Bertina Henrichs : Die Schachspielerin

Die Schachspielerin
Originalausgabe: La joueuse d'échecs Éditions Liana Levi, Paris 2005 Die Schachspielerin Übersetzung: Claudia Steinitz Hoffmann und Campe Verlag, Hamburg 2006 ISBN: 978-3-455-03165-2, 143 Seiten Taschenbuch: Diana-Verlag, München 2010 ISBN: 978-3-453-35430-2, 191 Seiten
Buchbesprechung

Inhaltsangabe

Eleni ist mit dem Automechaniker Panos Pannayotis verheiratet, der eine Werkstatt auf Naxos betreibt. Sie haben zwei Kinder. Im Alter von 42 Jahren stößt Eleni bei ihrer Arbeit als Zimmermädchen versehentlich eine Schachfigur um. Kurz darauf schenkt sie Panos einen Schachcomputer zum Geburtstag. Weil ihn das Spiel jedoch nicht interessiert, macht Eleni sich allein damit vertraut. Als Gerüchte darüber kursieren, fürchtet Panos um seinen Ruf. Er möchte nicht als Ehemann einer Verrückten verspottet werden ...
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Kritik

Der Roman "Die Schachspielerin" ist eine Fabel über die Emanzipation. Bertina Henrichs erzählt die einfache Geschichte mit schlichten Worten. Leider ist die Handlung recht konstruiert, und einige Entscheidungen der Figuren sind nicht nachvollziehbar.
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Eleni ist die Tochter armer Bauern aus dem Bergdorf Halki auf Naxos. Mit fünfzehn verließ sie die Schule und begann in Hora als Zimmermädchen zu arbeiten. Drei Jahre später heiratete sie den fünf Jahre älteren Automechaniker Panos Pannayotis, der später die Werkstatt seines Vaters in Hora übernahm. Die beiden haben zwei Kinder: den sechzehnjährigen Yannis und seine vier Jahre jüngere Schwester Dimitra.

Eines Tages stößt Eleni im Hotelzimmer eines französischen Touristenpaares versehentlich gegen ein Schachbrett, auf dem eine Partie noch nicht zu Ende gespielt worden ist. Dabei fällt eine Figur zu Boden. Das Zimmermädchen legt sie neben das Brett. Der Anblick der Figuren fasziniert die Zweiundvierzigjährige so, dass sie beschließt, Panos zu seinem Geburtstag in zwei Wochen ein Schachspiel zu schenken. In Hora kann sie es allerdings nicht kaufen, denn Panos würde sofort davon erfahren, und dann wäre es keine Überraschung mehr. Eleni fährt deshalb mit dem Bus in ihr Heimatdorf Halki, besucht ihren inzwischen fast achtzig Jahre alten früheren Lehrer, Professor Kouros, und überredet ihn, ein schönes Schachspiel für sie zu kaufen.

Kouros ist der Erste in seiner Familie, der studiert hat, statt in der Landwirtschaft zu arbeiten.

Wie aber ließ sich jene weite Welt des Denkens, in die er sich wagte, einem Menschen erklären, der nie im Leben aus bloßem Vergnügen ein Buch aufgeschlagen hatte, der gar nicht wusste, was das bedeutete? Aus dem Vokabular seiner Eltern war der Begriff Vergnügen praktisch verbannt und bezog sich höchstens auf ein paar Gläser Ouzo, die man am Samstagabend in der Taverne trank. Vergnügen war ein Luxus, dafür brauchte man Zeit.

Kouros besorgt Eleni einen Schachcomputer und ein Lehrbuch. Panos bedankt sich für das Geschenk, stellt es jedoch in ein Regal und schaut es nicht mehr an: Ein so anspruchsvolles Spiel ist nichts für ihn.

Als Eleni eines Nachts nicht schlafen kann, fällt ihr Blick auf den Schachcomputer. Sie nimmt ihn aus dem Regal und bringt sich mit Hilfe des Lehrbuchs die ersten Regeln bei. Von da an lernt sie in jeder freien Minute weiter. Darüber vergisst sie ihren Haushalt. Einmal ertappt Panos sie beim Schachspielen, als er um 21 Uhr nach Hause kommt. Sie hat weder gekocht, noch eingekauft. Geistesgegenwärtig erklärt sie, sie habe ihn und die Kinder in eine Taverne einladen wollen. Sie verbringen dort einen schönen Abend. Aber von da an ist Eleni vorsichtiger.

Zufällig trifft sie Kouros auf der Straße. Als er erfährt, dass Panos sich nicht für das Schachspiel interessiert und Eleni sich allein damit beschäftigt, bietet er ihr an, einmal pro Woche mit ihr zu spielen. Die Treffen in Halki sind allerdings ebenso schwer zu tarnen wie die bei einer Liebesaffäre.

Schließlich vertraut Eleni ihrer einzigen Freundin an, dass sie Schach spielt, erzählt jedoch nichts von Kouros. Eleni und Katerina sind eigentlich nur Freundinnen, weil sie zufällig in der Schule nebeneinander saßen. Offenbar behält Katerina das Geheimnis nicht für sich, denn kurz darauf kommt Panos schon am Nachmittag nach Hause und stellt seine Frau zornig zur Rede: Aufgrund der Gerüchte über die Schachspielerin fürchtet er um seinen Ruf. Er möchte nicht als Ehemann einer Verrückten verspottet werden. Weil Eleni sich weigert, das Schachspielen aufzugeben, überwerfen sie sich und reden nicht mehr miteinander.


Wenn Sie noch nicht erfahren möchten, wie es weitergeht,
überspringen Sie bitte vorerst den Rest der Inhaltsangabe.


