Patrick McGinley : Bogmail

Bogmail
Originalausgabe: Bogmail Martin Brian and O'Keefe, London 1978 Modern Irish Classics, New Island, Dublin 2013 Bogmail Übersetzung: Hans-Christian Oeser Steidl Verlag, Göttingen 2016 ISBN: 978-3-95829-208-6, 336 Seiten ISBN: 978-3- (eBook)
Buchbesprechung

Inhaltsangabe

Der Witwer Tim Roarty betreibt in seinem nordirischen Heimatdorf ein Pub. Als er herausfindet, dass seine 17-jährige Toch­ter mit dem drei Jahre älteren Barkeeper liebäugelt, erschlägt er ihn und vergräbt die Leiche im Moor. Jemand muss ihn ge­sehen haben, denn er erhält einen Er­pres­ser­brief, und als er der Geldforderung nicht nachkommt, findet der Dorfpolizist einen abgeschnittenen Männerfuß. Tim Roarty vermutet den "Bogmailer" unter seinen Stammgästen und beobachtet sie ...
mehr erfahren

Kritik

"Bogmail" ist mehr eine Dorfkomödie als ein Kriminalroman. Zynisch ent­larvt Patrick McGinley die nordirische Dorfidylle als Trugbild. Wie anderswo auch, herrschen in dem Mikrokosmos Frustration und Verzweiflung, Miss­gunst und Verschlagenheit.
mehr erfahren

Timothy („Tim“) Roarty stammt aus Glenkeel im nordirischen County Donegal. Als er acht Jahre alt war, sah er, wie sein Onkel Lanty Duggan mit einem Kranken­wagen abgeholt und in eine Irrenanstalt gebracht wurde. Onkel Lanty war im Alter von 17 Jahren über seine Schwester hergefallen, um sie zu vergewaltigen. Später hatte er Liebespärchen aufgelauert und sie verprügelt. Aus Abscheu vor dem Durcheinander der Welt und aus romantischer Neigung zur Enthaltsamkeit hatte Tim sich in ein Priesterseminar aufnehmen lassen. Aber nach sechs Jahren war er ausgetreten. Danach arbeitete er in einem Pub im Londoner Stadtteil Fitzrovia. Dort lernte er ein Jahr nach dem Verlassen des Priesterseminars Florence aus Tipperary kennen. Sie wurden ein Paar, heirateten, sparten für eine eigene Gastwirtschaft und kauften schließlich ein Pub in Tim Roartys Heimatdorf. Während Tim sich um die Gäste und den Ausschank kümmerte, führte seine Frau die Bücher.

Florence war so versessen auf ein Kind, dass ihr Mann nach fünf Ehejahren ohne Schwangerschaft impotent wurde.

Nur weil es ihm nicht gelungen war, dem Ritual entsprechend Kontraktionen in ihrer Vagina auszulösen, war er innerhalb eines Monats von einem Gastwirt zu einem Nichts geschrumpft.

Wie konnte sie fünf Jahre seltenen Eheglücks den Rücken kehren und den Mann, der geholfen hatte, diese zu gestalten, wie einen ausrangierten Dildo behandeln?

Weil Florence unbedingt noch vor der Menopause ein Kind bekommen wollte, ließ sie sich mit einem Bierkutscher ein – nicht ohne Tim vorher darüber zu unter­richten. Auf den Bierkutscher folgten ein Zigarettenvertreter und weitere Männer. Alle zwei Wochen fuhr Florence nach Donegal Town, bis sie endlich schwanger war. Sie brachte zwar ein gesundes Mädchen zu Welt, starb jedoch bei der Geburt. Tim zog Cecily allein auf. Als sie elf Jahre alt war, fuhr er sie jede Woche zweimal zum Klavierunterricht nach Garron. Mit 13 schickte er sie in das beste Klosterinternat der Grafschaft. Dort war sie Klassenbeste.

Tim Roarty stellte vor einiger Zeit Eamonn Eales aus der Grafschaft Kerry als Barkeeper ein. An Ostern fand er im Papierkorb einen Brief, den seine inzwischen 17-jährige Tochter nach den Weihnachtsferien an den drei Jahre älteren Eamonn Eales geschrieben hatte:

Immer wieder muss ich an den Abend unter der Minister’s Bridge denken und an die seltsamen Dinge, die du mit mir angestellt hast.

