Leon de Winter : Malibu

Malibu
Originalausgabe: God's Gym De Bezige Bij, Amsterdam 2002 Malibu Übersetzung: Hanni Ehlers Diogenes Verlag, Zürich 2003 ISBN 3-257-06347-4, 418 Seiten
Buchbesprechung

Inhaltsangabe

Der 47-jährige Niederländer Joop Koopman arbeitet in L. A. als Drehbuchautor. Am 22. Dezember 2000 trifft er sich mit dem früheren Mitschüler Philip van Gelder, der ihn überreden will, einen potenziellen Terroristen für den Mossad zu bespitzeln. Während des Gesprächs erfährt Joop, dass seine Tochter Mirjam auf dem Weg zur Feier ihres 17. Geburtstags verunglückt ist. Joops Leben gerät völlig durcheinander, nicht nur durch den Tod seiner Tochter, sondern auch das Auftauchen Philips und seiner Großnichte Linda, von der er 30 Jahre lang nichts hörte ...
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Kritik

"Malibu" ist eine flott geschriebene Mischung aus Familiendrama, Psycho- und Politthriller. Leon de Winter versteht es sehr gut, die Leser in seinen Bann zu ziehen, Mitgefühl zu evozieren und Spannung aufzubauen.
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Joop Herman Koopman wuchs als Einzelkind in der niederländischen Ortschaft Den Bosch auf. Seine jüdische Mutter Johanna Mirjam de Vries – die von Freunden und Verwandten Anneke genannt wurde – hatte als einziges Mitglied ihrer Familie den Holocaust überlebt. Bei seinem Vater Johannes („Hans“) Koopman handelte es sich um einen atheistischen Mathematiklehrer. Als Joop sechzehn war, kam seine ein Jahr ältere Cousine Linda de Vries zu ihnen, weil ihre Eltern angeblich bei einem Autounfall umgekommen waren. (In Wahrheit hatten sie sich das Leben genommen.) Linda weihte Joop in das Sexualleben ein, und seine Schulnoten wurden immer schlechter. Das ging zehn Monate lang so, bis Hans Koopman die beiden ertappte und Linda am 13. März 1971 in ein Internat nach Harwich in England schickte. Neun Jahre später erlag Hans Koopman auf dem Heimweg von der Schule einem Herzinfarkt.

Joop wurde Drehbuchautor. Auf einem Filmset lernte er 1979 Ellen Meerman kennen, die für die Kostüme zuständig war. Als die ehrgeizige junge Frau 1982 ein Angebot aus Hollywood bekam, zogen sie beide nach Venice, Kalifornien. Am 18. September 1983 heirateten sie. Ellen war damals schon im sechsten Monat schwanger, und ihre Tochter Mirjam Helen kam am 22. Dezember zur Welt. Drei Monate lang stillte Ellen das Kind und blieb in dieser Zeit zu Hause. Danach kümmerte sich Joop um Mirjam. Nach der monatelangen Unterbrechung war es für Ellen nicht einfach, ihre Karriere fortzusetzen. Endlich erhielt sie einen Auftrag für Dreharbeiten in San Francisco. Joop wollte sie dort nach ein paar Tagen überraschen und fuhr mit dem Kleinkind im Auto los, aber in dem Hotel, in dem Ellen ein Zimmer hatte, wartete er vergeblich auf sie. Mitten in der Nacht rief er mit verstellter Stimme ihren Kollegen an und stellte fest, dass sie bei ihm im Zimmer schlief. Daraufhin trennten sie sich. Ellen kehrte in die Niederlande zurück, und Mirjam blieb bei Joop.

Einige Zeit hielt Joop sich unter dem Pseudonym Joe Merchant als Drehbuchautor gut im Geschäft, aber dann blieben die Aufträge aus. Dazu kam, dass er das von seinen Eltern in lebenslanger Arbeit zusammengesparte Vermögen an der Börse verlor, weil die von ihm am 16. März 2000 für 63 Dollar pro Stück erworbenen GlobSol-Aktien inzwischen bloß noch 11 Cents pro Stück wert sind.

