolle wie facettenreiche Darstellung das Alter vergessen lässt.

Als Musikuntermalung für „Fräulein Julie“ hat Liv Ullmann das Trio in Es-Dur für Klavier, Violine und Violoncello Nr. 2 von Franz Schubert aus dem Jahr 1827 gewählt.

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Inhaltsangabe und Rezension: © Dieter Wunderlich 2015

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Unbekümmert über Fragen der Plausibilität erzählt Hanns-Josef Ortheil in "Faustinas Küsse" eine spielerisch-lockere, unterhaltsame Geschichte, die sich aus einer originellen Idee entwickelt.
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Mehr als zwei Jahrzehnte lang las ich rund zehn Romane pro Monat und stellte sie dann mit Inhaltsangaben und Kommentaren auf dieser Website vor. Zuletzt dauerte es schon zehn Tage und mehr, bis ich ein neues Buch ausgelesen hatte, und die Zeitspanne wird sich noch verlängern: Aus familiären Gründen werde ich das Lesen und die Kommunikation über Belletristik deutlich reduzieren.