Øystein Wiik : Leiche in Acryl

Leiche in Acryl
Originalausgabe: Slakteren H. Aschehoug & Co, Oslo 2011 Leiche in Acryl Übersetzung: Günther Frauenlob, Maike Dörries Deutscher Taschenbuch Verlag, München 2013 ISBN: 978-3-423-21438-4, 319 Seiten
Buchbesprechung

Inhaltsangabe

Nach dem Konkurs seines Opernmagazins fliegt der Norweger Tom Hartmann zu dem befreundeten TV-Produzenten Eddie Jones an die Riviera. Sie wollen den Investor Kees van Delden für ein neues gemeinsames Projekt gewinnen. Eddies Frau Irene Willum, mit der Tom seit dem Studium befreundet ist, betreibt mit van Delden zusammen eine Gesellschaft, die in Kunst investiert. Gleich nach seinem Eintreffen in Monaco entdeckt Tom in Eddies Kofferraum die Leiche von van Deldens Ehefrau Corinne ...
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Kritik

Die komplexe, in Indien, Norwegen und an der Côte d'Azur spielende Handlung ist unrealistisch. Aber "Leiche in Acryl" soll wohl auch nicht mehr sein als ein spannender, temporeich erzählter Krimi.
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Der norwegische Opernfan Tom Hartmann muss mit seinem Magazin Konkurs anmelden, aber er hat schon ein neues Projekt ins Auge gefasst: Er plant zusammen mit dem befreundeten Fernsehproduzenten Edward Johnsen alias Eddie Jones die Live-Übertragung von Opernaufführungen in Kinos. Eddie holt Tom vom Flughafen in Nizza ab und fährt mit ihm nach Monaco, wo er dem Finanzamt seinen Hauptwohnsitz vortäuscht. Als der Produzent den Kofferraum seines Maserati öffnet, um Toms Gepäck einzuladen, prallt er zurück und wirft die Klappe wieder zu. Unter dem Vorwand, er habe vergessen, die Winterreifen herauszunehmen, bringt er Tom dazu, sich mit dem Koffer auf den Beifahrersitz zu zwängen.

Nachts kann Tom nicht schlafen. Er vermisst seine Geldbörse. Die könnte ihm während der Fahrt herausgefallen sein und im Auto liegen. Tom nimmt Eddies Schlüssel, geht in die Tiefgarage und öffnet die Zentralverriegelung. Dabei springt auch der Kofferraumdeckel auf – und Toms Blick fällt auf die Leiche einer Frau.

Inzwischen ist auch Eddie aufgewacht. Bei der Toten handelt es sich um Corinne, die Frau des Investors Kees van Delden. Von ihm erwartet Eddie, dass er in das Projekt investieren wird, das er mit Tom zusammen plant. Kees van Delden und Eddies Frau Irene Willum, eine international bedeutende Kunstsammlerin, betreiben International Art Invest, eine Art Investment-Klub, bei dem das Geld der Mitglieder allerdings nicht in Aktien, sondern in Kunstwerke angelegt wird. Durch Irene wiederum lernten Tom und Eddie sich kennen. Sie und Tom sind seit dem Studium in Cambridge eng befreundet: Irene studierte damals Kunstgeschichte, Tom Musik.

Eddie beteuert, er wisse nicht, wie Corinnes Leiche in seinen Kofferraum gekommen sei. Er hatte sie mit in seine Wohnung genommen und war mit ihr ins Bett gegangen. Sie lag auf dem Rücken, und als er sich zwischen ihre Beine kniete, trat sie ihn unvermittelt gegen die Brust. Ein paar weitere Tritte überraschten ihn, dann schlug Eddie zurück, bis er merkte, dass sie tot war. In ihrer Handtasche fand er eine laminierte Karte, aus der hervorging, dass Corinne einen Herzschrittmacher trug. Offenbar war es durch einen Isolationsdefekt oder Elektrodenbruch zu unkontrollierbaren Muskelkontraktionen gekommen, die Eddie als aggressiv missdeutet hatte. Er verließ dann kurz die Wohnung, und als er zurückkam, lag die Tote nicht mehr auf dem Bett.

