Supertex. Eine Stunde im Paradies

Supertex. Eine Stunde im Paradies

Supertex. Eine Stunde im Paradies

Originaltitel: Supertex - Regie: Jan Schütte - Drehbuch: Richard Reitinger, Andrew Kazamia, Jan Schütte, nach dem Roman "SuperTex" von Leon de Winter - Kamera: Edward Klosinski - Schnitt: Renate Merck - Musik: Zbigniew Preisner - Darsteller: Stephen Mangan, Jan Decleir, Maureen Lipman, Elliot Levey, Tracy-Ann Oberman, Meital Berdah, Ana Geislerov, Alaheddine Benmoussas, Melek Karasu, Leon Voorberg, Abdelmalek Akhmiss, Nabil Akhmiss, Victor Löw, Lisa Kay, Ella Van Drumpt, Otto Tausig, Lettie Oosthoek, Wigbolt Kruyver u.a. - 2003; 95 Minuten

Inhaltsangabe

Der aus Polen stammende Jude Simon Breslauer hat den Holocaust überlebt und nach dem Krieg in Amsterdam ein erfolgreiches Textilunternehmen gegründet. Sein jüngerer Sohn Boy ordnet sich ihm unter und arbeitet in der Buchhaltung der Firma. Max dagegen revoltiert gegen den übermächtigen Vater, zumal als er herausfindet, dass dieser eine Geliebte hat. Erst als der Patriarch im Koma liegt und stirbt, können seine beiden Söhne nach ihrer Façon leben. Dabei zeigt sich, dass Max seinem Vater ähnlicher ist, als er es wahrhaben wollte.
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Kritik

In der Verfilmung des Romans "SuperTex" von Leon de Winter sind die Episoden chronologisch geordnet, und sie werden nicht von Max in der Ich-Form, sondern aus einer neutraleren Perspektive erzählt.
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Simon Breslauer (Jan Decleir) war wegen seiner jüdischen Herkunft als Zwölfjähriger ins KZ gesperrt worden, aber er überlebte den Holocaust, gründete nach dem Krieg in Amsterdam das Textilunternehmen „Supertex“ und brachte es zum führenden Hersteller von Billigkleidung in Holland. Trotz seines neuen Reichtums hat er nie vergessen, dass er aus einer einfachen galizischen Familie stammt, und er hält auch an der jüdischen Tradition fest. Obwohl er stolz darauf ist, den Erfolg ohne höhere Schulbildung geschafft zu haben, lässt er seine beiden Söhne Max (Stephen Mangan) und Benjamin („Boy“ – Elliot Levey) Jura beziehungsweise Betriebswirtschaft studieren. Aber gegen die kraftvolle Persönlichkeit des Patriarchen kommen weder die beiden jungen Männer noch deren Mutter Dora (Maureen Lipman) an.

Boy ordnet sich den Wünschen des Vaters unter, arbeitet in der Buchhaltung von „Supertex“ und verlobt sich mit Lea van Gelder (Tracy-Ann Oberman), einer Jüdin aus guter Familie nach dem Geschmack seiner Eltern.

Im Gegensatz zu seinem jüngeren Bruder ist Max selbstbewusst und weltoffen; er fühlt sich als Holländer und steht dem Judentum distanziert gegenüber. Als der sechsunddreißigjährige Yuppie an einem Samstagmorgen nach einem kleinen Streit mit seiner Freundin Esther (Meital Berdah) mit seinem Porsche unterwegs ist, obwohl Juden am Sabbat nicht Auto fahren dürfen, überfährt er beinahe einen kleinen jüdischen Jungen, der mit seinem Vater und seinem Bruder die Straße überquert und auf dem Weg zur Synagoge ist.

Max warnt seinen Vater vor den Gefahren, die dem Familienunternehmen durch die Globalisierung drohen, aber Simon Breslauer weigert sich, die Bedenken zur Kenntnis zu nehmen. Da revoltiert Max gegen den ebenso übermächtigen wie uneinsichtigen Vater und erklärt ihm seinen Austritt aus der Firma.

