Hermann Broch : Die Schlafwandler
Inhaltsangabe
Kritik
Hermann Broch (1886 in Wien geboren, 1938 in die USA ausgewandert, 1951 in New Haven gestorben) hat die Trilogie „Die Schlafwandler“ zwischen 1928 und 1932 geschrieben. Die drei Romane umfassen die Epoche Wilhelms II. zwischen 1888 und 1918.
Jeder Band stellt einige wenige Protagonisten heraus, an deren persönlicher Entwicklung ihr Stand in der Gesellschaft und die politische Stimmung der Zeit analytisch geschildert wird. Hermann Broch bezeichnet sein Verfahren als „erweiteren Naturalismus“. Es ist bestechend, wie es dem Autor gelingt, anhand der exemplarischen Vertreter in ihrer Umgebung die Entwicklung der verschiedenen Gesellschaftsschichten über die drei Romane hinweg nachvollziehbar zu machen. In den Bänden II und III finden sich dann auch wieder Figuren aus den vorhergehenden Geschichten ein. So realistisch das soziale Umfeld erzählt wird, so psychologisch subtil werden die Gründe für die jeweilige Wandlung — der Personen und der Zeit — dargestellt. Es wird nach und nach deutlich, wie der Zerfall der Werte immer weiter fortschreitet. Zudem verblüfft Hermann Broch mit weisen Prophezeiungen: „Und in der Furcht vor der Stimme des Gerichtes … erwacht in ihm … die Sehnsucht nach dem Führer, der leicht und milde bei der Hand ihn nimmt, ordend und den Weg weisend, der Führer, der keinem mehr nachfolgt und der vorangeht …, aufzusteigen zu immer höheren Ebenen …, er, der das Haus neu erbauen wird … der Heilsbringer, der in seinem eigenen Tun das unbegreifbare Geschehen dieser Zeit sinnvoll machen wird …“ („Die Lektüre von Broch erschien mir stets, wie die von Kafka, als eine nicht überbietbare Vorausschau.“ – Milan Kundera)
Jeder der drei Romane hat seinen eigenen, der jeweiligen Epoche angepassten Stil. Trotz der somit manchmal etwas ungewohnten Schilderung der Handlung, die oft auch im Traumhaften verweilt, ist das Buch gut zu lesen. Für uns moderne, also eilige Leser, sind die philosophischen Exkurse über den „Zerfall der Werte“ allerdings etwas beschwerlich.
nach oben (zur Kritik bzw. Inhaltsangabe)„… und oft war es, als ob das Getane und das Gesprochene und Geschehene nichts wäre als ein Vorgang auf matt beleuchteter Bühne, eine Darbietung, die vergessen wird und nie vorhanden war, Gewesenes, an das niemand sich klammern kann, ohne das irdische Leid zu vergrößern. Denn immer versagt die Erfüllung im Realen, aber der Weg der Sehnsucht und der Freiheit ist unendlich und niemals ausschreitbar, ist schmal und abseitig wie der des Schlafwandlers …“ (Der zweite Roman).
Inhaltsangabe und Rezension: © Irene Wunderlich 2002
Textauszüge: © Suhrkamp Verlag