Anna Burns : Milchmann
Inhaltsangabe
Kritik
Das Stadtviertel
Die Handlung spielt in den Siebzigerjahren im katholischen Viertel einer nordirischen Stadt. Hass, Misstrauen, Nationalismus und Intoleranz prägen die Haltung der Bewohner.
Das „Wir“ und „Die“ war uns in Fleisch und Blut übergegangen.
Namen, die aus dem „Land auf der anderen Seite der See“ (England) stammen, sind in diesem Stadtteil verboten. Als Mittlere Schwester neun Jahre alt war, töteten Militärs dieses feindlichen Landes alle Hunde in dem von Paramilitärs beherrschten Stadtteil, in dem die Staatsverweigerer die Guten sind und die Polizei ebenso wie das Militär als Feind gelten.
Für die Polizei waren wir eine terroristische Gemeinschaft. Wir waren der Feind, wir waren die Terroristen, die Zivilterroristen, die Verbündeten von Terroristen oder einfach Personen, die verdächtigt wurden, aber denen noch nicht nachgewiesen war, Terroristen zu sein. Das war der Stand der Dinge, und weil sich beide Seiten darüber im Klaren waren, rief man die Polizei in meiner Gegend einzig und allein, wenn man vorhatte, sie zu erschießen, was die Polizei natürlich wusste und weswegen sie nicht kam.
In Diskos und Trinkschuppen marschieren regelmäßig bewaffnete Paramilitärs in schwarzer Kluft auf, blicken sich mit strenger Miene um und gehen wieder. Es handelt sich um eine Machtdemonstration, wie sie auch das Militär immer wieder durchführt. Allerdings scheint es Absprachen zu geben, denn die beiden verfeindeten Organisationen treffen dabei nie aufeinander.
Als Ergebnis des Hasses gibt es nicht nur Tote, sondern auch zahlreiche Schussverletzungen, aber keiner der Bewohner des Stadtteils wagt sich in ein staatliches Krankenhaus, weil Patienten, die Kontakte zu Verweigerern oder gar Paramilitärs haben, zu Spitzeldiensten gezwungen werden. Stattdessen gibt es Gartenlaubenapotheken und Notaufnahmen in Privathäusern des Viertels.
Natürlich ging sie nicht ins Krankenhaus, denn so wie man hier die Polizei rief – nämlich gar nicht –, ließ man sich auch nicht mit Gesundheitsbehörden ein, was als genauso leichtsinnig galt.
In dieser Gesellschaft sind die Geschlechterrollen noch klar definiert.
Hier war „Ich Mann, du Frau“-Gebiet.
In der Rotlichtstraße wohnen allerdings unverheiratete Paare.
[…] junge Paare […], die zwar zusammenleben, aber nicht heiraten und sich konventionell niederlassen wollten. Das hieß, nicht mit sechzehn heiraten, ab siebzehn Babys kriegen und sich mit zwanzig zum Sterben vor den Fernseher auf die Couch setzen wie die meisten Eltern. Sie wollten die Dinge anders machen – wie genau, wussten sie auch nicht, aber anders auf jeden Fall.
Womöglich gibt es in der Rotlichtstraße Lebensgefährten, die nicht nur Unzucht treiben, sondern sogar unterschiedlichen Konfessionen angehören
Die Familie
Auch unter Mittlere Schwesters Brüdern und Schwägern gibt es Ermordete.
Der Vater starb eines natürlichen Todes. Dass er wegen Depressionen in der Psychiatrie gewesen war, hatte die Mutter vertuscht.
[…] die hatte Pa gehabt: gewaltige, schwere, drängende, satte, ansteckende, Schwarze-Wolken-Krähen-Raben-Dohlen-haufenweise-Särge-metertiefe-Katakomben-zu-ihren-Gräbern-kriechende-Skelette-klappernde-Knochen-Depressionen.
Auf dem Totenbett klagte er darüber, dass er als Junge oft vergewaltigt worden sei.
Als Mittlere Schwester 12 Jahre alt war, trennte sich ihre älteste Schwester von deren Freund, weil er sie betrogen hatte. Bald darauf wurde sie von einem 35-Jährigen schwanger und heiratete ihn, ohne ihn zu lieben. Inzwischen trauert sie ihrem Ex-Freund nicht nur nach, sondern auch um ihn, denn er wurde erschossen: falsche Religion am falschen Ort! Wenn Schwager 1 mit Mittlerer Schwester allein war, belästigte er sie von Anfang an mit anzüglichen Bemerkungen.