Auf seinem Handy empfängt Eddie eine MMS mit einem Foto der Leiche in seinem Kofferraum. Jemand will damit Lösegeld erpressen.

Tatsächlich war ein wegen seiner Kleinwüchsigkeit „Bonsai“ genannter Kleinganove in Eddies Wohnung eingebrochen. Als Eddie und Corinne unerwartet hereinkamen, versteckte er sich unter dem Bett und bekam alles mit. Während Eddie dann weg war, nahm er dessen Autoschlüssel, schaffte die Leiche mit dem Aufzug in die Tiefgarage, packte sie in Eddies Maserati und knipste ein Foto.

Bonsai hofft, dass sein Erpressungsversuch gelingt. Eine andere Aktion ging gerade schief. Er sollte mit seinen Kumpanen Maurice und Emil ein knapp einen Meter langes zylinderförmiges Objekt aus Leder bei Kees van Deldens Villa am Cap Ferrat abholen und mit einer Jolle zu der außerhalb der Zollgrenze ankernden Luxusyacht „Regina del Mare“ bringen. Aber die drei Kleinkriminellen gerieten in Seenot. Sie konnten sich zwar selbst an Land retten, verloren aber den ihnen anvertrauten Gegenstand.

Irene Willum freut sich über das Wiedersehen mit Tom. Ein paar Tage nach seiner Ankunft fliegt sie zu einer Vernissage nach Oslo. Der Galerist Philippe Lugol hat im Stadtteil Grünerløkka eine stillgelegte Fabrik in eine Ausstellungshalle umfunktioniert. Unter dem Titel „Gestohlene Kunst und ihre Rahmenbedingungen“ präsentiert er Werke des Künstlers Johan Darre. An den Wänden hängen nur Bilderrahmen mit unbemalten Leinwänden. Etliche davon hat Lugol bereits mit Klebeetiketten als verkauft markiert, als ein großes Paket eintrifft. Es enthält zwei Schaukästen aus Acryl. Darin befinden sich die beiden Hälften einer männlichen Leiche. Jemand hat den nackten Körper exakt in der Mitte der Länge nach zerschnitten, vom Kopfhaar bis zum Gemächt. Bei dem Toten handelt es sich um den 55-jährigen Kunstkritiker Gerhard Elming.

Helen Adler-Nielsen, die Leiterin des Morddezernats in Oslo, beauftragt die Kriminalhauptkommissarin Cathrine Price mit der Leitung der Ermittlungen. Cathrine ist Ende 30 und die Ex-Frau von Tom Hartmann. Die beiden haben eine zwölfjährige Tochter namens Cecilie, und inzwischen ist Cathrine erneut schwanger. Zu Cathrines Team gehören Jens Alm, Harald Falch, Line Bugge und der bei der Polizei jobbende Jurastudent Peter Werring. Bei der Obduktion der mit Formalin konservierten Leiche in Acryl stellt sich heraus, dass Gerhard Elming erfroren ist. Möglicherweise handelt es sich also nicht um Mord, sondern „nur“ um Leichenschändung.

Als Leser wissen wir mehr: Gerhard Elming hatte sich in eine Hütte im Hemsedal zurückgezogen. Dort wurde er überfallen und gezwungen, sich im Freien bei minus 23 Grad splitternackt auszuziehen. Dann spannte ihn der Mörder an Hand- und Fußgelenken in eine vorbereitete Stahlvorrichtung und streckte ihn. Im halb gefrorenen Zustand ließ sich die aufgespannte Leiche dann sauber zerteilen.

Bei der Suche nach dem Täter stoßen Cathrine und ihr Team rasch auf zwei früher erfolgreiche Künstler, die Gerhard Elming durch vernichtende Kritiken ruiniert hatte: Lars Gantelius und Cato Ruud. Handelt es sich um einen Racheakt?