Vier Wochen später sagt Kouros seiner Schülerin, es gebe nur eine Möglichkeit, als Schachspielerin akzeptiert zu werden: Sie müsse erfolgreich an einem Turnier in Athen teilnehmen. Er übt nun zweimal pro Woche mit ihr. Als er ihr nichts Neues mehr beibringen kann, überwindet er seinen Stolz und ruft seinen Jugendfreund Costa an, mit dem er sich vor dreißig Jahren zerstritten hatte. Der Apotheker im Ruhestand war damals ein guter Schachspieler. Zögernd erklärt er sich bereit, mit der „Putzfrau“ zu üben.

Panos beklagt sich in der Taverne bei dem armenischen Wirt Sahac über seine Frau. Weil er argwöhnt, dass Eleni ihn mit einem anderen Mann betrügt, hilft Sahac ihm, sie zu beschatten. Aber sie trifft sich offenbar tatsächlich mit zwei alten Männern zum Schachspiel.

Nach ein paar Monaten telefoniert Korous herum, bis er von einem Schachklub im Athener Stadtviertel Kolonaki die Zusage erhält, dass Eleni in drei Wochen an einem mehrtägigen Amateur-Turnier teilnehmen darf.

Frühmorgens geht Eleni zum Schiff. Als Panos ihre auf einen Zettel geschriebene Nachricht findet, sucht er Rat bei Sahac. Der meint, es gebe nur zwei Möglichkeiten: Entweder lasse Panos sich scheiden oder er akzeptiere seine Frau als Schachspielerin. Panos entscheidet sich für die zweite Lösung und formuliert auch gleich mit Sahac zusammen einen kurzen Brief an Maria, die Besitzerin des Hotels Dionysos. Er teilt ihr mit, dass seine Frau nicht zur Arbeit gekommen sei, weil sie die Insel bei einem Schachturnier in der griechischen Hauptstadt repräsentiere. Ein kleiner Junge überbringt das Schreiben.

Währenddessen wird Kouros mit einer Lungenentzündung ins Krankenhaus von Hora gebracht. Dort stirbt er zwei Tage später.

Costa fährt nach Athen und geht zu dem Hotel, in dem Eleni übernachtet. Sie ist nicht da. Auf dem Schachbrett in ihrem Zimmer legt er den schwarzen König um.

Eleni hält sich bei dem Schachturnier bis zur dritten Runde. Erst dann scheidet sie aus. Das ist für eine Anfängerin ein großer Erfolg.

Panos hängt über dem Hauseingang eine Girlande auf, um Eleni zu begrüßen.

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Bertina Henrichs wurde 1966 in Frankfurt am Main geboren. Sie lebt mit ihrer Familie in Paris. Obwohl Deutsch ihre Muttersprache ist, schrieb sie ihren Debütroman „Die Schachspielerin“ in französischer Sprache, und nicht sie selbst, sondern Claudia Steinitz übersetzte ihn ins Deutsche.

Der Roman „Die Schachspielerin“ ist eine Fabel über die Emanzipation. Im Mittelpunkt steht eine einfache griechische Frau, die als Zimmermädchen in einem Hotel arbeitet. Im Alter von zweiundvierzig Jahren lehnt sie sich gegen die von Männern dominierten Konventionen auf und erlernt das Schachspiel. Obwohl sie wegen dieser für eine Frau unschicklichen intellektuellen Beschäftigung ausgegrenzt wird, vergrößert sich ihre Selbstsicherheit.

Bertina Henrichs erzählt die einfache Geschichte mit schlichten Worten. „Die Schachspielerin“ ist ein stilles Buch. Leider ist die Handlung recht konstruiert. Einiges wirkt unglaubwürdig. Zumindest hat Bertina Henrichs sich nicht die Mühe gemacht, alle Entscheidungen ihrer Figuren nachvollziehbar darzustellen. Warum meldet Eleni sich beispielsweise nicht bei ihrer verständnisvollen Arbeitgeberin ab, die ihr mit großer Wahrscheinlichkeit freigegeben hätte? Panos müsste eigentlich annehmen, dass Eleni Urlaub genommen hat, aber er erklärt der Hotelbesitzerin in einem Brief Elenis Fernbleiben von der Arbeit. Auch die Sprache ist nicht überzeugend. So ist zum Beispiel der Vergleich von Eseln und den Bauern des Schachspiels missglückt:

„Die Esel dieser Insel sind wie die Bauern beim Schachspiel“, überlegte sie sich. Keine moderne Maschine hatte sie ersetzen können. Sie gingen Schritt für Schritt, langsam, geduldig, ohne andere Bestimmung, als zu dienen und in fetten Jahren gutes Getreide zu essen.

Den Roman „Die Schachspielerin“ von Bertina Henrichs gibt es auch in einer gekürzten Fassung als Hörbuch, gelesen von Marie-Luise Marjan (Regie: Axel Pleuser, Bearbeitung: Silvia Vormelker, Hamburg 2006, 2 CDs, ISBN 978-3-455-30091-8).

Caroline Bottaro verfilmte den Roman „Die Schachspielerin“:

Die Schachspielerin – Originaltitel: Joueuse – Regie: Caroline Bottaro – Drehbuch: Caroline Bottaro, nach dem Roman „Die Schachspielerin“ von Bertina Henrichs – Kamera: Jean-Claude Larrieu – Schnitt: Tina Baz – Musik: Angelo Giovagnoli – Darsteller: Sandrine Bonnaire, Kevin Kline, Valérie Lagrange, Francis Renaud, Alexandra Gentil, Alice Pol, Didier Ferrari, Laurence Colussi, Élisabeth Vitali, Daniel Martin u.a. – 2009; 100 Minuten

 

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Inhaltsangabe und Rezension: © Dieter Wunderlich 2011
Textauszüge: © Hoffmann und Campe Verlag

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