Seit Mittlere Schwester 16 Jahre alt ist, versucht die Mutter, sie zu einer Eheschließung zu drängen. Jetzt, wo sie mit knapp 18 Jahren noch immer unverheiratet ist, wirft die Mutter ihr vor, ein schlechtes Vorbild für ihre drei jüngeren Schwestern zu sein. Dabei sind die erst 7, 8 bzw. 9 Jahre alt.
Seit knapp einem Jahr hat Mittlere Schwester eine Beziehung, aber von Vielleicht-Freunds Vorschlag, eine gemeinsame Wohnung zu mieten, hält sie nichts, denn mehr Nähe und Beziehungszerbrechlichkeit wäre womöglich gar nicht zu ertragen. Es bleibt also bei der „Vielleicht, weiß nicht, kann sein“-Situation.
Vielleicht-Freund war 12, als die Eltern ihn und seine drei älteren Brüder verließen, um ihre Profitänzer-Karriere weltweit fortzusetzen. Inzwischen ist er 19 und bewohnt das Elternhaus allein, weil die Brüder weggezogen sind. Die Räume dienen Vielleicht-Freund auch als Autowerkstatt und Lager von Ersatzteilen. Es sieht dort aus wie bei einem Messie.
Milchmann
Mittlere Schwester geht gern zu Fuß und liest dabei Bücher aus dem 19. Jahrhundert. Während sie im Gehen den Roman „Ivanhoe“ von Walter Scott liest, hält ein Auto neben ihr. Der Fahrer spricht sie an:
„Du bist doch eine von den Dingsda-Schwestern, oder? Der-und-der war dein Vater. Deine Brüder Dings, Dings, Dings und Dings waren doch im Hurling-Team. Spring rein. Ich nehm dich mit.“
Das ist ihre erste Begegnung mit Milchmann, der aber gar keine Milch ausliefert, sondern bei den Paramilitärs zu den Mächtigen gehört. Mittlere Schwester zieht es vor, weiter zu Fuß zu gehen und lehnt das Angebot höflich ab.
„Dann eben nicht. Macht nichts. Viel Spaß noch mit deinem Buch da“, und damit zog er die Tür zu und fuhr weiter.
Obwohl nichts weiter passiert ist, setzt Schwager 1 das Gerücht in die Welt, die knapp 18-Jährige habe eine widerliche Affäre mit einem 41 Jahre alten verheirateten Mann. Sie sei eines der Paramilitärgroupies, heißt es.
Wir haben von der Freundin der Tochter des Bruders der Cousine unseres Onkels, die nicht mehr hier wohnt, gehört …
Ihre Mutter stellt sie zur Rede, und sie berichtet von der flüchtigen Begegnung mit Milchmann. Aber die Mutter glaubt ihr nicht und beschimpft sie als Lügnerin.
Beim Joggen taucht Milchmann wie aus dem Nichts auf und läuft eine Weile neben ihr her. Um nicht noch einmal von ihm angemacht zu werden, verzichtet Mittlere Schwester eine Woche lang aufs Joggen und lässt sich dann von Schwager 3 begleiten, einem durchtrainierten Mann, der seltsamerweise Frauen verehrt und dessen Gewaltbereitschaft sich ausschließlich gegen Männer richtet.
Die Farben des Himmels
Vielleicht-Freund überredet Mittlere Schwester, mit ihm zusammen einen Sonnenuntergang anzuschauen. Eine verrückte Idee! Das tut sonst niemand.
Eine Woche später fordert ihre Französisch-Lehrerin die Klasse auf, bei Sonnenuntergang aus dem Fenster zu schauen. Seit Generationen gibt es nur drei erlaubte Farben für den Himmel: blau tagsüber, nachts schwarz und weiß bei Bewölkung. Es ist verwirrend für Mittlere Schwester, dass bei genauem Hinsehen eine Fülle von Farben erkennbar ist.