Lars Gantelius wird vermisst. Seine in Sørkedalen lebende Ehefrau Elisabeth befürchtet, dass er sich das Leben genommen hat.

Cato Ruud ist unverheiratet. Seine junge Lebensgefährtin ist frustriert, weil er sich seit einigen Tagen nicht mehr gemeldet und sie mit den beiden kleinen Kindern allein gelassen hat. Die Polizei findet seine im Schnellverfahren plastinierte Leiche im Atelier. Der Künstler kniet nackt am Boden. Man hat ihm die Genitalien abgeschnitten, und in seinem Anus steckt ein Messer. Vorlage für dieses Arrangement ist offenbar ein Bild von Bjarne Melgaard im Astrup-Fearnly-Museum in Oslo. Wie bei Gerhard Elming gibt es keinen Beweis für einen Mord, denn Cato Ruud erlag einem Herzinfarkt.

Nach ihrer Rückkehr aus Olso lädt Irene Willum die Investoren anlässlich der Unterzeichnung von Investitionslizenzen für drei Tage ins Grand-Hôtel du Cap Ferrat ein.

Während sie, ihr Geschäftspartner Kees van Delden, ihr Freund Tom und ihr Ex-Mann Eddie mit den Gästen beim Galadinner sitzen, holen Bonsai, Emil und Maurice die Tote aus Eddies Maserati. Der Fernsehproduzent ließ sich zwar nicht erpressen, zahlte den Gaunern jedoch 20 000 Euro für die Beseitigung der Leiche. Emil hat sich von einem befreundeten Bestattungsunternehmer einen Leichenwagen geliehen. Damit bringen die drei Kleinganoven Corinnes sterbliche Überreste zu Kees van Deldens Villa. Aber sie halten nicht vor dem Portal, sondern neben der Mauer im Dunkeln. Dann lehnen sie eine Leiter gegen die Wand und hieven die Leiche hoch, um sie an den über zwei Meter großen Varanus komodoensis zu verfüttern, den van Delden in einem umzäunten Teil seines Anwesens hält. Die Bestie heißt Shankar. Emil rutscht ab, und bevor ihn die beiden anderen wieder hochziehen können, erwischt ihn der Komodowaran am Bein. Obwohl er erheblich verletzt ist, wagen die drei Kriminellen es nicht, einen Arzt aufzusuchen.

Am nächsten Tag entdeckt der Metzger Mansy Arnould, der regelmäßig Schlachtabfälle für den Komodowaran liefert, in dem Gehege einen menschlichen Fuß mit Goldkettchen. An dem Schmuckstück erkennt Kees van Delden, dass seine Frau Corinne von Shankar gefressen wurde.

Nachdem er von Bonsai die MMS mit dem Foto der Toten im Kofferraum erhalten hat, lädt er Eddie zum Essen ein. Der Produzent nimmt an, dass der Investor über das Projekt reden möchte und fährt erwartungsvoll zu der mondänen Villa. Nach exquisiten Vorspeisen folgt der Hauptgang. Van Deldens Leibwächter Enno und Cyril heben auf ein Zeichen hin die Hauben von den Tellern. Der des Gastgebers ist leer, auf Eddies Teller liegt der gebratene Fuß seiner Geliebten. Er wird gezwungen, davon zu essen. Dann entkleiden die Leibwächter Eddie und tauchen ihn in ein mit Feuerquallen gefülltes Becken. Schließlich bringen sie den Halbtoten zum Meer, werfen ihn ins Wasser und legen seine Kleidung am Strand ab, um einen Selbstmord vorzutäuschen.

Etwa zur gleichen Zeit finden der Krabbenfischer Marvin Hagen und sein Sohn Aksel in in den Schären vor Grimstad die Leiche von Carl Heiberg, eines ehemaligen Filialleiters der Bank Kreissler & Co auf den Jungferninseln. Die Polizei findet heraus, dass Kees van Delden einer der Anteilseigner der Bank ist und dem Vorstand angehört.

