Mahatma Gandhi


Mohandas Karamchand Gandhi (1869 – 1948) entstammte einer angesehenen Hindu-Familie. Er studierte von 1888 bis 1891 Jura in London, arbeitete danach als Rechtsanwalt in Kathiawad bei Bombay und ging 1893 als Rechtsberater einer indischen Firma nach Südafrika.

Dort setzte er sich für die indischen Immigranten ein. Dabei ging er davon aus, durch das kompromisslose Festhalten an der Wahrheit sowie durch gewaltfreien Widerstand das Herrschaftssystem ändern zu können. Um der Gerechtigkeit willen müsse auch Leid ertragen werden. Bewusst setzte er sich über ein staatliches Verbot hinweg, als er am 6. November 1913 mit zweitausend Anhängern die Grenze von der Südafrikanischen Union nach Transvaal überschritt, um gegen das südafrikanische Apartheids-Regime zu protestieren, das sich weigerte, den eingewanderten Indern Bürgerrechte zuzugestehen.

1914 kehrte er in seine Heimat zurück und initiierte dort eine moralisch-politische Freiheitsbewegung gegen die britische Kolonialmacht. Gandhi rief dazu auf, nicht mit den englischen Behörden zusammenzuarbeiten und propagierte den bürgerlichen Ungehorsam. Um eine geschlossene Front gegen die Kolonialherren aufrichten zu können, bemühte er sich, die Grenzen zwischen den Kasten einzureißen und die Hindus mit den Muslimen zu versöhnen. Tatsächlich gelang es ihm, eine indische Massenbewegung hervorzurufen. Das indische Volk verehrte Gandhi und nannte ihn „Mahatma“ (Sanskrit: „dessen Seele groß ist“).

Als es Anfang April 1919 bei von ihm ausgelösten Demonstrationen vereinzelt zu Gewalttätigkeiten kam, sagte Gandhi weitere Aktionen ab und fastete, um zu büßen, aber trotz seiner Warnungen versammelten sich am 13. April 1919 Tausende von Anhängern in Amritsar. Britische Truppen beschossen die unbewaffnete Versammlung und töteten nach offiziellen Angaben 379 Menschen („Blutbad von Amritsar“).

Gandhi begann im Herbst 1920 durch das Land zu reisen und zum Boykott der Kolonialeinrichtungen aufzurufen. Gegen das britische Textilmonopol richtete sich die „Handspinn-Bewegung“:

Obwohl oder gerade weil manuelle Arbeiten eigentlich den niedrigen Kasten vorbehalten waren, wurde mit der Hand gesponnener und gewebter Baumwollstoff zum Symbol der indischen Nationalbewegung. Als am 4. Februar 1922 in einem nordindischen Dorf 22 Polizisten ermordet wurden, brach Gandhi seinen Feldzug zwar sofort ab, aber er wurde am 10. März verhaftet und zu sechs Jahren Haft verurteilt. Knapp zwei Jahre seiner Strafe musste er verbüßen, dann wurde er begnadigt und am 4. Februar 1924 aus dem Gefängnis entlassen.

Als die Briten sich weigerten, Indien wenigstens den Status eines Dominions zuzugestehen, beschloss die Kongresspartei (Indian National Congress), einen neuen Protestfeldzug durchzuführen und beauftragte Gandhi damit: Am 26. Januar 1930 verlas er ein Manifest mit den Forderungen – der Tag gilt im modernen Indien als Nationalfeiertag –, und am 12. März 1930 brach er mit einigen Begleitern auf, um am Ufer des Arabischen Meeres Salzkristalle aufzulesen, also symbolisch das britische Salzmonopol zu brechen und gegen die 1923 verdoppelte Salzsteuer zu protestieren („Salzmarsch“). Am 4. Mai 1930 wurde Gandhi erneut verhaftet.

Am 25. Januar 1931 ließen ihn die Briten frei, weil sie nach dem Scheitern einer Konferenz mit indischen Politikern in London (12. November 1930 – 19. Januar 1931) einen geeigneten Verhandlungspartner suchten. Am 5. März 1931 verständigten sich Gandhi und Vizekönig Edward Frederick Lindley Wood, Lord Irwin, der spätere Earl of Halifax (1881 – 1959), auf ein englisch-indisches Zusammenspiel. Der Indian National Congress bestätigte die Abmachungen und beauftragte Gandhi, zu den vorgesehenen Verhandlungen nach London zu reisen.

