Una Mannion : Sag mir, was ich bin

Sag mir, was ich bin
Tell Me What I Am Faber & Faber, London 2023 Sag mir, was ich bin Übersetzung: Tanja Handels. Steidl Verlag, Göttingen 2024 ISBN 978-3-96999-403-0, 304 Seiten
Buchbesprechung

Inhaltsangabe

Die Schülerin Ruby kann sich nicht an ihre Mutter erinnern. Der Vater hat ihr erzählt, Deena habe nichts getaugt, sei weggelaufen und habe ihn und das kleine Kind im Stich gelassen. Aber mit zehn, zwölf Jahren wachsen Rubys Zweifel, ob der Vater, der jeden ihrer Schritte kontrolliert und sie vom Internet fernzuhalten versucht, die Wahrheit sagt.
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Kritik

Neben der Identitätssuche dreht sich der Roman "Sag mir, was ich bin" um Kontrolle und Manipulation. Es geht um ein Verbrechen, aber Una Mannion stellt weder die polizeilichen Ermittlungen noch die Aufklärung des Falls in den Mittelpunkt. "Sag mir, was ich bin" ist mehr Familiengeschichte als Kriminalroman.
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Eine toxische Beziehung

Philadelphia, 1998. Die 25-jährige Krankenschwester Deena Garvey zieht zu ihrem Freund Lucas Chevalier. Darüber ist ihre vier Jahre jüngere Schwester Nessa entsetzt, denn sie hält Lucas für übergriffig und befürchtet, dass Deena mit ihm alles andere als glücklich wird. Aber die beiden heiraten, und 2000 wird ihre Tochter Ruby geboren.

Bald nach Rubys erstem Geburtstag ruft Deena verzweifelt ihre Schwester an. Lucas hat sie grün und blau geschlagen. Daraufhin nimmt Nessa ihre Schwester und ihre kleine Nichte zu sich.

Am Morgen des 8. Februar 2004 hört Nessa, wie Deena mit dem Auto losfährt. Bald darauf ruft Deenas Freundin und Kollegin Molly McKenna an, weil Deena nicht zur Arbeit erschienen ist. Ein paar Stunden später meldet Nessa ihre Schwester als vermisst. Ruby hat das Wochenende bei ihrem Vater verbracht, und Lucas weigert sich, das Kind jemand anderem als der Mutter zu übergeben.

Einige Zeit später zieht Lucas mit Ruby zu seiner Mutter Clover Chevalier, die abgelegen am Lake Camplain in Vermont lebt.

Nessa

Nessa ist überzeugt, dass Lucas ihre Schwester ermordet hat, aber Detective Frank Capione von der Mordkommission findet dafür keine Beweise.

Um zumindest aus der Ferne über ihre Nichte zu wachen, schaltet Nessa 2008 den Privatdetektiv Henry Crofton ein, und als dieser herausfindet, dass Ruby nicht zur Schule geht, wendet Nessa sich an die Aufsichtsbehörde. Bei der Überprüfung stellt sich heraus, dass Ruby von ihrem Vater zu Hause unterrichtet wird. Weil er jedoch keinen Lehrplan vorlegen kann, muss Ruby mit zwei Jahren Verspätung in die Schule, wo sie erstmals auf Gleichaltrige trifft.

Ruby

Ruby weiß, dass ihr Vater Briefe abfängt, die an sie adressiert sind. 2010 trifft in der Schule Post für sie ein, aber die Direktorin ruft den Vater an, und der will nicht, dass seine Tochter den Brief erhält. Die Begründung versteht Ruby nicht. Immerhin hat sie ein Foto herausgezogen, auf dessen Rückseite „Deena und Ruby, Januar 2004“ steht.

Als ihr Vater mit ihr über die Grenze nach Kanada fährt, um dort etwas abzuholen, gelingt es Ruby, einen Blick in ihren Pass zu werfen und sie liest, dass sie in Pennsylvania geboren wurde.

Weil Lucas ihr zwar ein Mobiltelefon aufgedrängt hat, um sie überwachen zu können, aber nicht zulässt, dass sie im Internet surft, benutzt Ruby schließlich einen Schulcomputer, um die Suchwörter Deena, Philadelphia und Lucas Chevalier zu googeln. Dabei stößt sie auf Zeitungsberichte über eine vermisste Krankenschwester mit psychischen Problemen und Mutmaßungen, dass der Ehemann etwas mit dem spurlosen Verschwinden seiner Frau zu tun haben könnte.