Wieder wissen wir als Leser mehr: Carl Heiberg war unheilbar an Krebs erkrankt und bereitete sich in seinem Sommerhaus auf den Suizid vor. Vor seinem Tod wollte er noch ein Geständnis ablegen, denn vor vielen Jahren hatte er schwere Schuld auf sich geladen. Als er unerwartet Besuch von einem der damaligen Mittäter bekam, ahnte er, dass er zum Schweigen gebracht werden sollte. Aber Heiberg gab seine Selbstbestimmung nicht auf. Zunächst verschluckte er einen USB-Stick. In der Hoffnung, dass sich sein unerwünschter Besucher eine Zigarette anzünden würde, ließ er Gas ausströmen. Als das nicht geschah, schüttete er ihm das kochende Kaffeewasser ins Gesicht. Dann floh er – von dem anderen verfolgt – aufs Meer hinaus. Während das Haus explodierte, trieb er auf einer Eisscholle ab, und schließlich ließ er sich ins eiskalte Wasser gleiten.

Durch Zufall findet Tom Hartmann die von Bonsai, Emil und Maurice verlorene und inzwischen am Strand angeschwemmte Lederröhre. Er nimmt sie mit ins Hotel, aber bevor er sich den Inhalt angeschaut hat, wird ihm das Objekt gestohlen. Bei dem Dieb handelt es sich um einen wunderlichen Greis in einer Mönchskutte, der mit einem Einkaufswagen herumzieht, die Mülltonnen durchwühlt und alte Flaschen sammelt. Man nennt ihn Bruder Ospizio. Tom sprach einmal kurz mit ihm und weiß, dass es sich um einen Engländer handelt. Als er ihn nach dem Diebstahl verfolgt, nimmt Ospizio ihn mit in seine Wohnung. Dort schminkt sich der vermeintlich Verrückte ab, und Tom erkennt, dass der Sonderling nicht 80 Jahre alt ist, sondern gut zehn Jahre jünger. Ospizio hat Eddie bei sich. Er fand ihn am Strand und pflegt nun die großflächigen Hautverbrennungen mit Salbe. Vor Toms Augen öffnet er das sorgfältig abgedichtete Rohr: Es enthält das 2008 in Zürich gestohlene Gemälde „Der Knabe mit der roten Weste“ von Paul Cézanne. Ospizio rollt es wieder zusammen, schiebt es in die Röhre zurück und geht damit fort.

Tom wendet sich an Irene. Sie glaubte zunächst, Eddie habe sich das Leben genommen, aber dann erzählte Kees van Delden ihr, seine Frau sei mit Eddie durchgebrannt. Tom will beweisen, dass der Investor lügt, aber als er mit ihr in Bruder Ospizios Behausung zurückkommt, ist der halbtote Fernsehproduzent nicht mehr da. Offenbar wurde er entführt. Während Tom sich noch darüber wundert, wird er von Enno und Cyril vor Irenes Augen überfallen und gewaltsam zu Kees van Delden in die Villa gebracht. Irene folgt den Männern und stellt ihren Geschäftspartner zur Rede.

Van Delden weiß zwar noch immer nicht, wer sie wirklich ist, aber er hat von Eddie erfahren, dass sie die meisten Gemälde im Portfolio von International Art Invest durch Kopien ersetzte. In der Hoffnung, glimpflich davonzukommen, hatte Eddie vor dem Bad mit den Quallen Irene verraten. Noch behält van Delden sein Wissen für sich. Aber Tom, der mit der Lederrolle beim Betreten seines Hotels gesehen wurde, lässt er zu dem Komodowaran ins Gehege sperren. Von dem norwegischen Opernliebhaber werde kaum etwas übrigbleiben, meint er.

Dann klettern er, Irene und die beiden Leibwächter in seinen Hubschrauber. Er fliegt die Maschine persönlich. Sein Ziel ist die Yacht „Regina del Mare“. Sie gehört dem Mafiaboss Tommaso Rizzini, dem er das Gemälde „Der Knabe mit der roten Weste“ beschaffen sollte.

