Female Perversions
Female Perversions
Inhaltsangabe
Kritik
Eve Stephens (Tilda Swinton) ist eine junge, erfolgreiche und immer perfekt gekleidete Staatsanwältin in Los Angeles, die ihr Leben unter Kontrolle zu haben scheint. Wallace (J. Patrick McCormack), ihr Chef, hat sie für ein Richteramt vorgeschlagen und bereits eine Nachfolgerin für sie ausgesucht – Langley Flynn (Paulina Porizkova) –, weil er nicht an ihrer Berufung zweifelt.
Vier Tage vor dem Vorstellungsgespräch beim Gouverneur erfährt Eve, dass ihre Schwester Madelyn (Amy Madigan), mit der sie kaum Kontakt hat, wegen eines Ladendiebstahls verhaftet wurde. Unverzüglich fährt sie zu dem Gefängnis, in dem ihre Schwester einsitzt. Unglücklicherweise hat gerade das Wochenende begonnen, und vor Montag kann sie nichts unternehmen, um Madelyn freizubekommen. Dabei ist am Dienstag nicht nur Eves Termin beim Gouverneur, sondern auch Madelyns Rigorosum. Die Doktorandin ist kleptoman: Sie stiehlt nicht aus Not, sondern wie unter Zwang und wirft das Diebesgut vor dem Geschäft in einen Abfalleimer. Da sie bereits mehrmals angezeigt wurde, rät Eve ihr, sich nach der Entlassung einer Psychotherapie zu unterziehen.
Um sich die erneute Anfahrt am Montagmorgen zu ersparen, verbringt Eve das Wochenende in Madelyns Apartment. Dort passt sie auch auf die dreizehnjährige Tochter Edwina (Dale Shuger) der Nachbarin Emma (Laila Robins) auf, die mit ihrem Freund Rick ausgehen möchte und mit Madelyn gerechnet hat. Edwina („Ed“) zieht sich weite Pullover an, um ihre Figur zu verbergen und ritzt sich immer wieder mit einer Rasierklinge in die Haut. Ihre hyperaktive Tante Trudy (Sandy Martin) will sie zur Weiblichkeit erziehen, zeigt ihr, wie man aufregend tanzt und lässt sich von ihr halbnackt fotografieren.
Eve leidet unter Alb- und Tagträumen. Beim Anblick von Familienbildern taucht in ihrer Erinnerung immer wieder eine traumatische Szene aus ihrer Kindheit auf: Ihr Vater (Don Gettinger) sitzt auf einem Stuhl und stößt ihre Mutter (Marcia Cross), die sich mit entblößten Brüsten über ihn beugt, brutal zurück – während Eve (Bailee Bileschi) hilflos zusieht. Sie hat ein lockeres, auf Sex beschränktes Verhältnis mit dem Erdbebenexperten John (Clancy Brown). Als sie die junge Psychiaterin Renee (Karin Silas) kennen lernt, geht sie auch mit ihr ins Bett, aber Renee entzieht sich ihr nach einer weiteren gemeinsamen Nacht, denn sie erschrickt über Eves obsessive Begierde.
Am Montag holt Eve ihre Schwester aus dem Gefängnis. Weil es von Eves Wohnung näher zur Universität ist, übernachtet Madelyn bei ihr. Als Eve am nächsten Morgen aufwacht, stellt sie fest, dass das Kostüm, das sie eigens reinigen ließ und herausgehängt hat, um es beim Gespräch mit dem Gouverneur zu tragen, weil sie es für ihr „Glückskostüm“ hält, fort ist. Madelyn muss es angezogen haben. Sie hat das Haus bereits verlassen. Eve bleibt nichts anderes übrig, als ein anderes auszuwählen.
Der Gouverneur ist von Eves beruflicher Qualifikation sehr angetan. Im Vorstellungsgespräch fragt er sie auch nach ihrer Familie. Die Mutter starb, als Eve dreizehn war. Der Vater hat gerade wieder geheiratet. Das Verhältnis mit ihrer Schwester ist nicht besonders eng. Stolz erzählt der Gouverneur von seinen fünf Kindern und fragt Eve, warum sie allein geblieben sei. Eve antwortet, für sie sei der Beruf stets das Wichtigste gewesen und weil sie normalerweise bis spät abends arbeite, könne sie keine Freundschaften pflegen.
Nach dem Gespräch glaubt sie, durch ihre Äußerung über ihr fehlendes Familienleben gescheitert zu sein. Zu Hause kauert sie sich nackt im Badezimmer auf den Boden und schneidet sich mit einer Rasierklinge in die rechte Brust.
nach oben (zur Kritik bzw. Inhaltsangabe)Eve Stephens ist bei jeder Gelegenheit chic gekleidet, im Beruf erfolgreich und wirkt in jeder Situation kontrolliert. Aber die Selbstsicherheit ist Fassade: Sie ist einsam und leidet unter Albträumen. Als ihre kleptomanische Schwester Madelyn vorübergehend inhaftiert wird und der Gouverneur Eve bei einem Vorstellungsgespräch nach ihrer Familie fragt, löst dies einen schmerzhaften Selbsterkenntnisprozess aus.
Der Film „Female Perversions. Phantasien einer Frau“ von Susan Streitfeld basiert auf dem Buch „Female Perversions. The Temptations of Emmy Bovary“ der Psychoanalytikerin Louise J. Kaplan („Weibliche Perversionen“, Übersetzung: Sabine Schulte, Goldmann Verlag, München 1991). Susan Streitfeld hat jedoch keinen Thesenfilm über die psychische Deformation der Frau in einer von Männern geprägten Gesellschaft gedreht, sondern ein poetisches Psychodrama, das sich wegen der fragmentarischen Erzählweise und symbolischen Szenen – beispielsweise mit dem Auftreten der „Erdfrau“ (Marra Racz) – weniger dem rationalen Denken als dem Unterbewussten erschließt.
Wenn man es richtig sieht, handelt der Film über den Schmerz, den Schmerz, Frau zu sein – und das ist nicht viel anders als vor viertausend Jahren. (Susan Streitfeld)
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Inhaltsangabe und Rezension: © Dieter Wunderlich 2006