Heinrich Steinfest : Die Haischwimmerin

Die Haischwimmerin
Die Haischwimmerin Originalausgabe: Piper Verlag, München 2011 ISBN: 978-3-492-05407-2, 351 Seiten
Buchbesprechung

Inhaltsangabe

20 Jahre nachdem Ivo Berg und Lilli Steinbeck sich aufgrund eines traumatischen Ereignisses getrennt haben, erhält der renommierte Baumpfleger den Auftrag, einem Bremer Pharmakonzern ein Exemplar der Dahurischen Lärche zu beschaffen, in deren Zapfen eine vielversprechende Substanz vermutet wird. Ivo fliegt nach Ochotsk und macht sich mit einer Gehörlosen und einem 13-jährigen Jungen auf die Suche. In der unterirdischen Verbrecherstadt Toad's Bread trifft er zufällig Lilli wieder, die Polizistin geworden ist und nach einem Serienmörder fahndet ...
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Kritik

"Die Haischwimmerin" ist eine abgedrehte Groteske. Mit überbordender Fantasie, viel Humor und Sprachwitz erzählt Heinrich Steinfest eine surreale Abenteuergeschichte: Unterhaltung auf literarischem Niveau.
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Ivo Berg und Lilli Steinbeck lernen sich Ende der Achtzigerjahre in Rom kennen. Der 22-Jährige, der dort mit seinen aus der Steiermark stammenden Eltern lebt, die in der italienischen Hauptstadt ein Import-Export-Geschäft betreiben, verliebt sich auf den ersten Blick in die Studentin. Allerdings kann er sie gar nicht sehen, denn als Folge einer unspezifischen Krankheit, die er sich im Jahr zuvor in Pakistan zugezogen hatte, verkrampfen sich noch immer seine Lider. Lilli ist Wienerin; sie setzte in Rom ihr in Mailand begonnenes Kriminalistik-Studium fort.

Beim Sex weigert Lilli sich, zu verhüten. Als sie nach fünf Monaten schwanger ist, will sie weg aus Rom und überredet Ivo, der die Augen inzwischen wieder normal öffnen kann, mit ihr nach Giesentweis bei Stuttgart zu ziehen, wo sie überraschenderweise von Marlies Kuchar, einer Cousine ihres Großvaters, ein kleines Haus geerbt hat.

Weil die Zufahrt zum Haus verschneit ist, bringt der Notar das Paar in ein Hotel. Während Lilli sich wie immer früh ins Bett legt, kann Ivo nicht schlafen und geht noch einmal in den Gastraum hinunter. Dort setzen sich drei Betrunkene zu ihm an den Tisch, nötigen ihm ein Bier auf und provozieren ihn. Einer von ihnen schlägt Ivo auf den Hinterkopf. Da besinnt Ivo sich auf eine in China erlernte Kampfkunst und streckt den Angreifer nieder, indem er ihn mit einer besonderen Technik anbläst.

Der Hotelier duldet keine Prügelei in seinen Räumen. Deshalb zwingen die Kerle Ivo, mit ihnen ins nahe Hallenbad zu gehen. Einer von ihnen ist Bademeister und hat deshalb Schlüssel. Etwa 20 junge Männer und Frauen schließen sich der Gruppe an. Bis auf Ivo ziehen sich alle nackt aus. Ivo verdrückt sich in den unbeleuchteten Teil der Anlage – und sieht dort einen Jungen hängen. Weil seine Hand zwischen Hals und Seil eingeklemmt ist, könnte er noch leben. Ivo erreicht ihn über eine Kletterwand, und es gelingt ihm, den Selbstmörder aus der Schlinge zu befreien. Erst jetzt wird ihm klar, dass er den Jungen nicht während des Hinunterkletterns tragen kann. Es bleibt ihm nichts anderes übrig, als ihn aus sieben Metern Höhe auf eine Matte fallen zu lassen. Sobald Ivo auch selbst wieder am Boden ist, ruft er die Nackten zu Hilfe.

Der Notarzt bringt den Jungen ins Krankenhaus der nächsten Stadt. Es handelt sich um Moritz, einen 15-Jährigen, der sich wegen Schulproblemen das Leben nehmen wollte. Die Ärzte retten ihn, aber sein Gehirn ist durch den Sauerstoffmangel irreversibel geschädigt.