Vom 7. September bis zum 1. Dezember 1931 wurde in London konferiert. Gandhi weigerte sich, einen westlichen Anzug zu tragen und erschien im gewohnten Lendentuch. Um keine Rangordnung der Teilnehmer aufstellen zu müssen, wurde an runden Tischen Platz genommen. Die Briten waren mittlerweile bereit, Indien als Dominion anzuerkennen, aber Gandhi bestand auf der vollen Unabhängigkeit seines Landes. Da keine der Parteien nachgab, kehrte Gandhi mit leeren Händen zurück.

Als wieder Unruhen in Indien aufflackerten, wurde Gandhi am 3. Januar 1932 abermals inhaftiert. Im Gefängnis demonstrierte er mit Hungerstreiks für seine Auffassung, dass den Parias Bürgerrechte zugestanden werden sollten (20. – 26. September 1932; 8. – 29. Mai 1933). Um Schlimmeres zu verhindern, wurde er am 29. Mai 1933 aus der Haft entlassen.

Weil Gandhi einen japanischen Angriff auf die Briten in Indien befürchtete, forderte er am 8. August 1942 die Kolonialmacht auf, sofort alle ihre Truppen abzuziehen. Erneut sperrten ihn die Briten ein (8. August 1942 – 5. Mai 1944). Ohne seine besonnene Führung entlud sich die aufgestaute Wut in Sabotageakten und Guerillakämpfen, die mehr als tausend Tote forderten.


Die Briten sahen sich schließlich gezwungen, den indischen Subkontinent politisch zu teilen und am 15. August 1947 zwei Staaten als autonome Dominions anzuerkennen: die religiös nicht gebundene, aber mehrheitlich hinduistische Indische Union und die muslimische Republik Pakistan.

Während in den Hauptstädten Delhi und Karatschi noch gefeiert wurde, metzelten sich Hindus und Muslime gegenseitig nieder. Als Gandhi trotzdem fortfuhr, sich für eine Aussöhnung zwischen den Bevölkerungsgruppen einzusetzen, wurde am 20. Januar 1948 ein Bombenanschlag auf sein Haus verübt, und zehn Tage später erschoss ein fanatischer Hindu Gandhi in dessen Garten. Hunderttausende sahen zu, als seine Leiche am 11. Februar verbrannt und die Asche am folgenden Tag in den Ganges gestreut wurde.

Literatur über Mahatma Gandhi

  • Susmita Arp: Gandhi (Rowohlt Monografie)
  • Matthias Eberling: Mahatma Gandhi (Frankfurt/M 2006)
  • Thomas Friedrich: Mahatma Gandhi und die heilpädagogische Frage. Eine autobiographische Untersuchung (Oldenburg 2008)
  • Albrecht Hagemann: Mahatma Gandhi (München 2008)
  • Katrin Hahnemann: Mahatma Gandhi. Wer ist das? (illustriert von Uwe Mayer,
    Berlin 2008)

© Dieter Wunderlich 2008

Richard Attenborough: Gandhi

Valery Tscheplanowa - Das Pferd im Brunnen
In ihrem autofiktionalen Generationenroman "Das Pferd im Brunnen" entwickelt Valery Tscheplanowa keine stringente chronologische Geschichte, sondern reiht Miniaturen aneinander. Und sie verzichtet darauf, die Zusammenhänge deutlich einzuordnen. Ihr geht es mehr um Impressionen, Atmosphäre und Poesie.
Das Pferd im Brunnen

 

(Startseite)

 

Nobelpreis für Literatur

 

Literaturagenturen

 

Mehr als zwei Jahrzehnte lang las ich rund zehn Romane pro Monat und stellte sie dann mit Inhaltsangaben und Kommentaren auf dieser Website vor. Zuletzt dauerte es schon zehn Tage und mehr, bis ich ein neues Buch ausgelesen hatte, und die Zeitspanne wird sich noch verlängern: Aus familiären Gründen werde ich das Lesen und die Kommunikation über Belletristik deutlich reduzieren.