In Sichtweite der Yacht legt Irene einen Hebel um, der die Treibstoffzufuhr unterbricht. Van Delden versucht eine Notwasserung und befiehlt Cyril, Irene zu erschießen. Aber sie wird nicht getroffen. Der Hubschrauber zerbricht auf dem Wasser, und die beiden Leibwächter werden in die Tiefe gerissen. Die Besatzung der Yacht rettet nur Irene und van Delden.

Tommaso Rizzini zeigt van Delden, dass er die Lederröhre inzwischen auch ohne ihn bekam. Aber beim Inhalt handelt es sich um eine Fälschung. Versuchte sein Geschäftspartner, ihn hereinzulegen? Kees van Delden wird mit Riemen auf einen Operationstisch geschnallt. Er wundert sich über den Mann im weißen Kittel, der mit einem Skalpell auf ihn zukommt, weil dieser so aussieht wie der am Cap Ferrat Flaschen sammelnde Verrückte, nur zehn Jahre jünger. Aber es bleibt ihm keine Zeit mehr, darüber nachzudenken.

In dem Augenblick, in dem der Komodowaran über Tom herfallen will, bricht die Bestie zusammen. Endlich wirkt das Rattengift, das Bonsai der Echse kiloweise ins Futter mischte, um Emil zu rächen, der inzwischen an Wundbrand starb. Als er erneut auf die Mauer klettert, um weitere vergiftete Köder ins Gehege zu werfen, sieht er, dass der Komodowaran tot ist. Dann entdeckt er Tom und zieht ihn aus dem Gehege.

Bei der Kriminalhauptkommissarin Cathrine Price setzen im siebten Monat die Wehen ein, und sie bringt im Krankenhaus einen Sohn zur Welt. Aber sie lässt sich auch weiterhin über die Ermittlungen auf dem laufenden halten.

Im Magen von Carl Heiberg wird bei der Obduktion ein USB-Stick gefunden. Darauf sind zwei Ziffernfolgen gespeichert: 12 035 667 589 und 10 115 943 105. Es handelt sich um die Geburtsdaten und fünfstelligen Personennummern der Künstler Cato Ruud und Lars Gantelius.

Der Kunstkritiker Gerhard Elming hinterließ ein Schuldgeständnis. Irene Willum habe ihn nach Nizza eingeladen, heißt es da, und ihn erpresst, die Karrieren von Cato Ruud und Lars Gantelius zu zerstören. Inzwischen hat man auch Gantelius‘ Leiche in der Nähe von Carl Heibergs Sommerhaus aus dem Meer geborgen.

Irene verspricht Tommaso Rizzini, ihn zu dem echten Gemälde zu führen und gibt zu, die Fälschung in Auftrag gegeben zu haben. Der Gangster fliegt mit ihr und zwei anderen Männern im Hubschrauber zu van Deldens Villa am Cap Ferrat.


Wenn Sie noch nicht erfahren möchten, wie es weitergeht,
überspringen Sie bitte vorerst den Rest der Inhaltsangabe.


Tatsächlich erpresste Irene nicht nur Carl Heiberg, sondern auch Cato Ruud und Lars Gantelius. Die beiden Maler, deren Karrieren sie hatte zerstören lassen, mussten für sie Bilder aus dem Portfolio von International Art Invest fälschen. Die Originale verkaufte sie und die Erlöse versteckte sie auf nur ihr bekannten Konten. Kees van Delden ahnte davon nichts. Er wusste auch nicht, wer sie wirklich war und warum sie das alles tat.

Irene Willum heißt eigentlich Anita Holm. Ihre norwegische Mutter war unverheiratet und zog sie allein auf. Empfangen hatte Elina Holm das Kind während einer Indienreise, und zwar von dem englischen Arzt Ira Williams, der sich dort für ein Entwicklungshilfeprojekt engagierte. Als Anita 1985 in Cambridge zu studieren anfing, starb Elina Holm. Die Kunststudentin nahm daraufhin ein Sabbatical und flog nach Indien, um ihren Vater zu suchen. Sie konnte allerdings nicht zu ihm, denn er war in einem umkämpften Krisengebiet in Kaschmir im Einsatz.