In der Klinik fällt Ivo eine Designer-Jacke auf. So eine besitzt auch Lilli. Das Kleidungsstück ist blutgetränkt. Tatsächlich gehört es Lilli. Sie war aufgewacht, hatte nach ihm gesucht und war vor dem Hotel von einem Auto erfasst worden. Jetzt liegt sie hier im Krankenhaus. Sie überlebt die Verletzungen, verliert jedoch ihr Kind, und weil sie es ablehnt, sich eine neue Nase machen zu lassen, bleibt ihr schönes Gesicht durch eine Klingonennase entstellt.

Lilli beendet die Beziehung mit Ivo. Als sie wieder laufen kann, schließt sie ihr Studium in Wien ab und geht dann zur Polizei.

Man wäre sofort bereit gewesen, sie fest an die Uni zu binden, aber Lilli wollte unbedingt zur Polizei. Sie sagte, sie habe nicht die Tierwelt der Ozeane studiert, um dann ein Aquarium zu betreuen, sondern natürlich, um neben den Haien zu schwimmen. Und wenn nötig, das Bild über selbige zu revidieren. Oder das über die Delfine.

Schon mit 30 übernimmt sie die Leitung einer Sondereinheit für Entführungsfälle. Lilli adoptiert ein rumänisches Mädchen namens Sarah, wechselt zur deutschen Polizei und zieht dann mit ihrer Adoptivtochter nach Athen.

Ivo blieb in Giesentweis. Er wollte das Haus mieten, das Lilli von Marlies Kuchar geerbt hatte, aber seine Ex-Freundin schenkte es ihm. Zwei Jahre später begegnete er Eila Freifrau von Wiesensteig, der 70-jährigen Präsidentin des „Vereins zur Förderung der Freiheit im Kopfe und im Geiste“, die in Stuttgart lebte und in Giesentweis ein Sommerhaus besaß.

„Sie haben Hände für Bäume“, sagte die Freifrau.
„Finden Sie?“ zeigte sich Ivo verwundert und schaute auf seine Hände hinunter. „So breit finde ich sie gar nicht.“ Er hatte nämlich „Hände wie Bäume“ verstanden. Wurde nun aber darüber aufgeklärt, dass das Freifräulein befand, seine Hände seien von jener Gestalt und Form, die sich zur Pflege von Bäumen und Sträuchern eigne.
„Woran erkennen Sie das?“
„Ausschlussverfahren“, sagte Eila von Wiesensteig. „Ich sehe, wofür Ihre Hände alles nicht geeignet sind, um jetzt beispielsweise das Klavierspiel, die Feinmechanik und die Betreuung von Kleinkindern zu erwähnen. Was bleibt, ist die Pflege von Bäumen.“

So kam es, dass Ivo Baumpfleger wurde. Er gilt als Koryphäe und erhält Aufträge aus ganz Deutschland. Nur in Giesentweis wird er weiterhin ausgegrenzt. Seine Arbeit besteht darin, mit Bäumen zu reden.

Besser gesagt, sich mit Bäumen herumzustreiten. Denn entgegen der landläufigen Vorstellung von der Gutmütigkeit pflanzlicher Existenzen waren vor allem die bäumlichen Wesen mit einer widerspenstigen, von Sturheit und Eigensinn bestimmten Natur ausgestattet, die mal mehr und mal weniger intelligent daherkam.

20 Jahre nach Lillis Unfall nimmt das Pharmaunternehmen NOH in Bremen mit Ivo Kontakt auf. Er soll der Forschungsabteilung einen Baum besorgen, ein Exemplar der Dahurischen Lärche (Larix gmelinii), in deren Zapfen die Wissenschaftler eine hochwirksame Substanz vermuten.

Nachdem Ivo den Vertrag unterschrieben hat, fliegt er nach Warschau, wo ihm ein Kontaktmann Tickets für die Weiterreise über Moskau und Chabarowsk nach Ochotsk an der Nordwestküste des Ochotskischen Meers aushändigt. Dort holt ihn ein 13-jähriger Junge namens Spirou vom Flugzeug ab, der seine Eltern nie gesehen hat und bei einer Tante aufwuchs. Spirou bringt Ivo zu Professor Oborin, einen Wissenschaftler Anfang 60. Der Physiker, Mathematiker und Astronom installiert unermüdlich alte Telefonapparate. Wobei „installieren“ eher wie in der Kunst gemeint ist, denn die Leitungen enden in Brotlaiben und anderen Gegenständen.