Am 22. Dezember 2000 gratuliert Joop seiner Tochter Mirjam zum 17. Geburtstag und schenkt ihr einen in Leder gebundenen Kalender für das Jahr 2001, in dem sie ihr Studium am MIT anfangen will. Anlässlich ihres Geburtstags hat Mirjam sieben Freundinnen in „Bob Morris‘ Paradise Cove Beach Café“ bei Malibu zum Lunch eingeladen. Joop ermahnt sie, keinen Alkohol zu trinken und sich nicht von ihrer besten Freundin Caroline Levi im Porsche mitnehmen zu lassen, denn deren Fahrweise hält er für zu riskant.

Der Siebenundvierzigjährige ist an diesem Vormittag mit Philip van Gelder im „First Motor Inn“ am Santa Monica Boulevard verabredet. Philip war mit ihm in Den Bosch zur Schule gegangen. Joop hatte zwar den Wehrdienst verweigert, doch als 1973 der vierte israelisch-arabische Krieg drohte (Jom-Kippur-Krieg), meldete er sich als Freiwilliger bei der israelischen Botschaft, und in der Warteschlange sah er Philip wieder. Der siedelte 1982, nach dem Studium, ganz nach Israel über. Seitdem hörte Joop nichts mehr von Philip – bis der Israeli ihn kürzlich anrief und sich mit ihm treffen wollte.

Spaßeshalber schlägt Philip Joop vor, aus dem Roman „Der Golem“ von Gustav Meyrink ein Drehbuch zu machen. Dann kommt er auf sein Anliegen zu sprechen: Er arbeitet für den Mossad und benötigt einen vertrauenswürdigen Niederländer in Los Angeles, der mit einem Mann Kontakt aufnehmen soll, den der israelische Geheimdienst für einen Terroristen hält.

Bei dem Verdächtigen handelt es sich um den zweiunddreißigjährigen Omar van Lieshout. Sein Vater Achmed Bajoumi war als einer der ersten Gastarbeiter aus Marokko nach Holland gekommen und hatte in Beverwijk die katholische Fischerstochter Jannie van Lieshout geschwängert. Ein Skandal! Obwohl die Eltern sie hinauswarfen, heiratete Jannie ihren Liebhaber und brachte 1968 einen Sohn zur Welt. Achmed schlug seine Frau, befahl ihr, ein Kopftuch zu tragen und verbot ihr, außer zum Einkaufen das Haus zu verlassen. Als Omar zwei Jahre alt war, lief seine Mutter mit ihm davon und versteckte sich, bis Achmed einen Betriebsunfall hatte und nach einem Krankenhausaufenthalt in sein marokkanisches Dorf zurückkehrte. Jannie schlug sich als Fließbandarbeiterin durch. Omar brach die Schule ab, beteiligte sich an Diebstählen und Einbrüchen, wurde mit vierzehn erstmals von der Polizei aufgegriffen, ließ sich jedoch nicht davon abschrecken und verdiente viel Geld im Drogenhandel. Mit zweiundzwanzig setzte er sich in seinen nagelneuen BMW und fuhr zu seinem unheilbar an Darmkrebs erkrankten Vater. In Marokko fand er seine Wurzeln. Zurück in Holland, lernte er Arabisch und wurde gläubiger Moslem. Seiner Mutter kaufte er einen kleinen Schmuckladen. Im Amsterdam tat er sich mit Islamisten zusammen, 1997 hielt er sich in einem Ausbildungslager im Jemen auf, und im Mai 2000 beobachtete ihn der Mossad bei einem Treffen mit einem Vertrauensmann von Saddam Hussein in London.

Joop, der jedes Risiko verabscheut, hält es für eine verrückte Idee, ihn zum Geheimagenten machen zu wollen, aber Philip versichert ihm, er brauche nichts weiter zu tun, als mit Omar Kontakt aufzunehmen und in auszuhorchen.