Wenn Sie noch nicht erfahren möchten, wie es weitergeht,
überspringen Sie bitte vorerst den Rest der Inhaltsangabe.


2018

Clover Chevalier erleidet 2018 einen Schlaganfall und wird ins Krankenhaus gebracht. Sobald sie wieder einigermaßen verständlich sprechen kann, lässt sie sich von Ruby einen Zettel bringen, den sie seit Jahren sorgfältig vor ihrem Sohn versteckt gehalten hat.

Als Ruby einige Zeit später von der Schule kommt, wundert sie sich über Streifenwagen vor dem Haus ihrer Großmutter. Frank sitzt mit Handschellen in einem der Fahrzeuge. Beamte nicht nur von der Vermont State Police, sondern auch vom Philadelphia Police Department durchsuchen das Anwesen.

Detective Frank Capione, der 2004 bei den Ermittlungen im Vermisstenfall Deena Garvey auch bei Clover Chevalier in Vermont gewesen war und seine Telefonnummer hinterlassen hatte, erhielt vor ein paar Tagen einen telefonischen Hinweis, und daraufhin wurde Deenas Wagen mit ihrer Leiche aus dem Stausee Laurel Wood geborgen.

Lucas Chevaliers Verteidigerin Suzanne Meyers drängt Ruby, nach Philadelphia zu kommen und vor Gericht auszusagen, wie umfassend sich ihr Vater um sie gekümmert habe. Ruby fährt sofort los. Die Anwältin hat ihr ein Hotelzimmer gebucht und DVDs besorgt, weil der Fernsehempfang abgeschaltet ist.

Beim Gerichtstermin erscheint die Zeugin der Verteidigung allerdings nicht, und die Richterin lehnt den Antrag auf Entlassung des Angeklagten bis zum Prozess gegen eine Kaution ab.

Zurück in Vermont, erfährt Ruby von Clover, dass Lucas seine Mutter 2004 für ein langes Wochenende nach Philadelphia kommen ließ. Weil ihr zwar einiges auffiel, sie aber nicht glauben mochte, dass Lucas seiner Frau etwas angetan haben könnte, gab sie ihm ein falsches Alibi, indem sie bei der polizeilichen Vernehmung aussagte, das ganze Wochenende lückenlos mit ihrem Sohn verbracht zu haben.

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Und ich komme mir vor wie ein Nichts. Irgendwann werden alle rausfinden, dass ich eigentlich leer bin. Keine Persönlichkeit, keine Geschichte, keine Familienanekdoten. Ich bin nichts, bis auf das, was mir erzählt wurde.

In ihrem Roman „Sag mir, was ich bin“ entwickelt Una Mannion das Psychogramm einer Jugendlichen, die nach der eigenen Herkunft und Identität sucht. An ihre Mutter kann Ruby sich nicht erinnern. Der Vater hat ihr erzählt, Deena habe nichts getaugt, sei weggelaufen und habe ihn und das kleine Kind im Stich gelassen. Aber mit zehn, zwölf Jahren wachsen Rubys Zweifel, ob der Vater, der jeden ihrer Schritte kontrolliert und sie vom Internet fernzuhalten versucht, die Wahrheit sagt.

Neben der Identitätssuche dreht sich der Roman „Sag mir, was ich bin“ um Kontrolle und Manipulation.

Es geht um ein Verbrechen, aber Una Mannion stellt weder die polizeilichen Ermittlungen noch die Aufklärung des Falls in den Mittelpunkt. Der Spannungsbogen ist nicht die Hauptsache. „Sag mir, was ich bin“ ist mehr Familiengeschichte als Kriminalroman.

Una Mannion beginnt „Sag mir, was ich bin“ 2018 in Vermont und wechselt dann zu „Philadelphia, 8. Februar 2004“. Sie entwickelt die 1998 beginnende und 2018 endende Handlung sowohl im ständigen Hin und Her zwischen den Jahren als auch im Wechsel zwischen den Perspektiven von Ruby und ihrer Tante Nessa.

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Inhaltsangabe und Rezension: © Dieter Wunderlich 2024
Textauszüge: © Steidl Verlag

Una Mannion: Licht zwischen den Bäumen

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Mehr als zwei Jahrzehnte lang las ich rund zehn Romane pro Monat und stellte sie dann mit Inhaltsangaben und Kommentaren auf dieser Website vor. Zuletzt dauerte es schon zehn Tage und mehr, bis ich ein neues Buch ausgelesen hatte, und die Zeitspanne wird sich noch verlängern: Aus familiären Gründen werde ich das Lesen und die Kommunikation über Belletristik deutlich reduzieren.