janusjanus : im spiralhaus
Inhaltsangabe
Kritik
In „wirtragenmaske“ und „letzte seite“ wird die Situation veranschaulicht, die durch staatliche Verordnungen zur Eindämmung der Corona-Pandemie entstanden ist:
[…]
schlüssel, geldbeutel, ausweis
und fast vergaß ich
maske!!!
welch ein surrealer alltag
wurde uns verordnet
[…]in der tageszeitung
auf der letzten seite
die coronalage
neuinfektionen
todesrate
stadt
land
weltweit
tag für tag
[…]
Frustriert beklagt janusjanus die staatlich verordneten Einschränkungen und freut sich zugleich über neue Formen der Kommunikation, nicht nur im Internet, sondern vor allem auch durch Gesten und Augenkontakt. Früher nickten Gleichgesinnte sich schon mal zu, schwitzende Jogger beispielsweise, aber die auf ihre Schrittzähler starrenden, Funktionskleidung tragenden Jogger des neuen Jahrtausends konzentrierten sich nur auf sich selbst. Erst beim pandemiebedingten Social Distancing gibt es wieder Augenblicke der Verbundenheit von Menschen auf der gleichen Welle:
[…]
und da ist er wieder
dieser gruß vergangener tage
dieses freundliche zunicken
wenn uns einer entgegenläuft
diese spontane freude
menschen zu begegnen
In den Gedichten des Buches „im spiralhaus. poesie eines angeordneten rückzugs“ geht es nicht nur um Corona, sondern auch um Alter und Sterben.
Das geschieht erst einmal im Zusammenhang mit dem Virus, beispielsweise in „einskommafünf meter“ und „wandel“:
[…]
zu deinem schutz
sitze ich nun mit atemmaske vor dir
vermummt wie ein räuber
[…]
zusammengesunken und etwas schief
sitzt du im rollstuhl
einskommafünf meter entfernt
zu deinem schutz
ich würde dich gerne aufrichten
so wie immer
damit dein rücken nicht schmerzt
doch einskommafünf meter trennen uns
zu deinem schutz
[…]erst jetzt
da unser atmen zur tödlichen gefahr wird
[…]
erst jetzt
da wir mit schutzanzügen
am bett unserer sterbenden eltern sitzen
mit silikonhandschuhen ihre hand streicheln
um den übergang zu begleiten
erst jetzt begreifen wir
was es bedeutet
zu trösten
zu berühren
zu halten
[…]
In „deine scham“ versetzt sich janusjanus in einen alten, hilflosen Menschen:
nach oben (zur Kritik bzw. Inhaltsangabe)fremde menschen
berühren dich
drehen und wenden
routiniert
deinen schutzlosen körper
[…]
plaudern munter mit dir
und sehen
deine schamesröte nicht
Hinter dem Pseudonym janusjanus verbergen sich eine Frau aus Augsburg und ein Mann aus Lindau, beides Künstler – und nun auch Lyriker mit dem Buch „im spiralhaus. poesie eines angeordneten rückzugs“.
Aus gegensätzlichen, sich ergänzenden oder auch korrespondierenden Perspektiven betrachten sie Aspekte der Corona-Pandemie. Gegen Ende zu beschäftigt sich janusjanus mit Alter und Tod, im Zusammenhang mit dem Virus, aber auch unabhängig davon.
„im spiralhaus. poesie eines angeordneten rückzugs“ enthält keine altmodischen Reime, sondern 68 moderne Gedichte über aktuelle Lebensumstände, alles ohne Großbuchstaben und Satzzeichen.
Im letzten Gedicht („hoffnungsschimmer“) heißt es:
nach oben (zur Kritik bzw. Inhaltsangabe)durch die brennlinse
zeigt corona
all die probleme unserer zeit
unangenehme wahrheiten
zu lange von uns ignoriert
[…]
verletzlich geworden
spüren wir nun
dass wir mit allem verbunden sind
[…]
Inhaltsangabe und Rezension: © Dieter Wunderlich 2021
Textauszüge: © janusjanus © Karin Fischer Verlag