Älteste Freundin
Obwohl Mittlere Schwester auch bei der dritten Begegnung mit Milchmann nicht auf ihn eingeht, hält er sie offenbar bereits für seinen Besitz und verlangt von ihr, sich nicht länger mit Vielleicht-Freund zu treffen.
Um das zu besprechen, verabredet sie sich in einem Trinkschuppen mit einer Freundin aus Grundschulzeiten, die allein in ihrem Elternhaus wohnt, weil die anderen Familienangehörigen tot sind. Mittlere Schwester klagt, sie habe doch gar nichts gemacht. Da meint Älteste Freundin:
„Viele Leute haben nichts gemacht […]. Und sie machen immer noch nichts, machen für immer nichts mehr in ihrem hübschen kleinen Sarg […].“
Älteste Freundin rät Mittlere Schwester davon ab, weiterhin beim Gehen zu lesen.
„Semtex passt ins Bild – besser als dein gefährliches Lesen im Gehen.“
Vier Monate später heiratet Älteste Freundin.
[…] Hochzeit auf dem Land, wo ich, bis auf den Geistlichen, der die Trauung vollzog, die Einzige war, die keine Sonnenbrille trug.
Ein Jahr nach der Eheschließung wird der Mann erschossen. Weitere drei Monate später ist auch Älteste Freundin tot. Beide werden auf dem Verweigererteil des Friedshofs begraben.
Vergiftung
Während Mittlere Schwester in einer Diskothek ist, kippt Tablettenmädchen ihr unbemerkt etwas ins Getränk. (Eigentlich ist es kein Mädchen mehr, denn die Giftmischerin ist Ende 20.) Weil Mittlere Schwester sich übergibt und über Magenkrämpfe klagt, nimmt ihre Mutter zunächst an, Milchmann habe sie geschwängert. Dann unterstellt sie ihrer Tochter, bei einer Engelmacherin gewesen zu sein.
Kurz darauf wird Tablettenmädchens Leiche mit aufgeschlitzter Kehle gefunden. Die das Stadtviertel beherrschenden Paramilitärs stellen Nachforschungen an, die dann aber abgebrochen werden, als das Gerücht aufkommt, Milchmann habe Tablettenmädchen ermordet, und zwar nicht aus politischen, sondern aus persönlichen Gründen.
Ein hochrangiger Held der Gemeinschaft hatte einen schmutzigen, gewöhnlichen Mord begangen, und das nur, um irgendein unverschämtes Luder zu rächen.
Während Mittlere Schwester noch krank ist, ruft unerwartet Vielleicht-Freund an, um sich nach ihrem Zustand zu erkundigen. Sie wusste gar nicht, dass er ihre Telefonnummer hatte. Mutter hebt ab, und weil sie den Anrufer für Milchmann hält, schimpft sie gleich los:
„Mir sind deine Intrigen egal und was für ein toller Verweigerer du bist oder wie tapfer du im Einsatz bist oder was für einen Heldenstatus du in der Gemeinschaft hast. Du bist ein Schänder von jungen Mädchen und ein verkommener falscher Milchmann, der echte Milchmänner in Verruf bringt. […] Halte dich ja von ihr fern. Nimm deine Bomben – du verheirateter Mann! – und hau ab.“
Bevor Vielleicht-Freund etwas erwidern kann, legt Mutter auf.
Milchmanns Ende
Nicht nur darüber kommt es zwischen Mittlere Schwester und Vielleicht-Freund zum Streit. Als sie mit dem Bus zu ihm fährt, um sich mit ihm zu versöhnen, findet sie die Haustür aufgebrochen vor und geht hinein. Vielleicht-Freund ist verletzt und wird von einem Bekannten versorgt, den Mittlere Schwester nur unter dem Namen Chefkoch kennt. In der Tischplatte steckt ein blutiges Messer, und auch Chefkochs T-Shirt ist blutgetränkt. Dem belauschten Gespräch der beiden entnimmt Mittlere Schwester, dass Chefkoch die Männer, die Vielleicht-Freund attackierten, in die Flucht schlug.
Als Mittlere Schwester merkt, dass sich Vielleicht-Freund auf die Avancen seines schwulen Retters einlässt, zieht sie sich unbemerkt zurück.
