Anton Tschechow : Die Dame mit dem Hündchen

Die Dame mit dem Hündchen
Originalausgabe: Dezember 1899 Die Dame mit dem Hündchen Übersetzung: Hertha von Schulz Diogenes Verlag, Zürich 1976 ISBN: 3-257-20266-0, 397 Seiten Übersetzung: Barbara Conrad Essay: Bernhard Schlink Bilder: Hans Traxler Insel Verlag, Berlin 2017 ISBN 978-3-458-17734-0, 65 Seiten
Buchbesprechung

Inhaltsangabe

Während eines Kuraufenthalts in Jalta hat Dmitrij Dmitric Gurow eine Affäre mit Anna Sergeevna. Beide sind unglücklich verheiratet, er in Moskau, sie in der Provinzstadt S. Als Anna von ihrem erkrankten Mann zurückgerufen wird, scheint es ein Abschied für immer zu sein, aber Gurow kann die Dame mit dem Hündchen nicht vergessen und reist nach S., um sie wiederzusehen ...
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Kritik

Gesellschaftliche Konventionen werden in "Die Dame mit dem Hündchen" als verlogene Fassaden angeprangert. Sie machen die Menschen unglücklich. Wahre Gefühle gibt es nur, wo kein Zwang besteht.
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Es hieß, auf der Strandpromenade sei ein neuer Kurgast aufgetaucht – eine Dame mit einem Hündchen. (Seite 250)

Dmitrij Dmitric Gurow hält sich seit fast zwei Wochen zur Kur in Jalta auf, als ihm eine Dame auffällt, die seit einigen Tagen allein mit einem weißen Spitz spazieren geht. Weil niemand ihren Namen kennt, redet man von ihr als der „Dame mit dem Hündchen“.

Wenn sie ohne ihren Mann und ohne Bekannte hier ist, überlegte Gurow, sollte man eigentlich ihre Bekanntschaft machen. (Seite 250)

Gurow ist noch keine vierzig Jahre alt. Er wurde früh verheiratet, im zweiten Semester seines Studiums, und lebt mit seiner ungeliebten Frau, der zwölfjährigen Tochter und zwei Söhnen, die aufs Gymnasium gehen, in Moskau. Eigentlich ist er Philologie, aber er arbeitet in einer Bank und besitzt in Moskau zwei Häuser.

Eines Tages setzt die Dame mit dem Hündchen sich in einem Restaurant an den Nachbartisch. Gurow nutzt die Gelegenheit, den Spitz herbeizulocken und mit ihr ins Gespräch zu kommen. Sie verlassen das Restaurant gemeinsam und gehen spazieren. Anna Sergeevna ist zweiundzwanzig Jahre alt und stammt aus St. Petersburg, aber seit zwei Jahren wohnt sie mit dem Mann, mit dem sie ebenso lang verheiratet ist, in der Provinzstadt S. Ihr Mann ist bei einer Verwaltung beschäftigt, aber Anna kann weder sagen, bei welcher Behörde, noch kennt sie die Art der Tätigkeit. Seit fünf Tagen ist sie in Jalta. Ihr Mann, erzählt sie, werde sie in einem Monat abholen.

Gurov und Anna promenieren jeden Tag gemeinsam. Nach einer Woche küsst er sie und drängt sie, ihn mit in ihr Zimmer zu nehmen. Danach befürchtet Anna, dass er sie nicht mehr achten werde.

„Womit könnte ich mich je rechtfertigen? Ich bin eine schlechte, gemeine Frau, ich verachte mich und denke gar nicht an Rechtfertigung. Ich habe nicht meinen Mann betrogen, sondern mich selbst.“ (Seite 256)

Statt nach Jalta zu reisen, schickt ihr Mann einen Brief, in dem er sie bittet, so rasch wie möglich zurückzukommen, denn seine Augen seien erkrankt.

Wenn Sie noch nicht erfahren möchten, wie es weitergeht,
überspringen Sie bitte vorerst den Rest der Inhaltsangabe.

