Erster Weltkrieg: Seekrieg 1914/15
Am 23. August 1914 waren die deutschen Kreuzer „Goeben“ und „Breslau“ von dem österreichischen Adriahafen Pola (Pula) aus in See gestochen und schließlich am 10. September bis zu den Dardanellen vorgedrungen. Unter türkischer Flagge, aber weiterhin mit einer deutschen Besatzung, kontrollierten die beiden Kriegsschiffe die Durchfahrt durch die Meerengen – die am 26. September auch für Handelsschiffe gesperrt wurden – und beschossen am 28. Oktober russische Schwarzmeerhäfen. Russland, Frankreich und Großbritannien erklärten daraufhin dem Osmanischen Reich den Krieg (2. – 5. November).
Die deutsche Hochseeflotte vermochte lediglich, die Russen in der Ostsee von alliierten Nachschublieferungen abzuriegeln, nicht aber, die Briten zur Neutralität zu zwingen, oder deren Seeblockade zu durchbrechen. Daran änderten auch einzelne Heldentaten nichts. Felix Graf von Luckner (1881 – 1966), der Kapitän des Dreimastvollschiffes „Seeadler“, kaperte mehr als zwanzig Schiffe der Alliierten im Atlantik. Der Kreuzer „Emden“ brachte zwei Dutzend Schiffe der gegnerischen Nationen auf und schoss die Petroleumtanks bei Madras in Brand, bevor er am 9. November 1914 vor den Kokosinseln (Keeling Islands) im Indischen Ozean von dem australischen Kreuzer „Sydney“ versenkt wurde. Dem von Vizeadmiral Maximilian Reichsgraf von Spee kommandierten deutschen Ostasien-Geschwader gelang es zwar am 1. November 1914, vor der chilenischen Küste ein englisches Geschwader aufzureiben (Seeschlacht bei Coronel), aber am 8. Dezember wurde es seinerseits von britischen Kriegsschiffen bei den Falklandinseln vernichtet.
Am 2. Februar 1915 erklärte das Deutsche Reich die Gewässer rings um die britischen Inseln zur Kriegszone und kündigte an, in diesem Gebiet feindliche Handelsschiffe zu versenken – gegebenenfalls ohne Vorwarnung.
Zu diesem Zeitpunkt verfügte die deutsche Marine über neun für Fernfahrten verwendbare U-Boote. Um feindlichen Schiffen zu entkommen, oder selbst unbemerkt anzugreifen, fluteten sie spezielle Tanks, stellten den Antrieb von Diesel– auf Elektromotoren um und tauchten. Dabei blieben Tauchtiefe und
–dauer, Geschwindigkeit und Aktionsradius eng begrenzt. Bewaffnet waren die „grauen Wölfe“ mit Torpedos.
Die deutschen U-Boote versenkten im Frühjahr 1915 gerade ein halbes Prozent der Handelsschiffe, die in britische Häfen einliefen oder von dort in See stachen.
1198 Menschen starben jedoch, als „U 20“ am Nachmittag des 7. Mai 1915 beim Kap Old Head of Kinsale an der irischen Südostküste den britischen Luxusdampfer „Lusitania“ torpedierte. Das Schiff versank innerhalb einer Viertelstunde; von den 2000 Passagieren und Besatzungsmitgliedern konnten weniger als die Hälfte gerettet werden.
128 Amerikaner waren unter den Toten, obwohl der deutsche Botschafter in den USA die Passagiere vor dem Auslaufen in New York auf die Gefahr hatte hinweisen lassen. Als US-Präsident Woodrow Wilson vom Deutschen Reich verlangte, die Versenkung des Passagierdampfers als Rechtsbruch anzuerkennen und Schadenersatz zu leisten, trat Außenminister William Bryan zurück, weil er befürchtete, dass die Vereinigten Staaten von Amerika durch Wilsons ultimative Forderungen in den Krieg verstrickt werden könnten. Die Deutschen beriefen sich darauf, die „Lusitania“ habe auch Kriegsmaterial an Bord gehabt. Am 6. Juni verbot Kaiser Wilhelm II. jedoch insgeheim, weiterhin Passagierschiffe ohne Vorwarnung zu versenken. Vertraulich wurde Wilson über diese Anordnung unterrichtet.
© Dieter Wunderlich 2006
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Vizeadmiral Maximilian Reichsgraf von Spee