Sobald sie auf der Straße ist, hält ein Lieferwagen neben ihr. Milchmann meint, das habe sich nun auch erledigt und fährt sie nach Hause. In Kürze wolle er einen schönen Ausflug mit ihr machen, sagt er.
Aber dazu kommt es nicht mehr, denn am nächsten Morgen erfährt Mittlere Schwester, dass Milchmann von einem staatlichem Mordkommando erschossen wurde – und dass er tatsächlich Milchmann hieß.
Irgendwer McIrgendwas
Sobald Milchmanns Schutz entfällt, wagt sich der Stalker Irgendwer McIrgendwas wieder aus der Deckung. Im Alter von 17 Jahren wies Mittlere Schwester den Gleichaltrigen erstmals ab. Nun folgt er ihr in einem Trinkschuppen zur Toilette und bedroht sie mit einer Pistole. Aber eine Horde Frauen rettet Mittlere Schwester.
Sie verprügelten ihn also. Und zwar wegen seines Toiletten-Fauxpas, nicht wegen des Ärgers mit den Waffen oder weil er eine Sturmhaube trug, obwohl hier sowieso jeder wusste, wer er war, auch nicht, weil er mich, eine Frau, ihre Seelenschwester, bedroht hatte. Nein. Sie verprügelten ihn einzig und allein, weil er ein Mann war und ohne Vorwarnung die Damentoilette betreten hatte. Er hatte sich respektlos verhalten, weibliche Empfindlichkeiten ignoriert, jeden Feinsinn und jedes Zartgefühl vermissen lassen, alle Höflichkeit fahren lassen, kein Benehmen, keine Galanterie, keine Ehre gezeigt. Im Grund hatte er einfach keine Manieren. [….] Wenn die Konsequenzen zu Ende gebracht wären und sie ihren Männern davon erzählten, was sie gleich im Anschluss wun würden, würden weitere Konsequenzen folgen. Wie das staatliche Einsatzkommando Milchmann nicht getötet hatte, um mir einen Gefallen zu tun, war auch diese Rettung nicht geplant gewesen. Aber Hilfe war Hilfe, egal aus welcher Ecke sie kam. […]
McIrgendwas wurde also von den Frauen versohlt. Dann wurde er von ihren Freunden versohlt. Und als Nächstes hörte ich […], dass er vor ein Verweigerungsgericht gestellt werden sollte.
Als Schwager 3 davon erfährt, kündigt er an, er werde Irgendwer McIrgendwas ebenfalls „verdreschen“.
nach oben (zur Kritik bzw. Inhaltsangabe)„Nicht nötig“, sagte ich. „Doch“, sagte er. „Ach“, sagte ich. „Nichts, ach“, sagte er. „Ach gut“, sagte ich. „Ach gut, was?“, sagte er. „Ach, wenn du meinst“, sagte ich. „Ach, natürlich meine ich das.“ „Ach, dann ist es eben so. “ „Ach“, sagte er. „Ach“, sagte ich. „Ach“, sagte er. „Ach“ sagte ich. „Ach.“
In ihrem Roman „Milchmann“ nimmt uns Anna Burns mit in das Nordirland der Siebzigerjahre, als dort bürgerkriegsähnliche Zustände herrschten, weil sich radikale Republikaner / Nationalisten / Katholiken und Loyalisten / Unionisten / Protestanten blutig bekämpften. Bis zum Waffenstillstand im Jahr 1998 kamen dabei schätzungsweise 3500 Menschen ums Leben. Anna Burns benennt den Ort des Geschehens nicht, aber es könnte ein Stadtteil ihrer Heimatstadt Belfast sein. England wird in „Milchmann“ nur als „Land auf der anderen Seite der See“ bezeichnet, die Republik Irland ist das „Land auf der anderen Seite der Grenze“. Nicht einmal die Romanfiguren tragen Namen. Da ist nur von Milchmann, Echter Milchmann, Vielleicht-Freund, Tablettenmädchen, Irgendwer McIrgendwas die Rede. Das wirkt umständlich und erleichtert die Lektüre ebenso wenig wie die Umschreibungen für Begriffe aus dem Nordirlandkonflikt.