Nach dieser Auseinandersetzung folgt Max seinem Vater mit dem Wagen und findet heraus, dass er zu einer unbekannten Blondine fährt. Trotz seiner unbekümmerten Einstellung gegenüber moralischen Einschränkungen schockiert es ihn, dass sein Vater eine Geliebte hat und Dora betrügt.

Auf seinem Anrufbeantworter findet Max eine Nachricht von einer aus Polen stammenden Frau namens Maria (Ana Geislerov) vor, die seit Jahren mit Simon Breslauer liiert ist. Weil sie merkte, dass Max sie beobachtete, fordert sie ihn zu einem Treffen auf. Max befürchtet, dass Maria Geld für ihr Schweigen erpressen möchte, aber als er mit ihr spricht, versteht er, dass sie seinen Vater ernsthaft liebt.

Esther ließ sich scheiden, nachdem ihr geistig gestörter Ehemann Ernst Cohen (Leon Voorberg) die Wohnung angezündet hatte. Als er jedoch tödlich verunglückt, macht sie sich Vorwürfe. Um über die Krise hinwegzukommen, reist sie mit Max nach Jerusalem, zunächst nur für vier Wochen, aber sie fühlt sich dort wie zu Hause und möchte für immer bleiben.

Allein kehrt Max von Israel nach Amsterdam zurück – und erfährt erst jetzt, dass sein Vater einen Herzinfarkt erlitt und seither im Koma liegt. Entschlossen übernimmt Max die Verantwortung für die Familie und das Unternehmen. Es zeigt sich, dass er seinem Vater ähnlicher ist, als er es selbst wahrhaben wollte.

Er schickt Boy zu Verhandlungen mit den Lieferanten Jean-Pierre und Louis Mohammed (Abdelmalek Akhmiss, Nabil Akhmiss) nach Casablanca. Boy kann die beiden Brüder nicht davon abbringen, dreißig Prozent höhere Preise zu verlangen und wird auf der Straße auch noch ausgeraubt, aber dann begegnet er David Tedesco (Alaheddine Benmoussas), dem Besitzer eines kleinen Ladens, verliebt sich in dessen schöne Tochter Sulamith (Melek Karasu) und wird schon vor der Hochzeit von der marokkanischen Familie herzlich aufgenommen. Boy glaubt, sein persönliches Glück gefunden zu haben und baut mit seinem zukünftigen Schwiegervater zusammen in Casablanca ein Unternehmen auf, das Toilettenhäuschen vermietet.

Nach dem Tod seines Vaters bricht Max die bereits laufenden Verhandlungen über den Verkauf von „Supertex“ ab: Er wird das Familienunternehmen weiterführen.

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Erst als der übermächtige Vater stirbt, können seine beiden Söhne nach ihrer Façon leben. „Supertex. Eine Stunde im Paradies“ dreht sich um einen Vater-Sohn-Konflikt und zugleich um das Selbstverständnis von Juden in der modernen Gesellschaft.

Das Drehbuch schrieben Richard Reitinger, Andrew Kazamia und Jan Schütte nach dem Roman „SuperTex“ von Leon de Winter (1991, Übersetzung: Sibylle Mulot; deutsche Erstausausgabe: Piper Verlag, München 1993; 217 Seiten, ISBN: 3-492-11716-3). Während Max Breslauer im Roman nach dem Beinahe-Unfall mit seinem Porsche von Selbstzweifeln befallen eine Psychotherapeutin aufsucht und in der Ich-Form erzählt, nimmt der Film eine neutralere Perspektive ein, und die vorgegebenen Episoden sind nicht mehr assoziativ, sondern chronologisch geordnet. Jan Schütte nimmt sich viel Zeit, um die tragikomische Familiengeschichte zu erzählen.

Aus dem lebendigen, warmherzigen Roman von Leon de Winter hat er [Jan Schütte] einen kühlen Film gemacht […] Er bleibt auf Distanz, schafft Sympathie durch Distanz. Der Film ist angenehm kühl, ohne cool zu sein, ist gefühlvoll, ohne modisch zu werden. (Fritz Göttler, Süddeutsche Zeitung, 11. März 2004)

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Inhaltsangabe und Rezension: © Dieter Wunderlich 2006

Jan Schütte (kurze Biografie, Filmografie)

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