Anita schloss sich in Varanasi am Ganges dem Guru Mahadev an. In dessen Ashram lebten zu dieser Zeit auch Carl Heiberg, Gerhard Elming, Cato Ruud und Lars Gantelius unter den Namen Cole, Danish, Dylan und Garry. Diese vier Männer hielten Anita eines Tages fest, während der Guru sie vergewaltigte. Anschließend fielen sie ebenfalls der Reihe nach über sie her.

Bevor Anita den Ashram verließ, steckte ihr ein Mann namens Philippe Lugol einen belichteten Film aus seinem Fotoapparat zu. Lugol liebte Lars Gantelius und beschattete ihn deshalb. Er beobachtete die Vergewaltigung und knipste unbemerkt Beweisfotos. Anita ließ den Film in einem Fotoladen in Varanasi entwickeln, zeigte die Vergewaltiger jedoch nicht an.

Schließlich ließ sie ihr Gesicht operativ verändern, nahm den Namen Irene Willum an und zog in ein von der Mutter geerbtes Haus am Cap Ferrat. Im Lauf der Jahre arbeitete sie sich zur international bedeutenden Kunstsammlerin hoch. Gerhard Elming, Cato Ruud und Lars Gantelius erpresste sie mit den Fotos von der Vergewaltigung und demütigte sie so, wie sie von ihnen gedemütigt worden war. Kees van Delden suchte sie gezielt als engsten Geschäftspartner aus, denn bei ihm handelt es sich um Mahadev. Indem sie die wertvollen Bilder des Portfolios des gemeinsamen Unternehmens International Art Invest durch Fälschungen ersetzte und die Originale auf eigene Rechnung verkaufte, rächte sie sich an ihm.

Auf Kees van Deldens verwaistem Anwesen führt Irene ihre Begleiter in ein Gewölbe unter dem Gehege des toten Komodowarans. Dort stoßen sie auf Eddie. Er liegt leblos am Boden, atmet aber noch.

Irene wunderte sich schon während des kurzen Flugs über den Mann neben ihr, der wie Bruder Ospizio aussieht. Er bleibt allein mit ihr zurück. Dann erhält er von Tommaso Rizzini telefonisch den Auftrag, sie zu töten. Als Erstes injiziert er ihr ein Beruhigungsmittel. Sie erkennt das Medaillon an seiner Halskette und fragt, ob seine Tochter Anita hieß. Er hat inzwischen bereits eine Spritze mit Kaliumchlorid aufgezogen, wartet nun aber mit der zweiten Injektion, denn er hofft, dass Irene ihm etwas über Anita berichten kann.

Bei dem Mann, der sich am Cap Ferrat als Flaschensammler ausgab, handelt es sich um den englischen Chirurgen Ira Williams. Als er 1985 durch einen Brief erfuhr, dass seine Tochter in einem Ashram vergewaltigt worden war, eilte er von Kaschmir nach Varanasi. Die Assistentin des Gurus erklärte ihm, er befinde sich an einem heiligen Ort, an dem niemand vergewaltigt worden sei, und Anita war spurlos verschwunden. Mit einem Foto seiner Tochter ging Ira Williams herum, bis er auf den Besitzer eines Fotogeschäfts traf, der Anita erkannte und ihm Abzüge einiger der Fotos aushändigte, die sie bei ihm hatte entwickeln lassen. Damit ging Williams zur Polizei. Guru Mahadev wurde des Landes verwiesen, die anderen vier Männer waren bereits abgereist. Vor einiger Zeit erkannte Williams den verbrecherischen Guru auf einem Zeitungsfoto wieder und erfuhr auf diese Weise, dass der Vergewaltiger unter dem Namen Kees van Delden am Cap Ferrat lebte. Daraufhin zog er dorthin, schminkte sich zehn Jahre älter, streifte eine Kutte über, gab sich als wunderlicher Alter und durchsuchte die Mülltonnen. Er trug alle Informationen zusammen, die er über Kees van Delden finden konnte und stieß schließlich auch auf dessen Geschäftsbeziehung mit Tommaso Rizzini. Den informierte er über van Deldens Vergangenheit, und mit der Hilfe des Mafiabosses gelang es ihm, auch die vier weiteren Männer ausfindig zu machen, die seine Tochter vergewaltigt hatten. Gerhard Elming, Cato Ruud und schließlich auch Kees van Delden tötete er selbst. Carl Heiberg und Lars Gantelius starben ohne sein Zutun.