Der Vater war entsetzt.

Trauer und unerfüllbare Sehnsucht erstickten ihn, als er sich an Sommerabende mit Cecily erinnerte – sie in ihrem Zimmer am Klavier, das ganze Haus von perlender Musik erfüllt. Auf Flügeln des Gesanges, Für Elise, Wohl mir, dass ich Jesum habe: all die alten Lieblingsstücke. Die Unverdorbenheit jener Abende trieb ihm eine Träne ins Auge. Die Unverdorbenheit jener Abende – für immer dahin.

Um seine Cecily zu beschützen, hat Tim Roarty beschlossen, Eamonn Eales zu töten.

Eales war das Böse. Eales musste vernichtet werden.

Zunächst versucht der Wirt es mit ein paar giftigen Pilzen in einem Omelett für den Barkeeper, aber Eamonn Eales überlebt diesen Anschlag unbeschadet.

Eines Abends erklärt der Barkeeper dem Wirt und einigen Stammgästen, dass auch das Trommeln der Schnepfe mit der Syrinx hervorgerufen werde. Tim widerspricht, wettet mit Eamonn Eales um eine Flasche Whiskey und kündigt an, die Frage nach der Sperrstunde mit der Encyclopædia Britannica zu klären. Als er dann mit dem 25. Band der Ausgabe von 1911 wieder aus seinen Privaträumen zurückkommt und Eamonn Eales gebückt hinter dem Tresen stehen sieht, hebt er das Buch mit beiden Armen hoch und schlägt damit auf den Hinterkopf des jungen Mannes. Eamonn Eales ist sofort tot. Um ganz sicher zu gehen, stülpt Tim ihm noch eine Plastiktüte über den Kopf, bevor er über die Beseitigung der Leiche nachdenkt.

Um 2 Uhr nachts packt er die Reisetasche des Toten, hebt auch die Leiche in den Kofferraum und fährt auf der nach Garron führenden Straße zum Hochplateau des Torfmoors. Dort hebt er eine Grube aus und begräbt Eamonn Eales samt seiner Tasche.

Als die Gäste am nächsten Tag nach dem Barkeeper fragen, behauptet der Wirt, er habe das Zimmer am Morgen leer und das Bett unberührt vorgefunden.

Tim bereut den Mord nicht, ihn quälen keine Gewissensbisse; im Gegenteil: seine Lebensfreude hat sich erheblich verstärkt, zumal es sich bei der neuen Bardame Susan Mooney um eine junge Frau handelt, die Tim gefällt. Als er sich nach der Sperrstunde neben sie setzt, weist sie ihn nicht zurück, und er stellt überrascht fest, dass sie keine Unterwäsche trägt. Obwohl Susan ihn erregt, bringt er keine Erektion zustande. Aber sie macht sich nichts daraus.

Sie war die Sorte Frau, die am Sex die lustige Seite zu würdigen wusste.

Während Florence nur die penile Penetration duldete, weil sie ein Kind bekommen wollte, hat Susan ihren Spaß, wenn sie und Tim immer neue Praktiken ausprobieren.

Tims Freude wird getrübt, als der Postbote Doalty O’Donnell ein Schreiben bringt, in dem jemand, der offenbar von dem Mord weiß, Tim auffordert, von nun an jede Woche 30 Pfund bar auf ein Konto bei der Bank of Ireland einzuzahlen. Unter­zeichnet ist der Brief mit „Bogmailer“. Damit spielt der Erpresser (blackmailer) offenbar auf Eamonn Eales‘ Grab im Moor (bog) an.

Tim vermutet den Absender unter seinen Stammgästen, und statt zu zahlen, beobachtet er diese in der Hoffnung, herauszufinden, wer ihn zu erpressen versucht. Sein Verdacht fällt auf Kenneth („Ken“) Potter, den einzigen Engländer unter seinen Stammgästen.

