Der Räuber

Der Räuber

Der Räuber

Originaltitel: Der Räuber – Regie: Benjamin Heisenberg – Drehbuch: Benjamin Heisenberg und Martin Prinz, nach einem Roman von Martin Prinz – Kamera: Reinhold Vorschneider – Schnitt: Benjamin Heisenberg, Andrea Wagner – Musik: Lorenz Dangel – Darsteller: Andreas Lust, Franziska Weisz, Florian Wotruba, Johann Bednar, Markus Schleinzer, Peter Vilnai. Max Edelbacher u.a. – 2010; 95 Minuten

Inhaltsangabe

"Der Räuber" ist das Porträt eines Einzelgängers, eines Mannes ohne Eigenschaften, der sich über das Laufen definiert. Das ist bei ihm wie eine Sucht. Ansonsten interessiert ihn im Grunde nichts. Auch die Banküberfälle sind nur sportliche Bewährungsproben für ihn. Von dem erbeuteten Geld gibt er kaum etwas aus, denn er außer dem Laufen kennt er keine Bedürfnisse ...
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Kritik

"Der Räuber" – die Verfilmung eines Romans von Martin Prinz – ist ein Gangsterdrama, aber Benjamin Heisenberg geht es weder um Suspense, noch um psychologische Erklärungen.
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Wien. Wegen Bankraubs verbüßt Johann Rettenberger (Andreas Lust) eine Haftstrafe. Auch im Gefängnis bleibt er ein Einzelgänger, der sich für nichts anderes als Laufen interessiert. Jeden Tag dreht er seine Runden im Gefängnishof, und auch in der Zelle läuft er bis zur Erschöpfung auf einem Laufband, das ihm die Gefängnisleitung installieren ließ, nachdem sie sich von der Ernsthaftigkeit seines Trainings überzeugt hatte.

Nach sieben Jahren kommt Johann Rettenberger frei. Als erstes bricht er ein Auto auf und nimmt sich ein Zimmer in einer billigen Pension. Um sich Geld zu verschaffen, überfällt er eine Bank. Dabei trägt er eine Kabuki-Maske und ist mit einer Pumpgun bewaffnet. Wenn er im Auto die Maske abnimmt, fällt auf, dass seine versteinerten Gesichtszüge kaum weniger maskenhaft sind. Er kauft Turnschuhe. Das Laufen nimmt nach wie vor den wichtigsten Platz in seinem Leben ein, nur läuft er jetzt durch Parks und nicht mehr auf einem Laufband in einer Gefängniszelle.

Als er sich arbeitslos meldet, entdeckt er seine Jugendfreundin Erika (Franziska Weisz). Sie ist hier beim Arbeitsamt beschäftigt. Während die Betreuerin, die seinen Fall aufnimmt, ein paar Kopien zieht, wechselt Johann Rettenberger ein paar Worte mit Erika, aber dann wird sie zu ihrem Chef gerufen.

Nach einem zweiten Bankraub nimmt Rettenberger am Wiener Stadtmarathon teil und überrascht als unbekannter Außenseiter mit einer Rekordleistung. Der Bewährungshelfer (Markus Schleinzer) verabredet sich mit ihm in einem Straßencafé und lässt sich von ihm ein Autogramm geben, zeigt sich aber auch besorgt, weil Rettenberger offenbar weder Freunde hat noch Kontakt zu seiner Familie aufnimmt. Während der Beamte es sich schmecken lässt, begnügt Rettenberger sich mit einem Bier. Er lebt asketisch, und als sein Gegenüber zur Zigarette greift, protestiert er energisch und weist darauf hin, dass er Sportler sei.

Erika nimmt ihn in der Wohnung in Wien auf, die sie von ihrer verstorbenen Mutter geerbt hat. Sie gehen miteinander ins Kino und dann auch ins Bett, aber Rettenberger bleibt unnahbar.

Er überfällt weiter Banken und raubt Fluchtfahrzeuge. Das Geld versteckt er in Müllsäcken unter dem Bett.

Eines Tages findet Erika das viele Geld, die Maske und die Pumpgun. Enttäuscht fragt sie, welche Rolle sie in seinem Leben spiele. Nach langem Nachdenken sagt er: „Ich hab‘ einfach nicht mit dir gerechnet.“ Sie bittet ihn, sich ein anderes Quartier zu suchen, und er geht.

Nach seinem spektakulären Sieg bei einem Bergmarathon passt ihn der Bewährungshelfer ab. Er fragt, warum Rettenberger sich seit acht Wochen nicht mehr bei ihm gemeldet und auch keine neue Kontaktadresse angegeben habe. Rettenberger hat keine Lust, mit ihm zu reden und sagt ihm das auch unmissverständlich. Er geht weiter, mit dem Pokal in der Hand. Der Beamte, der noch immer glaubt, ihn vor einem erneuten Abrutschen in die Kriminalität bewahren zu können, folgt ihm und redet weiter auf ihn ein, bis Rettenberger sich entnervt umdreht und ihn mit dem Pokal erschlägt.

Die beiden Kommissare (Johann Bednar, Max Edelbacher), die in dem Mordfall ermitteln und Rettenberger verdächtigen, befragen auch Erika. Sie verrät ihren früheren Freund jedoch nicht und beteuert, sie habe ihn nicht hinausgeworfen, sondern es sei so ausgemacht gewesen, dass er sich eine eigene Wohnung suchen würde.

