Brigitte Meier : Friedrich Wilhelm II. König von Preußen
Inhaltsangabe
Kritik
Friedrich Wilhelm II. (Kurzbiografie)
Als Ansatz für ihre Biografie „Friedrich Wilhelm II. König von Preußen. Ein Leben zwischen Rokoko und Revolution“ wählte die Historikerin Brigitte Meier die von dem französischen Soziologen Pierre Bourdieu (1930 – 2002) entwickelte Kapital-Theorie, „die es ermöglicht, die Entwicklungsbedingungen eines Menschen im Kontext der gesellschaftlichen, institutionellen und kommunikativen Strukturen zu untersuchen“ (Seite 10). Dementsprechend führt sie die Schwächen Friedrich Wilhelms auf ein unzureichendes Bildungs-Kapital und ein negatives symbolisches Kapital zurück. Verantwortlich dafür macht sie seinen Vorgänger Friedrich den Großen, der seinen Neffen nicht genügend auf das Amt vorbereitet, seine Entwicklungsmöglichkeiten eingeschränkt und ihm durch Schmähungen geschadet habe. Auf diese Weise versucht Brigitte Meier, das schlechte Image, das Friedrich Wilhelm II. seit den Neunzigerjahren des 18. Jahrhunderts hat, als Summe von Vorurteilen erscheinen zu lassen. König Friedrich II. von Preußen, dem sie konsequent den Zusatz „der Große“ verweigert, kommt dabei nicht besonders günstig weg.
Aufgewachsen im Geist der Aufklärung und in einer vom Zynismus Friedrichs II. geprägten höfischen Gesellschaft lernte Friedrich Wilhelm schon als Kind die Widersprüchlichkeit und Komplexität des höfischen Mikrokosmos kennen. Auf der einen Seite stand rein theoretisch seiner umfassenden Bildung fast nichts im Wege und auf der anderen Seite sorgte Friedrich II. mit seinem Verhalten und seinen Wertmaßstäben für eine bewusste Selektion […] Der übermächtige Onkel, der die ersten Jahre seines Neffen mit großem Interesse und guten pädagogischen Vorsätzen begleitete, wurde in der Zeit der Pubertät des Prinzen zum gefürchteten Übermenschen […] Friedrich […] behandelte seinen Nachfolger eben nicht wie es von einem aufgeklärten Monarchen zu erwarten war. Statt ihn systematisch auf die Regierungsübernahme vorzubereiten, ihm die Regierungspraxis nahezubringen, verbot er seinen Ministern, seinen Nachfolger zu unterrichten und in die Staatsgeschäfte einzuweihen […] Friedrich II., enttäuscht vom Verhalten und von den Fähigkeiten seines Nachfolgers, diffamierte diesen öffentlich und vernichtete so dessen symbolisches Kapital. (Seite 282)
Der preußische Staat wurde […] seit 1786 von keinem launenhaften Genussmenschen regiert, der sich von den Frauen seiner Umgebung und einigen Rosenkreuzern sagen ließ, was er tun sollte, sondern von einem gebildeten, verantwortungsbewussten und gläubigen Christen, der – und das spricht für seine hohe Bildung – die eigenen Grenzen sehr genau kannte. (Seite 121)
Der schlechte Ruf des Königs überschattete sein Handeln ebenso wie seine zu einseitige Bildung, sodass der Eindruck entstand, dass hier ein „willensschwacher“, „wankelmütiger“ und übermäßig stolzer Monarch agierte. (Seite 199)
Brigitte Meier behauptet, das vorherrschende Urteil über König Friedrich Wilhelm II. sei unzutreffend. Statt jedoch die angeblichen Vorurteile zu entkräften, führt sie selbst Beispiele seiner Unzulänglichkeiten und Fehlschläge an. Dass sie dabei immer wieder auf die mangelhafte Vorbereitung des Prinzen von Preußen durch König Friedrich den Großen hinweist, ändert nicht das Bild, das sie selbst von Friedrich Wilhelm zeichnet.
Aufgewachsen im Selbstverständnis des preußischen Königshauses und erzogen im Zeitgeist der Aufklärung verfügte Friedrich Wilhelm II. zwar über eine umfassende Allgemeinbildung und eine fundierte künstlerische Ausbildung, aber mit seinen kameralistischen und ökonomischen Kenntnissen konnte er den Anforderungen seiner Zeit nicht gerecht werden. (Seite 199)
Die Tragik Friedrich Wilhelms II. besteht eigentlich darin, dass er, als er all seine Kräfte und seine Energie benötigte, um den stark vergrößerten preußischen Staat nunmehr effizienter zu konsolidieren, eben wirklich krank war und keine Kraftreserven mehr hatte. (Seite 250)
Die Schulden Friedrich Wilhelms II. resultierten nicht aus der zügellosen Verschwendungssucht, die ihm angedichtet wurde, sondern aus den zahlreichen Kriegen […] So hinterließ er seinem Sohn 48 Millionen Taler Schulden, von denen noch 12 Millionen von Friedrich II. stammten. (Seite 275)
Brigitte Meier hat ihr Buch „Friedrich Wilhelm II. König von Preußen. Ein Leben zwischen Rokoko und Revolution“ in vier Hauptteile gegliedert:
- Die preußische Monarchie in der 2. Hälfte des 18. Jahrhunderts
- Die elf Regierungsjahre Friedrich Wilhelms II.
- Das geistig-kulturelle Leben eines „neuständischen“ Monarchen
- Die letzten Lebensjahre zwischen Hoffnung und Resignation
Die ersten beiden Kapitelüberschriften im 1. Teil lauten: „Familienbande. Die preußischen Könige und die Erziehung ihrer Thronfolger“ und „Kindheit und Jugend Friedrich Wilhelms“. Wirft man auch noch einen Blick auf den Titel des letzten Teils, könnte man zunächst eine chronologische Darstellung von der Sozialisation Friedrich Wilhelms bis zu seinem Lebensabend erwarten. Aber Brigitte Meier hat eine thematische Struktur gewählt und bespricht beispielsweise die 1790 geschlossene morganatische Ehe des Königs mit der Gräfin von Dönhoff schon vor seiner Thronbesteigung im Jahr 1786. Einige Sachverhalte werden an mehreren Stellen aufgegriffen. Das könnte bei bedeutsamen Fragestellungen den Vorteil haben, dass sie in unterschiedlichen Zusammenhängen beleuchtet werden, aber wenn es sich um banalere Tatsachen handelt, irritieren unnötige Zeitsprünge und Wiederholungen beim Lesen.
Empfehlenswert ist „Friedrich Wilhelm II. König von Preußen. Ein Leben zwischen Rokoko und Revolution“, weil es sich um eine auf profunden Kenntnissen und umfangreichen Archiv- bzw. Literaturstudien basierende Arbeit handelt.
Brigitte Meier wurde 1956 in Neuruppin geboren. Sie studierte Geschichtswissenschaften und Germanistik an der Universität Greifswald. Seit 2006 ist sie apl. Professorin an der Kulturwissenschaftlichen Fakultät der Europa-Universität Viadrina in Frankfurt/Oder.
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Inhaltsangabe und Rezension: © Dieter Wunderlich 2007
Textauszüge: © Verlag Friedrich Pustet
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