T. S. Eliot : Mord im Dom
Inhaltsangabe
Kritik
Thomas Becket, der nach seiner Ernennung zum Erzbischof von Canterbury sehr zum Missfallen König Heinrichs II. von England das Amt des Lordkanzlers niedergelegt und den Kampf um die Libertas ecclesiae gegen die Krone aufgenommen hatte, kehrt 1170 nach sieben Jahren im französischen Exil zurück und wird am 2. Dezember 1170 in der Halle des Erzbischofs von den Priestern und den Frauen von Canterbury jubelnd begrüßt.
Vier Versucher treten mit Motiven an ihn heran, die aus seiner eigenen Persönlichkeit stammen, doch Thomas Becket widersteht ihnen. Vor allem begreift er, dass er nicht seiner Ruhmsucht nachgeben und von sich aus seinen Märtyrertod herbeiführen darf. So predigt er am Weihnachtsmorgen im Dom:
„Noch weniger wird ein christliches Martyrium durch den Willen eines Mannes herbeigeführt, der ein Heiliger werden will, etwa wie ein Mensch, der will und sich Mühe gibt, ein Herrscher über Menschen werden kann. Ein Martyrium ist immer Gottes Absicht, entsprungen aus seiner Liebe zu den Menschen, um sie zu warnen und zu leiten und sie wieder auf seinen Weg zurückzuführen. Es ist niemals die Absicht eines Mannes; denn der rechte Märtyrer ist jemand, der Gottes Werkzeug geworden ist, der seinen eigenen Willen an Gottes Willen verloren hat, und der nicht länger irgendwas für sich wünscht, nicht einmal den Ruhm, ein Blutzeuge zu sein.“ (Seite 123)
Am 29. Dezember treten vier königstreue Ritter auf, die Thomas Becket Undankbarkeit gegenüber Heinrich II. vorwerfen und ihn auffordern, England erneut zu verlassen. Der Erzbischof will jedoch bei seiner Gemeinde bleiben und weigert sich. Aufgeregt raten die Priester ihm, durch den Kreuzgang von der Halle des Erzbischofs in den Dom zu fliehen, und als er ihren Bitten nicht von sich aus folgt, ziehen sie ihn hinüber. Sie verriegeln die Türen, aber Thomas Becket will die Kirche nicht zu einer Festung machen und ordnet an, die Türen wieder zu öffnen. Wenig später dringen die vier Ritter in den Dom ein und erschlagen den Erzbischof von Canterbury mit ihren Schwertern am Altar.
Danach treten sie an die Bühnenrampe und sprechen zum Publikum. Baron William de Traci, Reginald Fitz Urse, Baron Hugo von Morville und Richard Brito erklären in ihren Plädoyers, völlig uneigennützig aus Gründen der Staatsräson gehandelt zu haben. Sie geben zu bedenken, dass Heinrich II. das unter seiner Mutter Mathilde und dem Usurpator Stephan ins Chaos gestürzte Königreich konsolidierte, die Ordnung wiederherstellte und dazu die Befugnisse regionaler Machthaber beschneiden musste. Im Zusammenspiel mit Thomas Becket, so die Ritter, habe er die weltliche und geistliche Herrschaft verbinden wollen, sei dabei aber von dem Erzbischof verraten worden.
Bei der Gestaltung seines Theaterstücks „Mord im Dom“ („Murder in the Cathedral“) griff Thomas Stearns Eliot auf Elemente der griechischen Tragödie und mittelalterlicher Mysterienspiele zurück. Der erste Teil (nicht: Akt) spielt am 2. Dezember 1170 in der Halle des Erzbischofs, der zweite siebenundzwanzig Tage später zunächst am selben Ort, dann im Dom. Die beiden Hauptteile sind in Versen geschrieben, mit Ausnahme der Plädoyers der vier Ritter am Ende, die ebenso wie das Zwischenspiel – Thomas Beckets Predigt am Weihnachtsmorgen – in Prosa stehen. Neben Thomas Becket treten nur repräsentative Figuren auf: ein Bote, drei Priester, vier Versucher, vier Ritter, das Gefolge und der Chor der Frauen.
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Inhaltsangabe und Rezension: © Dieter Wunderlich 2004
Textauszug: © Suhrkamp Verlag. – Die Seitenangabe bezieht sich auf
Band 43 der Buchreihe „Nobelpreis für Literatur“ des Coron-Verlags, Zürich.