Während des Gesprächs klingelt Joops Handy. Auf dem Display liest er die Nummer seiner Tochter, aber nicht Mirjam meldet sich, sondern ein Dr. Robert Hemmings von der Notaufnahme im Cedars-Sinai Medical Center. Mirjam hatte einen schweren Verkehrsunfall auf dem Pacific Coast Highway, und er soll sofort kommen. Joop will es nicht glauben, dass seiner Tochter etwas Schreckliches passiert ist. Dann fällt ihm ein, dass er sie an diesem Morgen ein paar Augenblicke lang heimlich durch die angelehnte Badezimmer betrachtete, als sie duschte. Obwohl er nicht abergläubisch ist, wird er den Gedanken nicht los, er könne dadurch schuld an dem Unheil sein.

Weil die Siebzehnjährige nicht zu retten ist, überredet Dr. Benjamin Pollock den Vater, seine Einwilligung zur Organentnahme zu geben. Wie in Trance unterschreibt Joop das Papier. Die Ärzte halten Mirjams Körperfunktionen noch so lange aufrecht, bis die Transplantation ihres Herzens erfolgen kann; dann schalten sie die Geräte ab.

Mirjam Koopman war am Morgen ihres Geburtstags noch in „God’s Gym“ in Venice, wo sie seit einem Jahr zweimal in der Woche trainierte. Der Besitzer Erroll Washington, den alle wegen seiner kräftigen Statur God(zilla) nennen, nahm sie dann auf seiner Harley Davidson mit, denn Mirjam wollte zu „Bob Morris‘ Paradise Cove Beach Café“ und er hatte einen Termin für ein Privattraining bei einem Schauspieler in Malibu. Auf dem Pacific Coast Highway rutschten God auf einer Ölspur die Reifen weg. Er kam mit dem Schrecken davon, aber Mirjam wurde vor den entgegenkommenden Ford „Explorer“ der Physikprofessorin Elaine Jacobs geschleudert und tödlich verletzt.

Der achtundzwanzigjährige unverheiratete Afroamerikaner God wuchs als eines von drei Kindern auf, die seine Mutter von drei verschiedenen Männern hatte. Elliott, sein ältester Bruder, führte mit zehn seinen ersten Einbruch durch, zwei Jahre später begann er mit bewaffneten Raubüberfällen. God war anders: Er hielt sich von kriminellen Kreisen fern, las Bücher und hörte Mozart, Bach und Schubert. Als er fünfzehn Jahre alt war und mit Elliott auf der Veranda saß, wurde auf sie geschossen. Elliott starb, von sieben Kugeln getroffen; God überlebte seine drei Schussverletzungen. Danach trainierte God seinen Körper und wurde mit siebzehn kalifornischer Jugendmeister im Karate. – Seit dem Unfall am 22. Dezember 2000 versucht er zu begreifen, wie es dazu kommen konnte, und schließlich listet er eine Kette von Ereignissen auf:

Bis vor rund 200 Millionen Jahren existierte nur ein einziger Kontinent auf der Erde. Weil dieser zerbrach und die Bruchstücke sich seither gegenseitig verschieben und verhaken (Plattentektonik) kommt es immer wieder zu Erdbeben, wie zum Beispiel am 17. Januar 1994 in Northridge nordwestlich von Los Angeles an der San-Andreas-Verwerfung. Während des Erdbebens stand ein sechzehn Jahre alter Truck aus dem früheren Fuhrpark der 1945 von Leonard S. Shoen in Ridgefield, Washington, gegründeten „U-Haul Co.“ zur Wartung in einer Werkstatt in Northridge, und bei dem Erdbeben wurde die Ölwanne beschädigt. Den Truck kaufte 1994 die Großbäckerei „Progress“, die der Franzose Yves Pascal 1974 in Los Angeles eröffnet hatte, elf Jahre nachdem seine jüngste Schwester Valérie den zuvor in Deutschland stationierten GI Jim Bailey geheiratet hatte. In der Apotheke neben der „Progress“-Bäckerei in Marina Del Rey besorgte der ehemalige Buchhalter Frank Miller regelmäßig Medikamente für seine Ehefrau Margaret, die am 3. Oktober 2000 mit achtundsiebzigjährig Jahren eine Gehirnblutung erlitten hatte. Am 22. Dezember 2000 stellte er seinen Wagen in die Ausfahrt des Parkplatzes, und weil er in der Apotheke zufällig den früheren Bekannten Leo Banelli traf, achtete er nicht auf das Hupen von Juan Armillo, der mit dem erwähnten Truck vom Parkplatz fahren wollte, um Brot- und Backwaren für das Buffet anlässlich des 65. Geburtstags von Jeremy Swindon in Malibu zu liefern. Kelly Hendel, die Betreiberin des Party Services, hatte bereits mehrmals angerufen und nach der Lieferung gefragt. Deshalb war Juan Armillo in Eile, umfuhr das Auto, das die Ausfahrt blockierte und rollte über die hohe Bordsteinkante auf die Straße. Er wusste nicht, dass dabei die Ölwanne einen weiteren Sprung bekam und er deshalb auf dem Pacific Coast Highway eine Ölspur hinterließ. Zur gleichen Zeit war Elaine Jacobs, eine Hochschullehrerin für experimentelle Physik, mit ihrem Ford „Explorer“ auf dem Pacific Coast Highway unterwegs: Sie hatte an diesem Tag frei und wollte Weihnachtsgeschenke einkaufen.

Nachdem Joop endlich begriffen hat, dass keine Verwechslung vorliegt und seine Tochter wirklich tot ist, verkriecht er sich in seinem Haus und zieht den Stecker seines Telefons.

Nach einigen Tagen steht God vor seiner Tür. Der Karate-Meister, der sich für Mirjams Tod verantwortlich macht, hat sein Fitness-Studio verkauft und ein Mausoleum in Auftrag gegeben. Ein Mausoleum für Mirjam will Joop auf keinen Fall, aber er lässt zu, dass God sich um die Einäscherung der Leiche kümmert und ein Boot organisiert, von dem aus sie die Asche bei Catalina Island ins Meer streuen.

Gegen keinen der Unfallbeteiligten wird ein strafrechtliches Verfahren eingeleitet, aber einige Anwälte weisen Joop darauf hin, dass er mit ihrer Hilfe in einem Zivilprozess Schmerzensgeldforderungen geltend machen könne.

Philip, der Joop am 22. Dezember ins Cedars-Sinai Medical Center begleitete, meldet sich am 18. Februar telefonisch wieder bei ihm. Aus finanziellen Gründen lässt Joop sich darauf ein, den mutmaßlichen Terroristen zu bespitzeln. Er brauche nur in das von Omar van Lieshout bevorzugte kleine italienische Restaurant „Primavera“ zu gehen, auf Spesen, versteht sich, meint Philip und übergibt ihm ein präpariertes Handy, über das Gespräche abgehört werden können, auch wenn es ausgeschaltet ist. Als Gegenleistung besorgt Philip ihm einen Drehbuchauftrag für die TV-Serie „Showcrime“ und ein Büro in der Nähe des „Primavera“.

Fast dreißig Jahre lang hatte Joop nichts mehr von Linda de Vries gehört. Dann teilte sie ihm Anfang Dezember 2000 in einem Brief mit, sie werde bald nach Los Angeles kommen und ihn bei dieser Gelegenheit besuchen. Wie angekündigt, taucht sie im Frühjahr 2001 bei ihm auf. Joop erkennt sie kaum wieder, nicht zuletzt, weil sie Schlabberkleidung trägt und kahl geschoren ist. Begleitet wird sie von einem tibetischen Mönch namens Usso Apury. Linda war nach der Schule in die USA ausgewandert und Anwältin geworden. Seit fünfzehn Jahren arbeitet sie jeweils sechs Monate in New York und meditiert danach sechs Monate in Indien. Sie sei Buddhistin, sagt sie.