Margaret, die Frau, mit der Ken Potter in London zusammenlebte, verließ ihn wegen ihrer Freundin Poppy, wollte die Beziehung mit ihm jedoch nicht endgültig abbrechen. In dieser verwirrenden Situation kam ihm das Angebot einer einjährigen Versetzung nach Irland gerade recht. Der Ingenieur kam nach Glenkeel und mietete von dem Fischer Rory Rua ein Cottage. Der Lokalreporter Gimp Gillespie, der sich mit ihm angefreundet hat, versucht ihn mit der Orts­kranken­schwester Maggie Hession zu verkuppeln. Mit ihr sei „Kopulation und Konversation“ möglich, meint der Journalist. Aber Ken verliebt sich statt­dessen in Maggies Schwester Nora Hession – ausgerechnet die Frau, die Gimp Gillespie erfolglos anhimmelt. Sie war Lehrerin, bis sie vor zwei Jahren mit einem Mann aus der Nachbargemeinde Glenroe nach London durchbrannte. Als sie ein halbes Jahr später zurückkam, sah sie wie ein Gespenst aus und fing als Haushälterin beim Gemeindepfarrer an. Die 30-Jährige lässt sich von dem zehn Jahre älteren Engländer ins Kino einladen, und die beiden kommen sich näher. Das missfällt nicht nur Gimp Gillespie, sondern auch dem Kanonikus Loftus. Der stellt Ken auf der Straße barsch zur Rede und drückt bei dieser Gelegenheit auch seine Verachtung für englische Katholiken aus.

Verärgert denkt Ken darüber nach, wie er die Dorfbewohner gegen den Pfarrer aufwiegeln könnte. Er gewinnt den Wirt Tim Roarty und dessen Stammgäste für eine Verschwörung gegen die geplante Aufstellung eines Kalksteinblocks anstelle des aus der Zeit der Großen Hungersnot stammenden Holzaltars in der neu gebauten Kirche, einem hässlichen Kubus mit einem Kegel als Turm und Dach. In der ersten Sitzung wählen die Verschwörer Tim Roarty zum Präsidenten, Gimp Gillespie zum Schriftführer und Rory Rua zum Schatzmeister. Sie geben sich den Namen Anti-Kalkstein-Gesellschaft und überlegen sich Schlachtrufe wie „W3!“ (Wir wollen Waldholz!) oder „HUA!“ (Hände von unserm Altar!).

Unvermittelt wird Tim Roarty von dem Dorfpolizisten McGing abgeholt und zur Polizeikaserne gebracht. Der zwei Jahre vor der Pensionierung stehende Gesetzeshüter ist frustriert, weil er glaubt, dass seine Fähigkeiten in einer Gegend, in der keine Gewalttaten passieren, brachliegen.

„Das letzte bekannte Verbrechen in dieser Gegend (wenn wir mal von Alkoholkonsum nach der Sperrstunde absehen) ereignete sich vor fünf Jahren: der Fall des zertrampelten Heuhaufens.“

McGing hält sich für „einen Polizisten mit dem richtigen Einfühlungsvermögen, einen Mann, der in die dunklen Windungen des gesetzlosen Geistes spähen kann und sogar dessen nächsten Spielzug vorausahnt“:

„Der große Sherlock Holmes löste seine Fälle durch logische Deduktion, aber meiner Ansicht nach reicht Vernunft ohne Intuition nicht aus. Im perfekten Kriminalbeamten ist das, was wir Kriminologen das Kognitive und das Intuitive nennen, perfekt austariert. Beides ist notwendig, da eines das andere nährt. Daher mangelt es einem Mann, dem es an dem einen mangelt, auch an dem anderen. Ich glaube nicht, dass ich unbescheiden bin, wenn ich sage, dass ich mehr Intuition besitze als Holmes.“

Nun hat McGing endlich einen richtigen Kriminalfall zu lösen: Jemand hat ihm einen acht Zentimeter oberhalb des Knöchels abgeschnittenen menschlichen Fuß an den Türklopfer gehängt. Den zeigt er nun Tim Roarty. Dass es sich um ein Körperteil des verschwundenen Barkeepers handelt, ist unschwer zu erkennen, denn der Fuß ist mit einem Gepäckanhänger versehen und darauf steht: „Eamon Eales, Fahrgast zum Hades, via Sligo“. Dass der Absender den Vornamen nur mit einem n schrieb, ist für McGing ein Indiz dafür, dass er nicht aus dem County Donegal stammt.