Manche der Kabel mündeten abschlusslos im Mauerwerk oder in Kartoffeln oder Zwiebeln, andere in Bodenlöchern oder in mit Erde gefüllten Töpfen.

Ivo gewinnt den Eindruck, dass Oborin vorgibt, mit Verstorbenen oder Außerirdischen kommunizieren zu können. Er fragt:

„Soll das heißen, Sie telefonieren mit den Toten?“
„Ich lege Leitungen, das ist alles“, verhielt sich Oborin reserviert.

Professor Oborin hat noch keine Lärche gesehen. Er hat nur gehört, dass der Mann, der einen Lärchenzapfen nach Europa schickte, um mit dem Pharmaunternehmen NOH ins Geschäft zu kommen, ermordet wurde. Der Forscher verweist Ivo an Lopuchin, den inoffiziellen Machthaber von Ochotsk.

Lopuchin erlaubt Ivo nur unter einer Bedingung im Dschugdschur nach Lärchen zu suchen. Ivo muss ihm versprechen, einen bestimmten Gegenstand mitzubringen, den Lopuchin offenbar in Toad’s Bread zurücklassen musste. Die Russen hatten dort ein Loch in die Erde gebohrt und in 60 Metern Tiefe eine künstliche Höhle angelegt, die vermutlich als Bunker für die militärische und politische Nomenklatura gedacht war. Die Energieversorgung und das Entlüftungssystem waren bereits fertig, als der russische Arbeiter- und Bauernstaat das Projekt aufgab. Später entdeckten ausgebrochene Häftlinge das Loch und versteckten sich dort. Im Lauf der Zeit entstand eine unterirdische Verbrecherrepublik. Der Name „Toad’s Bread“, Krötenbrot, ist ein Synonym des Begriffs Fliegenpilz (Amanita muscaria), und das ist kein Zufall: Die 40 000 Bewohner ernähren sich von frischen bzw. getrockneten Fliegenpilzen, die offenbar in der unterirdischen Stadt in ausreichender Menge gezüchtet werden.

Zum Abschied schlägt Lopuchin seinem Besucher unvermittelt mit einem stacheligen Ring ins Gesicht. Davon werden fünf kreisförmig angeordnete Narben bleiben. Der selbsternannte Zar erklärt Ivo, dieses Mal sei eine gute Tarnung, denn man werde ihn wegen des bekannten Zeichens für einen Feind Lopuchins halten, und das könne ihm zwar in Ochotsk gefährlich werden, verschaffe ihm jedoch außerhalb der Stadt Sympathien.

Wochenlang muss Ivo warten, bis das Wetter einen Aufbruch ins Gebirge zulässt. Spirou und Galina Oborin, die Tochter des Professors, begleiten ihn. Galina ist ein attraktives Mädchen, das allerdings kein Wort spricht und angeblich gehörlos ist. Während seines Aufenthalts bei Oborin sah Ivo sie zumeist von hinten, denn sie stand jeden Tag am Herd und kochte Suppe.

Vor einer Berghütte im Dschugdschur stoßen Ivo, Galina und Spirou auf eine ausgelassene Jagdgesellschaft: vier Touristen aus USA, Australien bzw. Deutschland, ein einheimischer Führer und dessen Helfer. Sie jagen Schneeschafe.

Das Problem der Gesellschaft ist sicher, dass immer die falschen Leute sich in Therapie begeben. Denn allein die Einsicht in die Therapienotwendigkeit würde ja bereits genügen. Aber selbige Einsicht ist eine verirrte Kugel.
Diese Männer, die jetzt näher kamen, würden in tausend Jahren keine Therapie machen. Eher würden sie die Schafe zum Arzt schicken. Freilich konnte kein Arzt der Welt jenen vier Exemplaren noch helfen, deren abgetrennte Schädel von einem waagrecht geschulterten Stab hingen.

Die Männer, die Galina begehrlich ansehen, drängen die drei Neuankömmlinge, ihr Zelt neben der Hütte aufzuschlagen und den Abend mit ihnen zu verbringen. Widerstrebend lässt Ivo sich darauf ein. Aber als der inzwischen betrunkene Tourist aus Baden-Baden Galina belästigt und Ivo ihn davon abhalten will, kommt es zum Streit.

