Der unsichtbare Gast

Der unsichtbare Gast

Der unsichtbare Gast

Der unsichtbare Gast – Originaltitel: Contratiempo – Regie: Oriol Paulo – Drehbuch: Oriol Paulo – Kamera: Xavi Giménez – Schnitt: Jaume Martí – Musik: Fernando Velázquez – Darsteller: Mario Casas, Ana Wagener, José Coronado, Bárbara Lennie, Francesc Orella u.a. – 2016; 110 Minuten

Inhaltsangabe

Die Ehe und die Karriere des jungen Geschäftsmannes Adrián Doria scheitern jäh, als ihn die Polizei in einem Hotelzimmer festnimmt, in dem die Leiche seiner Geliebten Laura Vidal liegt. Sein Anwalt bekommt ihn gegen Kaution bis zum Mordprozess frei und vermittelt ihm die Starverteidigerin Virgina Goodman. Sie schärft Adrián ein, dass sie die ganze Wahrheit wissen müsse, um ihn erfolgreich verteidigen zu können ...
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Kritik

Die intelligente Verschachtelung eines kammerspielartigen Dialogs mit Rückblenden aus subjektiven, also unzuverlässigen Perspektiven er­mög­licht Oriol Paulo in dem spannenden Thriller "Der unsichtbare Gast" eine ganze Reihe von überraschenden Wendungen.
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Das jähe Ende einer Ehe und einer Karriere

Der erfolgreiche junge Manager Adrián Doria (Mario Casas) lebt mit seiner Frau Sonia (San Yélamos) und der kleinen Tochter Alex (Martina Hurtado) in Barcelona. Aber sowohl seine Karriere als auch seine Ehe enden jäh, denn die Polizei nimmt ihn in einem Hotelzimmer fest, in dem die Leiche seiner Geliebten Laura Vidal (Bárbara Lennie) liegt. Er beteuert, er habe Laura nichts getan, sondern sei selbst von hinten niedergeschlagen worden. Aber die Tür war von innen abgeschlossen, und an den Fenstern sind die Griffe abmontiert, damit sie nicht geöffnet werden können.

Adriáns langjährigem Rechtsanwalt Félix Leiva (Francesc Orella) gelingt es, ihn bis zur Gerichtsverhandlung gegen eine Kaution von einer Million Euro frei­zu­bekommen. Außerdem vermittelt er ihm die Starverteidigerin Virginia Goodman (Ana Wagener), die zwar vor zwei Wochen in den Ruhestand ging, diesen letzten Fall jedoch übernimmt und alles daran setzen wird, ihn nicht zu verlieren.

Adrián erwartet sie in seiner Luxuswohnung. Sie will die Verteidigungsstrategie erarbeiten und ihn auf seine Aussagen vorbereiten. Gleich bei ihrem Eintreffen kündigt die Dame an, dass der Staatsanwalt in drei Stunden einen ihr unbekannten Belastungszeugen vernehmen wolle. Sie stehen also unter Zeitdruck.

Virginia Goodman weist ihren Mandanten darauf hin, dass sie ihn nur erfolgreich verteidigen könne, wenn er ihr die ganze Wahrheit enthülle.

Wildwechsel

Er sagt, alles habe vor drei Monaten begonnen.

Als er damals angeblich geschäftlich in Paris war, in Wirklichkeit jedoch mit der erfolgreichen Modefotografin Laura von einem heimlichen Aufenthalt in einem Ferienhaus zurückkehrte, hatten sie bei der Rückfahrt im Wald einen Wildunfall: Ein Hirsch sprang über die Fahrbahn. Adrián konnte gerade noch rechtzeitig bremsen, und sie kamen mit dem Schrecken davon. Aber ein ent­gegen­kommen­des Auto geriet ins Schleudern, und der nicht angeschnallte Fahrer überlebte den Unfall nicht.