Zunächst denkt Gurow, es habe sich nur um eine seiner vielen Affären gehandelt, aber dann stellt er fest, dass er die Frau mit dem Hündchen nicht vergessen kann. Einige Wochen nach dem Kuraufenthalt in Jalta sagt er seiner Frau in Moskau, er habe in St. Petersburg zu tun und reist nach S.

Unschwer findet er das Haus, das Annas Ehemann Herrn von Diederitz gehört. Auf einen glücklichen Zufall hoffend, geht er davor auf und ab, aber Anna taucht nicht auf. Nur den weißen Spitz sieht er kurz. Am Abend geht er zu einer Aufführung der Operette „Die Geisha“ von Sidney Jones ins Theater. Anna kommt mit ihrem Mann. Als dieser seine Frau in der Pause allein lässt, um zu rauchen, nähert Gurow sich ihr. Sie erschrickt und läuft davon, aber er folgt ihr und küsst sie im Treppenhaus, obwohl zwei Gymnasiasten zuschauen. Damit Gurow sie loslässt, schwört Anna, sie werde ihn in Moskau besuchen.

Unter dem Vorwand, wegen eines Frauenleidens einen Professor zu konsultieren, fährt Anna alle zwei, drei Monate nach Moskau und nimmt sich ein Zimmer im Hotel „Slavischer Bazar“. Sobald Gurow durch einen Boten von ihrer Ankunft erfährt, besucht er sie dort. Er führt ein Doppelleben, und weil er das tut, nimmt er dies auch von den anderen Menschen an, denen er begegnet. Ist das gesamte gesellschaftliche Leben bloß eine Fassade?

Als er sich in einem Wandspiegel des Hotelzimmers sieht, stellt er fest, dass er gealtert und hässlich geworden ist. Er wundert sich darüber, was die Frauen noch an ihm finden. Aber er liebt Anna und träumt davon, dass sie sich beide von den gesellschaftlichen Zwängen befreien können und eine gemeinsame Zukunft vor sich haben.

Und es schien, als könnte es nicht mehr lange dauern, bis die Lösung gefunden sein und ein neues, wunderschönes Leben beginnen würde; und beide begriffen sehr gut, dass es bis zum Ende noch sehr, sehr weit war und die größten Schwierigkeiten und Komplikationen noch vor ihnen lagen. (Seite 271)

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Die Erzählung „Die Dame mit dem Hündchen“ wurde im Dezember 1899 in der bürgerlich-liberalen Monatszeitschrift „Russkaja mysl'“ (Russisches Denken) veröffentlicht. Anton Tschechow erzählt die Handlung in einem minimalistischen Stil, aufs Notwendige reduziert. Gesellschaftliche Konventionen werden als verlogene Fassaden angeprangert. Sie machen die Menschen unglücklich. Wahre Gefühle gibt es nur, wo kein Zwang besteht.

Die Dame mit dem Hündchen zählt zu den schönsten und künstlerisch vollendeten Prosawerken Tschechows. Die Erzählung beginnt unvermittelt und endet offen, mit einem hoffnungsvollen Blick Gurows und Annas in die Zukunft. Natur und Mensch werden lebendig, indem der Autor nur charakteristische Details hervorhebt und mit wenigen Strichen entscheidende Momente im Leben seiner Figuren festhält. (Harenbergs Lexikon der Weltliteratur, Dortmund 1989, Band 2, Seite 683)

Die Erzählung „Die Dame mit dem Hündchen“ von Anton Tschechow inspirierte Alexander Adabachian und Nikita Michalkov zu dem Film „Schwarze Augen“.

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Inhaltsangabe und Rezension: © Dieter Wunderlich 2010
Textauszüge: © Winkler Verlag / Verlag Rütten & Loening

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Mehr als zwei Jahrzehnte lang las ich rund zehn Romane pro Monat und stellte sie dann mit Inhaltsangaben und Kommentaren auf dieser Website vor. Zuletzt dauerte es schon einen Monat, bis ich ein neues Buch ausgelesen hatte. Aus familiären Gründen reduziere ich das Lesen und die Kommunikation über Belletristik.