Am nächsten Morgen brechen Ivo, Galina und Spirou auf, bevor die Jäger ihren Rausch ausgeschlafen haben. Dennoch holen die Männer sie bald darauf ein, schießen auf sie und verstellen ihnen den Weg. Der Australier schickt sich an, Ivo eine Kugel in die Wade zu jagen. Da zieht Galina eine Pistole aus ihrem Pullover und schießt dem Angreifer mit den Worten „only a hunter!“ ins Bein.

Das war dreifach eine Überraschung. Erstens, weil Galina eine Waffe mit sich führte. Zweitens dadurch, dass sie ganz offensichtlich die Matrix-Trilogie kannte, wenigstens den ersten Film. Vor allem aber, indem sie, drittens, entgegen der allgemeinen Annahme, sie sei taubstumm, absolut in der Lage war, laut und deutlich und noch dazu mit einer hübschen Stimme zu sprechen, zumindest Englisch.

Während die Jäger sich um den Verletzten kümmern, wandert Ivo mit seinen Gefährten weiter. Sie stoßen auf einen unglaublich dicken Mann, der auf einer Sänfte getragen wird. Es handelt sich um den Griechen Spiridon Kallimachos, der als Schamane einer Gruppe separatistischer Ewenken fungiert und jetzt ebenfalls auf dem Weg nach Toad’s Bread ist. Er sei Detektiv und von einer befreundeten Polizistin aus Österreich gerufen worden, erklärt er Ivo, denn in der Verbrecherrepublik, in der es strengstens verboten ist, einen Menschen zu töten, treibe ein Serienmörder sein Unwesen.

Etwa zur gleichen Zeit lassen sich die Kriminologin Lilli Steinbeck, die es nach Toad’s Bread verschlagen hat, und ihr aus Japan stammender Kollege Yamamoto im Obduktionsraum der Gerichtsmedizin die Leiche einer ermordeten Frau zeigen. Es ist die vierte Tote, bei der eine Fellpuppe (Ongghot) gefunden wurde, wie Schamanen sie verwenden. In jeder Puppe war ein Fläschchen mit einer klaren Flüssigkeit versteckt. Auf der Innenfläche einer Hand der vor Lilli und Yamamoto liegenden Toten ist der Abdruck eines Lärchenzapfens erkennbar. Offenbar umklammerte sie ihn, als sie starb. Bei zwei anderen Leichen stellten die Ermittler Spuren von Baumharz fest.

Lilli und Yamamoto finden heraus, dass sich die zuletzt Ermordete des Öfteren mit einem ungarisch sprechenden Mann in der Kneipe Su lyesi – das bedeutet Herrin des Wassers – traf. Bei dem Gesuchten handelt es sich um den Zahnarzt Dr. Lajos Richter. Als die Polizistin und ihr Kollege in seine Praxis eindringen, überraschen sie ihn bei einer Unterredung mit einer Dame, die wie Lilli Haute Couture trägt – und sofort schießt. Bevor die Ermittler zu ihren Waffen greifen können, werden sie durch Pfeile betäubt.

Als Lilli wieder zu sich kommt, trägt sie Handschellen. Die Dame, die sich als Veronique Fontenelle vorstellt, nimmt ihr diese sogleich ab. Dr. Richter habe Yamamoto bereits freigelassen, sagt sie, allerdings vorher durch Hypnose die Erinnerung des Japaners an den Vorfall gelöscht. Mit Lilli hat Veronique etwas anderes vor. Sie möchte ihr den geheimen Lärchenwald unterhalb der Stadt zeigen, von dessen Existenz nur wenige Bewohner etwas wissen.

Auf dem Weg dorthin erklärt Veronique, dass die Lärchenzapfen eine klare Flüssigkeit ausscheiden, mit der Schädlinge und Fressfeinde abgehalten werden. Die Substanz enthält ein besonderes Enzym. Leider gelangte eine Probe davon nach Europa und weckte das Interesse der pharmazeutischen Industrie. Veronique möchte jedoch verhindern, dass der Lärchenwald ausgebeutet wird.