Kurz darauf erhält Tim Roarty einen zweiten Erpresserbrief mit der Drohung, als Nächstes werde ein abgetrennter Kopf auftauchen. Statt 30 verlangt der Bogmailer nun 50 Pfund pro Woche für sein Schweigen.

Um den Dorfpolizisten von dem Fall Eamonn Eales abzulenken, bricht Tim Roarty nachts in der Kirche ein und raubt die 94 Pence in der Almosenbüchse. Aber Rory Rua durchkreuzt seinen Plan, indem er gegenüber McGing und dem Kanonikus Loftus behauptet, er habe es getan. Seinen Freunden im Pub verrät der Fischer, er wolle damit lediglich den Polizisten zum Trottel machen.

Während der Kanonikus Loftus Exerzitien in Letterkenny besucht und Nora bei ihrer Schwester Maggie oder bei Ken Potter schläft, bricht Tim ins Pfarrhaus ein. Diesmal raubt er zwei Flaschen Wein und die Remington-Büchse, die dem Bruder des Geistlichen gehört, der des Öfteren zum Jagen kommt. Tim legt irreführende Spuren, indem er blauen Mergel verstreut und auf dem Teppichboden festtritt. Einen Aschenbecher füllt er mit mitgebrachten Zigarettenstummeln, Asche und sieben abgebrannten Streichhölzern. Und er füllt etwas aus einer Flasche Glenlivet in ein Glas, aber statt den Whiskey zu trinken, leert er das Glas in den Ausguss.

Dem Bogmailer ist der Diebstahl des Gewehrs nicht entgangen, und weil er befürchtet, dass der Mörder es auf ihn abgesehen hat, schreibt er ihm, er habe alles zu Papier gebracht und den Bericht bei einem Rechtsanwalt in einem verschlossenen Kuvert hinterlegt.

Der Kanonikus Loftus lädt seine Gegner ein und klärt Tim Roarty, Gimp Gillespie, Rory Rua, Old Crubog und den 20 Jahre alten Dorfintellektuellen Cor Mogaill Maloney in Ken Potters Anwesenheit darüber auf, dass der Engländer für das US-Unternehmen Pluto Explorations Inc arbeitet, das eine Fünf-Jahres-Option auf die stillgelegte Mine erwarb und nun nach Baryt sucht, auf einem Land, dessen Schürf- und Oberflächenrechte der Church of Ireland vom 17. Jahrhundert an gehörte. Die Bauern zahlten dreihundert Jahre lang der Kirche einen Pachtzins für Weiderechte. 1926 hörten sie damit auf, und Juristen zufolge haben sie seither ein Gewohnheitsrecht erworben. Das, so warnt der Kanonikus, werde ihnen Pluto streitig machen, sobald Baryt abgebaut werden kann. Das von den Amerikanern angestrebte Geschäft würde zu Lasten der Einheimischen gehen. Deshalb schlägt Loftus vor, die Anti-Kalkstein-Gesellschaft aufzulösen und stattdessen eine Anti-Ausbeutungs-Gesellschaft zu gründen. Ken Potter ist enttäuscht, dass alle bis auf Cor Maloney darauf eingehen. Er vermutet, dass der Geistliche die Männer austrickste und längst herausgefunden hat, dass es nicht zum Baryt-Abbau kommen wird.

Obwohl Tim Roarty den englischen Ingenieur für den Erpresser hält, freundet er sich mit ihm an, geht mit ihm jagen und unternimmt einen Bootsausflug zum Angeln mit ihm.

Potter war sein Mann, da war er sich inzwischen sicher […]. Das war sehr schade. Er mochte Potter wegen der intelligenten und unterhaltsamen Gespräche, die man mit ihm führen konnte, und gute Gesprächspartner waren so rar, dass man es sich genau überlegen musste, bevor man ihre Zahl verringerte. Leider würde er ihre Zahl verringern müssen, allein schon deswegen, weil er es sich nicht leisten konnte, in alle Ewigkeit fünfzig Pfund die Woche zu zahlen.

Ken Potter und Nora Hession sind inzwischen ein Liebespaar.