„Was lehrt der Buddhismus? Dass das Leben gleich Leiden ist. Geborenwerden ist Leiden, Sterben ist Leiden, alles ist von Leiden erfüllt. Und warum? Weil wir begehren. Körperlich wie geistig. Und davon kann man sich befreien, lehren die Meister.“ (Seite 212)

[Linda:] „Und du versuchst, alles Ungute abzulegen. Wie Hass, Begierde, Zweifel, Boshaftigkeit.“
[Joop:] „Also alles, was das Leben und die Literatur interessant macht.“ (Seite 213)

Als Usso Apury unterwegs ist, angeblich um für sein Kloster zu sammeln, fangen Joop und Linda eine stürmische Affäre an.

Plötzlich überkommt Joop der Wunsch, den Menschen kennen zu lernen, in dessen Brust nun das Herz seiner Tochter schlägt. Aber die Transplantationskoordinatorin Debby Brown erklärt ihm, dass die Familie des Organ-Empfängers bzw. der Empfängerin keinen Kontakt wünsche, und ohne beiderseitiges Einverständnis lasse sich da nichts machen.

Einmal träumt Joop, dass Mirjam nackt zu ihm ins Schlafzimmer kommt. Wie am 22. Dezember, als er sie unter der Dusche betrachtete, sieht er deutlich ihr zu einem schmalen Streifen rasiertes Schamhaar. Sie sagt, sie friere, kuschelt sich an ihn und hat nichts dagegen, dass er ihre Brüste berührt. Beim Erwachen hat Joop eine Erektion und verabscheut sich selbst.

Am 28. Februar sieht Joop im „Primavera“ erstmals Omar van Lieshout. Als dieser hört, dass sich Joop und die Bedienung Sandra – die in einem italienischen Restaurant in den USA arbeitende Tochter eines Spaniers und einer Holländerin – auf Niederländisch unterhalten, stellt er sich vor und die beiden Männer kommen ins Gespräch. Von da an setzen sie sich zusammen, wenn sie beide im „Primavera“ essen. Joop unterlässt es, Philip Bericht zu erstatten. Stattdessen erklärt er ihm am 3. März, er werde nicht länger für den Mossad arbeiten, auch wenn dies bedeute, dass ihm der Drehbuchauftrag für die TV-Serie „Showcrime“ wieder entzogen wird.

Am nächsten Tag nimmt Omar ihn mit nach San Francisco, wo Joop sich mit Linda treffen möchte. Omar, der für die Fahrt seltsamerweise einen Transporter der „U-Haul Co.“ gemietet hat, erzählt Joop, dass er als Jugendlicher kriminell gewesen und mehrmals von der Polizei aufgegriffen worden sei. Schließlich habe ihn ein Geheimagent angeworben und ihm im Fall der Mitarbeit Straffreiheit versprochen. Einer seiner Aufträge bestand darin, einem unbestechlichen Staatsanwalt, der gegen einen korrupten Kollegen ermittelte, eine Bombe unters Auto zu legen. Unglücklicherweise stieg jedoch danach nicht die Zielperson in den Wagen, sondern ein Werkstattbesitzer, der die Kupplung reparieren sollte. Der Mann kam bei der Explosion ums Leben, und weil es sich bei ihm um einen Basken aus Spanien handelte, der seine Mitarbeit bei der ETA eingestellt hatte, vermutete die Polizei hinter der Tat einen Racheakt der Terrororganisation.

Als Joop erfährt, dass Omar sich in San Francisco mit Hackern treffen will, fragt er ihn, ob die Leute herausfinden könnten, wer Mirjams Herz bekommen habe.