Adrián wollte die Polizei alarmieren. Laura hielt ihn davon ab, denn sie war ebenso wie er verheiratet und wollte weder ihre Ehe noch ihre berufliche Karriere aufs Spiel setzen. Bevor sie eine gemeinsame Entscheidung treffen konnten, tauchte ein anderes Auto auf und hielt an. Der Fahrer (Paco Tous) fragte, ob er helfen könne, aber Laura täuschte ihm schlagfertig vor, dass ihr das andere Auto gehöre und sie aufgrund eines Wildwechsels die Kontrolle darüber verloren habe. Sie und der neben ihr stehende Augenzeuge seien gerade dabei, ihre Daten aus­zu­tauschen. Als das Handy des in seinem Auto liegenden Toten klingelte, ging Laura hin und tat so, als handele es sich um den Rückruf ihrer Versicherung.

Tomás, Elvira und Daniel Garrido

Der eigene, beim Bremsen abgewürgte Motor sprang nicht mehr an. Laura forderte ihren Liebhaber deshalb auf, den anderen Wagen samt der Leiche zu beseitigen. Während er zu einem See fuhr und das Fahrzeug versenkte, hielt ein weiterer Autofahrer bei Laura. Der Rentner Tomás Garrido (José Coronado) war früher als Autoingenieur tätig gewesen. Rasch stellte er den Fehler fest und schleppte den Wagen zu seinem Haus ab, um ihn zu reparieren.

Laura hatte sich als Rachel vorgestellt. Sie wurde von seiner Frau, einer emeritierten Literatur­professorin, freundlich empfangen. Elvira Garrido machte sich Sorgen um ihren 23-jährigen Sohn Daniel (Iñigo Gastesi), der längst eingetroffen sein sollte. Als sie seine Handynummer wählte, klingelte das von Laura aus dem anderen Auto mitgenommene Telefon. Rasch versteckte sie es unter einem Kissen auf der Couch, um Daniels Eltern glauben zu lassen, dass ihr Sohn es vergessen habe.

Nachdem Tomás Garrido den Defekt repariert hatte, fiel ihm auf, dass Laura vor dem Wegfahren den Sitz verstellte. War sie den Wagen zuvor gar nicht gefahren?

Nachwirkungen

Laura und Adrián wagten es nicht, ihre Affäre fortzusetzen. Aber als Adrián in den TV-Nachrichten hörte, dass der Vermisste Daniel Garrido bei der Bank, bei der er angestellt gewesen war, 50 000 Euro unterschlagen habe, traf er sich noch einmal mit Laura, und sie gab zu, die Brieftasche des Toten an sich genommen und mit seiner Identitätskarte die Unterschlagung vorgetäuscht zu haben. Es sollte so aussehen, als sei der Straftäter untergetaucht.

Bei der Feier anlässlich der Wahl Adriáns zum Geschäftsmann des Jahres tauchte Tomás Garrido auf, den er bis dahin noch nicht kannte. Der Vater des Vermissten beschuldigte Adrián, etwas mit Daniels Verschwinden zu tun zu haben. Er hatte inzwischen herausgefunden, dass der von ihm reparierte Wagen auf Adrián zugelassen war. Der Geschäftsmann, der das Auto unter der Hand verkauft und bei der Polizei als gestohlen gemeldet hatte, stritt alles ab, und Männer vom Sicherheitsdienst warfen Tomás Garrido hinaus.

Erpressung und Mord

Einige Zeit später, berichtet Adrián weiter, seien er und Laura von einem Erpresser aufgefordert worden, mit 100 000 Euro in ein bestimmtes Hotel in den Bergen zu kommen. Ein beigelegtes Foto der Unfallstelle ließ vermuten, dass der Absender wusste, was geschehen war. Not­ge­drungen kamen Adrián und Laura der Aufforderung nach.