In strömendem Regen brachte er sie zum Tor des Pfarrhauses und fuhr dann, entgegen seinem früheren Entschluss, direkt zu Roartys Pub, dieser verräucherten Höhle männlicher Phantasien, wo man den Kummer über die Enttäuschungen des Lebens und unehrenhafte Absprachen wenigstens für eine Stunde vergessen konnte. Es war Samstagabend und die Bar entsprechend voll. Er ging geradewegs in die Ecke neben dem Fenster, wo Gimp Gillespie, Crubog und Cor Mogaill einen Brückenkopf errichtet hatten und ohne den Vorzug wissenschaftlicher Kenntnisse darüber debattierten, ob Wattwürmer Hermaphroditen seien. Cor Mogaill meinte, Wattwürmer seien in Wahrheit Regenwürmer und verfügten daher sicherlich auch über deren sexuelle Eigenschaften. Da sie Tun und Treiben der Regenwürmer alle eifrig studieren, wurde die Unterhaltung eine Zeitlang recht lebhaft.

In der Nacht schreckt Ken Potter durch einen Gewehrschuss und das Zersplittern eines Fensters auf. 15 Zentimeter oberhalb des Kopfkissens steckt eine Kugel in der Wand des Alkovens, in dem er schlief. An der Tür hängt ein Zettel: „Hände weg von meinem Mädchen“. Den bringt Ken Potter zur Polizei. Während er davon ausgeht, dass der eifersüchtige Kanonikus auf ihn geschossen habe, verdächtigt McGing den Reporter Gimp Gillespie, den er auch für den Mann hält, der vor einiger Zeit Noras Höschen von der Wäscheleine stahl. Obwohl McGing lange auf ernsthafte Delikte wartete, meint er jetzt:

„Dann ist etwas faul in der Gemeinde von Glenkeel. Jahrelang waren die einzigen Straftaten, die hier begangen wurden, Wilderei, Alkoholkonsum nach der Sperrstunde und der gelegentliche Ansturm auf Poteen [irischer Gerstenschnaps] zu Weihnachten, alles mannhafte Vergehen, Zeichen einer gesunden Gemeinschaft. In den letzten sechs Monaten hatten wir Raub, Mord, noch mehr Raub und jetzt versuchten Mord. Es kann nicht sein, dass die ganze Bevölkerung plötzlich kriminell geworden ist; es ist sehr viel wahrscheinlicher, dass dies das Werk eines einzelnen Mannes ist, eines Dorf-Moriarty.“

Ein sensationslüsterner Artikel Gimp Gillespies in einer Dubliner Sonntagszeitung („Ausbeutung, Reformation und versuchter Mord in Donegal“) alarmiert Ken Potters Chef Ben Shockley. Der Amerikaner ruft seinen Mitarbeiter nach Dublin und wirft ihm vor, er habe durch sein Verhalten das Geschäft in Donegal ruiniert. Er hätte nicht auffallen dürfen. Der Streit eskaliert und endet mit Ken Potters Kündigung.

Er träumt davon, mit Nora in London ein neues Leben anzufangen. Als er nach seiner Rückkehr aus Dublin erfährt, dass sie schwanger ist, freut er sich, aber sie lässt keinen Zweifel daran, dass sie ihr Heimatdorf nicht noch einmal verlassen werde, selbst wenn das die Trennung vom Vater des Kindes bedeuten würde.

Seit einiger Zeit findet Tim Roarty Blut im Stuhl. Der Arzt Dr. McGarrigle schickt ihn zur Untersuchung nach Sligo ins Krankenhaus. Seine Lebensfreude verkümmert, und er ändert sein Testament zugunsten von Susan Mooney.

Seit langem gibt der Wirt dem alten Crubog täglich einen Whiskey aus, denn er will dessen Land kaufen. Es handelt sich um felsiges Ödland, das für Old Crubog keinen erkennbaren Wert hat, aber Tim Roarty hat erfahren, dass die Fremden­verkehrs­behörde mitten durch das Areal eine Panoramastraße bauen will, und das verspricht ein lukratives Geschäft für den Landbesitzer. Der Wirt knausert deshalb auch nicht bei seinem Angebot, aber Old Crubog behauptet, es gehe ihm nicht um Geld. An diesem Morgen überrascht er Tim Roarty mit der Nachricht, dass er sich mit dem Fischer Rory Rua handelseinig geworden sei, weil dieser ihm eine warme Mahlzeit pro Tag auf Lebenszeit garantiere. Tim tut so, als bliebe er gleichgültig, aber er ärgert sich über den verschwendeten Whiskey. Noch ist es allerdings nicht zu spät, um den Vollzug des Geschäfts zu verhindern: Er wird Rory Rua einen Schreck einjagen und damit zugleich McGing weiter von dem Fall Eamonn Eales ablenken.