Vorübergehend zog Joop sich von Linda zurück, weil ihm ihr Gerede von Reinkarnation auf die Nerven ging, zumal sie behauptete, Usso Apury wisse so viel über Joops Großvater Herman de Vries, dass sie ihn für eine Wiedergeburt des am 30. April 1943 im Alter von dreiundfünfzig Jahren von den Nationalsozialisten in Auschwitz Ermordeten halte. – Am 5. März ist Joop mit ihr in San Francisco verabredet, und sie bringt nicht nur Usso Apury mit, sondern auch einen Herrn Mitte dreißig, den sie als Dr. Christian Hürlimann, Vizepräsident der Schweizerischen Handelsbank, vorstellt. Erneut kommt sie darauf zu sprechen, dass Herman de Vries in dem tibetischen Mönch weiterlebe. Usso Apury zählt einige Einzelheiten aus Hermans Leben auf, aber Joop ist überzeugt, dass er sich die Daten irgendwo besorgte – bis Dr. Hürlimann darauf hinweist, dass es im Fall von Usso Apury einen Beweis für die Reinkarnation gebe: Als der tibetische Mönch das Passwort für ein von Herman de Vries in der Schweiz angelegtes Nummernkonto nannte, forschte Linda nach und es stellte sich heraus, dass die Angaben stimmten. Herman de Vries hatte mit Tee gehandelt und viel in Istanbul zu tun gehabt. Im Dezember 1939 hob er sein Guthaben bei einer Bank in Istanbul in bar ab und brachte es einen Monat später persönlich zur Basler Getreidebank, die später in der Schweizerischen Handelsbank aufging. Aus den 150 000 Dollar seien inzwischen mehr als 2 Millionen geworden, fährt Dr. Hürlimann fort, und die gehörten Herman de Vries‘ Enkel Joop Herman Koopman. Er müsse nur noch ein paar Papiere unterschreiben, damit das Nummernkonto aufgelöst und das Guthaben auf ein für ihn neu eingerichtetes Konto übertragen werden könne. Völlig verwirrt unterschreibt Joop an den vorgesehenen Stellen.

Zur gleichen Zeit klingelt sein Handy. Ein Mann namens Samir teilt ihm mit, er sei in den Computer der Transplantationskoordination eingedrungen und habe den Namen der Empfängerin von Mirjams Herz herausgefunden: Alia Abbasi.

Unvermittelt steht Philip am Eingang des Diners, in dem Joop, Linda, Usso Apury und Dr. Hürlimann sitzen. Mit einer Kopfbewegung fordert er Joop auf, ihm zur Toilette zu folgen. Dort nennt er ihm das Hotel und die Nummer des Zimmers, in dem er ihn in einer halben Stunde erwartet.

Philip und seine Leute beobachteten, dass Joop mit Omar van Lieshout nach San Francisco fuhr und folgten ihnen unauffällig. Ob Joop sich nicht gewundert habe, wieso Omar für die Fahrt einen Transporter benutzte, fragt Philip. Die Agenten konnten zwar auf einer Raststätte einen Blick in den Wagen werfen, aber sie sahen nur fünf Kisten mit unbekanntem Inhalt. Joop erzählt, Omar habe drei Bücher über die Golden Gate Bridge dabei gehabt. Das bestätigt Philips Verdacht, dass es die Terroristen auf die berühmte Brücke abgesehen haben. Er wird dafür sorgen, dass Omar van Lieshout und seine Mitverschwörer rechtzeitig ausgeschaltet werden.

Schließlich gesteht Philip, er kenne die Empfängerin von Mirjams Herz. Als am 22. Dezember keine Hoffnung mehr bestand, dass Mirjam den Unfall überleben werde, rief er den Iraner Huseen Nuri an, der zum Mossad übergelaufen war, weil man ihm als Gegenleistung ein Spenderherz für seine schwer kranke neunzehnjährige Tochter Alia versprochen hatte. Die Blutgruppen stimmten überein, und durch Beziehungen erreichte Philip, dass die Ärzte der Iranerin Mirjams Herz implantierten. Abbasi ist der Deckname für die zur Zeit in Portland, Maine, lebende Familie.