„Wir alle in dieser Stadt sind Verbrecher, keine Frage, aber nicht so schlimme Verbrecher, als dass wir auf die Idee kämen, ein Pharmaunternehmen zu gründen. Schließlich verfügen wir ebenso wenig über Banken und Versicherungen.“

Aus dem Lärchenwald stammen die Fliegenpilze, mit denen die Bewohner von Toad’s Bread versorgt werden. Sie zu sammeln, ist Frauen vorbehalten. Alle vier ermordeten Frauen waren Pilzesammlerinnen. Offenbar hatte jede von ihnen versucht, Proben aus dem Lärchenwald – Rinde, Harz, Nadeln, Zapfen, Absonderung der Zapfen – hinauszuschmuggeln. Eine von ihnen gab das Material an einen Mann in Ochotsk weiter, der jetzt tot sein soll.

Die Puppen, die bei den ermordeten Pilzesammlerinnen gefunden wurden, stammen aus der Werkstatt des Puppenmachers Giuseppe Tyrell. Er sagt aus, er habe einen ganzen Karton an einen Russen aus Ochotsk verkauft. Er kennt zwar den Namen des Mannes nicht, gibt Lilli jedoch Fotos aus der Überwachungskamera mit.

Am nächsten Morgen kommt Lilli sich wie in einem Schwarz-Weiß-Film vor: Aus unerklärlichen Gründen verschwinden in Toad’s Bread hin und wieder alle Farben.

Sie und Yamamoto begeben sich zur Wohnung einer Polin mit dem Namen Jola Fox, die den Puppenkäufer beherbergt haben soll. Die Frau wird gerade gefoltert.

In der Mitte des Zimmers stand ein Tisch, darauf ein Metalleimer, darüber gebeugt eine nackte Frau, die an Händen und Füßen gefesselt war und deren Haut und Haare von Feuchtigkeit glänzten.

Der Russe, er heißt Romanow, schießt Jola Fox in den Hinterkopf und zielt dann auf Lilli, aber im Augenblick des Abdrückens wird er von einem Betäubungspfeil aus Yamamotos Waffe getroffen, und Lilli bleibt unverletzt. Obwohl der Mörder noch weitere Pfeile abbekommt, bricht er nicht zusammen, sondern springt durchs geschlossene Fenster und stürzt fünf Stockwerke tief mitten unter spielende Kinder, von denen glücklicherweise keines zu Schaden kommt.

Durch Zufall laufen Ivo und Lilli sich über den Weg. Nachdem Ivo seiner früheren Lebensgefährtin berichtet hat, welche Aufträge er ausführt, nimmt sie ihn, Spirou, Galina und Spiridon Kallimachos mit zu Veronique Fontenelle und bittet die Leiterin des Lärchenwaldes um eine Führung.

Ivo klettert auf einen schlecht gelaunten Baum und findet in der Krone eine Klappe im Stamm. Dem Versteck entnimmt er eine Schatulle. Zurück am Boden, öffnet er sie. Sie scheint leer zu sein. Aber Dr. Ritter, der in diesem Augenblick dazukommt, rät ihm, etwas Wasser in die Schatulle zu schütten. Als Ivo das tut, wird ein Ohr sichtbar, kein abgetrenntes Körperteil, sondern ein eigenständiges Geschöpf.


Wenn Sie noch nicht erfahren möchten, wie es weitergeht,
überspringen Sie bitte vorerst den Rest der Inhaltsangabe.


Ritter erzählt der Gruppe, dass das Ohr vor längerer Zeit von einem Pilzesammler gefunden wurde. Der zeigte es Romanow, der es ihm abnahm und ihn ermordete. Er ahnte sofort, dass es sich um etwas Wertvolles handelte. Also tat er sich mit Ritter und Lopuchin zusammen, um es zu verkaufen. Lopuchin, der damals noch in Toad’s Bread lebte, versteckte die Schatulle mit dem Ohr in der Lärche. Kurz darauf wurde er wegen eines Vergehens aus der Stadt gewiesen und fand keine Gelegenheit mehr, das Ohr mitzunehmen. Er brachte es zwar in Ochotsk zu Macht und Einfluss, aber von Toad’s Bread muss er sich fernhalten. Ritter hingegen bewegt sich frei in der unterirdischen Stadt, aber er kannte das Versteck bis jetzt nicht. Romanow stellte über seinen Freund Oborin Kontakte zu Interessenten in Europa her, unter anderem zu dem Pharmaunternehmen, das Ivo beauftragte, eine der Dahurischen Lärchen nach Deutschland zu bringen.