Nach dem Besuch der Polizei eilt Erika zu dem Hotel, das Rettenberger ihr genannt hat. Er sieht sie kommen, aber statt auf sie zu warten, verlässt er das Hotel und will mit einem Auto wegfahren. Erika stellt sich ihm in den Weg und warnt ihn vor der Polizei, die ihn wegen Mordes sucht. Er fährt sie nach Hause und kopuliert mit ihr. Aber noch in derselben Nacht kehrt er ins Hotel zurück. Dort wartet ein schwer bewaffnetes Sonderkommando der offenbar von Erika verständigten Polizei auf ihn und nimmt ihn fest.

Als Rettenberger nach seinem Geständnis das Protokoll durchlesen und unterschreiben soll, nutzt er die Unaufmerksamkeit der Beamten und springt aus dem Fenster im ersten Stock. Er landet auf einem Autodach und rennt weg. Eine Großfahndung wird ausgelöst. Rettenberger, der auf einen Hügel geflohen ist, sieht die Suchmannschaften, die sich von allen Seiten nähern. Es gelingt ihm, einen Polizisten niederzuschlagen, der sich von den anderen absonderte, und ihm die Dienstpistole abzunehmen. In einer kleinen Höhle versteckt er sich, und nachdem die Postenkette vorübergezogen ist, läuft er zurück.


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Er bricht in eine Laube ein, isst und trinkt etwas. Als auf der Straße vor dem Schrebergarten ein alter Mann (Peter Vilnai) aus seinem Auto aussteigt, geht Rettenberger mit der Pistole in der Hand hinaus und sagt: „I brauch des Auto.“ Dann fordert er den Greis auf, mit in die Laube zu kommen. Während Rettenberger ihm die Füße mit Packband an einen Stuhl fesselt, hustet der Mann, nimmt mit dem Taschentuch unbemerkt auch ein kleines Messer aus der Jacketttasche und rammt es dann dem Verbrecher in die Seite. Nachdem Rettenberger sich notdürftig mit Küchenkrepp und Klebeband verbunden hat, fährt er mit dem Wagen des Gefesselten los.

Auf der Westautobahn bemerkt er, dass ihn ein Polizeihubschrauber verfolgt. Daraufhin hält er auf dem Parkplatz eines Rastplatzes. Dort bedroht er mit der Waffe ein junges Paar (Bernd-Christian Althoff, Swintha Gersthofer). Er zwingt den Mann, die Jacke mit ihm zu wechseln und mit dem Auto loszufahren, das er dem Greis geraubt hat. Die Frau hält er zurück, bis er sicher ist, dass der Hubschrauber ihrem Freund folgt. Dann fährt er mit dem Auto des Paares weiter. Dutzende von Streifenwagen überholen ihn. Die Polizei jagt den Falschen.

Aber Johann Rettenberger kommt dennoch nicht davon. Die Verletzung und der Blutverlust machen ihm zu schaffen. Er fährt, bis er nicht mehr kann. Dann hält er auf dem Seitenstreifen, ruft Erika an und stirbt während des Telefongesprächs.

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Martin Prinz ließ sich von der Biografie des von dem Medien „Pumpgun-Ronnie“ genannten Bankräubers und Marathon-Rekordhalters Johann Kastenberger zu dem Roman „Der Räuber“ anregen (Jung und Jung, Salzburg / Wien 2002, 134 Seiten, ISBN 3-902144-40-8). Bei der Verfilmung des Buches durch Benjamin Heisenberg arbeitete Martin Prinz mit am Drehbuch.

„Der Räuber“ ist das Porträt eines Einzelgängers. Johann Rettenberger ist ein Mann ohne Eigenschaften. Während der Bankräuber Doc McCoy in „Getaway“ ein Ziel anstrebt, ist Johann Rettenberger nur noch unterwegs. Das Wichtigste in seinem Leben ist das Laufen, darüber definiert er sich. Das ist bei ihm wie eine Sucht; er wirkt da auch wie ein Getriebener. Ansonsten interessiert ihn im Grunde nichts; auch die Banküberfälle sind nur sportliche Bewährungsproben für ihn. Von dem erbeuteten Geld gibt er kaum etwas aus, denn er außer dem Laufen kennt er keine Bedürfnisse. Er lebt asketisch und droht auszurasten, wenn jemand in seiner Nähe raucht. Der eine oder andere Kritiker sieht Johann Rettenberger auch als exemplarische Figur einer neoliberalen Gesellschaft, in der jeder als kapitalistischer Einzelkämpfer möglichst viel Geld zu verdienen versucht, ohne die Zeit oder das Bedürfnis zu haben, mit dem Geld etwas Sinnvolles anzufangen.

„Der Räuber“ ist ein Gangsterfilm, ein Krimidrama, aber Benjamin Heisenberg verglich sein Werk auch mit einem Tierfilm. Tatsächlich verfolgt er den Protagonisten wie einen einsamen Wolf. „Der Räuber“ wirkt, als sei das alles nicht inszeniert, sondern aufgezeichnet, dokumentiert. Martin Prinz und Benjamin Heisenberg fragen nicht nach Motiven und versuchen sich auch nicht an psychologischen Erklärungen für das Verhalten. Der Film zeigt sogar die Banküberfälle einfach als Abläufe, ohne Suspense aufzubauen.

Die Hauptrolle wird von Andreas Lust (* 1967) überzeugend verkörpert. Obwohl es sich bei Johann Rettenberger nicht um eine Identifikationsfigur handelt und auch kein Mitgefühl aufkommt, schaut man dem Wiener Schauspieler gebannt zu.

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Inhaltsangabe und Rezension: © Dieter Wunderlich 2013

Johann Kastenberger (kurze Biografie)

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