Joop fliegt nach Portland, wo ihn ein Mitarbeiter Philips zu einer Schule fährt und mit ihm auf Alia Nuri wartet. Als die Neunzehnjährige mit ihrer jüngeren Schwester aus dem Auto der Mutter steigt, tritt Joop ihr entgegen und fragt nach dem Namen des Schuldirektors, nur um ein paar Worte mit ihr sprechen zu können.

Zurück in Venice, berichtet Joop God von seinen Erlebnissen in San Francisco. Linda war nach dem Treffen plötzlich verschwunden. Inzwischen weiß Joop, dass Dr. Hürlimann vor einiger Zeit das 1940 von Herman de Vries angelegte Konto entdeckte und nach Angehörigen suchte. Dabei stieß er auf Linda de Vries, deren Großvater der Bruder des Kontoinhabers war und ebenfalls in Auschwitz umkam. Linda stiftete den Banker dazu an, den rechtmäßigen Erben um das Geld zu bringen, weil sie sich dafür rächen wollte, dass sie 1971 wegen ihrer sexuellen Spiele mit Joop in ein Internat verbannt worden war. Mit einem Bekannten Lindas, der sich als tibetischer Mönch verkleidete, legten sie Joop herein, sodass er eine Verzichtserklärung unterschrieb. Inzwischen wurden die 2 Millionen Dollar bereits über eine Bank auf den Antillen an eine unbekannte Adresse weitergeleitet.

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Schade, dass sich der Originaltitel „God’s Gym“ nicht übersetzen lässt, denn er trifft den Inhalt des Romans sehr viel besser als der deutsche Titel „Malibu“. Leon de Winter berührt in dieser Mischung aus Familiendrama, Psycho- und Politthriller viele Themen: Holocaust, nachrichtenlose jüdische Nummernkonten bei Schweizer Banken, Krisenherd Naher und Mittlerer Osten, Geheimdienste im Kampf gegen den islamistischen Terrorismus, Buddhismus, Reinkarnation, die Frage, ob das Leben einem vorgegebenen Plan folgt oder aus Zufällen besteht, Schuldgefühle nach einem tödlichen Verkehrsunfall, Reaktionen auf den unerwarteten Verlust eines Kindes, die Beziehung zwischen Vätern und ihren heranwachsenden Töchtern, Geschäftemacherei von Rechtsanwälten, Korruption, Organtransplantationen u. s. w. Keines der Themen wird vertieft. Sie dienen nur als Versatzstücke für eine aus drei Strängen bestehende, von Leon de Winter wie in einem Kinofilm inszenierte Handlung.

Bewusst verstößt Leon de Winter gegen eine der wichtigsten Regeln seines Handwerks, derzufolge die Leser mit den ersten Sätzen eines Romans gepackt werden müssen („mit einem Erdbeben anfangen und langsam steigern“). „Malibu“ beginnt stattdessen mit einem zweiundzwanzig Seiten langen und in dreizehn Kapitel gegliederten Prolog über eine Ereigniskette, die mit dem Einsetzen der Kontinentalverschiebung vor 200 Millionen Jahren beginnt und am 22. Dezember 2000 zu einem tödlichen Verkehrsunfall führt. Dem entspricht ein Epilog, in dem auf einundzwanzig Seiten noch einmal über vier Figuren – Elaine Jacobs, Frank Miller, Jeremy Swindon, Juan Armillo – erzählt wird, die an der im Prolog konstruierten Vorgeschichte beteiligt waren. Nur: Wen interessiert das noch, wenn die eigentliche Handlung abgeschlossen und der Spannungsbogen beendet ist?

Abgesehen davon ist „Malibu“ flott und intelligent geschrieben; Leon de Winter versteht es sehr gut, die Leser in seinen Bann zu ziehen, Mitgefühl zu evozieren und Spannung aufzubauen.

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Inhaltsangabe und Rezension: © Dieter Wunderlich 2007
Textauszüge: © Diogenes Verlag

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