In aller Ruhe zieht Dr. Ritter nun eine Pistole, bei der es sich verbotenerweise um eine Tötungswaffe handelt. Aber die Kugel umfliegt den massigen Leib des griechischen Schamanen und richtet keinen Schaden an. Anders als das Projektil aus Galinas Pistole. Die junge Frau tötet Ritter durch einen Kopfschuss und sagt dazu: „Only a dentist!“.

Nachdem Ivo die Schatulle zur Verwunderung des Baumes ins Versteck zurückgebracht hat, verlassen er und die anderen den Wald. Die Leiche bleibt erst einmal liegen. Um deren Abtransport will Veronique sich später kümmern.

Während es so aussieht, als könnten Galina Oborin und Spiridon Kallimachos ein Paar werden, wollen Ivo und Lilli zurück nach Deutschland, und Spirou freut sich, dass sie ihn mitnehmen.

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Dass „Die Haischwimmerin“ auf dem Cover als „Kriminalroman“ angepriesen wird, ist irreführend. Heinrich Steinfest hat keinen Thriller im herkömmlichen Sinn geschrieben – das erste Mordopfer liegt erst auf Seite 233 in der Gerichtsmedizin –, sondern eine abgedrehte Groteske. Mit überbordender Fantasie, hintersinnigem Humor und funkelndem Sprachwitz erzählt er eine surreale Abenteuergeschichte, die den Eindruck nahelegt, er habe sich selbst mit halluzinogenen Pilzen in einen Rauschzustand versetzt. Dabei sind die Szenen in „Die Haischwimmerin“ so anschaulich und suggestiv, als habe Heinrich Steinfest sie real erlebt.

Die Handlung entwickelt sich chronologisch. Gegliedert ist der Roman „Die Haischwimmerin“ in drei Teile: Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft. Die ersten beiden sind konsequent aus Ivo Bergs Sicht geschrieben, im letzten Abschnitt wechseln sich die Perspektiven Ivo Bergs und Lilli Steinbecks ab.

Heinrich Steinfest erwähnt in „Die Haischwimmerin“ Hak Nam. Tatsächlich erinnert die fiktive Verbrecherstadt Toad’s Bread in Sibirien ein wenig an Hak Nam (Stadt der Dunkelheit) bzw. Kowloon Walled City (ummauerte Stadt) auf der zu Hongkong gehörenden Halbinsel Kowloon. Als Großbritannien 1898 das Gebiet pachtete, blieb das Militärfort auf Kowloon davon ausgenommen. Nach dem Zweiten Weltkrieg geriet Hak Nam unter die Herrschaft der Triaden und entwickelte sich zu einer rechtsfreien Zone. Wegen der geringen Preise und der Steuerfreiheit zogen immer mehr Menschen nach Hak Nam. Die etwa 350 Häuser wuchsen in die Höhe und so eng zusammen, dass sie schließlich wie ein einziger Gebäudekomplex wirkten. Schätzungsweise lebten bis zu 33 000 Menschen auf dem gerade einmal 25 000 Quadratmeter großen Areal. Erst in der zweiten Hälfte der Siebzigerjahre fing die Polizei an, in der Verbrecherstadt durchzugreifen. 1987 beschloss die Regierung von Hongkong, Hak Nam zu räumen. Im März 1993 begann man mit dem Abriss der Gebäude, und zweieinhalb Jahre später wurde der Kowloon Walled City Park eröffnet.

Den Roman „Die Haischwimmerin“ von Heinrich Steinfest gibt es auch in einer gekürzten Version als Hörbuch, gelesen von Markus Boysen (Regie: Margrit Osterwold, Hamburg 2011, 292 Minuten, ISBN 978-3-86952-092-6).

 

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Inhaltsangabe und Rezension: © Dieter Wunderlich 2012
Textauszüge: © Piper Verlag

Heinrich Steinfest (kurze Biografie / Bibliografie)

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Mehr als zwei Jahrzehnte lang las ich rund zehn Romane pro Monat und stellte sie dann mit Inhaltsangaben und Kommentaren auf dieser Website vor. Zuletzt dauerte es schon einen Monat, bis ich ein neues Buch ausgelesen hatte. Aus familiären Gründen reduziere ich das Lesen und die Kommunikation über Belletristik.