Kurz nachdem sie das für sie reservierte Zimmer 715 betreten hatten, wurde Adrián von hinten niedergeschlagen. Als er zu sich kam, pochte die Polizei gegen die Tür, und Laura lag tot auf dem Boden. Augenscheinlich wurde sie mit einer schweren Statue erschlagen. Bevor Adrián einen klaren Gedanken fassen konnte, ließ die Polizei die Tür öffnen und verhaftete ihn.

Virginia Goodman rät ihrem Mandanten, vor Gericht zuzugeben, dass er den Toten mit dessen Auto versenkt habe. Nur so habe er eine Chance, die Geschworenen von der Existenz eines Erpressers und einer dritten Person im Hotelzimmer zu überzeugen. Daraufhin markiert Adrián auf einer Landkarte die Stelle, an der er das Fahrzeug in den See schob – aber zugleich gesteht er, dass Daniel zu diesem Zeitpunkt wider Erwarten noch lebte.


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Spoiler

Die Anwältin erzählt ihm schließlich, was in dem von innen abgeschlossenen Hotelzimmer geschehen sein könnte. Der Erpresser – niemand anderes als Tomás Garrido – wählte als Zielort des Hotel, in dem seine Frau Elvira beschäftigt war und versteckte sich vor der Ankunft des Paares im Wandschrank. Nachdem er Adrián niedergeschlagen und Laura getötet hatte, floh er durch ein Fenster, an dem Elvira zuvor den Griff angebracht hatte, damit er es öffnen konnte. Andere Hotelgäste, die verdächtige Geräusche gehört hatten, alarmierten die Polizei. Die ließ die Tür mit einem Generalschlüssel öffnen. Elvira betrat mit den Polizisten das Zimmer und zog den Fenstergriff unbemerkt wieder ab.

Während Virginia Goodman den Raum verlässt, angeblich nur für eine Weile, um den Kopf freizukriegen, ruft Adrián seinen Anwalt Félix Leiva an, und der unterrichtet ihn darüber, dass es ihm soeben gelungen sei, den ersten Autofahrer, der die Unfallstelle gesehen hatte, mit einer entsprechenden Geldzahlung von einer Zeugenaussage abzubringen.

Adrián schlägt die Mappe der vermeintlichen Anwältin auf und stellt fest, dass sie nur leere Blätter enthält.

Dann sieht er sie an einem Fenster des Gebäudes gegenüber. Demonstrativ umarmt sie Tomás Garrido. Dann streift sie die Perücke ab und zieht sich die Maske vom Gesicht. Es ist Elvira Garrido.

Es klingelt an der Tür. Davor steht die echte Virginia Goodman. Sie hat sich verspätet.

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Der spanische Thriller „Der unsichtbare Gast“ von Oriol Paulo (Drehbuch und Regie) beeindruckt durch eine ausgeklügelte Konstruktion. Um sich auf den anstehenden Mordprozess vorzubereiten, schildert ein Angeklagter einer Anwältin, was geschah. In den kammer­spiel­artigen Dialog, in dem die Frau und der Mann ihre Kräfte messen, hat Oriol Paulo Rückblenden eingebaut, die das Berichtete veranschaulichen. Sie sind allesamt aus einer subjektiven, also unzuverlässigen Perspektive dargestellt. Dieser raffinierte Aufbau ermöglicht Oriol Paulo in „Der unsichtbare Gast“ eine ganze Reihe von überraschenden Wendungen. Als Zuschauer wissen wir bis zum Schluss nicht, was wahr ist und was nicht.

Die Geschichte mag unrealistisch sein, aber wichtiger sind die Plottwists und die intelligente Verschachtelung der divergierenden Versionen derselben Ereignisse in dem spannenden Psychothriller „Der unsichtbare Gast“. Gute schauspielerische Leistungen und markante Bildkompositionen verstärken die Wirkung des sehenswerten Films.

Der spanische Originaltitel „Contratiempo“ könnte übrigens mit „Zwischenfall“ oder „Unannehmlichkeit“ übersetzt werden.

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Inhaltsangabe und Rezension: © Dieter Wunderlich 2017

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