Im Zentrum der rudimentären Handlung von „Milchmann“ steht eine 18-jährige katholische Irin. Weil sie nichts anderes kennt, hält sie Konformitätsdruck und überkommene Moralvorstellungen ebenso für „normal“ wie Hass und Segregation, Gewalt und Bürgerkrieg. In dieser Gesellschaft, in der die Männer ihre Macht demonstrieren, müssen Mädchen und Frauen mit sexuellen Übergriffen leben. Es wäre nicht verwunderlich gewesen, wenn Anna Burns in „Milchmann“ Vergewaltigungen zumindest erwähnt hätte.
Die 1962 in einem katholisch-nationalistischen Arbeiterviertel (Ardoyne-Distrikt) im Norden von Belfast geborene und aufgewachsene Autorin legt mit „Milchmann“ einen Roman weitab vom Mainstream vor. Auf Leserinnen und Leser, die den Nordirlandkonflikt nur aus Berichten kennen, wirken die dargestellten Lebensverhältnisse surreal. Trotz der schrecklichen Umstände ist „Milchmann“ passagenweise tragikomisch.
„Milchmann“ beginnt folgendermaßen:
Der Tag, an dem Irgendwer McIrgendwas mir eine Waffe auf die Brust setzte, mich ein Flittchen nannte und drohte, mich zu erschießen, war auch der Tag, an dem der Milchmann starb.
(Konsequenterweise hätte der Artikel bei Milchmann weggelassen werden müssen, denn anders als „Echter Milchmann“ fährt „Milchmann“ keine Milch aus, sondern gehört zum Paramillitär.)
Anna Burns überlässt das Wort einer Ich-Erzählerin. Der Text liest sich wie der mündliche, teilweise umgangssprachliche Bericht der Protagonistin. Ein Beispiel:
Es sah aus, als würde er sie aus den Latschen küssen.
Das auf wenige Wochen beschränkte Geschehen wird zwar einigermaßen chronologisch geschildert, aber nicht systematisch entwickelt. Die Erzählerin verknüpft assoziativ Erinnerungen und erlaubt sich auch Einschübe. Entsprechend selten sind wörtliche Dialoge in „Milchmann“, und wo sie vorkommen, sind sie in den Textfluss eingefügt und nicht, wie üblich, zeilenweise nach Sprechern getrennt. Seitenlange Absätze prägen das Layout. Die Sprache ist redundant.
Er hatte sich respektlos verhalten, weibliche Empfindlichkeiten ignoriert, jeden Feinsinn und jedes Zartgefühl vermissen lassen, alle Höflichkeit fahren lassen, kein Benehmen, keine Galanterie, keine Ehre gezeigt. Im Grund hatte er einfach keine Manieren.
Für ihren Roman „Milkman“ / „Milchmann“ wurde Anna Burns mit dem Man Booker Prize for Fiction 2018 ausgezeichnet. Kwame Anthony Appiah, der Vorsitzende der Jury, begründet die Wahl so:
The language of Anna Burns‘ Milkman is simply marvellous; beginning with the distinctive and consistently realised voice of the funny, resilient, astute, plain-spoken, first-person protagonist. From the opening page her words pull us into the daily violence of her world — threats of murder, people killed by state hit squads — while responding to the everyday realities of her life as a young woman, negotiating a way between the demands of family, friends and lovers in an unsettled time. The novel delineates brilliantly the power of gossip and social pressure in a tight-knit community, and shows how both rumour and political loyalties can be put in the service of a relentless campaign of individual sexual harassment. Burns draws on the experience of Northern Ireland during the Troubles to portray a world that allows individuals to abuse the power granted by a community to those who resist the state on their behalf. Yet this is never a novel about just one place or time. The local is in service to an exploration of the universal experience of societies in crisis.
Dass eine nordirische Schriftstellerin während der Querelen um den Brexit die höchste literarische Ehrung des Vereinigten Königreichs erhält, ist pikant, denn vor allem an der Nordirlandfrage scheiden sich die Gemüter. Nordirland und Schottland könnten sich als Folge des Brexit von England abspalten, und das Wiedererrichten einer Grenze auf der grünen Insel droht den Nordirlandkonflikt neu aufleben zu lassen.
nach oben (zur Kritik bzw. Inhaltsangabe)Inhaltsangabe und Rezension: © Dieter Wunderlich 2020
Textauszüge: © J. G. Cotta’sche Buchhandlung Nachfolger