Während Anita alias Irene auf dem Boden kniet und Ira Williams mit der Spritze in der Hand neben ihr steht, dringen Tom Hartmann und Philippe Lugol in das Gewölbe ein. Carl Heiberg hatte sich vor seinem Tod dem norwegischen Galeristen anvertraut, und dieser war aus Sorge um seine Investitionen bei International Art Invest zur Côte d’Azur geflogen. Auf der Straße las er Tom Hartmann auf, und der brachte ihn dazu, mit ihm auf Kees van Deldens Anwesen vorzudringen.

Bei einem Zwischenstopp in Paris hatte Lugol seine Mutter besucht und eine alte Armeepistole seines Vaters mitgenommen. Die richtet er jetzt auf Williams, während dieser Tom gepackt hat und ihm die Injektionsnadel der mit Kaliumchlorid gefüllten Spritze an den Hals hält. Anita gibt sich zu erkennen. Sie habe sich auf ihre Weise an den Vergewaltigern gerächt, sagt sie und beklagt sich darüber, dass ihr neues Leben durch das Eingreifen ihres Vaters zerstört wurde. Da rammt Ira Williams sich die Injektionsnadel selbst in den Hals und drückt den Kolben bis zum Anschlag durch. Er stirbt innerhalb weniger Minuten.

Bevor Anita alias Irene das Cap Ferrat verlässt, um anderswo neu anzufangen, fordert sie Tom auf, sie zu begleiten, aber er lässt sich nicht darauf ein.

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In dem Kriminalroman „Leiche in Acryl“ nimmt der norwegische Komponist, Operntenor, Schauspieler und Schriftsteller Østein Wiik (* 1956) Gurus und Ashrams, die Kunstszene, Spekulanten und Steuerbetrüger aufs Korn.

Ein lange zurückliegendes Verbrechen wirkt sich bis in die Gegenwart aus und kostet nun mehrere Menschen das Leben. „Leiche in Acryl“ ist nicht zuletzt ein Rachethriller.

Die komplexe, in Indien, Norwegen und vorwiegend an der Côte d’Azur spielende Geschichte ist unrealistisch. Vieles bleibt unplausibel, und an einigen Stellen nimmt Østein Wiik den Zufall zu Hilfe, um die Handlung weiterzuführen. „Leiche in Acryl“ soll wohl auch nicht mehr sein als ein spannender, temporeich erzählter Krimi.

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Inhaltsangabe und Rezension: © Dieter Wunderlich 2013

Inger-Maria Mahlke - Rechnung offen
Inger-Maria Mahlke entwickelt das Geschehen in "Rechnung offen" im ständigen Wechsel zwischen den Romanfiguren. Sie versucht nicht, den inneren Beweggründen der Charaktere nachzuspüren, sondern beschränkt sich bewusst auf das von außen Sichtbare und beobachtet den Mikrokosmos dabei ebenso genau wie scheinbar gefühllos.
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Mehr als zwei Jahrzehnte lang las ich rund zehn Romane pro Monat und stellte sie dann mit Inhaltsangaben und Kommentaren auf dieser Website vor. Zuletzt dauerte es schon einen Monat, bis ich ein neues Buch ausgelesen hatte. Aus familiären Gründen reduziere ich das Lesen und die Kommunikation über Belletristik.