Nachts holt er das im Pfarrhaus geraubte Gewehr und pirscht sich damit zu Rory Ruas Gehöft vor. Der Fischer, der noch nach einer kranken Kuh geschaut hat, überrascht ihn jedoch von hinten. Bei der Rangelei löst sich ein Schuss und trifft Rory Rua in die Brust. „Bogmail“ röchelnd, bricht er zusammen und stirbt. Im Nachttisch des Toten findet Tim Roarty ein Sexmagazin aus Eamonn Eales‘ Reisetasche: Rory Rua war also tatsächlich der Bogmailer.

Am nächsten Tag verkündet McGing im Pub, Rory Rua habe Eamonn Eales ermordet und versucht, Kenneth Potter zu erschießen. Das könne er mit Indizien beweisen. Dann geht er los, um ihn festzunehmen.

„Rory Rua kann’s nicht gewesen sein“, sagte Crubog. „Der kauft doch meinen Hof.“

Ken Potter reist ohne Nora ab. Auf dem Weg durchs Dorf sieht er, wie der neue Kalksteinaltar entladen wird. Er begegnet Gimp Gillespie, der überzeugt ist, dass Nora den Kanonikus liebt, obwohl dieser doppelt so alt ist und ihr Vater sein könnte. Während die beiden Männer noch auf der Straße miteinander reden, hören sie einen Gewehrschuss.

nach oben (zur Kritik bzw. Inhaltsangabe)

Wie wir aus dem Roman erfahren, setzt sich der Titel „Bogmail“ aus den englischen Wörtern für Moor (bog) und Erpresser (blackmailer) zusammen. Es geht denn auch um Verbrechen wie Mord, Raub und Erpressung. Aber „Bogmail“ ist mehr Dorfkomödie als Kriminalroman. Zynisch entlarvt der irische Schriftsteller Patrick McGinley die Dorfidylle in der Grafschaft Donegal – in der er selbst aufwuchs – als Trugbild. In diesem Mikrokosmos herrschen Missgunst, Niedertracht und Verschlagenheit, Frustration und Verzweiflung wie anderswo auch.

In einem Pub des Dorfes hören wir dem Wirt und seinen zum Teil schrulligen Stammgästen zu, wenn sie über die Jagd und das Fischen, über Schnepfen und Wattwürmer schwadronieren und debattieren. Zusammengehalten werden die Teile des Romans durch Protagonisten wie den irischen Wirt Timothy Roarty und den englischen Ingenieur Kenneth Potter, aber Patrick McGinley widmet auch Nebenfiguren in „Bogmail“ ganze Kapitel und wechselt die Perspektive entsprechend. Obwohl es in „Bogmail“ vor allem um das halbe Dutzend Personen geht, hätte Patrick McGinley die Charaktere stärker ausleuchten können.

Die Handlung entwickelt sich chronologisch mit hin und wieder eingeflochtenen Rückblenden.

„Wir Iren sind berühmt für unseren Sinn für Humor“, sagt McGing. Patrick McGinleys mitunter derber Humor in „Bogmail“ wird nicht allen Leserinnen und Lesern gefallen. Aber zweifellos handelt es sich um eine unterhaltsame Lektüre.

Der 1937 in Glencolumbkille im County Donegal geborene Autor des Romans „Bogmail“ sollte nicht mit dem 1977 in Brüssel geborenen deutsch-irischen Schriftsteller Patrick McGinley verwechselt werden.

nach oben (zur Kritik bzw. Inhaltsangabe)

Inhaltsangabe und Rezension: © Dieter Wunderlich 2016
Textauszüge: © Steidl Verlag

Jeffrey Eugenides - Middlesex
Jeffrey Eugenides spricht alle Sinne des Lesers an. Mit überbordender Fantasie erzählt er und denkt sich selbst für Nebenhandlungen Besonderheiten aus. Virtuos spielt er mit sämtlichen Möglichkeiten der Erzählkunst. "Middlesex" ist ein wunderbarer Roman.
Middlesex